BVerfGE 36, 342 - Niedersächsisches Landesbesoldungsgesetz
1. Liegen die Voraussetzungen einer Vorlage sowohl nach Art. 100 Abs. 1 GG als nach Art. 100 Abs. 3 vor, so hat das Landesverfassungsgericht die Freiheit der Wahl, welchen Weg es einschlagen will.
2. Auch im Vorlageverfahren nach Art. 100 Abs. 3 GG gilt die Verfahrensvoraussetzung, daß für die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts die beantragte Auslegung der Vorschrift des Grundgesetzes entscheidungserheblich sein muß.
3. Das Bundesverfassungsgericht hat im Verfahren nach Art. 100 Abs. 3 GG nicht nachzuprüfen, ob die Vorlage eines Landesgerichts an das Landesverfassungsgericht etwa unzulässig ist.
4. Die Länder sind, soweit nicht das Grundgesetz in Art. 28 Abs. 1 und 2 oder in anderen Vorschriften für bestimmte Tatbestände etwas anderes vorschreibt, frei in der Ausgestaltung ihrer Verfassung. Soweit danach das Grundgesetz die Freiheit gibt, daß der Gliedstaat in seine Verfassung eine Bestimmung aufnehmen kann, unterscheide sie sich von einer Regelung des Grundgesetzes oder stimme sie mit ihr überein, kann Art. 31 GG nicht die Kraft haben, diese landesverfassungsrechtliche Vorschrift zu "brechen".
5. Bundesverfassungsrecht bricht inhaltsgleiches Landesverfassungsrecht nicht.
 
Beschluß
des Zweiten Senats vom 29. Januar 1974
- 2 BvN 1/69 -
in dem Verfahren über betreffend die verfassungsrechtliche Frage, ob Art. 31 GG dahin auszulegen ist, daß, von Art. 142 GG abgesehen, auch mit dem Bundesrecht übereinstimmendes Landesrecht unwirksam ist oder bei späterem Erlaß nicht wirksam werden kann - Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 18. Juli 1969 (StGH 1/68) -.
Entscheidungsformel:
Der Grundsatz des Artikels 31 des Grundgesetzes berührt nicht die Geltung einer Norm der Landesverfassung, die mit einer Bestimmung des Grundgesetzes inhaltlich übereinstimmt.
 
Gründe:
 
A. - I.
In einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig hat ein Regierungsoberamtmann auf eine Stellenzulage gemäß § 21 Abs. 2 des niedersächsischen Landesbesoldungsgesetzes in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Landesbesoldungsgesetzes vom 22. März 1965 - GVBl. S. 15 - (LBesG) für die Zeit nach dem 31. Dezember 1966 geklagt. Der Klage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger war seit 1953 Regierungsamtmann (Besoldungsgruppe A 11) und bearbeitete als solcher seit 1957 das Besoldungsdezernat des Präsidenten des niedersächsischen Verwaltungsbezirks Braunschweig. Im Zuge der gemäß § 24 a LBesG durchzuführenden Dienstpostenbewertung wies der Stellenverteilungsplan für den von ihm wahrgenommenen Dienstposten (Besoldungsdezernat) mit Wirkung vom 1. Januar 1965 eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 13 aus. Dementsprechend wurde er mit Wirkung vom 1. Januar 1965 zunächst zum Regierungsoberamtmann befördert; außerdem erhielt er gemäß § 21 Abs. 2 LBesG ab 1. Januar 1966 "für die Dauer des Weiterbestehens der Voraussetzungen eine widerrufliche, nicht ruhegehaltfähige Stellenzulage in Höhe der Differenz zwischen dem Grundgehalt der BesGr. A 12 und der BesGr. A 13".
Am 29. Juni 1966 faßte der Haushalts- und Finanzausschuß des Landtages einen "Grundsatzbeschluß Nr. 2", wonach bei der Anpassung der Stellenpläne an die Dienstpostenbewertung keine Stelle um mehr als eine Besoldungsgruppe gehoben werden soll. Daraufhin wurde die Stelle des Klägers mit Wirkung vom 31. Dezember 1966 in eine Stelle der BesGr. A 12 umgewandelt. Seitdem entfiel die Stellenzulage, deren Fortzahlung mit der Klage begehrt wird. Nachdem für das Rechnungsjahr 1968 die Planstelle für das Besoldungsdezernat wieder in eine Stelle der BesGr. A 13 gehoben worden war, wurde der Kläger mit Ernennungsurkunde vom 6. November 1968 zum Verwaltungsrat ernannt und mit Wirkung vom 1. Oktober 1968 in die Planstelle der BesGr. A 13 eingewiesen. Zugleich wurde ihm für die Zeit ab 1. Januar 1968 bis zum 30. September 1968 gemäß § 21 Abs. 2 LBesG eine Stellenzulage in Höhe der Differenz des Grundgehaltes zwischen BesGr. A 12 und BesGr. A 13 bewilligt. Streitig ist also im anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur noch die Stellenzulage für die Zeit vom 1. Januar 1967 bis zum 31. Dezember 1967.
II.
Das Verwaltungsgericht Braunschweig hält "den in § 1 Haushaltsfeststellungsgesetz 1967 vom 28. Dezember 1966 (GVBl. S. 273) als Teil des Haushaltsplans festgestellten Stellenplan für ungültig, soweit er, entsprechend dem Grundsatzbeschluß Nr. 2 des Ausschusses für Haushalt und Finanzen des Niedersächsischen Landtages vom 29. Juni 1966, für bestimmte Dienstposten der niedersächsischen Landesverwaltung Planstellen einer von den Ergebnissen der Dienstpostenbewertung abweichenden Besoldungsgruppe ausweist. Insoweit ist der Stellenplan mit Art. 46 Abs. 2 der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung nicht vereinbar."
Art. 46 Abs. 2 nds. Verf. stimmt wörtlich mit Art. 33 Abs. 5 GG überein:
    Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln.
Das Verwaltungsgericht meint: Grund für die Entziehung der Stellenzulage des Klägers sei die Rückstufung seiner Stelle im Haushalt 1967 von BesGr. A 13 nach BesGr. A 12 gewesen. Diese Rückstufung im Widerspruch zum Ergebnis der Dienstpostenbewertung, die auf Einstufung in BesGr. A 13 lautete, sei unvereinbar mit dem hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums, wonach die Besoldung die angemessene Alimentierung des Beamten und seiner Familie sicherstellen müsse. Angemessen sei sie jedoch nur, wenn sie Rechnung trage sowohl dem Gesichtspunkt der Alimentation als auch dem Gesichtspunkt des Leistungsentgeltes, also "der Stellung des Beamten innerhalb der durch die Laufbahngruppen und die in ihnen zusammengefaßten Ämter gegliederten Beamtenorganisation (Dienstrang, Amt) und der Eigenart der ihm übertragenen Aufgaben (Dienstposten)". Das nach diesen Grundsätzen bemessene Entgelt des Beamten müsse mithin sowohl "standesgemäß als auch anforderungsgerecht" sein. Gerade deshalb habe das niedersächsische Besoldungsgesetz die Bewertung eines jeden Dienstpostens zur Pflicht gemacht und die Aufstellung eines Dienstpostenbewertungsplans für jede niedersächsische Behörde gefordert. Die Bewertung der Dienstposten verändere zwar nicht die Grundlagen der Besoldungsregelung, führe aber dazu, daß die Beamten des Landes eine der bestehenden Besoldungsregelung entsprechende Besoldung erhalten. "Der in den Bestimmungen des Besoldungsrechts, der Besoldungsordnung und dem Ergebnis der Bewertung des versehenen Dienstpostens konkretisierte Besoldungsanspruch des einzelnen Beamten" binde den niedersächsischen Haushaltsgesetzgeber bei der Gestaltung des Stellenplans. Damit werde nicht in das Budgetrecht des Parlaments eingegriffen, denn der so umschriebene Besoldungsanspruch des Beamten gehöre zu denjenigen "gesetzlichen und vertraglichen Zahlungspflichten", durch die der überwiegende Teil des Haushaltsvolumens gebunden werde. Indem der Haushaltsgesetzgeber die nach dem Dienstpostenbewertungsplan zutreffende Einstufung des vom Kläger wahrgenommenen Amtes in die BesGr. A 13 verändert und nach BesGr. A 12 gebracht habe, habe er von dem ihm im Bereich der Stellenplanung zustehenden Ermessen in verfassungsrechtlich nicht zulässiger Weise Gebrauch gemacht und Art. 46 Abs. 2 nds. Verf. verletzt. Weder fiskalische noch beamtenpolitische Erwägungen könnten daran etwas ändern: Zwar könne die Besoldung der Beamtenschaft aus Notwendigkeiten der begrenzten Finanzkraft des Landes gekürzt werden. Aber dies nur unter Beachtung des Gebots der Gleichbehandlung aller Beamten, also nicht zum Nachteil einzelner bestimmter Beamten. Mit der Beseitigung der sog. "Doppelhebungen" im Stellenplan 1967 würden aber gerade faktisch die individuellen Besoldungsansprüche einzelner Beamter gemindert, ohne daß diese Maßnahme erkennbar auf einer wirtschaftlich bedingten allgemeinen Neueinschätzung der Grenze standesgemäßer Besoldung beruhe. Auch eine Beseitigung der "Doppelhebungen" aus "Sorge um den organischen Aufbau der Beamtenschaft" und zur Verhinderung eines zu schnellen Aufsteigens der durch sie begünstigten Beamten in die Beförderungsämter ihrer Laufbahngruppe sei unvereinbar mit dem Gedanken der verfassungsrechtlich gebotenen angemessenen Besoldung und mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Beamter.
