BVerfGE 41, 1 - Wahlverfahren Präsidialrat
1. Die nach dem Grundgesetz für die allgemeinen politischen Wahlen zu den Parlamenten geltenden Grundsätze – insbesondere der Grundsatz der formalen Gleichheit der Wahl – können nicht unbesehen auf Wahlen zu den Richtervertretungen übertragen werden.
2. Innerhalb der rahmenrechtlichen Bindung des § 74 Abs. 2 DRiG ist der Landesgesetzgeber bei der Regelung des Wahlverfahrens für den Präsidialrat der verschiedenen Gerichtszweige in seiner Gestaltungsfreiheit nur durch den allgemeinen Gleichheitssatz beschränkt. Der besondere Zweck der Wahl läßt in großem Umfang Differenzierungen zu, die bei Anwendung des Grundsatzes der formalen Wahlrechtsgleichheit nicht zulässig wären, weil für sie besondere rechtfertigende, zwingende Gründe im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht bestehen.
 
Beschluß
des Zweiten Senats vom 16. Dezember 1975
– 2 BvL 7/74 –
in dem Verfahren zur Prüfung der Vereinbarkeit des § 33 Abs. 3 Niedersächsisches Richtergesetz vom 14. Dezember 1962 (GVBl. S. 265) in der Fassung des Art. 1 Abschnitt II Nr. 13 des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Richtergesetzes vom 3. Juli 1972 (GVBl. S. 365) mit dem Grundgesetz und mit § 74 Abs. 2 Deutsches Richtergesetz in der Fassung vom 19. April 1972 (BGBl. I S. 713), – Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Verwaltungsgerichts Hannover vom 21. Februar 1974 (VI A 4/73) –.
 
Entscheidungsformel:
§ 33 Absatz 3 Niedersächsisches Richtergesetz vom 14. Dezember 1962 (Gesetz- und Verordnungsbl. S. 265) in der Fassung des Artikels 1 Abschnitt II Nr. 13 des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Richtergesetzes vom 3. Juli 1972 (Gesetz- und Verordnungsbl. S. 365) ist in der sich aus den Gründen ergebenden Auslegung mit dem Grundgesetz und dem sonstigen Bundesrecht vereinbar.
 
Gründe:
 
A. – I.
Das Verfahren betrifft die Frage, ob es mit dem Grundgesetz und den Rahmenvorschriften des Deutschen Richtergesetzes für die Vertretungsorgane der Richter im Landesdienst vereinbar ist, daß in Niedersachsen jeder Wahlvorschlag für die Wahl der Präsidialräte, deren Vorsitzende gewählt werden, mindestens einen Gerichtspräsidenten als Wahlbewerber um den Vorsitz aufführen muß. Der zur Entscheidung zuständige Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat durch die Zwischenentscheidung vom 3. Dezember 1975 seine ordnungsgemäße Besetzung festgestellt.
II.
1. Die Richtergesetze des Bundes und der Länder sehen für die Beteiligung der Richter an allgemeinen, sozialen und personellen Angelegenheiten getrennte Richtervertretungsorgane vor: Richterräte und Präsidialräte. Ersteren ist die Vertretung der Richter in allgemeinen und sozialen Angelegenheiten übertragen. Ihre Mitglieder werden sämtlich gewählt. Die Präsidialräte der Richter im Landesdienst sind mindestens an der Ernennung eines Richters für ein Amt mit höherem Endgrundgehalt als dem eines Eingangsamtes zu beteiligen. In Niedersachsen wirken sie ferner an entsprechenden Versetzungen, bei der Übertragung eines anderen Richteramtes und der Amtsenthebung eines Richters bei Veränderung der Gerichtsorganisation, bei der Abordnung eines Richters auf Lebenszeit oder eines Richters auf Zeit ohne seine Zustimmung, bei bestimmten Ernennungen zum Richter auf Probe, bei der Ernennung der Richter kraft Auftrages sowie an Entlassungen in den Fällen der §§ 22 und 23 des Deutschen Richtergesetzes mit (§ 27 Abs. 1 Niedersächsisches Richtergesetz vom 14. Dezember 1962 – GVBl. S. 265 – in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Richtergesetzes vom 3. Juli 1972 – GVBl. S. 365 – [im folgenden: NdsRiG]).
Ähnlich der Regelung für die Richter im Bundesdienst geben die Präsidialräte in Niedersachsen eine Stellungnahme zu den von der obersten Dienstbehörde beabsichtigten Maßnahmen ab, die sich bei Ernennungen und Versetzungen auf die persönliche und fachliche Eignung des vorgeschlagenen Bewerbers erstreckt und bei der Besetzung eines Richteramtes mit höherem Endgrundgehalt als dem eines Eingangsamtes auch andere Bewerber einbeziehen kann. § 41 a NdsRiG sieht ein Einigungsverfahren vor, wenn die Stellungnahme des Präsidialrats und die Auffassung der obersten Dienstbehörde nicht übereinstimmen.
2. Nach § 74 Abs. 2 Deutsches Richtergesetz in der Fassung vom 19. April 1972 (BGBl. I S. 713), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3686) – im folgenden: DRiG –, bestehen die Präsidialräte in den Ländern aus dem Präsidenten eines Gerichts als Vorsitzendem und aus Richtern, von denen mindestens die Hälfte durch die Richter zu wählen sind. Die Zusammensetzung der niedersächsischen Präsidialräte, von denen je einer für jeden Gerichtszweig gebildet wird, ergibt sich aus § 29 NdsRiG:
    (1) Der Präsidialrat besteht aus dem Präsidenten eines Gerichts des jeweiligen Gerichtszweiges als Vorsitzendem und bei
    a) der ordentlichen Gerichtsbarkeit sechs,
    b) der Verwaltungsgerichtsbarkeit vier,
    c) der Sozialgerichtsbarkeit vier,
    d) der Arbeitsgerichtsbarkeit vier,
    e) der Finanzgerichtsbarkeit zwei weiteren Richtern.
