BVerfGE 39, 258 - Kapazitätsausnutzung
Klagen auf Zuteilung von Studienplätzen, die in einem Studienfach mit Zulassungsbeschränkung infolge unzureichender Kapazitätsausnutzung frei geblieben sind, dürfen nicht schon wegen der ungünstigen Rangziffer des klagenden Bewerbers abgewiesen werden (Ergänzung zu BVerfGE 33, 303 - numerus clausus).
 
Beschluß
des Ersten Senats vom 9. April 1975
- 1 BvR 344/73 -
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Studenten Gerhard K... - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Wolfgang Auer und Dr. Eckhard Klapp, München 40, Ohmstraße 6 - gegen a) das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Juli 1972 - 86 VII 72 -, b) den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 1973 - VII B 71.72 -
Entscheidungsformel:
1. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Juli 1972 - 86 VII 72 - und der Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 1973 - VII B 71.72 - verletzen das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Artikel 12 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Diese Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
2. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
 
Gründe
 
A.
Die angegriffenen Gerichtsentscheidungen betreffen die Zuteilung solcher Studienplätze, die in einem Studienfach mit Zulassungsbeschränkung infolge unzureichender Kapazitätsausnutzung frei geblieben sind.
I.
1. Der Zugang zum Hochschulstudium in Bayern regelte sich zu der Zeit, als der Beschwerdeführer seine Zulassung zum Medizinstudium an der Universität München begehrte, nach dem Gesetz über die Zulassung zu den bayerischen Hochschulen vom 8. Juli 1970 (GVBl. S. 273). Dessen hier maßgebende Vorschrift lautete:
    Artikel 2
    (1) Die Immatrikulation an den Hochschulen setzt eine Eignung voraus, die durch eine Vorbildung nach Maßgabe der bestehenden Vorschriften nachgewiesen wird.
    (2) Die Zahl der für die einzelnen Studienrichtungen aufzunehmenden Studenten und Gaststudierenden kann nur beschränkt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung eines geordneten Studienbetriebes im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit der Hochschuleinrichtungen zwingend erforderlich ist. Die Zulassungszahlen können jeweils nur für die Dauer eines Jahres begrenzt werden.
Gemäß Art. 4 des Gesetzes waren die näheren Vorschriften vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus im Benehmen mit der betroffenen Hochschule durch Rechtsverordnung zu erlassen. Die Ausführungsverordnung vom 31. Juli 1970 (GVBl. S. 386, geändert durch Verordnungen vom 15. Januar 1971 - GVBl. S. 60 - und vom 25. Juni 1971 - GVBl. S. 262 -) bestimmte in § 1 u.a., daß die Zulassungsbegrenzung der Form einer Satzung bedurfte, die die Hochschule im Einvernehmen mit dem Ministerium zu erlassen hatte und in der die Zahl der aufzunehmenden Studenten anzugeben war; kam eine solche Satzung innerhalb einer vom Ministerium gesetzten angemessenen Frist nicht zustande, so konnte das Ministerium die Begrenzung durch Rechtsverordnung anordnen.
Bei Zulassungsbeschränkungen erfolgte die Zulassung gemäß Art. 3 des Gesetzes in Verbindung mit der Ausführungsverordnung in der Weise, daß die Gesamtzahl der verfügbaren Studienplätze - nach Abzug eines Teils der Plätze für Härtefälle und für ausländische Bewerber - zu 60% nach Eignung und Leistung und zu 40% nach dem Jahrgangsprinzip zu vergeben war. Wurden zugeteilte Studienplätze von Berechtigten nicht in Anspruch genommen, waren sie an Hand von Nachrücklisten zu besetzen (§ 13 Abs. 2 AVO).
2. An der Universität München war im Sommersemester 1971 die Höchstzahl für Studienanfänger der Humanmedizin durch Verordnung vom 22. März 1971 (GVBl. S. 109) auf 275 Studienplätze festgesetzt worden. Für die nachfolgenden Semester wurde diese Zahl auf 350 erhöht.
II.
1. Der Beschwerdeführer, der im Jahr 1970 die Reifeprüfung mit einem Notendurchschnitt von 3,0 bestanden hatte, ist seit dem Wintersemester 1973/74 zum Medizinstudium in Würzburg zugelassen. Vorher waren seine Anträge auf Zulassung zum Medizinstudium an der Universität München wiederholt abgelehnt worden, weil ihm auf der Bewerberliste nach Notendurchschnitt und Dauer der Wartezeit andere Bewerber im Rang vorgingen. Gegen die Ablehnung seiner Zulassung zum Sommersemester 1971 hat der Beschwerdeführer Klage mit der Begründung erhoben, die Universität München habe in diesem Semester ihre Kapazitäten nicht erschöpfend genutzt.
a) Durch Urteil vom 24. April 1972 hat das Verwaltungsgericht München den beklagten Freistaat Bayern unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides verpflichtet, den Beschwerdeführer ab Sommersemester 1971 an der Universität München zum Studium der Humanmedizin zuzulassen.