Dementsprechend möchte das Verwaltungsgericht der Klage stattgeben. Es könne aber die Unvereinbarkeit des Stellenplans 1967, soweit er die Planstelle des Klägers betrifft, mit der Verfassung nicht selbst feststellen. Deshalb sei die Vorlage an den Niedersächsischen Staatsgerichtshof geboten, der - jedenfalls neben dem Bundesverfassungsgericht - zuständig sei, weil es um die Vereinbarkeit einer landesgesetzlichen Norm mit einer Norm der Landesverfassung gehe, die textlich und - im Hinblick auf den Rahmen des Beamten- und Besoldungsrechts des Bundes - inhaltlich mit einer Norm des Grundgesetzes übereinstimme.
III.
Der Niedersächsische Staatsgerichtshof hat seinerseits das Vorlageverfahren ausgesetzt und beschlossen:
    Es soll die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt werden, ob Art. 31 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland dahin auszulegen ist, daß, von Art. 142 GG abgesehen, auch mit dem Bundesrecht übereinstimmendes Landesrecht unwirksam ist oder bei späterem Erlaß nicht wirksam werden kann.
Zur Begründung wird ausgeführt:
Die Vorlage beim Niedersächsischen Staatsgerichtshof sei nur zulässig, wenn die Verletzung einer Norm der Landesverfassung in Frage stehe. Hier handle es sich um eine Vorschrift, die mit gleichem Wortlaut sowohl im Grundgesetz als auch in der Landesverfassung enthalten sei. Nur wenn beide Normen nebeneinander in Geltung ständen, könne die in der Vorlage angegriffene landesgesetzliche Regelung an Art. 46 Abs. 2 nds. Verf. gemessen werden. Es komme also darauf an, ob im vorliegenden Fall Art. 31 GG - Bundesrecht bricht Landesrecht - durchgreife.
Art. 31 GG sei dem Art. 13 Abs. 1 WRV nachgebildet. Art. 13 Abs. 1 WRV sei nach durchaus herrschender Meinung dahin verstanden worden, daß Reichsrecht auch inhaltsgleiches, nicht bloß widersprechendes Landesrecht verdränge.
Diese Meinung habe sich auch im Parlamentarischen Rat durchgesetzt: Dies ergebe sich insbesondere aus dem Bericht des Abgeordneten v. Brentano über die Beratungen des Fünfer-Ausschusses in der 51. Sitzung des Hauptausschusses vom 11. Februar 1949 (StenBer. S. 673) und noch deutlicher aus dem schriftlichen Bericht desselben Abgeordneten an das Plenum des Parlamentarischen Rats zum XI. Abschnitt des Grundgesetzes (Anlage zum Stenografischen Bericht über die 9. Sitzung des Parlamentarischen Rats, S. 78), wo ausgeführt sei: Weil Art. 31 GG auch inhaltsgleiches Landesrecht breche, müsse, wenn für die Grundrechte etwas anderes gelten solle, vor allem um Raum für eine eigene Verfassungsbeschwerde an den Bayerischen Verfassungsgerichtshof zu bieten, insoweit durch Art. 142 GG eine Ausnahmebestimmung geschaffen werden. Ebenso unmißverständlich sei der objektiv in diesem Artikel zum Ausdruck gelangte Sinn: Art. 142 GG lasse klar erkennen, daß er im Wege einer Ausnahmeregelung für die Grundrechte, und nur für diese, den sonst durch Art. 31 GG statuierten Grundsatz durchbrechen will, daß Bundesrecht auch inhaltsgleiches Landesrecht "bricht". Davon gehe auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und einer Reihe von Landesstaatsgerichtshöfen aus. Der niedersächsische Landesgesetzgeber scheine ebenfalls diese Auffassung zu vertreten, wenn er in das niedersächsische Wassergesetz vom 7. Juli 1960 (GVBl. S. 105) Vorschriften aus dem Wasserhaushaltsgesetz des Bundes unverändert übernommen und gleichzeitig in § 147 Abs. 1 des Gesetzes bestimmt habe, daß diese Vorschriften "einheitlich und unmittelbar als Bundesrecht gelten", und in § 147 Abs. 2 den Minister ermächtige, bei einer Änderung der bundesrechtlichen Vorschriften die Neufassung ohne weiteres im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt bekanntzumachen. Die gegenteilige Auffassung vertrete der Bayerische Verfassungsgerichtshof (Verwaltungsrechtsprechung 2, 396 ff. [400]; BayVBl. 1958, S. 145) und der nordrhein-westfälische Verfassungsgerichtshof (OVGE 16, 315 ff. [317]). Die Literatur zu dieser Frage sei kontrovers; es überwiege aber die Meinung, daß Bundesrecht auch inhaltsgleiches Landesrecht verdränge. Der Niedersächsische Staatsgerichtshof halte in "Anknüpfung an die unter der Weimarer Reichsverfassung herrschende Lehre, angesichts der eindeutigen Regelung in den Artikeln 31 und 142 GG und in Würdigung der Entstehungsgeschichte dieser beiden Bestimmungen nur die Auffassung für vertretbar, die dem Landesrecht, das mit bundesrechtlichen Normen identisch ist, die rechtliche Wirksamkeit abspricht, soweit nicht die Ausnahmevorschrift des Art. 142 GG Platz greift".
Die Ausnahmeregelung des Art. 142 GG greife hier nicht durch: Zwar könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und insbesondere nach der Ergänzung des Grundgesetzes durch das 19. Änderungsgesetz vom 29. Januar 1969, durch das Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a eingefügt wurde, nicht mehr in Zweifel gezogen werden, daß auch die dort genannten "Grundrechte", die nicht im I. Abschnitt des Grundgesetzes enthalten sind, von der Regelung des Art. 142 GG erfaßt werden, soweit sie subjektive Berechtigungen enthalten. Ob das allerdings auch für Art. 33 Abs. 5 GG gelte, könne zweifelhaft sein, da die den Beamten danach verfassungskräftig gewährleisteten Individualrechte in ihrem besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis wurzeln, also keine Verbürgungen im Verhältnis des Individuums oder des Bürgers zum Staat, keine "Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat" und jedenfalls keine Grundrechte im Sinne des historischen und auch heute herrschenden Grundrechtsverständnisses seien. Dies könne jedoch dahingestellt bleiben, weil jedenfalls Art. 46 Abs. 2 nds. Verf. keine subjektiven Berechtigungen des Beamten enthalte. Der eindeutige, auch durch die Entstehungsgeschichte belegbare Gedanke der Landesverfassung sei, lediglich ein staatsrechtliches Organisationsstatut darzustellen und Grundrechte oder grundrechtsähnliche Berechtigungen nicht aufzunehmen. Art. 46 Abs. 2 nds. Verf. sei also ausschließlich als eine Strukturnorm gedacht. Subjektive Berechtigungen stünden den Beamten in Niedersachsen nur kraft des Art. 33 Abs. 5 GG zu. Das werde überdies durch die Überlegung gestützt, daß der Bund die Rahmengesetzgebung für das Landesbeamten- und Landesrichterrecht besitze und davon im Beamtenrechtsrahmengesetz, im Bundesbesoldungsgesetz und Bundespersonalvertretungsgesetz sowie im Richtergesetz Gebrauch gemacht habe. In diesen Rahmengesetzen schlage sich nieder, was die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums ausmache. Tauche also die Frage auf, ob ein niedersächsisches Gesetz zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums in Widerspruch stehe, so sei das Gesetz zunächst jedenfalls an den rahmengesetzlichen Bestimmungen des Bundes zu messen, wofür nach Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG allein das Bundesverfassungsgericht zuständig sei. Es sei "nicht zu erkennen, wie es daneben noch für ein niedersächsisches Landesgesetz den unmittelbaren Rückgriff auf die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums sollte geben können, für den das Bundesverfassungsgericht nicht ohnehin schon den Vorrang" hätte.