    (2) Sind in einem Gerichtszweig mehrere obere Landesgerichte vorhanden, so soll mindestens ein Richter aus dem Bezirk jedes dieser Gerichte Mitglied des Präsidialrats sein.
    (3) Ist ein Gerichtszweig mehrgliedrig aufgebaut, so soll mindestens ein Richter aus jeder Gerichtsart weiteres Mitglied des Präsidialrats (Absatz 1 Buchst. a bis e) sein.
Die Vorsitzenden der Präsidialräte der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit werden wie die weiteren Mitglieder der Präsidialräte aller Gerichtsbarkeiten von den Richtern des jeweiligen Gerichtszweiges aus ihrer Mitte geheim und unmittelbar gewählt. In den anderen Gerichtszweigen ist jeweils nur ein Gerichtspräsident vorhanden, dem der Vorsitz ohne Wahl zufällt (§ 30 NdsRiG). Es können nur Richter gewählt werden, die am Beginn der Wahlperiode insgesamt mindestens fünf Jahre Richter auf Lebenszeit sind (§ 32 Abs. 1 NdsRiG).
Die Wahl wird durch Wahlvorschläge vorbereitet. § 33 NdsRiG sieht dazu vor:
    (1) Sind in einem Gerichtszweig mehrere obere Landesgerichte vorhanden, so soll jeder Wahlvorschlag mindestens zwei Bewerber aus dem Bezirk jedes dieser Gerichte enthalten.
    (2) Ist ein Gerichtszweig mehrgliedrig aufgebaut, so soll jeder Wahlvorschlag mindestens je zwei Bewerber enthalten, die bei einem Gericht der vorhandenen Gerichtsarten planmäßig angestellt sind.
    (3) Soweit der Vorsitzende des Präsidialrats zu wählen ist, muß jeder Wahlvorschlag mindestens einen Gerichtspräsidenten enthalten.
    (4) Sind mehrere Wahlvorschläge eingereicht, so werden alle Bewerber in alphabetischer Reihenfolge in dem Stimmzettel aufgeführt.
Die Stimmabgabe und die Feststellung des Wahlergebnisses regelt § 34 NdsRiG:
    (1) Jeder Wahlberechtigte hat so viele Stimmen, wie Mitglieder in den Präsidialrat zu wählen sind.
    (2) Soweit der Vorsitzende des Präsidialrats zu wählen ist, ist der Gerichtspräsident gewählt, der die meisten Stimmen erhalten hat.
    (3) Sind in einem Gerichtszweig mehrere obere Landesgerichte vorhanden, so ist aus jedem Bezirk dieser Gerichte, der nicht bereits durch den Vorsitzenden im Präsidialrat vertreten ist, der Bewerber gewählt, der die meisten, mindestens aber zwanzig Stimmen erhalten hat.
    (4) Ist ein Gerichtszweig mehrgliedrig aufgebaut und ist eine Gerichtsart noch nicht nach Absatz 3 durch ein weiteres Mitglied im Präsidialrat vertreten, so ist der Bewerber aus dieser Gerichtsart gewählt, der die meisten Stimmen erhalten hat.
    (5) Im übrigen sind die Richter gewählt, die die meisten Stimmen erhalten haben.
III.
1. Nach der Einführung dieser Vorschriften wurde der Präsidialrat der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Niedersachsen erstmals zum 1. Januar 1973 neu gewählt. Dazu reichte die dortige Bezirksverwaltung der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr einen Wahlvorschlag ein, der sieben Wahlbewerber enthielt. Der Hauptwahlvorstand behandelte den Wahlvorschlag als ungültig, weil darin nur vier nach dem Zeitpunkt ihrer planmäßigen Anstellung wählbare Richter und kein Gerichtspräsident aufgeführt waren und diese Mängel trotz entsprechender Aufforderung nicht beseitigt wurden. Die Wahl wurde auf Grund eines Wahlvorschlages des Niedersächsischen Richterbundes durchgeführt.
In dem Ausgangsverfahren ist die Wahl mit der Begründung angefochten worden, die Wahlvorschriften des Niedersächsischen Richtergesetzes verletzten dadurch die verfassungsrechtlichen Anforderungen an demokratische Wahlen und die Rahmenbindung des § 74 Abs. 2 DRiG, daß jeder Wahlvorschlag mindestens einen Gerichtspräsidenten enthalten müsse, das passive Wahlrecht nur solchen Bewerbern zustehe, die mindestens fünf Jahre Richter auf Lebenszeit seien, und die Zusammensetzung des Präsidialrats durch Mehrheitswahlrecht bestimmt werde, dem die Rechte einer breiten Minderheit gänzlich zum Opfer fielen. Diese Regelungen verstießen gegen das Prinzip der Chancengleichheit und verletzten den Gleichheitssatz.