In der Urteilsbegründung wird ausgeführt, das Rechtsschutzbedürfnis sei durch den Ablauf des Sommersemesters 1971 nicht entfallen; denn der Beschwerdeführer erstrebe seine Zulassung als Studienanfänger für den gesamten Studiengang, und zwar im Rahmen der Zulassungsquote des Sommersemesters 1971. Eine Verpflichtung zur rückwirkenden Zulassung sei möglich, weil der Beschwerdeführer bereits als Student der Naturwissenschaften immatrikuliert sei und an zahlreichen Lehrveranstaltungen für Mediziner teilgenommen habe.
Die Klage sei auch begründet. Die Beschränkung der Studienplätze auf 275 für das Sommersemester 1971 sei unwirksam gewesen; denn zur Aufrechterhaltung eines geordneten Studienbetriebs habe schon in diesem Semester eine Begrenzung auf 350 Plätze genügt. Einen der ungenutzten Studienplätze könne der Beschwerdeführer beanspruchen, der sämtliche Immatrikulationsvoraussetzungen erfülle und dem auf Grund des Art. 12 GG in Verbindung mit dem bayerischen Zulassungsrecht ein Zulassungsanspruch zustehe. Dieser Anspruch scheitere nicht an der relativ ungünstigen Rangstelle des Beschwerdeführers. Anspruchsbegründend sei allein der Erwerb der Hochschulreife. Eine Auswahl nach der Rangstelle komme nur in Betracht, wenn die Zahl der klagenden Bewerber die Zahl der freien Studienplätze überschreite; denn anderenfalls sei zu befürchten, daß Studienplätze ungenutzt blieben, nachdem die Ablehnung von Bewerbern mit besseren Rangstellen rechtskräftig geworden sei.
b) Auf die Berufung des beklagten Freistaates Bayern hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof durch Urteil vom 3. Juli 1972 die Klage unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung mit folgender Begründung abgewiesen:
Eine rückwirkende Zulassung zum Studium sei tatsächlich und begrifflich unmöglich. Nachdem sich das Klagebegehren auf Zulassung zu den früheren Semestern durch deren Ablauf erledigt habe, könne nur noch über den Hilfsantrag auf Zulassung zum Sommersemester 1972 sachlich entschieden werden. Einer Zulassung zu diesem Semester stehe aber entgegen, daß die Zulassungszahl inzwischen rechtsfehlerfrei auf 350 Plätze erhöht worden sei und dem Beschwerdeführer nach seiner Rangstelle keiner dieser Plätze zustehe.
Die vom Beschwerdeführer erstrebte Zulassung auf Grund der Sach- und Rechtslage im Sommersemester 1971 könne auch nicht damit begründet werden, der Beschwerdeführer sei in diesem Semester rechtswidrig abgelehnt worden. Über eine Verpflichtungsklage sei nach dem im Entscheidungszeitpunkt geltenden Recht zu entscheiden, das keine Anhaltspunkte für die Aufrechterhaltung etwaiger früher begründeter Ansprüche enthalte. Zudem könne im Wege der Folgenbeseitigung nicht die Einräumung einer bisher nicht innegehabten Rechtsstellung verlangt werden. Jedenfalls sei die Ablehnung zum Sommersemester 1971 nicht rechtswidrig gewesen, weil der Beschwerdeführer in diesem Semester auch bei der vom Verwaltungsgericht angenommenen höheren Zulassungszahl wegen seines ungünstigen Rangplatzes offensichtlich nicht zur Zulassung herangestanden habe. Der Gefahr, daß bei einer solchen Beurteilung Kapazitäten ungenutzt bleiben könnten, lasse sich durch ein Bescheidungsurteil entgegenwirken, aufgrund dessen der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung der in einem Nachrückverfahren zu ermittelnden vorrangigen Bewerber erneut zu bescheiden sei.
c) Mit Beschluß vom 12. Juli 1973 hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision mit folgender Begründung zurückgewiesen:
Zwar stehe die Auffassung des Berufungsgerichts, daß sich der Klageantrag auf Zulassung zum Sommersemester 1971 durch Ablauf dieses Semesters erledigt habe und daß es für die Entscheidung auf die Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung ankomme, in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 22. Juni 1973, BVerwGE 42, 296). Das Berufungsurteil sei jedoch zusätzlich darauf gestützt, daß der Ablehnungsbescheid für das Sommersemester 1971 nicht rechtswidrig gewesen sei. Dazu habe das Bundesverwaltungsgericht in dem erwähnten Urteil vom 22. Juni 1973 ausgeführt, daß die Gerichte die Universität zur Zulassung eines klagenden Studienbewerbers nur dann verpflichten dürften, wenn dem Bewerber nach seinem Rangplatz ein Anspruch auf einen der freien Plätze zugestanden habe. Diese grundsätzliche Rechtsfrage sei somit geklärt.
2. Der Beschwerdeführer sieht sich durch die Entscheidungen des Berufungs- und des Revisionsgerichts in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Im bayerischen Zulassungsrecht fehle eine ausdrückliche Regelung für den Fall, daß in einem Rechtsstreit die Nichtausschöpfung von Kapazitäten festgestellt werde. Bei verfassungskonformer Anwendung des Zulassungsrechts müsse der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts gefolgt werden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe anfangs selbst den richtigen Standpunkt vertreten, daß die volle Ausnutzung der Kapazitäten den Vorrang vor dem Auswahlmodus habe (BayVBl. 1970, S. 66). Die entgegengesetzte Auffassung führe zu dem untragbaren Ergebnis, daß freie Studienplätze unbesetzt blieben. Auch habe sie zur Folge, daß Kapazitätsfestsetzungen überhaupt nicht mehr der gerichtlichen Kontrolle ausgesetzt würden, da Bewerber mit günstigen Rangstellen wegen ihrer guten Zulassungsaussichten nicht klagen würden.