Nach alledem sei die Zuständigkeit des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs für die vom Verwaltungsgericht Braunschweig begehrte Entscheidung davon abhängig, ob allgemein Landesrecht neben inhaltsgleichem Bundesrecht rechtlich wirksam ist. Der Staatsgerichtshof verneine das. Damit würde er jedoch bei der Auslegung des Grundgesetzes von Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofs abweichen. Infolgedessen sei er gemäß Art. 100 Abs. 3 GG gehalten, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
IV.
Für die Bundesregierung hat sich der Bundesminister des Innern wie folgt geäußert:
1. Art. 33 Abs. 5 GG wolle die Einrichtung des Berufsbeamtentums im Interesse der Allgemeinheit erhalten, nicht aber in erster Linie subjektive Rechte des Beamten schützen. Auch die aus Art. 33 Abs. 5 GG abgeleitete Einräumung grundrechtsähnlicher Individualrechte zur Durchsetzung eines angemessenen Lebensunterhalts des einzelnen Beamten solle vor allem dem (objektiven) Schutz der staatlichen Institution des Berufsbeamtentums dienen. Die durch Art. 33 Abs. 5 GG mitgewährleisteten grundrechtsähnlichen Individualrechte des Beamten seien also keine Grundrechte im Sinne des historischen und noch heute herrschenden Grundrechtsverständnisses und fielen deshalb auch nicht unter die Ausnahmeregelung des Art. 142 GG. Entsprechendes gelte für die inhaltsgleiche Regelung des Art. 46 Abs. 2 nds. Verf. Infolgedessen gehe es in der vorliegenden Verfassungsstreitigkeit nicht um eine durch Art. 142 GG lösbare Kollision von Bundes- und Landesgrundrechten, sondern von Bundesrecht und Landesrecht außerhalb des Grundrechtsbereichs, für deren Behandlung allein Art. 31 GG einschlägig sei. Die Zuständigkeit des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs im vorliegenden Fall hänge demnach davon ab, ob allgemein Landesrecht neben inhaltsgleichem Bundesrecht rechtlich wirksam sei. Die Vorlagefrage des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs sei also nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 100 Abs. 3 GG entscheidungserheblich.
2. Unter der Geltung des Art. 13 Abs. 1 WRV sei übereinstimmend angenommen worden, daß Reichsrecht auch gleichlautendes Landesrecht breche. Da die Frage auch für Art. 31 GG umstritten sei, bedürfe es eines näheren Eingehens auf die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. In der 6. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rats habe zunächst Einmütigkeit bestanden, daß Bundesrecht nur entgegenstehendes Landesrecht breche. In der 48. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rats seien jedoch Bedenken geltend gemacht und die Frage deshalb dem Fünfer-Ausschuß überwiesen worden. In ihm habe sich die Auffassung durchgesetzt, die in der Weimarer Zeit für die Auslegung des Art. 13 Abs. 1 WRV herrschend war. Deshalb habe der Fünfer-Ausschuß vorgeschlagen, zur Klarstellung eine Vorschrift in das Grundgesetz aufzunehmen, nach der Grundrechte in den Landesverfassungen, die inhaltlich mit den Grundrechten des Grundgesetzes übereinstimmen, bei Bestand bleiben sollen. Dementsprechend habe der Abgeordnete v. Brentano in seinem schriftlichen Bericht wörtlich ausgeführt: "Landesgesetze, die mit dem Bundesgesetz inhaltlich übereinstimmen, verfallen der Aufhebung nicht minder als solche, welche dem Bundesgesetz widersprechen"; die Einfügung des Art. 142 GG sei die Konsequenz des Wunsches gewesen, trotz der Bestimmung des Art. 31 GG die bayerische Verfassungsbeschwerde zu erhalten. Aus dieser Entstehungsgeschichte folge, daß gemäß Art. 31 GG durch Bundesrecht auch das gleichlautende Landesrecht gebrochen werde. Dasselbe ergebe sich aus einer Interpretation des Art. 31 GG nach Wortlaut und Sinnzusammenhang: Die harte Formulierung "Bundesrecht bricht Landesrecht" nötige zu der Annahme, daß Bundesrecht konkurrierendes Landesrecht uneingeschränkt seiner Wirksamkeit beraube. Hätte der Grundgesetzgeber das nicht gewollt, so hätte er sich einer milderen Ausdrucksweise bedient, etwa der Formel, daß Bundesrecht dem Landesrecht "vorgehe". Aus dem Sinnzusammenhang ergebe sich: Art. 31 GG sei eine der wesentlichen Konkretisierungen des bundesstaatlichen Prinzips, dem es entspreche, daß der Bund den Ländern prinzipiell übergeordnet sei. Aus dieser prinzipiellen Überordnung des Bundes gegenüber der Landesstaatsgewalt folge, daß, soweit im Grundgesetz nicht ausdrücklich etwas Gegenteiliges bestimmt worden sei, Bundesrecht allen, also auch inhaltsgleichen landesrechtlichen Normen vorgehe. Demgegenüber könne nicht die betont föderalistische Struktur des Grundgesetzes ins Feld geführt werden; denn der Kernbestand der eigenstaatlichen Rechtsordnung der Länder werde durch den Vorrang des Bundesrechts gegenüber inhaltsgleichem Landesrecht nicht gefährdet.
Daß nach Art. 31 GG auch gleichlautendes Landesrecht vom Bundesrecht verdrängt werde, ergebe sich schließlich aus der Ausnahmeregelung des Art. 142 GG, der sinnlos wäre, wenn gleichlautendes Landesrecht gemäß Art. 31 GG ohnehin bei Bestand bliebe. Einer Verfassungsbestimmung dürfe nicht unterstellt werden, ihr wohne lediglich ein erläuternder oder bestätigender Charakter inne. Der Ausnahmecharakter des Art. 142 GG ergebe sich zudem daraus, daß er in den "Übergangs- und Schlußbestimmungen" des Grundgesetzes untergebracht wurde.
Schließlich folge die von der Bundesregierung vertretene Interpretation des Art. 31 GG aus der Regelung über die Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeit in den Art. 71 ff. GG: Insbesondere im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung gehe das Grundgesetz vom Vorrang des Bundesgesetzgebers vor dem Landesgesetzgeber aus (Art. 72 Abs. 1 GG) und mit dem Tätigwerden des Bundesgesetzgebers trete für den Landesgesetzgeber eine Sperre ein. Gleichgültig, ob man annehme, das kompetenzwidrig erlassene Landesgesetz sei automatisch wirkungslos, also ohne daß diese Wirkung infolge der speziellen Regelung des Art. 31 GG eintritt, oder ob man davon ausgehe, diese Wirkung trete aufgrund der Regelung des Art. 31 GG ein, in jedem Falle lasse sich daraus ableiten, daß gemäß Art. 31 GG auch übereinstimmendes Landesrecht durch Bundesrecht gebrochen werde: Denn im ersten Falle ergebe sich aus der "Einheit der Verfassung": Wenn im Bereich der Gesetzgebungskonkurrenz auch gleichlautendes Landesrecht nichtig, also wirkungslos sei, die Frage also ausdrücklich zugunsten des Bundesrechts entschieden sei, dann könne nicht angenommen werden, daß für die Anwendung des Art. 31 GG etwas anderes gelten solle; bei der zweiten Auffassung, nach der die Nichtigkeit des kompetenzwidrig erlassenen - auch des mit Bundesrecht übereinstimmenden - Landesrechts sich erst aufgrund des Art. 31 GG ergeben soll, werde logischerweise vorausgesetzt, daß Art. 31 GG die Wirkung habe, auch mit Bundesrecht übereinstimmendes Landesrecht zu verdrängen.
Abschließend wird darauf hingewiesen, daß es verfassungsrechtlich unerwünscht wäre, daß in Fällen der hier vorliegenden Art sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch ein Landesverfassungsgericht Zuständigkeit gewänne, über dieselbe Frage zu judizieren. Das vertrage sich weder mit dem Gesichtspunkt der Prozeßökonomie noch mit dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit.
Deshalb sei die vorgelegte Frage dahin zu entscheiden, daß - von Art. 142 GG abgesehen - auch mit dem Bundesrecht übereinstimmendes Landesrecht unwirksam ist oder bei späterem Erlaß nicht wirksam werden kann.
V.
1. Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen hat sich wie folgt geäußert:
Er halte an seiner in der Entscheidung vom 19. November 1960 (OVGE 16, 315 [317]) enthaltenen Rechtsauffassung fest, wonach Landesverfassungsrecht neben gleichlautendem Bundesrecht fortbesteht und neu geschaffen werden kann. Er schließe sich insoweit einer in der Literatur zu Art. 13 Abs. 1 WRV, zu Art. 31 GG und zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen vertretenen Auffassung an. Er werde darin bestärkt durch die Tendenz, Landeszuständigkeiten in immer größerem Umfang zugunsten des Bundes abzubauen und damit entgegen der betont föderalistischen Struktur des Grundgesetzes die Eigenstaatlichkeit der Länder zunehmend einzuschränken. Dieser Entwicklung gegenüber bedürfe es einer nachdrücklichen Betonung, daß die Verfassungsräume des Bundes und der Länder grundsätzlich nebeneinander stehen. Das spreche für die Geltung des Landesverfassungsrechts, soweit es mit Bundesrecht nicht unvereinbar sei. Die Verfassungssysteme der Länder bedürften zudem eines Mindestmaßes an Abrundung, um in sich verständlich und funktionsfähig zu sein. Sie müßten deshalb auch Materien regeln können ohne Rücksicht darauf, ob der Bund auf diesen Gebieten bereits gleichlautende Normen geschaffen habe oder später schaffe. Schließlich spreche der Wortlaut des Art. 31 GG mehr für diese Auffassung; "brechen" habe gemeinhin die Bedeutung von verletzen oder Widerstand überwinden. Davon könne gegenüber gleichlautendem Landesrecht nicht die Rede sein.
2. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat sich in zwei Beschlüssen - in verschiedener Besetzung entsprechend seiner Gerichtsverfassung - zur Vorlagefrage des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs wie folgt geäußert:
Art. 31 GG breche Landesrecht, das zu Bundesrecht in Widerspruch stehe, aber Landesrecht, das mit Bundesrecht inhaltlich übereinstimme, gelte neben ihm weiter.
In seiner Entscheidung vom 21. März 1958 (BayVBl. 1958, 144) habe er entschieden, daß Art. 142 Abs. 1 bayVerf. neben Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 1 WRV weitergelte, obwohl er kein Grundrecht verbürge, und Art. 142 GG deshalb nicht unmittelbar angewendet werden könne. Ebenso gehe der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß Art. 95 Abs. 1 Satz 2 bayVerf., der zwar nicht mit dem Art. 33 Abs. 5 GG wörtlich übereinstimme, aber inhaltlich ihm teilweise entspreche, neben ihm weitergelte. Auch andere Normen der bayerischen Verfassung, die keine Grundrechte gewährleisten, habe der Verfassungsgerichtshof neben gleichlautenden Vorschriften des Grundgesetzes für wirksam gehalten.
Weder aus der Auslegung des Art. 13 WRV, die bis zuletzt kontrovers geblieben sei, noch aus der Entstehungsgeschichte des Art. 31 GG lasse sich etwas für die Auslegung dieser Vorschrift gewinnen. Der Verfassungsgerichtshof schließe sich den nach seiner Überzeugung besseren Gründen jener zahlreichen Autoren an, die die Auffassung vertreten, daß nach Art. 31 GG mit Bundesrecht übereinstimmendes Landesverfassungsrecht Bestand habe. Nach seiner Überzeugung komme bei der Auslegung des Art. 31 GG dem föderalistischen Prinzip entscheidende Bedeutung zu. Es müsse den Ländern, die sich zur Bundesrepublik Deutschland zusammengeschlossen haben, unbenommen bleiben, in ihren Verfassungen auf Grundfragen ihres staatlichen Lebens einzugehen und sie parallel oder ergänzend zum Bundesrecht zu regeln.
VI.
Der Kläger im Ausgangsverfahren hält Art. 46 Abs. 2 nds. Verf. für gültig.
Er meint, ebenso wie Art. 33 Abs. 5 GG, mit dem Art. 46 Abs. 2 nds. Verf. übereinstimme, gewähre auch diese Vorschrift ein grundrechtsähnliches Recht, auf das sich die Sonderregelung des Art. 142 GG erstrecke, nachdem das Bundesverfassungsgericht alle grundrechtsgleichen Rechte, auch die nicht im I. Abschnitt des Grundgesetzes enthalten sind, jener Ausnahmeregelung des Art. 142 GG unterworfen habe. Die Auslegung, nach Art. 31 GG breche Bundesrecht nur entgegenstehendes Landesrecht, lasse aber übereinstimmendes Landesrecht in Geltung, sei vor allem deshalb geboten, weil der "Verfassungsbestand der Länder" bereits so eingeschränkt sei, daß der "Rest" gewahrt werden müsse, soweit das nur eben vertretbar erscheint.
 
B.
Die Vorlage des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs ist zulässig.
1. Der Niedersächsische Staatsgerichtshof hat gemäß Art. 100 Abs. 3 GG vorgelegt. Das ist unbedenklich. Zwar hätte der Staatsgerichtshof im vorliegenden Falle auch nach Art. 100 Abs. 1 GG vorlegen können, weil er Art. 46 Abs. 2 nds. Verf. nach dem Satz "Bundesrecht bricht Landesrecht" (Art. 31 GG) für verfassungswidrig und nichtig hält. Absatz 1 und Absatz 3 des Artikels 100 GG stehen zueinander nicht im Verhältnis einer lex specialis zur lex generalis (oder umgekehrt). Vielmehr hat in einem solchen Fall der Staatsgerichtshof die Freiheit der Wahl, welchen Weg er einschlagen will. In einem Fall zielt er auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die die Nichtigkeit einer Norm ausspricht, im anderen Fall geht es ihm um die authentische Auslegung einer Vorschrift des Grundgesetzes. Jeder der beiden Wege hat seine besonderen verfahrensrechtlichen Schwierigkeiten, die es im konkreten Fall nahelegen können, den einen Weg dem anderen vorzuziehen. Vor allem aber gebietet es die Rücksicht auf die Stellung eines Landesverfassungsgerichts, daß das Bundesverfassungsgericht dessen Entscheidung, den Weg des Art. 100 Abs. 1 GG oder den des Art. 100 Abs. 3 GG einzuschlagen, respektiert.
2. Der Vorlagebeschluß des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs ist in einem bei ihm anhängig gewordenen Vorlageverfahren ergangen, das ausgelöst wurde durch einen Vorlagebeschluß des Verwaltungsgerichts Braunschweig. Auch für das Verfahren nach Art. 100 Abs. 3 GG gilt die Verfahrensvoraussetzung, daß für die Entscheidung des Staatsgerichtshofs die beantragte Auslegung der Vorschrift des Grundgesetzes entscheidungserheblich sein muß. Sie wäre es offenbar nicht, wenn die Vorlage des Verwaltungsgerichts an den Landesstaatsgerichtshof (aus anderen Gründen als der vom Staatsgerichtshof angenommenen Nichtigkeit des Art. 46 Abs. 2 nds. Verf.) unzulässig wäre. Dies inzidenter nachzuprüfen, ist dem Bundesverfassungsgericht verwehrt; es hat vielmehr, wenn der Staatsgerichtshof im Wege einer Vorlage die Auslegung einer Vorschrift des Grundgesetzes gemäß Art. 100 Abs. 3 GG begehrt, von der Zulässigkeit der Vorlage an den Staatsgerichtshof auszugehen. Entscheidend dafür ist: Landesverfassungsgerichtsbarkeit und Bundesverfassungsgerichtsbarkeit vollziehen sich im Bundesstaat in grundsätzlich getrennten Räumen. Die Landesverfassungsgerichtsbarkeit darf von der Bundesverfassungsgerichtsbarkeit nicht in größere Abhängigkeit gebracht werden, als es nach dem Bundesverfassungsrecht unvermeidbar ist.
Ein Landesverfassungsgericht ist innerhalb der Verfassungsordnung des Landes ebenso ein oberstes Verfassungsorgan wie das Bundesverfassungsgericht innerhalb der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Es ist damit "Herr seiner Verfahren" ebenso wie das Bundesverfassungsgericht Herr der bei ihm anhängigen Verfahren ist. Es muß deshalb über die prozessuale Zulässigkeit seiner Verfahren bestimmen können, ohne vom Bundesverfassungsgericht korrigiert werden zu können. Will es, wie mit seiner Vorlage eindeutig wird, in dem bei ihm anhängigen Verfahren materiell entscheiden, dann darf ihm das das Bundesverfassungsgericht nicht dadurch unmöglich machen, daß es seine Vorlage als unzulässig behandelt, weil die Entscheidung auf die Vorlage nach der Überzeugung des Bundesverfassungsgerichts deshalb für den Staatsgerichtshof nicht entscheidungserheblich sein kann, weil das Vorlageverfahren beim Staatsgerichtshof seinerseits unzulässig ist. Vom Ergebnis her würde ein solcher "Durchgriff" des Bundesverfassungsgerichts den Staatsgerichtshof außerstande setzen, dem Verwaltungsgericht Braunschweig die nach Landesverfassungsrecht gebotene Voraussetzung für sein weiteres Judizieren im anhängigen Ausgangsverfahren zu schaffen.