2. Das angerufene Verwaltungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 33 Abs. 3 NdsRiG mit Art. 3 GG und § 74 Abs. 2 DRiG vereinbar ist. Es begründet die Vorlage wie folgt: Die Entscheidung hänge, soweit die Antragsteller anfechtungsberechtigt seien, von der Gültigkeit jener Vorschrift ab. Die Wahlanfechtung sei begründet, wenn bei der Wahl wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren einschließlich des einschlägigen Verfassungsrechts, an dem diese Vorschriften zu messen seien, verletzt worden seien. Als Grundlage der geschlossenen Zurückweisung des Wahlvorschlages der gewerkschaftlichen Berufsorganisation komme nur § 33 Abs. 3 NdsRiG in Betracht. Sonstige Regelungen des Wahlverfahrens hätten nicht entgegengestanden, diesen Wahlvorschlag jedenfalls für die darin aufgeführten vier wählbaren Bewerber als gültig anzuerkennen. Das hätte das Wahlergebnis hinsichtlich der gewählten Mitglieder des Präsidialrats mit Ausnahme des Vorsitzenden ändern oder beeinflussen können. Da es auf die Beschränkung der Wählbarkeit gegenüber diesen Wahlbewerbern nicht ankomme und das angewandte Wahlsystem keinen Bedenken begegne, sei allein § 33 Abs. 3 NdsRiG entscheidungserheblich,
Die Vorschrift sei mit Art. 3 GG und § 74 Abs. 2 DRiG unvereinbar. Der allgemeine, aus Art. 3 GG abzuleitende Grundsatz der Wahlgleichheit gelte als Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes, wo immer das Gesetz die Durchführung von Wahlen anordne oder zulasse und damit auch für die Wahlen zu den Richtervertretungen. Er sei auf formale Gleichheit bei der Wahl gerichtet, die sich als grundlegendes, für die egalitär-demokratische Verfassung unverzichtbares Prinzip nicht auf Parlamentswahlen beschränken lasse, sondern in allen Bereichen wirke, in denen eine Mitwirkung der Bürger durch Wahlen vorgesehen sei. Differenzierungen bedürften im Rahmen der formalen Wahlrechtsgleichheit nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besonderer, zwingender Gründe. Das gelte auch für das Einreichen von Wahlvorschlägen.
§ 33 Abs. 3 NdsRiG verschaffe den Gerichtspräsidenten einen damit unvereinbaren größeren Einfluß auf die Wahl als anderen Richtern. Da jeder Wahlvorschlag einen Präsidenten enthalten müsse, hätten diese es in der Hand zu entscheiden, ob ein Wahlvorschlag eingereicht werden könne und welche weiteren Wahlbewerber darin aufgeführt würden. Daneben verschärfe die Vorschrift in ihren Auswirkungen ohne zwingenden Grund eine von vornherein bestehende Benachteiligung der weniger bekannten und erfahrenen jüngeren Richter in den Eingangsämtern gegenüber ihren älteren Kollegen in herausgehobenen Richterämtern durch die Möglichkeit einer Vorauswahl seitens der kandidierenden Präsidenten, die sich im allgemeinen für erfahrenere Persönlichkeiten unter den Richtern entschieden. Die Aussichten dieser Richter, einen Gerichtspräsidenten als "Spitzenkandidaten" zu gewinnen, verschlechterten sich noch mehr, wenn zwischen ihnen und den Präsidenten Meinungsunterschiede über die im Präsidialrat zu verfolgende Linie beständen.
Der Vorsitz im Präsidialrat könne auch ordnungsgemäß bestellt werden, wenn das Erfordernis des § 33 Abs. 3 NdsRiG auf mindestens einen der eingehenden Wahlvorschläge beschränkt werde oder als bloße Sollvorschrift notfalls eine anderweitige Bestimmung des Vorsitzenden zulasse. Da § 74 Abs. 2 DRiG unter der Wahl durch die Richter eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen insbesondere des Grundsatzes der Wahlrechtsgleichheit entsprechende Wahl verstehe, verstoße § 33 Abs. 3 NdsRiG zugleich gegen diese bundesrechtliche Rahmenvorschrift.
IV.
1. Der Niedersächsische Ministerpräsident, der sich für die Landesregierung geäußert hat, hält die beanstandete Regelung für verfassungsgemäß und führt aus:
Der Landesgesetzgeber, der sich im Rahmen von § 74 Abs. 2 DRiG dafür entscheiden könne, daß auch der durch sein Präsidentenamt qualifizierte Vorsitzende des Präsidialrats von den Richtern unmittelbar gewählt werde, müsse die Wahl eines ordnungsgemäß bestellten und damit funktionsfähigen Richtervertretungsorgans sicherstellen. Bei den sich über das ganze Land erstreckenden Wahlen könne auf Wahlvorschläge nicht verzichtet werden, die zugleich die Bereitschaft zur Annahme der Wahl erkennen ließen. Durch § 33 Abs. 3 NdsRiG solle vermieden werden, daß Vorschläge ohne Benennung eines Gerichtspräsidenten eingereicht und zugelassen würden und daß dadurch ein Präsidialrat ohne Gerichtspräsidenten, mithin ein dem Bundesrecht nicht entsprechendes und deshalb funktionsunfähiges Vertretungsorgan gewählt werde.
Die Vorschrift gelte für alle wahlvorschlagsberechtigten Wählergruppen in gleicher Weise. Sie zwinge jede Gruppe, auf ihrem Wahlvorschlag mindestens einen Gerichtspräsidenten zu benennen. Diese formale Gleichheit genüge, um den Grundsatz der Wahlgleichheit auch hinsichtlich des Wahlvorschlagsrechts zu erfüllen. Ob einer Wählergruppe der Versuch gelinge, einen Gerichtspräsidenten zu gewinnen, stehe außerhalb des Blickfeldes, das sich dem Gesetzgeber biete und von ihm beherrschbar sei. Solange er nicht ohne Grund oder in der Absicht, eine bestimmte Wählergruppe zu benachteiligen, die Aufnahme eines Gerichtspräsidenten in alle Wahlvorschläge fordere, brauche er in seine Überlegungen nicht die Frage einzubeziehen, ob etwa die eine oder die andere Wählergruppe wegen ihrer geringen Mitgliederzahl, wegen der besonderen Zusammensetzung ihrer Mitglieder oder aus anderen Gründen Schwierigkeiten haben könnte, einen Präsidenten in ihrer Vorschlagsliste zu benennen.