3. a) Der Bayerische Ministerpräsident hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Es sei schon nicht erwiesen, daß die Kapazitäten im Sommersemester 1971 zu Unrecht niedriger als im folgenden Semester angesetzt worden seien. Zwar habe sich das wissenschaftliche Personal zwischen den beiden Semestern nicht nennenswert vermehrt; doch habe die neue Approbationsordnung eine Entlastung in einem wesentlichen Engpaß bewirkt; auch seien zum Wintersemester kapazitätserweiternde Maßnahmen wirksam geworden oder vorgesehen gewesen.
Werde gleichwohl eine mangelhafte Kapazitätsausschöpfung im Sommersemester 1971 unterstellt, dann sei der Auffassung des Berufungs- und des Revisionsgerichts beizutreten, wonach dem Beschwerdeführer keiner der ungenutzten Plätze zugestanden habe. Die gerichtliche Nachprüfung einer Maßnahme dürfe nicht dazu führen, dem klagenden Bewerber eine Position einzuräumen, die er bei fehlerfreiem Handeln der Universität nicht erlangt haben würde. Dazu komme es aber, wenn die Gerichte ungenutzt gebliebene Studienplätze ohne Rücksicht auf die Rangstelle der Bewerber besetzten. Dem Grundsatz der Chancengleichheit werde man nur dann gerecht, wenn derartige Plätze an Hand von Nachrücklisten an Bewerber mit besseren Rangplätzen vergeben würden.
b) Die Westdeutsche Rektorenkonferenz stimmt im Ergebnis der Auffassung des erstinstanzlichen Verwaltungsgerichts und des Beschwerdeführers zu. Der Zulassungsanspruch eines Bewerbers gründe sich nicht auf den Rangplatz, sondern auf die Zulassungsberechtigung selbst. Der Umstand, daß einem Bewerber auf der Rangliste andere Bewerber mit besseren Rangplätzen vorangingen, die bereits rechtskräftig abgelehnt seien, reiche allein für eine Klageabweisung trotz vorhandener Studienplätze nicht aus. Da es sich bei den Bewerbern um prinzipiell Gleichberechtigte handele, werde bei Zulassungen abweichend von der Rangliste nicht etwa ein Unberechtigter zugelassen. Der inzwischen abgeschlossene Staatsvertrag der Länder sowie die Vergabeverordnung ließen mit Recht erkennen, daß das volle Ausschöpfen der Aufnahmequoten absoluten Vorrang haben müsse.
c) Der Bayerische Oberste Rechnungshof hat seinen Bericht für das Haushaltsjahr 1971 vom 30. Oktober 1973 übersandt, der sich u.a. mit der Frage befaßt, ob die Ausnutzung der Hochschulen den Anforderungen des Numerus-clausus-Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 33, 303) entspricht.
 
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
1. Das schutzwürdige Interesse an der Feststellung einer etwaigen Grundrechtsverletzung ist nicht dadurch entfallen, daß der Beschwerdeführer nach Einlegung der Verfassungsbeschwerde zum Medizinstudium zugelassen worden ist. Diese Zulassung ist in Würzburg und nicht - wie im vorliegenden Verfahren beantragt - in München erfolgt; auch hat der Beschwerdeführer durch seine Ablehnung wegen der nur begrenzten Anrechnung seines naturwissenschaftlichen Studiums jedenfalls zwei Fachsemester verloren. Zumindest bei einer solchen Sachlage genügt es für das Fortbestehen des Rechtsschutzbedürfnisses, daß sich die Benachteiligung durch die angefochtenen Entscheidungen auf eine Zeitspanne beschränkte, in welcher der Betroffene nach dem regelmäßigen Geschäftsgang eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kaum erlangen konnte (BVerfGE 34, 165 [180]).
2. Dem Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers steht auch nicht entgegen, daß die Klageabweisung durch das Berufungsgericht mit zwei verschiedenen Gesichtspunkten begründet wird und daß es sich bei dem zweiten im wesentlichen um Anwendung und Auslegung einfachen Rechts handelt, die den zuständigen Fachgerichten obliegt. Für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde genügt es, wenn der Beschwerdeführer, der durch eine verfassungswidrige Rechtsanwendung in einer Gerichtsentscheidung betroffen ist, mit deren Aufhebung die Chance erhält, daß eine erneute verfassungsgemäße Sachprüfung zu einem für ihn günstigeren Ergebnis führt (BVerfGE 35, 324 [334]).
 
C.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.
I.