3. Die vorgelegte Frage bedarf der Einschränkung. Im vorliegenden Fall kommt es nur darauf an, ob Art. 46 Abs. 2 nds. Verf., also Landesverfassungsrecht, das im Wortlaut mit Bundesverfassungsrecht (Art. 33 Abs. 5 GG) übereinstimmt, gemäß Art. 31 GG gebrochen wird oder neben Art. 33 Abs. 5 GG Bestand hat.
Mit dieser Einschränkung ist die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Frage deshalb zu bejahen, weil je nach der Auslegung des Art. 31 GG der Niedersächsische Staatsgerichtshof entweder nur auf Unzulässigkeit der bei ihm angebrachten Vorlage erkennen kann oder in seinem Verfahren materiell-rechtlich entscheiden muß. Dieser Unterschied begründet die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Frage für die Entscheidung im Verfahren vor dem Staatsgerichtshof.
4. Die Vorlage nach Art. 100 Abs. 3 GG ist nur zulässig, wenn sie nötig ist, weil das Bundesverfassungsgericht oder ein anderer oder mehrere andere Landesstaatsgerichtshöfe den Art. 31 GG anders ausgelegt haben, als der Niedersächsische Staatsgerichtshof ihn auslegen will, und zwar in bezug auf Normen, die nicht von der Regelung des Art. 142 GG erfaßt werden.
a) Das Bundesverfassungsgericht hat sich bisher ausdrücklich - d. h. unter Auseinandersetzung mit den Argumenten, die zur Auslegung des Art. 31 GG in der Literatur und Rechtsprechung vorgetragen werden - noch nicht geäußert, ob auch gleichlautendes oder inhaltsgleiches Landesrecht durch Bundesrecht gebrochen wird (vgl. jedoch BVerfGE 7, 77 [82]). Doch kommt es darauf nicht entscheidend an, weil jedenfalls die Rechtsprechung zweier Landesverfassungsgerichtshöfe zur Auslegung des Art. 31 GG dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof im Wege steht.
b) Die vom Niedersächsischen Staatsgerichtshof in Bezug genommene Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs für Nordrhein-Westfalen vom 19. November 1960 (OVGE 16, 315 [317]) betrifft die Vorlage eines Amtsgerichts in einem Verfahren, in dem § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz und Satz 3 1. Halbsatz des nordrhein-westfälischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vom 23. Juli 1957 entscheidungserheblich war. Diese Vorschrift hielt das Amtsgericht für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 3 der nordrheinwestfälischen Landesverfassung, der lautet: "Die Rechtsprechung wird durch unabhängige Richter ausgeübt." Der Verfassungsgerichtshof hielt die Vorlage für zulässig und entschied materiell, daß die als verfassungswidrig angegriffene gesetzliche Vorschrift mit Art. 3 Abs. 3 Landesverfassung vereinbar ist. Im Rahmen seiner Zulässigkeitsprüfung setzt sich der Verfassungsgerichtshof mit der Frage auseinander, ob Art. 3 Abs. 3 Landesverfassung als Prüfungsmaßstab ausscheidet, weil er inhaltlich mit Art. 97 GG übereinstimmt. Er kommt - ohne weitere Differenzierung - zu dem Ergebnis, daß in einem föderalistischen Staat mit Bundesrecht übereinstimmende Vorschriften des Landesrechts, also auch Vorschriften der Landesverfassung, die inhaltlich mit Vorschriften des Grundgesetzes übereinstimmen, gemäß Art. 31 GG nicht gebrochen werden. Er bezieht sich dabei auch auf die in der Literatur nach seiner Meinung überwiegende Rechtsauffassung und erörtert anschließend die darauf folgenden praktischen Konsequenzen, die in Kauf zu nehmen seien.
Die in dieser Begründung enthaltene Auslegung des Art. 31 GG (außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 142 GG!) war für die Entscheidung des Landesverfassungsgerichtshofs tragend. Von ihr möchte der Niedersächsische Staatsgerichtshof abweichen.
c) Aus der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs hat der Niedersächsische Staatsgerichtshof auf die Entscheidung vom 9. Juni 1950 (VerwRspr. 2, 396) verwiesen, von der er abweichen möchte. In diesem Verfassungsbeschwerde-Verfahren war Art. 86 Abs. 1 bayVerf. ("Ausnahmegerichte sind unstatthaft. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden"), der mit Art. 101 Abs. 1 GG übereinstimmt, Prüfungsmaßstab. Der Verfassungsgerichtshof erörtert in den Gründen seiner Entscheidung bei der Prüfung der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, ob Art. 86 Abs. 1 bayVerf. neben Art. 101 Abs. 1 GG Bestand hat und kommt unter Heranziehung der Entstehungsgeschichte und unter der Annahme, daß Art. 142 GG nur deklaratorischen Charakter hat, zu dem Ergebnis, daß nach Art. 31 GG Bundesrecht gleichlautendes Landesrecht nicht bricht. In dieser Entscheidung gehört die Auslegung des Art. 31 GG zu dem tragenden Teil der Begründung. Diese Entscheidung steht jedoch dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof nicht mehr im Wege, weil der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seiner Äußerung im Beschluß vom 26. Januar 1970, die er im gegenwärtigen Verfahren abgegeben hat, an jener Begründung nicht mehr festhält, sondern nunmehr die mittlerweile infolge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allgemein geteilte Auffassung vertritt, daß Art. 86 Abs. 1 bayVerf. als grundrechtsgleiche Rechtsgarantie aufgrund des Art. 142 GG Gültigkeit behält; daß es also auf die Auslegung des Art. 31 GG nicht mehr ankommt.
Dagegen ist die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 21. März 1958 (BayVBl. S. 144) hier von Bedeutung: In dem Verfahren ging es um die Vereinbarkeit einiger Vorschriften des bayerischen Kirchensteuergesetzes mit der bayerischen Verfassung; gerügt war Verletzung des Art. 142 Abs. 1 ("Es besteht keine Staatskirche"), des Art. 118 Abs. 1 (Gleichheitssatz) und des Art. 3 ("Bayern ist ein Rechts-, Kultur- und Sozialstaat. Er dient dem Gemeinwohl"). Das Gericht zieht die drei Artikel der bayerischen Verfassung als Prüfungsmaßstab heran. Bei der Anwendung des Art. 118 Abs. 1 bayVerf. (Gleichheitssatz) kann es sich auf Art. 142 GG stützen, für die Anwendung der Art. 142 Abs. 1 und Art. 3 bayVerf. ist dagegen die im Zusammenhang mit der Zulässigkeitsprüfung angestellte Erwägung tragend, daß gemäß Art. 31 GG inhaltsgleiches Landesrecht durch Bundesrecht nicht gebrochen wird und daß dies insbesondere seit je für den Bereich des Staatskirchenrechts gelte. Von dieser vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof in seiner Äußerung im gegenwärtigen Verfahren festgehaltenen Rechtsauffassung kann der Niedersächsische Staatsgerichtshof nicht ohne weiteres abweichen.
Ohne daß es auf weitere Rechtsprechung der genannten oder anderer Landesverfassungsgerichte ankommt, steht demnach fest, daß der Niedersächsische Staatsgerichtshof bei der Auslegung einer Vorschrift des Grundgesetzes von Entscheidungen zweier Landesverfassungsgerichte abweichen will, daß also auch unter diesem Gesichtspunkt seine Vorlage zulässig ist.
 
C.