Wenn sich die an der Kandidatur interessierten Gerichtspräsidenten, die in der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Niedersachsen keineswegs einen geschlossenen Block bildeten, für einen bestimmten Wahlvorschlag entscheiden könnten, sei das eine zwangsläufige Folge der Wahl des durch sein Amt qualifizierten Vorsitzenden des Präsidialrats. Sie verschaffe den Gerichtspräsidenten keinen anderen "Vorteil" als den, der sich bereits daraus ergebe, daß nur sie als Vorsitzende dieser Richtervertretung wählbar seien. Die Aussichten jüngerer Richter, als Wahlbewerber vorgeschlagen und gewählt zu werden, würden von § 33 Abs. 3 NdsRiG nicht betroffen.
Die verfassungsrechtlich unbedenkliche Grundentscheidung des Gesetzgebers für die Wahl aller Mitglieder des Präsidialrats lasse eine andere Ausgestaltung des Wahlvorschlagsrechts nicht zu. § 33 Abs. 3 NdsRiG verletze daher auch nicht die Rahmenvorschrift des § 74 Abs. 2 DRiG, die über die Wahl des Vorsitzenden Gerichtspräsidenten selbst nichts aussage.
2. Der Antragsteller zu 2) des Ausgangsverfahrens hat sich erst nach der Beschlußfassung geäußert.
 
B.
Die Vorlage ist zulässig. Das Verwaltungsgericht hat hinreichend dargelegt, daß § 33 Abs. 3 NdsRiG für das Ausgangsverfahren entscheidungserheblich ist, soweit die Antragsteller dieses Verfahrens zur Anfechtung der Wahl berechtigt sind. Die Auslegung der Vorschrift unter Heranziehung der mit ihr im Zusammenhang stehenden Teile des Gesetzes durch das vorlegende Gericht, von der für die Prüfung der Zulässigkeit der Vorlage auszugehen ist (vgl. BVerfGE 38, 154 [162] mit weiteren Nachweisen), ist jedenfalls vertretbar.
 
C.
§ 33 Abs. 3 des Niedersächsischen Richtergesetzes ist in der sich aus den folgenden Darlegungen ergebenden Auslegung mit dem Grundgesetz und dem sonstigen Bundesrecht vereinbar. Die Bestimmung verstößt dann weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen die Rahmenvorschrift des § 74 Abs. 2 DRiG über die Zusammensetzung und Bestellung der Präsidialräte der Richter im Landesdienst.
I.
1. Die Richtervertretungen zählen zu den Personalvertretungen im öffentlichen Dienst. Abweichend vom Personalvertretungsrecht für die Beamten, Angestellten und Arbeiter, von dem die Richter wegen ihrer besonderen Stellung ausgenommen sind (vgl. § 4 Abs. 1 Bundespersonalvertretungsgesetz vom 15. März 1974 – BGBl. I S. 693 –; § 3 Abs. 1 Satz 2 Personalvertretungsgesetz für das Land Niedersachsen vom 24. April 1972 – GVBl. S. 232 –), haben die Richtergesetze des Bundes und der Länder neben dem Richterrat den Präsidialrat als besonderes Vertretungsorgan eines Gerichts oder eines Gerichtszweiges eingeführt; ihm sind mit dem Recht zur Stellungnahme in wichtigen Personalangelegenheiten Befugnisse zur Kontrolle der im gewaltengeteilten Rechtsstaat unvermeidbaren personellen Einflußnahme der Exekutive auf die rechtsprechende Gewalt eingeräumt. § 74 DRiG hat die Organisation und die Struktur der Präsidialräte der Richter im Landesdienst weitgehend der Landesgesetzgebung überlassen. Die Länder sind insbesondere berufen, nähere Bestimmungen über das Wahlverfahren, die Wahlberechtigung und die Wählbarkeit zu erlassen.
Die Länder sind durch den im Deutschen Richtergesetz enthaltenen Grundsatz einer gemischten Besetzung des Präsidialrats mit Mitgliedern kraft Amtes und Mitgliedern kraft Wahl nicht gehindert, über die bundesrechtlichen Mindestanforderungen hinaus weitere Mitglieder einschließlich des durch sein herausgehobenes Richteramt qualifizierten Vorsitzenden dieser Richtervertretung durch Wahlen bestellen zu lassen. Es begegnet daher keinen Bedenken, daß den niedersächsischen Richtern das Recht zusteht, mit Ausnahme des Vorsitzenden in Gerichtszweigen, in denen nur ein Gerichtspräsident vorhanden ist, alle Mitglieder des Präsidialrats ihrer Gerichtsbarkeit zu wählen.