1. Im Numerus-clausus-Urteil hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, daß absolute Zulassungsbeschränkungen für Studienanfänger nur dann verfassungsmäßig sind, wenn sie in den Grenzen des unbedingt Erforderlichen unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen, mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Ausbildungskapazitäten angeordnet werden (BVerfGE 33, 303 [338 ff.]). Dabei wird die Art und Weise der Kapazitätsermittlung als eines der Kernstücke des Zulassungswesens gewertet und hervorgehoben, daß Kapazitätsfestsetzungen möglichst aufgrund objektivierter, nachvollziehbarer Kriterien und durch Rechtsnormen nach vorherigem kritischem Zusammenwirken zwischen Hochschule und staatlichen Behörden zu erfolgen haben. Auf dieser Linie bewegen sich auch der am 20. Oktober 1972 von den Ländern vereinbarte Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen sowie die dazu erlassenen ländereinheitlichen Verordnungen über die Grundsätze für eine einheitliche Kapazitätsermittlung und -festsetzung zur Vergabe von Studienplätzen (vgl. die bayerische Kapazitätsverordnung vom 9. Juli 1974 - GVBl. S. 376).
Die in Bayern vor Abschluß des Staatsvertrags geltende und im vorliegenden Verfahren angewandte Regelung entsprach bereits diesen Anforderungen. Die maßgeblichen Vorschriften des bayerischen Zulassungsgesetzes vom 8. Juli 1970 sind schon im Numerus-clausus-Urteil in der sich aus den Entscheidungsgründen ergebenden Auslegung als verfassungsmäßig beurteilt worden (a.a.O. [312 ff., 341 ff.]). Ferner ist die Zulassungsbeschränkung für das Medizinstudium an der Universität München einschließlich der Festlegung von Höchstzahlen für das Sommersemester 1971 durch Rechtsverordnung angeordnet worden, wobei davon ausgegangen werden kann, daß die Kapazität im kritischen Zusammenwirken zwischen der Hochschule und dem zuständigen Ministerium ermittelt wurde.
2. Ob eine konkrete Zulassungsbeschränkung auf ausreichenden, dem jeweiligen Stand der Erfahrungen entsprechenden Ermittlungen und Prüfungen beruht, unterliegt - wie im Numerus-clausus-Urteil vorausgesetzt (a.a.O. [344]) - der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Diese wird sich in der Regel inzident im Rahmen einer Klage auf Anfechtung eines Ablehnungsbescheides vollziehen, soweit es nicht zu einem Normenkontrollverfahren gemäß § 47 VwGO kommt.
Welche Bedeutung gerade in diesem Zusammenhang einer umfassenden und effektiven verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zukommt, ergibt sich aus folgendem: Schon das Numerus-clausus-Urteil hat darauf hingewiesen, daß beim Medizinstudium die Zulassungen von einem Höchststand im Jahre 1962 auf etwa die Hälfte im Jahre 1969 gesunken waren, während sich das wissenschaftliche Personal in den Jahren zwischen 1960 und 1969 nahezu verdoppelt hatte (a.a.O. [306]). Nach Angaben der Bundesregierung (im Verfahren 1 BvR 344/74) erreichte die Zahl der Neuzulassungen erst 1973 wieder den Stand des Jahres 1962. Die Stellen für wissenschaftliches Personal hatten sich aber von 1960 bis 1972 auf etwa das Dreifache vermehrt; die Zahl der Professoren und Dozenten war in dieser Zeit sogar um etwa 600% von 617 auf 4.331 gestiegen, so daß sich das Zahlenverhältnis zwischen Professoren einschließlich Dozenten einerseits und der Gesamtzahl der Medizinstudenten andererseits um 383% verbessert hatte (vgl. zu dieser Entwicklung und ihrer Beurteilung im einzelnen die Antworten der Bundesregierung vom 29. November 1974 auf Bundestagsanfragen - BTDrucks. 7/2858 und insbesondere 7/2859). Der Bayerische Oberste Rechnungshof gelangte - ähnlich wie andere Rechnungshöfe - in seinem Bericht für das Haushaltsjahr 1971 vom 30. Oktober 1973 (S. 50 ff.; vgl. auch die Bemerkungen des Bundesrechnungshofs für das Haushaltsjahr 1972 - BTDrucks. 7/2709, S. 81 f.) zu dem Ergebnis, im Bereich der Humanmedizin sei der Nutzungsgrad der Hochschuleinrichtungen auffallend ungleichmäßig und verdiene offensichtlich keinesfalls überall das Prädikat "erschöpfend"; im Sommersemester 1972 sei an der Universität München die Zahl der Lehrveranstaltungen rund eines Drittels der ordentlichen und außerordentlichen Professoren unter dem festgesetzten Mindestumfang geblieben.
Wie diese Zahlenangaben und Beanstandungen zu würdigen sind und inwieweit sie Schlüsse auf das Vorhandensein von Kapazitätsreserven zulassen, ist hier nicht näher zu erörtern. Liegen einer Kapazitätsfestsetzung verfassungsrechtlich unbedenkliche Regelungen und Beurteilungskriterien zugrunde, dann bedeutet deren Anwendung im Einzelfall die Feststellung und Würdigung eines konkreten Sachverhalts, die den zuständigen Fachgerichten obliegt und die einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle nur begrenzt zugänglich ist (vgl. BVerfGE 18, 85 [93]). Zum Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts wird nur ausnahmsweise Anlaß sein, solange sich die zuständigen Fachgerichte - wie aus den bisherigen Erfahrungen erkennbar ist - von der Erwägung leiten lassen, daß fehlerhafte Kapazitätsermittlungen das verfassungsmäßig gewährleistete Zulassungsrecht empfindlich beeinträchtigen, da sie für zurückgewiesene Bewerber eine jahrelange Verzögerung der Ausbildung, wenn nicht gar einen Verzicht auf den gewählten Beruf bedeuten.