1. Das Eigentümliche des Bundesstaates ist, daß der Gesamtstaat Staatsqualität und daß die Gliedstaaten Staatsqualität besitzen. Das heißt aber, daß sowohl der Gesamtstaat als auch die Gliedstaaten je ihre eigene, von ihnen selbst bestimmte Verfassung besitzen. Und das wiederum heißt, daß die Gliedstaaten ebenso wie der Gesamtstaat in je eigener Verantwortung ihre Staatsfundamentalnormen artikulieren. Kein Land muß eine Amputation von Staatsfundamentalnormen durch den Gesamtstaat hinnehmen mit der Folge, daß seine Verfassung in Wahrheit ein Verfassungstorso wird. Die Länder haben im Bundesstaat vielmehr grundsätzlich das Recht, in ihre Verfassung nicht nur Staatsfundamentalnormen aufzunehmen, die das Bundesverfassungsrecht nicht kennt, sondern auch Staatsfundamentalnormen, die mit den entsprechenden Staatsfundamentalnormen der Bundesverfassung nicht übereinstimmen. Nur ein Mindestmaß an Homogenität der Bundesverfassung und der Landesverfassungen ist gefordert. Was zu diesem Minimum an Homogenität der Verfassungen im Bund und in den Ländern gehört, bestimmt Art. 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG: "Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist." Im übrigen sind die Länder, soweit das Grundgesetz nicht noch außerhalb des Art. 28 für bestimmte Tatbestände etwas anderes vorschreibt, frei in der Ausgestaltung ihrer Verfassung. Sie haben denn auch eine Reihe von Staatsfundamentalnormen in ihre Verfassung aufgenommen, die nicht mit den entsprechenden Normen des Grundgesetzes übereinstimmen: Z. B. läßt die Vorläufige Niedersächsische Verfassung (Art. 4 Abs. 3 Satz 2) zu, daß die Wahlberechtigung und die Wählbarkeit von einer bestimmten Dauer der Staatsangehörigkeit abhängig gemacht wird, was weder das Grundgesetz noch das Bundeswahlgesetz für Bundestagswahlen vorsieht. Nach Art. 7 Abs. 1 nds. Verf. kann der Landtag seine Auflösung beschließen, während der Bundestag dieses Recht zur Selbstauflösung nicht hat. Nach Art. 13 dieser Verfassung kann der Landtag einen Abgeordneten wegen gewinnsüchtigen Mißbrauchs seiner Abgeordnetenstellung vor dem Staatsgerichtshof anklagen; ein solches Recht hat der Bundestag nicht. Die Landesverfassung kennt die Ministeranklage, das Grundgesetz nicht. Die Landesregierung hat ein Notverordnungsrecht (Art. 35 nds. Verf.), die Bundesregierung nicht. Diese und andere Divergenzen im Bundes- und Landesverfassungsrecht sind deshalb miteinander "vereinbar", weil der "Ort" der divergierenden Vorschriften im Gefüge der Gesamtrechtsordnung ein verschiedener ist, weil sie also unabhängig voneinander in je verschiedenen Bereichen Geltung beanspruchen. Wenn dies schon für Regelungen verschiedenen Inhalts gilt, ist der Schluß unabweisbar, daß dies erst recht gelten muß, wenn das Grundgesetz und eine Landesverfassung je für ihren Bereich eine gleiche Regelung treffen. Rechtssystematisch muß Art. 31 GG, der eine Grundsatznorm ist, also nach dem Prinzip der "Einheit der Verfassung" im Zusammenhang mit Art. 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG gelesen und verstanden werden. Das heißt, Art. 31 GG kann keine "Wirkung" haben auf ein Problem, das durch Art. 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG gelöst ist. Soweit das Grundgesetz, insbesondere Art. 28 Abs. 1 GG, die Freiheit gibt, daß der Gliedstaat in seine Verfassung eine Bestimmung aufnehmen kann, unterscheide sie sich von einer Regelung des Grundgesetzes oder stimme sie mit ihr überein, kann Art. 31 GG nicht die Kraft haben, diese landesverfassungsrechtliche Vorschrift zu "brechen", was immer das bedeuten mag.
Dieser Zusammenhang wirft auch ein anderes Licht auf die Bedeutung des Art. 142 GG, als die bisherige Deutung dieser Vorschrift seit der zitierten Interpretation des Abgeordneten v. Brentano im Bericht an den Parlamentarischen Rat angenommen hat. Das Gesetz kann eben klüger sein als die Väter des Gesetzes. Art. 142 GG wollte den Art. 31 GG einschränken. Er tut das aber unvollständig, indem er nicht allgemein formuliert, daß Art. 31 GG das grundsätzliche Verhältnis von Bundesverfassung und Landesverfassung nicht berührt, sondern indem er nur für einen besonders wichtigen Teilbereich von Verfassungsnormen, nämlich für die Grundrechte, die mehrfach garantiert werden können und auch subjektive Rechte gewähren, bestimmt, daß sie, soweit sie in Übereinstimmung mit den Artikeln 1 bis 18 GG stehen, dem Anwendungsbereich des Art. 31 GG nicht unterfallen.
2. Art. 31 GG ist eine Vorschrift, die Normenkollisionen lösen soll (BVerfGE 26, 116 [135]); Voraussetzung für die Anwendung einer Kollisionsnorm ist, daß zwei Normen miteinander kollidieren; das heißt aber, die Kollisionsnorm hinweggedacht, müssen beide Normen auf einen Sachverhalt anwendbar sein und bei ihrer Anwendung zu verschiedenen Ergebnissen führen können. Wo dies nicht der Fall ist, entsteht nicht nur kein Bedürfnis für eine besondere Vorschrift, die das Verhältnis der beiden Normen zueinander regelt, sondern ist es begrifflich unmöglich, weil es an der Möglichkeit einer Kollision fehlt, eine Kollisionsvorschrift ins Spiel zu bringen und sie anzuwenden.
3. Hinzu kommt:
a) Die Bundesregierung meint, aus der Regelung für den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes (Art. 72 Abs. 1 GG), die, sobald der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch macht, zur Sperre des Landesgesetzgebers führe, gleichgültig, ob er mit dem Bundesrecht übereinstimmendes oder unvereinbares Landesrecht setzen wolle, sei zu schließen, daß auch nach Art. 31 GG durch Bundesrecht inhaltsgleiches Landesrecht und damit auch durch Bundesverfassungsrecht inhaltsgleiches Landesverfassungsrecht gebrochen werde. Dieser Schluß ist nicht gerechtfertigt. Art. 72 Abs. 1 GG ist Teil einer Kompetenzregelung. Er verändert die normale Kompetenzregel, daß im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung zunächst das Land zuständig ist, von einem bestimmten Zeitpunkt an - dem Augenblick des Gebrauchmachens von der konkurrierenden Gesetzgebung durch den Bund - dahin, daß nunmehr nur der Bund noch für die Regelung dieser Materie zuständig ist. Der Landesgesetzgeber, der nach dem genannten Zeitpunkt legiferiert, ist also auch während einer Zeit, in der eine bundesrechtliche gesetzliche Regelung noch nicht in Kraft ist und deshalb eine landesrechtliche gesetzliche Regelung überhaupt nicht brechen kann, inkompetent, sein Gesetz zu erlassen. Daraus ergibt sich, daß nicht der Widerspruch mit einer Norm höheren Ranges in Gestalt einer bundesgesetzlichen Regelung, sondern die Unvereinbarkeit mit der Kompetenzregel des Grundgesetzes, die Inkompetenz des Landesgesetzgebers zur Nichtigkeit seines Gesetzes führt.
Die Vorstellung "Bundesrecht bricht Landesrecht" war in der herrschenden Lehre bisher immer verbunden mit dem Gedanken der Unvereinbarkeit einer landesrechtlichen Norm mit einer bundesrechtlichen Norm wegen ihres materiellen Inhalts. Davon zu unterscheiden ist der Fall der "Unvereinbarkeit" einer landesrechtlichen Vorschrift mit einer bundesrechtlichen Vorschrift spezifisch kompetenzregelnden Charakters, der Fall also, daß eine landesrechtliche Norm an einer bundesverfassungsrechtlichen Norm scheitert, weil ihr (der landesrechtlichen Norm) die zureichende Grundlage für den Erlaß fehlt. Daß die Nichtigkeit der Norm im letzteren Fall stets, also gleichgültig wie immer der Inhalt der landesrechtlichen Vorschrift lautet, eintritt, auch wenn sie "bei nachträglichem Vergleich" mit der bundesrechtlichen Vorschrift inhaltlich übereinstimmt, ist selbstverständlich. Aus diesem andersartigen Tatbestand läßt sich nicht der Schluß ziehen, daß "deshalb" auch bei dem Fall, in dem landesrechtliche und bundesrechtliche Vorschriften inhaltlich übereinstimmen, nach Art. 31 GG die landesrechtliche Vorschrift gebrochen werden müsse.