2. § 74 Abs. 2 DRiG bindet den Landesgesetzgeber nur insoweit, als die wählbaren Richtervertreter "durch die Richter zu wählen sind". "Wählen" verweist hier (und in § 54 Abs. 1 Satz 5 DRiG) auf ein Verfahren, in dem die Richter eines Gerichtszweiges Kollegen ihres Vertrauens für das Amt im Präsidialrat namhaft machen und aus diesem Kreis die Mitglieder des Präsidialrats bestimmen können. Bei der Wahl geht es nicht wie bei Parlamentswahlen um die demokratische Legitimierung eines Organs, das die Gesamtbürgerschaft repräsentiert; die Richter bedürfen bei der Ausübung ihrer Beteiligungsaufgaben einer solchen Legitimation nicht, weil das Grundgesetz die Einstellung und Beförderung der Richter gewählten Volksvertretern und von der Volksvertretung bestellten und ihr verantwortlichen Ministern übertragen hat (Art. 95 Abs. 2, 98 Abs. 4 GG; vgl. auch BVerfGE 9, 268 [278 ff.]). Mit der Wahl des Präsidialrats soll vielmehr die Autorität der Richter, die dort für die Belange der Richterschaft und der Justiz eine Mitverantwortung übernehmen, auf einen Vertrauenserweis der Richterschaft ihres Gerichtszweiges – also einer besonderen Gruppe – gegründet und mittelbar die Unabhängigkeit der Rechtspflege gestärkt werden.
a) Mit § 74 Abs. 2 DRiG legt das Bundesrecht den Landesgesetzgeber auf ein Wahlverfahren für die Präsidialratswahlen fest, das inhaltlich-qualitativ eine echte Wahl ermöglicht. Bei Wahlen dieser Art kann freilich die Anzahl der Wahlalternativen gering sein und sich äußerstenfalls auf die Entscheidung für oder gegen einen Wahlbewerber um den Vorsitz oder einen anderen Sitz in dieser Richtervertretung beschränken. Die Modalitäten der Wahlbewerbung, denen für den Wahlbegriff wesentliche Bedeutung zukommt, dürfen aber nicht eine Auswahl unter verschiedenen Kandidaten und damit eine echte Wahlentscheidung dadurch verhindern, daß sie konkurrierende Vorschläge faktisch ausschließen. Wahlverfahren, die nur eine scheinbare Wahl zulassen, entsprechen § 74 Abs. 2 DRiG nicht.
b) Wahlrechtsregelungen im Rahmen dieser Vorschrift müssen allerdings auch die besondere Stellung des Präsidialrats berücksichtigen, die ihn von anderen Richter- und Personalvertretungen abhebt. Der Präsidialrat eines Gerichtszweiges ist ein Organ dieser Gerichtsbarkeit, das die Gesamtheit der Richter in allen Gerichtsbezirken, innerhalb der verschiedenen Instanzen und auch hinsichtlich der verschiedenen richterlichen Ämter repräsentiert. In seiner verantwortungsvollen Aufgabe, die richterliche Unabhängigkeit bei wichtigen Personalentscheidungen zu wahren und zu stärken, wird er – der Idee nach – von allen Richtern seines Gerichtszweiges getragen. Deshalb darf, vor allem wenn, wie in Niedersachsen, die Mitglieder des Präsidialrats sämtlich durch Wahl bestellt werden, das Wahlverfahren nicht so geregelt sein, daß es der Bildung eines Präsidialrats im Wege steht, in dem die relevanten Kräfte und Gruppen innerhalb der Richterschaft angemessen vertreten sind.
3. a) Die nach dem Grundgesetz für die allgemeinen politischen Wahlen zu den Parlamenten geltenden Grundsätze können nicht unbesehen auf Wahlen zu den Richtervertretungen übertragen werden. Für allgemeine Wahlen gilt, daß das aktive Wahlrecht in der parlamentarischen Demokratie heute an keine weiteren Voraussetzungen als Volljährigkeit und Staatsangehörigkeit geknüpft ist und kein Staatsbürger davon ohne zwingenden Grund ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerfGE 36, 139 [141]). In diesem Bereich hat der Grundsatz der formalen Wahlgleichheit für das Bundestagswahlrecht in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG und für das Wahlrecht in den Ländern, Kreisen und Gemeinden in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG seinen verfassungsrechtlich verbindlichen Ausdruck gefunden. Als ungeschriebenes Verfassungsrecht gilt er darüber hinaus für sonstige politische Abstimmungen und Volksentscheide (vgl. BVerfGE 13, 54 [91 f.]; 28, 220 [224]). Das Bundesverfassungsgericht hat ihn auf Wahlen innerhalb der Sozialversicherung ausgedehnt (vgl. BVerfGE 30, 227 [246]).
Außerhalb demokratischer Wahlen politisch-parlamentarischer Art kann der Grundsatz, daß jeder sein aktives und passives Wahlrecht in formal möglichst gleicher Weise soll ausüben können, Einschränkungen erfahren (vgl. BVerfGE 39, 247 [254] für die Wahlen der Selbstverwaltungsorgane der Hochschulen). Es besteht kein Verfassungssatz, der den formalen Charakter der gleichen Wahl für Wahlen aller Art durchsetzt, an denen der Einzelne teilnimmt. Die Formalisierung sowohl der Wahlrechtsgleichheit als auch der damit eng zusammenhängenden Chancengleichheit der politischen Parteien hat – historisch betrachtet – ihre Wurzel im Postulat der politischen Gleichheit aller Staatsbürger (vgl. BVerfGE 34, 81 [98] mit weiteren Nachweisen). Die durch das Grundgesetz errichtete demokratische Ordnung trägt dem dadurch Rechnung, daß sie im Bereich der politischen Willensbildung alle Staatsbürger grundsätzlich absolut gleich bewertet und eine Durchbrechung dieses Grundsatzes nur aus zwingenden Gründen zuläßt (vgl. BVerfGE 8, 51 [69]; 14, 121 [132]).