Im vorliegenden Fall hat das erstinstanzliche Verwaltungsgericht die Zulassungsbeschränkungen für das Sommersemester 1971 in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise überprüft und die Begrenzung auf 275 Studienplätze als zu niedrig beanstandet. Da das Berufungsgericht die Verhältnisse im Sommersemester 1971 nicht für maßgeblich hielt, hat es sich seinerseits mit diesen Beanstandungen nicht befaßt. Bei der weiteren verfassungsgerichtlichen Überprüfung wird daher unterstellt, daß in diesem Semester an der Universität München infolge unzureichender Kapazitätsausnutzung noch freie Studienplätze vorhanden waren.
II.
1. Ebenso wie der spätere Staatsvertrag der Länder nebst der zugehörigen Vergabeverordnung enthielten auch das bayerische Zulassungsgesetz sowie die Ausführungsverordnung eine ausdrückliche Regelung lediglich für den Fall, daß als verfügbar ausgewiesene Studienplätze frei bleiben; diese sind im Wege eines Nachrückverfahrens - nach der Vergabeverordnung gegebenenfalls auch durch Verlosung - zu vergeben (§§ 22 ff. der Vergabeverordnung; § 13 Abs. 3 der bayerischen Ausführungsverordnung). Dabei handelt es sich jedoch lediglich um die Besetzung solcher Studienplätze, die innerhalb einer durch Satzung oder Rechtsverordnung festgelegten Zulassungsquote liegen. Im vorliegenden Fall geht es hingegen um zusätzliche Studienplätze außerhalb der festgesetzten und für die Zulassungsbehörden maßgeblichen Quote, also um Studienplätze, deren Vorhandensein erst in einem Rechtsstreit als Folge unzureichender Kapazitätsausnutzung nachgewiesen wird.
Zu der Frage, wie und an wen derartige Studienplätze zu vergeben sind, fehlen ausdrückliche Regelungen. In der Rechtsprechung werden entgegengesetzte Auffassungen vertreten. Ebenso wie das erstinstanzliche Verwaltungsgericht hat ursprünglich auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVBl. 1970, S. 66 [69]) in Übereinstimmung mit der ständigen Praxis des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (DVBl. 1969, S. 935 [938]; ähnlich Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, DVBl. 1970, S. 324 [328]) die Plätze den klagenden Bewerbern ohne Rücksicht auf deren Rang zugesprochen; der Rang ist nach dieser Auffassung nur dann zu berücksichtigen, wenn die Zahl der klagenden Bewerber die Zahl der ungenutzten Plätze übersteigt (vgl. VGH Baden-Württemberg, DVBl. 1970, S. 933 [934]). Demgegenüber hält das Bundesverwaltungsgericht den Rang des klagenden Bewerbers generell für ausschlaggebend und demgemäß die Prüfung für erforderlich, ob diesem Bewerber ein Ausbildungsplatz zugestanden haben würde, wenn der vom Gericht ermittelte Kapazitätsrest von Anfang an in das Zulassungsverfahren einbezogen worden wäre (Urteil vom 22. Juni 1973, BVerwGE 42, 296; ebenso das OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - Nachweise bei Barbey, JZ 1971, S. 473 [484 Anm. 79] - und das OVG Berlin, JR 1972, S. 38 [40 f.]).
Die zuletzt genannte Auffassung ist im Schrifttum durchweg auf Kritik gestoßen (Haas, DVBl. 1974, S. 22 ff.; Czermak, NJW 1973, S. 1783 ff.; Naujoks, DÖV 1974, S. 65 ff.; J. Schmitt, NJW 1974, S. 773 [777]). Sie führt dazu, daß Klagen selbst dann erfolglos bleiben können, wenn ungenutzte Studienplätze nachgewiesen werden, und daß sich daher die Prüfung, ob derartige Plätze vorhanden sind, erübrigt, wenn der klagende Bewerber wegen seines ungünstigen Rangplatzes nicht zur Zulassung heransteht. Im Ergebnis muß sich diese Auffassung dahin auswirken, daß eine gerichtliche Kapazitätsüberprüfung überhaupt unterbleibt. Gutplazierte Bewerber werden nämlich - wie in der Kritik zutreffend hervorgehoben wird und wie auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 22. Juni 1973 einräumt - Klagen mit dem schwierigen Nachweis mangelnder Kapazitätsausnutzung in aller Regel nicht erheben; denn sie rechnen damit, daß sie im Nachrückverfahren bei der Verteilung frei gebliebener erfaßter Studienplätze oder in einem der nächsten Semester müheloser zum Zuge kommen.