Davon abgesehen findet der Vergleich inhaltsgleicher verfassungsrechtlicher Strukturnormen, also einer prinzipiellen Aussage der Verfassung des Bundes und der Verfassung eines Landes, eine Stufe höher statt als der Vergleich der in Verwirklichung jener Verfassungsstrukturnormen im Bund und in den Ländern erlassenen Gesetze. Was sich für das Verhältnis von Bundesrecht und Landesrecht, das in Ausführung jener Verfassungsaufträge ergeht, aus einer Kompetenzregel des Grundgesetzes ergibt, braucht sich keinesfalls aus einer allgemeinen Regel "Bundesrecht bricht Landesrecht" für das logisch vorausliegende und zuerst zu entscheidende Verhältnis von verfassungsrechtlichen Grundnormen im Grundgesetz und in der Landesverfassung zu ergeben. Beide genannten Unterschiede sprechen vielmehr dagegen, daß man von der Regelung für den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung auf den Inhalt des Art. 31 GG schließen kann.
b) Außerdem ist die Auffassung der Bundesregierung, in dem Wort "brechen" komme zum Ausdruck, daß eine besonders intensive, radikale Entscheidung gegen das Landesrecht gewollt sei, daß es "uneingeschränkt seiner Wirksamkeit beraubt" werden soll, nur verständlich, wenn man das Wort sprachlich isoliert. Wenn man aber davon ausgeht, daß unser deutsches Recht mehrere Rechtsfiguren kennt, um Normenkollisionen zu beheben und daß es offenbar nicht der Sinn des Art. 31 GG sein kann, sie durch die eine Formel "Bundesrecht bricht Landesrecht" zu ersetzen, bleibt durchaus offen, was "brechen" im Einzelfall bedeutet: Der inhaltliche Widerspruch zwischen ranghöherem und rangniederem Recht innerhalb des Landesrechts oder innerhalb des Bundesrechts führt zur Nichtigkeit der rangniederen Vorschrift; kompetenzwidriger Erlaß von Landesrecht führt ebenfalls zur Nichtigkeit des Landesgesetzes; Art. 25 GG sagt dagegen nicht, daß nationale Gesetze, die allgemeinen Regeln des Völkerrechts widersprechen, nichtig sind, sondern sagt, die allgemeinen Regeln des Völkerrechts "gehen den Gesetzen vor"; die lex specialis, die Bundesrecht sein kann, geht der lex generalis, die Landesrecht sein kann, vor, aber letztere bleibt gleichwohl in Geltung; nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann unter bestimmten Voraussetzungen eine materiell mit dem Grundgesetz - Art. 3 GG - unvereinbare Vorschrift trotz der Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit noch Rechtsgrundlage für Ansprüche bleiben, bis sie durch ein verfassungskonformes Gesetz abgelöst ist. Alle diese und andere Kollisionsregeln läßt Art. 31 GG bei Bestand; er nimmt sie in sich als Grundsatznorm auf mit der Folge, daß "brechen" je etwas Verschiedenes bedeuten kann.
Geht man also davon aus, daß Art. 31 GG, wie manche andere fundamentale Grundgesetzbestimmungen (beispielsweise Art. 20, 21 Abs. 1, 24, 28 Abs. 1, 30, 33, 38 Abs. 1, 50, 83, 91 a, 104 a Abs. 1 GG) einen Grundsatz enthält, der verschiedene Rechtstechniken zur Behebung von Normenkollisionen umgreift, aber nicht ersetzt, so verbietet im Bundesstaat der Respekt vor einer Landesverfassung anzunehmen, daß Landesverfassungsrecht, das mit Bundesrecht übereinstimmt, gebrochen wird mit der Folge, daß es nichtig ist. Wenn die Nichtigkeit als Folge des Zusammentreffens einer Vorschrift, die im Bundesrecht und im Landesverfassungsrecht übereinstimmend wiederkehrt, ausscheidet, so ließe sich noch immer denken, daß die landesverfassungsrechtliche Vorschrift, wenn sie mit der Vorschrift des Grundgesetzes derart zusammentrifft, daß aus beiden eine Rechtsfolge für einen konkreten Sachverhalt zu ziehen ist, neben der bundesrechtlichen Vorschrift unanwendbar würde, aber voll in Geltung bliebe. Diese Vorstellung liegt offenbar der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs zugrunde, die davon ausgeht, daß die landesverfassungsrechtliche Norm als Anknüpfungspunkt für die Zulässigkeit eines verfassungsgerichtlichen Verfahrens in Bayern stets heranzuziehen ist, gleichgültig, welche Folgerung sonst aus dem Bundesrecht für die Geltung der landesverfassungsrechtlichen Vorschrift zu ziehen ist. Schließlich kann das Problem einer an sich möglichen Konkurrenz zweier Normen auch dadurch aufgelöst werden, daß die maßgebliche Rechtsregel sich dafür entscheidet, beide Normen als nebeneinander bestehend anzuerkennen, sie also einfach "parallel laufen" läßt, weil ein Konflikt, der zwingt, sich für die eine oder andere Norm zu entscheiden, nicht denkbar ist. Genau dies ist aber, wie dargelegt, das Verhältnis zwischen einer Vorschrift des Grundgesetzes und einer Vorschrift der Landesverfassung, die inhaltlich übereinstimmen. Durch Art. 31 GG "gebrochen" kann darnach nur Landesverfassungsrecht werden, das inhaltlich mit dem Bundesverfassungsrecht unvereinbar ist.
4. Eine zusätzliche Stütze für das Ergebnis, daß Art. 31 GG nicht bewirkt, daß Landesverfassungsrecht, das mit Vorschriften des Grundgesetzes "inhaltlich übereinstimmt", unwirksam wird oder nicht wirksam erlassen werden kann, läßt sich aus der Literatur oder den Materialien zur Entstehungsgeschichte des Art. 13 WRV und des Art. 31 GG nicht gewinnen. Die Meinungen in der Weimarer Zeit waren bis zuletzt geteilt; selbst die Lehrmeinung von Anschütz änderte daran nichts. Mit noch größerer Entschiedenheit stehen sich die Meinungen zur Auslegung des Art. 31 GG gegenüber. Der Versuch, die eine Meinung gegenüber der anderen Meinung als überwiegend oder herrschend zu charakterisieren, führt nicht weiter. Ebensowenig verfängt die Berufung der einen Meinung auf die allgemeine Überlegung, im Bundesstaat sei der Gesamtstaat dem Gliedstaat übergeordnet, und die Berufung der anderen Meinung auf die allgemeine Überlegung, im Bundesstaat des Grundgesetzes zwinge die Eigenstaatlichkeit der Länder zur Anerkennung ihrer Entscheidung über das, was sie in ihre Verfassung hineinschreiben wollen, die Gestalt ihrer Verfassung müsse also "ihre Sache" bleiben.
Das gleiche gilt für die Entstehungsgeschichte, die überdies nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nur zur Bestätigung eines anderweit gefundenen Auslegungsergebnisses bedeutsam werden kann, weil es nicht auf den Willen des Gesetzgebers, sondern auf den objektivierten Willen des Gesetzes ankommt, wie er in diesem zum Ausdruck kommt.
5. Die Auswirkungen dieser Entscheidung halten sich in Grenzen:
a) Die Frage, wie der Satz "Bundesrecht bricht Landesrecht" sich auf das Verhältnis von einfachem (Gesetzes- und Verordnungs-) Recht des Bundes zu einfachem (Gesetzes- und Verordnungs-) Recht des Landes, das "inhaltlich übereinstimmt", auswirkt, bleibt offen. Der Argumentationsrahmen ist im vorliegenden Fall spezifisch auf das Verhältnis von Bundes- und Landesverfassungsbestimmungen angelegt.
b) Für den entschiedenen Fall - Verhältnis von grundgesetzlichen Vorschriften und inhaltsgleichen Vorschriften des Landesverfassungsrechts - ist die Folge, daß Verfassungsnormen des Landes rechtswirksam bleiben und entsprechende Vorschriften auch künftig rechtswirksam erlassen werden können. Davon bleibt völlig unberührt, daß die Ausführung und Konkretisierung solcher Verfassungsnormen durch einfaches Gesetz nur nach Maßgabe der jeweils geltenden grundgesetzlichen Vorschriften über die Kompetenzverteilung für die Gesetzgebung zwischen Bund und Land statthaft ist. Es tritt also durch die Entscheidung keine Schmälerung der Bundeszuständigkeit im Bereich der Gesetzgebung ein. Die sowohl dem Bundesgesetzgeber als auch dem Landesgesetzgeber obliegende Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten wird durch diese Entscheidung ebenfalls nicht modifiziert.