b) Wahlen der hier vorliegenden Art haben eine andere Zielsetzung und unterliegen anderen Voraussetzungen. Die Richter wählen als Angehörige eines Gerichts oder eines Gerichtszweiges die Mitglieder ihrer Vertretung in Personalangelegenheiten im Hinblick auf ihr gemeinsames spezifisches Interesse an einer qualifizierten – vor allem unabhängigen und unparteilichen – Richterschaft und einer leistungsfähigen Rechtspflege. Die Mitwirkung des Präsidialrats, die diesem Organ in stärkerem Umfang als anderen Personalvertretungen im öffentlichen Dienst eingeräumt ist, bringt wesentliche Belange der Dritten Gewalt im Staat zur Geltung. Damit soll sie nicht den berufs- und personalpolitischen Auffassungen einzelner Richter, Richtergruppen oder berufsständischen und gewerkschaftlichen Organisationen der Richter und der Durchsetzung ihrer eigenen Interessen dienen, sondern dem Nutzen der Rechtspflege zum Wohl der Allgemeinheit.
In seiner herausgehobenen Stellung unterscheidet sich der Präsidialrat von dem Richterrat, der weitgehend dem Personalrat der Beamten, Angestellten und Arbeiter angenähert ist (vgl. § 52 DRiG; § 10 Abs. 2 NdsRiG) und mit ihm in den sogenannten gemeinsamen Angelegenheiten zusammenarbeitet (vgl. §§ 53, 73 Nr. 2 DRiG; §§ 10 Abs. 1 Nr. 2, 21 ff. NdsRiG). Sie hat zur Folge, daß die Wahlverfahren für die Wahl dieser Richtervertretung, die die Länder in Ausfüllung des Rahmenrechts des Deutschen Richtergesetzes einführen, nicht den für allgemeine Wahlen zu den politischen Körperschaften und kommunalen Vertretungen geltenden formalen Grundsätzen unterliegen (vgl. BayVfGH in BayVBl. 1975 S. 390 [391]). Das gilt auch, wenn sich ein Land für die Wahl aller Mitglieder des Präsidialrats entscheidet. Der niedersächsische Gesetzgeber kann nicht deshalb strengeren Anforderungen an die Ausgestaltung des Wahlrechts unterliegen, weil er den ihm belassenen Regelungsbereich für die Bestellung der Mitglieder des Präsidialrats durch Wahl voll ausgeschöpft hat.
4. Innerhalb der rahmenrechtlichen Bindung des § 74 Abs. 2 DRiG ist der Landesgesetzgeber bei der Regelung des Wahlverfahrens in seiner Gestaltungsfreiheit nur durch den Gleichheitssatz beschränkt, der als allgemeines rechtsstaatliches Prinzip in allen Rechtsbereichen gilt (vgl. BVerfGE 38, 225 [228]). Wahlrechtsbestimmungen der vorliegenden Art halten sich dann in den durch Art. 3 Abs. 1 GG gesetzten Schranken, wenn sie mit dem jeweiligen Wahlsystem und den daran nach der Natur der konkreten Wahl zu stellenden Anforderungen vereinbar sind, dem Charakter der Wahl als eines auf die Bildung von funktionsfähigen Organen gerichteten Integrationsvorganges Rechnung tragen und nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen und damit willkürlich sind. Der besondere Zweck der Wahl läßt also in großem Umfang Differenzierungen zu, die bei Anwendung des Grundsatzes der formalen Wahlrechtsgleichheit nicht zulässig wären, weil für sie besondere rechtfertigende, zwingende Gründe im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 34, 81 [99] mit weiteren Nachweisen) nicht bestehen.
II.
Nach diesen Grundsätzen verstößt die zur Prüfung vorgelegte Bestimmung nicht gegen die Verfassung und sonstiges Bundesrecht.
1. § 74 Abs. 2 DRiG überträgt den Vorsitz in den Präsidialräten der Richter im Landesdienst entsprechend der Regelung im Bund dem Präsidenten eines Gerichts. Das Ziel, den Vorsitz im Präsidialrat einem Gerichtspräsidenten vorzubehalten, läßt sich, wenn der Landesgesetzgeber sich für die Wahl aller Mitglieder des Präsidialrats entscheidet, nur durch Einschränkung des passiven Wahlrechts erreichen; das bedeutet, daß für das Amt des Präsidialrats-Vorsitzenden der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes nur Präsidenten kandidieren können. Dies kann wegen der besonderen Aufgaben und Befugnisse dieser Richtervertretung verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden. Eine der wichtigsten Aufgaben des Präsidialrats ist die Mitwirkung an der Ernennung der Gerichtspräsidenten. Außerdem sind jedenfalls für den Vorsitzenden breite Erfahrungen in Personalangelegenheiten und sonstigen Gerichtsverwaltungssachen sowie eingehende Kenntnisse der personellen Zusammensetzung der Richterschaft des Landes zu fordern; darüber verfügen regelmäßig und in besonderem Maße die Präsidenten großer und übergeordneter Gerichte.
Die Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung von Richtern für höher eingestufte Ämter erfordert auch im übrigen Sachkunde und Erfahrung, die es rechtfertigen, die Wählbarkeit aller Mitglieder des Präsidialrats von einer längeren Tätigkeit als Richter abhängig zu machen. Die Beschränkung der Wählbarkeit auf Richter, die am Beginn der Wahlperiode insgesamt mindestens fünf Jahre Richter auf Lebenszeit sind (§ 32 Abs. 1 NdsRiG), ist sachlich vertretbar (vgl. BayVfGH a.a.O.). Es gibt keinen Verfassungsgrundsatz, nach dem bei einer Wahl alle Wahlberechtigten wählbar sein müssen.