2. Der vom Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht vertretenen Auffassung kann aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gefolgt werden.
a) Das Bundesverfassungsgericht hat im Numerus-clausus-Urteil ausgeführt, daß Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsgebot jedem hochschulreifen Bewerber an sich ein Recht auf Zulassung zum Studium seiner Wahl gewährleistet (BVerfGE 33, 303 [329 ff.]), daß sich absolute Zulassungsbeschränkungen am Rande des verfassungsrechtlich Hinnehmbaren bewegen (a.a.O. [333]) und daß im Falle von Zulassungsbeschränkungen eine Auswahl zwischen "prinzipiell Gleichberechtigten" vorzunehmen ist (a.a.O. [345]). Diese Grundsätze entsprechen der hohen Bedeutung freier Berufsentscheidungen für eine eigenverantwortliche Lebensführung in einem freiheitlichen Gemeinwesen und können in ihrer prinzipiellen Geltung nicht von dem geringeren oder höheren Grad ihrer Realisierungsmöglichkeit abhängen. Sie schließen zwar nicht aus, daß der Gesetzgeber die Hochschulbefähigung modifiziert. Berücksichtigt dieser dabei aber, daß Zulassungsvoraussetzungen für einen Beruf, insbesondere Anforderungen an die vorangehende berufliche Ausbildung, nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit stehen dürfen (vgl. BVerfGE 7, 377 [406 f.]; 13, 97 [117 f.]; 19, 330 [336 ff.]; 28, 364 [374]), dann werden - wie immer auch die Hochschulbefähigung geändert werden mag - angesichts einer begrenzten Zahl von Studienplätzen die genannten Grundsätze auch weiterhin nicht gegenstandslos werden.
In Konsequenz dieser Grundsätze ist der verfassungsrechtlich gewährleistete Zulassungsanspruch eines hochschulreifen Bewerbers rechtlich unabhängig von dessen Rangstelle zu sehen; daher kann - wie die Westdeutsche Rektorenkonferenz zutreffend ausführt - die Immatrikulation eines Bewerbers mit ungünstiger Rangstelle keinesfalls als Zulassung eines Nichtberechtigten beurteilt werden. Die rechtliche Selbständigkeit des Zulassungsanspruches tritt solange klar zutage, wie kein Bewerberüberhang besteht. Eine durch bloßen Bewerberüberhang ausgelöste Zulassungsbeschränkung kann aber nicht den Rechtscharakter des Zulassungsanspruches, sondern lediglich dessen Realisierung beeinflussen, die jeweils von der Zahl der vorhandenen Studienplätze und der Zahl der Mitbewerber abhängt und daher situationsbedingten Veränderungen unterliegt. Die Rangziffer kann nur das jeweilige Verhältnis eines Bewerbers zu seinen Mitbewerbern in einer Konkurrenzsituation kennzeichnen, nicht aber den Zulassungsanspruch gegenüber dem staatlichen Ausbildungsträger überhaupt erst konstituieren. Dieser darf daher die Zulassung eines hochschulreifen Bewerbers nur mit der Begründung ablehnen, daß die vorhandenen Ausbildungsplätze unter Erschöpfung der Kapazitäten sämtlich ordnungsgemäß besetzt sind, nicht hingegen damit, daß ungenutzte Plätze an andere, rangbessere Bewerber hätten vergeben werden müssen.
Bei dieser Beurteilung wird nicht verkannt, daß neben dem Zulassungsanspruch auch der Rangziffer eine wesentliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt, da sie eine möglichst gerechte Bewerberauswahl im Lichte des Gleichheitssatzes bezweckt. Beide verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte lassen sich in Einklang bringen, wenn sämtliche vorhandenen Ausbildungsplätze ordnungsgemäß erfaßt und in das normale Vergabeverfahren einbezogen werden. Sie geraten erst dann in Widerspruch zueinander, wenn ein Ausbildungsträger seine Pflicht zur Ausschöpfung der Kapazitäten nicht erfüllt hat. Gerade in einem solchen Fall darf aber nicht außer acht gelassen werden, daß jedes Auswahlverfahren eine Ungleichbehandlung prinzipiell Gleichberechtigter unter Anwendung problematischer Kriterien (vgl. dazu BVerfGE 33, 303 [349 ff.]; 37, 104 [114 ff.]) so wie eine situationsbedingte Notmaßnahme zur "Verwaltung eines Mangels" (so zutreffend Haas, a.a.O., S. 23 f.) darstellt. Daher darf die Anwendung solcher Notmaßnahmen keinesfalls dazu führen, vorhandene Studienplätze überhaupt ungenutzt zu lassen und damit den Mangel zu vergrößern. Der Gleichheitssatz würde ein solches Ergebnis schon deshalb nicht rechtfertigen, weil ein auch rechtlich erheblicher Unterschied besteht zwischen solchen Bewerbern, die ihren Ablehnungsbescheid haben bestandskräftig werden lassen, und solchen, die gegen ihre Ablehnung Klage erhoben und den Nachweis ungenutzter Kapazitäten geführt haben. Wegen dieses Unterschiedes kann die Zulassung eines klagenden Bewerbers mit ungünstiger Rangstelle die besser plazierten nichtklagenden Bewerber nicht in ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzen. Es erscheint vielmehr schwer verständlich, Ausbildungsplätze für solche Bewerber offenhalten zu wollen, die sich eines durchsetzbaren Anspruchs auf diese Plätze begeben haben und denen durch die anderweitige Besetzung dieser sonst unwiederbringlich verlorenen Plätze nichts entgeht. Zudem kommen Klagen, die zur Aufdeckung ungenutzter Kapazitäten führen, auch den rangbesseren Bewerbern insoweit zugute, als sie zur Erhöhung der Zulassungszahlen für das folgende Semester führen können und dadurch die Zulassungschancen gerade der günstig plazierten Bewerber verbessern.