c) Die Länder "gewinnen" durch die Entscheidung nur, daß ihre Verfassung "unangetastet" bleibt, also nicht zu einem Torso wird, daß sie ihre Verfassung, auch soweit sie inhaltlich mit Sätzen des Grundgesetzes übereinstimmt, für ihre Gesetzgebung, für ihre Verwaltung und für ihre Rechtsprechung zum Maßstab nehmen können, - für ihre Gesetzgebung mit der Einschränkung, daß sie nur im Rahmen der Kompetenzregeln des Grundgesetzes (Art. 72 ff. GG) zulässig ist, und für ihre Verwaltung und Rechtsprechung mit der Einschränkung, daß sie sowohl das Bundesrecht als die Landesverfassung zu beachten haben. Für die Rechtsprechung der Landesstaatsgerichtshöfe ist die Entscheidung allerdings bedeutsam, weil diese Verfassungsgerichte als Maßstab ihrer Prüfung nur die Landesverfassung besitzen und künftig also ihre Zuständigkeit und ihre materielle Prüfungsbefugnis auch aus den Landesverfassungsbestimmungen herleiten und entwickeln können, die mit Bestimmungen des Grundgesetzes inhaltlich übereinstimmen und keine Grundrechte sind. Das führt praktisch zu einer Erweiterung des doppelten Gerichtsschutzes, weil künftig auch in Fällen dieser Art Verfassungsbeschwerde- und Normenkontrollverfahren bei den Landesverfassungsgerichten nach Maßgabe der Landesverfassung und beim Bundesverfassungsgericht nach Maßgabe des Grundgesetzes anhängig gemacht werden können. Dies wiederum kann dazu führen, daß gelegentlich einmal die Entscheidungen des Landesverfassungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts, die dieselbe Sache betreffen, auseinandergehen; in diesem Fall setzt sich letztlich die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts durch. Um die relativ geringe Bedeutung dieser Konsequenz zu ermessen, ist die Einsicht wichtig, daß sich in der Praxis kaum etwas ändert, weil bisher schon insbesondere die Verfassungsgerichtshöfe von Bayern (mit der größten Spruchpraxis) und von Nordrhein-Westfalen (dem größten Land) in ihrer Rechtsprechung davon ausgegangen sind, daß "gleichlautendes" Landesverfassungsrecht neben Bundesverfassungsrecht in Geltung bleibt. Dieses von manchen als "zu viel" an Gerichtsschutz bewertete, einer strengen Prozeßökonomie nicht ganz entsprechende Ergebnis muß und kann im Bundesstaat in Kauf genommen werden.
Diese Entscheidung ist im Ergebnis einstimmig ergangen.
Seuffert, Dr. Geiger, Hirsch, Dr. Rinck, Dr. Rottmann
(Richter Dr. v. Schlabrendorff ist an der Unterschrift verhindert. Seuffert)
 
Abweichende Meinung des Richters Dr. Geiger zu C 2 (S. 363) der Begründung des Beschlusses des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Januar 1974 - 2 BvN 1/69 -
Nach dem Aufbau der Entscheidung soll die Argumentation unter C 2 eine zweite selbständige Stütze für das gefundene Ergebnis bilden. Dazu halte ich folgende Überlegungen für erforderlich:
Art. 31 GG ist eine Vorschrift, die Normenkollisionen lösen soll (BVerfGE 26, 116 [135]). Voraussetzung für die Anwendung einer Kollisionsnorm ist, daß zwei Normen miteinander kollidieren. Das heißt aber, die beiden Normen müssen nicht nur den gleichen Regelungsgegenstand betreffen, sondern auch denselben Adressaten haben und sich inhaltlich widersprechen. Wo dies nicht der Fall ist, entsteht nicht nur kein Bedürfnis für eine besondere Vorschrift, die das Verhältnis der beiden Normen zueinander regelt, sondern ist es begrifflich unmöglich, eine Kollisionsvorschrift ins Spiel zu bringen und sie anzuwenden.
a) Art. 33 Abs. 5 GG und Art. 46 Abs. 2 nds. Verf. sind ihrem Wortlaut nach gleich. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß sie auch völlig inhaltsgleich sind. Inhaltsgleich sind sie nur, wenn man davon absieht, daß Art. 46 Abs. 2 nds. Verf. weniger regelt als Art. 33 Abs. 5 GG. Art. 46 Abs. 2 nds. Verf. enthält nämlich anders als Art. 33 Abs. 5 GG nur eine institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums, ist nur eine Strukturnorm innerhalb eines staatsrechtlichen Organisationsstatuts; diese Auslegung des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs teilt das Bundesverfassungsgericht. Insoweit decken sich beide Verfassungsbestimmungen inhaltlich. Art. 33 Abs. 5 GG gewährt aber darüber hinaus nach der feststehenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Beamten grundsätzlich subjektive Ansprüche, die er vor Gericht verfolgen kann. Während also Art. 33 Abs. 5 GG auch unmittelbar den Bürger als Angehörigen des öffentlichen Dienstes zum Adressaten hat, wendet sich die reine Organisationsnorm, die institutionelle Garantie des Art. 46 Abs. 2 nds. Verf. unmittelbar allein an den Landesgesetzgeber. Diese Differenz beeinträchtigt nicht die Feststellung, daß das in der Landesverfassung und im Grundgesetz Geregelte inhaltsgleich geregelt ist.
b) Außerdem ist der Anwendungsbereich beider Vorschriften ein verschiedener: Das Grundgesetz trifft für seinen Anwendungsbereich, die Landesverfassung für ihren Anwendungsbereich die prinzipielle Aussage, wie das öffentlich-rechtliche Dienstrecht zu gestalten ist. Das Grundgesetz konstituiert ein Stück Verfassungsordnung des Gesamtstaats, indem es die Institution des Berufsbeamtentums garantiert und den zuständigen Verfassungsorganen des Bundes den Auftrag gibt, das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln; unabhängig davon konstituiert die Landesverfassung - inhaltlich übereinstimmend - ein Stück Verfassungsordnung des Gliedstaates, indem sie die Institution des Berufsbeamtentums garantiert und den zuständigen Landesverfassungsorganen den Auftrag gibt, das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln. Eine Kollision beider Vorschriften, die entsprechend der Eigenart einer Verfassungsstrukturnorm "nur" eine programmatische Grundsatzaussage, eine institutionelle Garantie und einen Gesetzgebungsauftrag enthalten, ist in dieser Sicht nicht möglich.
Etwas ganz anderes ist es, daß die auf Grund jener Gesetzgebungsaufträge erlassenen Gesetze in einzelnen Vorschriften miteinander kollidieren können. Diese Kollision steht hier nicht in Rede. Abgesehen davon, daß zur Zeit die Konkurrenz der beiden in Art. 33 Abs. 5 GG und in Art. 46 Abs. 2 nds. Verf. enthaltenen Gesetzgebungsaufträge praktisch fast bedeutungslos ist, weil durch die Grundgesetzänderung, die den Art. 74 a GG eingeführt hat, wesentliche Teile des öffentlichen Dienstrechtes der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterworfen worden sind und andere Teile durch die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 75 Nr. 1 GG geprägt sind, - die Frage, wie sich einfachrechtlich die eine und die andere Ordnung des öffentlich-rechtlichen Dienstes realisieren läßt, löst sich nach der Gesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers und des Landesgesetzgebers. Man muß also unterscheiden zwischen der prinzipiellen Aussage im Grundgesetz einerseits und in der Landesverfassung andererseits, die sich nicht ins Gehege kommen können, weil sie für verschiedene Rechtskreise konstitutive Grundentscheidungen treffen, und der Realisierung und Konkretisierung durch den einfachen Gesetzgeber in Bund und Land entsprechend der Kompetenzverteilung in Art. 73, 74 a, 75 Nr. 1 GG. Weil sich danach also Art. 33 Abs. 5 GG und Art. 46 Abs. 2 nds. Verf. nicht "überschneiden" können, liegt der Fall einer Kollision nicht vor und deshalb ist für die Anwendung einer Kollisionsvorschrift, hier des Art. 31 GG, kein Raum.
Dr. Geiger
 
Abweichende Meinung des Richters Vizepräsident Seuffert zu C 5 c (S. 368) der Begründung des Beschlusses des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Januar 1974 - 2 BvN 1/69 -
Ich bin nicht der Ansicht, daß die Möglichkeit von abweichenden Entscheidungen eines Landesverfassungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts, die dieselbe Sache betreffen, in Kauf genommen werden muß, wie das unter C 5 c des Beschlusses ausgeführt ist. Nach meiner Auffassung ergibt sich vielmehr aus dem Beschluß, daß bei im Grundgesetz und in einer Landesverfassung inhaltlich gleichen Bestimmungen die Entscheidung, ob ein Landesgesetz mit diesen Bestimmungen unvereinbar ist, auch die Entscheidung darüber darstellt, daß das Landesgesetz mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, und deswegen gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht überlassen werden muß. Ob und inwieweit eine Inhaltsgleichheit vorliegt, hat zunächst das Landesverfassungsgericht zu prüfen und zu entscheiden.
W. Seuffert