2. Das Wahlsystem der Mehrheits- und Personenwahl mit unterschiedlichem Erfolgswert der Wählerstimmen (§§ 33 Abs. 4, 34 NdsRiG) entspricht der Absicht des Landesgesetzgebers, mit der Wahl aller Präsidialratsmitglieder eine ausgewogene, das Wahlergebnis weitgehend berücksichtigende Repräsentanz der gesamten Richterschaft in dieser Richtervertretung zu erreichen. Es trägt insbesondere dazu bei, daß dem Präsidialrat Richter aus allen Gerichtsbezirken und -arten eines Gerichtszweiges angehören, wie es § 29 NdsRiG mit Rücksicht auf die Verhältnisse in einem Flächenstaat wie Niedersachsen mit einer gewachsenen Struktur mehrerer Oberlandesgerichtsbezirke in der ordentlichen Gerichtsbarkeit im Regelfall vorsieht.
3. a) Ist es danach sachgerecht, so zu wählen, daß Richter aus allen Teilen einer Gerichtsbarkeit die jeweiligen Belange ihrer Ämter in dem Beteiligungsverfahren zur Geltung bringen können, muß sich auch die Kandidatenaufstellung in der Wahlvorbereitung an der inneren Verfassung des Präsidialrats ausrichten. § 33 Abs. 1 bis 3 NdsRiG ist daher – folgerichtig – auf die Wahl einer Vertretung in der Zusammensetzung des § 29 NdsRiG angelegt, die durch entsprechend ausgestaltete Wahlvorschläge, auf die bei einer Wahl dieser Art kaum verzichtet werden kann, herbeigeführt und durch die korrespondierende Feststellung des Wahlergebnisses nach § 34 NdsRiG ermöglicht wird. Zwar enthält § 33 Abs. 1 und 2 NdsRiG nur Sollvorschriften. Im Zusammenhang des Gesetzes kommt darin jedoch die Verfassungsrechtlich unbedenkliche Absicht zum Ausdruck, die Präsidialratswahlen auf der Grundlage geschlossener, vollständiger Vorschlagslisten durchzuführen, die eine den besonderen Verhältnissen der einzelnen Gerichtsbarkeiten angepaßte Bestellung der Präsidialratsmitglieder durch Wahlen am besten ermöglichen.
b) Die in § 33 Abs. 3 NdsRiG zwingend vorgeschriebene Verbindung der Wahlvorschläge mit der Benennung eines Gerichtspräsidenten als Wahlbewerber um den Vorsitz im Präsidialrat der Gerichtszweige, in denen der Vorsitzende durch die Richter zu wählen ist, fügt sich in das auf eine repräsentative Zusammensetzung dieser Richtervertretung aus in ihrer Gesamtheit gewählten Richtern bezogene Wahlverfahren dadurch ein, daß sie die gleichzeitige Wahl des Vorsitzenden gewährleistet. Ohne insoweit vollständige Vorschlagslisten, die die Wahl eines den bundesrechtlichen Mindestanforderungen entsprechenden Vertretungsorgans sicherstellen, ist die Konstituierung des Präsidialrats nicht gesichert.
Während durch § 29 Abs. 2 und 3 NdsRiG die Repräsentanz der Richter aller Gerichtsbezirke und -arten nicht erzwungen wird und es § 33 Abs. 1 und 2 NdsRiG letztlich den Richtern und ihren Berufsorganisationen überläßt, ob sie diese Zusammensetzung des Präsidialrats in ihren Wahlvorschlägen berücksichtigen, kann auf die Wahl des Vorsitzenden aus dem Kreis der Gerichtspräsidenten nicht verzichtet werden. Ein Präsidialrat, dessen Vorsitzender zu wählen ist, ist ohne diese Wahl nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 29 Abs. 1 NdsRiG in Verbindung mit § 74 Abs. 2 DRiG besetzt und folglich funktionsunfähig. Der Kopplungszwang verhindert daher, daß die Präsidialratswahlen nicht durchgeführt werden können oder in der ordentlichen Gerichtsbarkeit des Landes, in der die Zugehörigkeit des Präsidialratsvorsitzenden zum Bezirk eines oberen Landesgerichts das Wahlergebnis beeinflußt (§ 34 Abs. 3 NdsRiG), insgesamt und in der Verwaltungsgerichtsbarkeit mindestens für den Vorsitzenden wiederholt werden müssen. Das Niedersächsische Richtergesetz sieht weder eine Wahl ohne Bindung an vorgeschlagene Bewerber noch eine andere Art der Bestellung der Mitglieder des Präsidialrats vor.
4. a) Das Wahlverfahren will den Eigentümlichkeiten dieses Richtervertretungsorgans Rechnung tragen. Es geht davon aus, daß innerhalb der Richterschaft eines Gerichtszweiges bei der alle Richter in gleicher Weise berührenden Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidialrats keine so starken Spannungen und Gegensätze auftreten, daß sie die repräsentative Zusammensetzung durch Mehrheits- und Minderheitsgruppierungen überlagern und verdrängen. Das Ziel, durch die Beteiligung an den Personalangelegenheiten die Unabhängigkeit und Effizienz der Rechtsprechung und einer ihrem besonderen Status gerecht werdenden Richterschaft zu sichern, soll nach der Vorstellung des Gesetzes allen Richtern gemeinsam sein.