b) Dieser Beurteilung läßt sich nicht entgegenhalten, Klagen von Bewerbern mit ungünstiger Rangstelle müßten bereits deshalb abgewiesen werden, weil diese Bewerber bei ordnungsgemäßer Einbeziehung der ungenutzten Plätze in das Vergabeverfahren keine Zulassung erreicht haben würden und daher durch ihre Ablehnung nicht in ihren Rechten verletzt sein könnten. Dieser Einwand ist letztlich nichts anderes als die Kehrseite der bereits verneinten Frage, ob die Rangziffer konstitutiver Bestandteil des Zulassungsanspruchs ist. Richtig ist lediglich, daß diese Bewerber nicht schon dadurch in ihren Rechten verletzt sind, daß sie bei der Verteilung der als frei erfaßten Stellen unberücksichtigt blieben. Ihre Klage betrifft aber nicht die Zuteilung dieser, sondern anderer Plätze, die infolge unzureichender Kapazitätsausnutzung überhaupt nicht in das Vergabeverfahren einbezogen waren. Besteht der verfassungsrechtliche Zulassungsanspruch unabhängig von Rangziffern, dann muß seine Nichterfüllung trotz vorhandener Ausbildungsplätze als eine Verletzung des Zulassungsrechts beurteilt werden.
Dieses Ergebnis steht auch in Einklang mit der Ausgestaltung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes als eines Individualrechtsschutzes in solchen Verfahren, in denen die Nachprüfung der Kapazitäten inzident in einem konkreten, auf Zulassung gerichteten Prozeß erfolgt. Das Gericht befindet sich in diesem Prozeß in einer anderen Situation als eine Zulassungsbehörde, die an die normativen Höchstzahlbegrenzungen gebunden und mit den Anträgen sämtlicher Bewerber befaßt ist. Werden nämlich in einem solchen Prozeß ungenutzte Plätze nachgewiesen, dann stehen sich bezüglich dieser Plätze nur noch die klagenden Bewerber und der Ausbildungsträger gegenüber, während nichtklagende Bewerber mit besseren Rangstellen am Prozeß gar nicht beteiligt sind. Diese Situationsverschiedenheit muß sich auch auf die Frage auswirken, an wen die im Prozeß nachgewiesenen ungenutzten Studienplätze zu vergeben sind. Im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG könnte die Erwägung, ein solcher Platz gebühre einem Dritten, nur dann durchgreifen, wenn dieser Platz noch an einen anderen Bewerber vergeben werden kann. Dies herbeizuführen, ist aber das Verwaltungsgericht in einem Individualrechtsstreit nicht in der Lage. Es kann - wie bereits das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt hat (BVerwGE 42, 296) - insbesondere nicht der Zulassungsstelle durch ein Bescheidungsurteil aufgeben, die als frei ermittelten Plätze an Besserberechtigte, am Prozeß nicht Beteiligte zu vergeben. Denn durch ein solches Bescheidungsurteil würde aus der Anfechtungsklage eines Bewerbers mit ungünstiger Rangstelle eine Popularklage, für die sich schwerlich ein Kläger finden würde.
Besteht sonach die Alternative im Verwaltungsprozeß darin, den freien Studienplatz entweder dem jeweiligen Kläger zuzusprechen oder aber ihn ungenutzt zu lassen, dann verliert die Rangziffer des Bewerbers hier ihren Sinn. Für das behördliche Auswahlverfahren zugeschnitten, ist sie im Verwaltungsprozeß jedenfalls dann, wenn weniger Kläger als freie Plätze vorhanden sind, funktionslos. Ihre Berücksichtigung würde das Gericht zwingen, ein mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbares Ergebnis - Freibleiben eines begehrten Studienplatzes - hinzunehmen, ohne daß dies durch vernünftige Gründe gerechtfertigt wäre. In einer solchen Lage gebührt dem Teilhaberecht aus Art. 12 Abs. 1 GG der Vorrang vor den aus der Not des Mangels entstandenen Verteilungsmaßstäben.
c) Nach alledem wird ein hochschulreifer Bewerber, der im Prozeß eine unzureichende Kapazitätsausnutzung nachgewiesen hat, in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt, wenn seine Klage allein mit Rücksicht auf seine ungünstige Rangstelle abgewiesen wird. Da nach den Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts im vorliegenden Fall weniger Kläger als Studienplätze vorhanden waren, bedarf es hier keiner weiteren Erörterung, wie in dem umgekehrten Fall zu verfahren ist, daß zwischen einer Mehrzahl von Klägern ausgewählt werden müßte.
III.
1. Das Berufungsgericht hat die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und die Klageabweisung nicht allein mit der ungünstigen Rangstelle des Beschwerdeführers, sondern vor allem damit begründet, für die Entscheidung sei nicht die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bewerbung (Sommersemester 1971), sondern im Zeitpunkt der Entscheidung (Sommersemester 1972) maßgebend; im Sommersemester 1972 seien aber nach Erhöhung der Zulassungszahlen die Kapazitäten ausgeschöpft gewesen und alle vorhandenen Plätze ordnungsgemäß vergeben worden.
Diese weitere Begründung beruht weitgehend auf der Auslegung und Anwendung einfachen Rechts, die einer verfassungsgerichtlichen Nachprüfung nur begrenzt zugänglich ist (BVerfGE 18, 85 [92 f.]). Demgemäß wäre die Verfassungsbeschwerde im Ergebnis als unbegründet zurückzuweisen, wenn sich mit hinreichender Sicherheit annehmen ließe, daß das Berufungsgericht bei seiner erneuten Entscheidung an dieser Auffassung festhalten und daher die Klage selbst dann abweisen würde, wenn die zuvor (unter II.) erörterte Frage nach der Bedeutung der Rangziffer in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise beantwortet wird. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Denn das genannte weitere zwischen den Fachgerichten strittige Problem ist nach Erlaß des Berufungsurteils vom Bundesverwaltungsgericht in der bereits erwähnten Entscheidung vom 22. Juni 1973 (BVerwGE 42, 296) in dem Sinne geklärt worden, daß sich eine Verpflichtungsklage, mit der die Studienzulassung aufgrund einer für ein bestimmtes Semester eingereichten Bewerbung begehrt wird, nicht mit dem Ablauf dieses Semesters erledige und daß bei der Entscheidung über eine solche Klage auf die Sach- und Rechtslage im Bewerbungssemester abzustellen sei.
Das Bundesverwaltungsgericht gelangt zu diesem Ergebnis, indem es neben dem Klagebegehren auch den verfassungsrechtlichen Charakter des Zulassungsanspruchs berücksichtigt. Das Klagebegehren gehe dahin, so bald wie möglich nach den für das Bewerbungssemester maßgebenden Regeln und tatsächlichen Verhältnissen zugelassen zu werden. Dieser Zulassungsanspruch beruhe auf Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsgebot. Ob dieser Anspruch, der hinsichtlich der grundsätzlichen rechtlichen Voraussetzungen keinen Änderungen unterworfen sei, verwirklicht werden könne, richte sich danach, wie viele Bewerber die Hochschulen aufzunehmen in der Lage seien. Insoweit könnten sich die tatsächlichen Verhältnisse und die rechtlichen Regelungen, die den jeweiligen Verhältnissen Rechnung trügen, von Semester zu Semester ändern. Bei der Konkurrenzsituation, in der sich die Bewerber bei der Verteilung der in jedem Semester zur Verfügung stehenden Studienplätze befänden, gebiete der Grundsatz der Chancengleichheit, einheitlich auf die Verhältnisse im Bewerbungssemester abzustellen und nicht bei Bewerbern, die ihre Ablehnung im Rechtsweg angriffen, einen späteren Zeitpunkt zugrunde zu legen.
An dieser Auffassung hat das Bundesverwaltungsgericht auch im vorliegenden Fall in seinem Beschluß über die Nichtzulassungsbeschwerde festgehalten. Es steht daher zu erwarten, daß das Berufungsgericht ihr bei seiner erneuten Entscheidung folgen wird. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten spricht für die Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere die Erwägung, daß die effektive Durchsetzung eines verfassungsmäßig gewährleisteten, in seiner Verwirklichung situationsabhängigen Rechts nicht darunter leiden darf, daß sich die Verhältnisse während der unvermeidlichen Dauer eines gerichtlichen Verfahrens zum Nachteil des Rechtsuchenden verschlechtern. Die gegenteilige Auffassung führt - wie gerade der vorliegende Fall zeigt - dazu, daß Klagen wegen mangelnder Kapazitätserschöpfung häufig praktisch sinnlos sein würden, da sich Zulassungszahlen im Verlauf eines länger dauernden Rechtsstreites ändern und zunächst vorhandene Kapazitätsreserven für Studienanfänger später entfallen können. Schwierigkeiten könnten sich allenfalls dann ergeben, wenn die Hochschule im Zeitpunkt der Entscheidung voll ausgelastet wäre und der Aufnahme obsiegender Kläger ordnungsgemäße Zulassungsbeschränkungen entgegenstünden. Schon der allgemeine Überblick über die Entwicklung der Zulassungszahlen bestätigt indessen, daß selbst ordnungsgemäße Kapazitätsausnutzungen in der Regel noch Spielraum lassen, um nachträglich einzelne obsiegende Kläger über eine Höchstzulassungszahl hinaus zuzulassen. Davon abgesehen lassen sich derartige Schwierigkeiten jedenfalls dann bewältigen, wenn der klagende Bewerber - wie im vorliegenden Fall - anrechenbare Leistungen in einem benachbarten Fach erbracht hat und ihm daher ein Studienplatz in einem höheren Semester zugewiesen werden kann, in dem die mangelnde Kapazitätserschöpfung im Bewerbungssemester fortwirkt.
2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34 Abs. 4 BVerfGG.
Benda Ritterspach Haager Rupp-v. Brünneck Böhmer Faller Brox Simon