§ 33 NdsRiG beruht daher auch auf der legitimen Erwartung des Gesetzgebers, daß sich die Wahlvorschläge auf in ihrem Richteramt erfahrene und in der Richterschaft allgemein anerkannte und geschätzte Kandidaten konzentrieren und hierbei wesentliches Gewicht auf die Wahlbewerbung für den durch sein Präsidentenamt und seine Stellung in dem Vertretungsorgan herausgehobenen Vorsitzenden legen. Jener dem Gesetz zugrunde liegenden Erwartung entspräche es nicht, wenn sich die Gerichtspräsidenten von der Erwägung bestimmen ließen, die Wählbarkeit zum Vorsitzenden des Präsidialrats sei ihnen zur Verfolgung persönlicher Interessen und vermeintlicher oder tatsächlicher Gruppeninteressen vorbehalten, oder um relevante Gruppen der wahlberechtigten Richter von einer Einflußnahme auf das Wahlergebnis auszuschließen. Andererseits geht das Gesetz auch davon aus, daß keine dieser Gruppen den Sinn dieser Wahl dadurch verfehlt, daß sie in der Wahl andere als die dem Gesetz zugrunde liegenden Zwecke verfolgt.
b) § 33 Abs. 3 NdsRiG steht einer in diesem Sinn offenen, das ganze Spektrum der Richterschaft erfassenden Wahl nicht entgegen. Nach Anlage und Struktur der Präsidialräte der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Niedersachsen sind deren Vorsitzende – ebenso wie in Gerichtszweigen mit geborenen Vorsitzenden – nicht als Vertreter einer bestimmten Richtergruppe oder richterlichen Berufsorganisation gedacht und werden auch nicht als solche gewählt. Sie wirken an den Beteiligungsaufgaben wie die weiteren Mitglieder unabhängig für alle Richter ihres Gerichtszweiges mit und es wird von ihnen erwartet, daß sie gegenüber allen Strömungen und Bestrebungen in der Richterschaft offen sind.
Sinn und Zweck der Vorschrift lassen daher eine direkte oder indirekte Einflußnahme der als Wahlbewerber um den Vorsitz im Präsidialrat zur Verfügung stehenden Gerichtspräsidenten auf die sonstige Zusammensetzung der Vorschlagslisten nicht zu. Ebenso wie die Richter, die zur Wahl als weitere Mitglieder des Präsidialrats vorgeschlagen werden, sollen auch sie nur für ihre Person entscheiden, ob sie eine angetragene Kandidatur annehmen oder ablehnen. Diese Entscheidung betrifft allein die Bereitschaft zur Übernahme des Vorsitzes im Fall der Wahl und darf nicht davon abhängig gemacht werden, ob bestimmte andere Wahlbewerber im Wahlvorschlag aufgeführt oder nicht enthalten sind. Die mit dem Vorsitz verbundenen, im Interesse der gesamten Richterschaft wahrzunehmenden Aufgaben schließen Vorbehalte und Bedingungen aus, mit denen ein Gerichtspräsident Einzel- oder Gruppeninteressen geltend machen könnte. Es läßt sich daher sogar fragen, ob die Präsidenten in Gerichtszweigen, in denen der Vorsitzende des Präsidialrats zu wählen ist, nicht ebenso wie die Präsidenten und ihre ständigen Vertreter als geborene Vorsitzende des Präsidialrats (§ 54 Abs. 1 DRiG, § 30 Abs. 2 NdsRiG) aus den mit ihren Ämtern verbundenen Pflichten und Obliegenheiten heraus gehalten sind, sich zur Verfügung zu stellen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der vergleichbaren Wahl des Präsidiums eines Gerichts wird die Auffassung vertreten, daß die Wahl in dieses Organ richterlicher Selbstverwaltung nicht abgelehnt werden kann (vgl. BVerwG in DVBl. 1975 S. 727 [728], auch BGH in NJW 1974, S. 183 [184] zur Kennzeichnung dieser Wahl).
5. § 33 Abs. 3 NdsRiG verschlechtert nicht die Wahlchancen jüngerer Richter im Eingangsamt, denen das passive Wahlrecht zusteht. Das gleiche gilt im Verhältnis der wahlvorschlagsberechtigten Richtergruppen und Berufsorganisationen zueinander. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, die unterschiedliche Personalstruktur und organisationsmäßige Zugehörigkeit der wählenden Richterschaft auszugleichen. Der allgemeine Gleichheitssatz ist nur verletzt, wenn die Auswirkungen einer Wahlrechtsbestimmung der vorliegenden Art zu einer Verschärfung faktischer Ungleichheiten und damit zu einer Verzerrung des Wahlwettbewerbes führen, für die sich ein vernünftiger, sachlich einleuchtender Grund nicht finden läßt.
a) Die insoweit erhobenen Einwände verkennen, daß das Niedersächsische Richtergesetz das Wahlvorschlagsrecht zu den Präsidialratswahlen auch faktisch nicht den Präsidenten der Gerichte oder den etablierten Berufsorganisationen der Richter vorbehält, mögen letztere sich auch in besonderem Maß aufgerufen fühlen, sich an der Bewerberauswahl zu beteiligen. § 31 Satz 1 NdsRiG hält in Verbindung mit §§ 14 Abs. 1 und 2, 17 Abs. 2 NdsRiG an der für die Wahl aller Richtervertretungen geltenden Grundregel fest, daß die Befugnis, Wahlvorschläge einzureichen, je einem Zwanzigstel der wahlberechtigten Richter, mindestens jedoch zehn in Gerichtszweigen, in denen Hauptrichterräte gebildet werden, im übrigen mindestens zwei Richtern, zusteht. Den wahlvorschlagsberechtigten Berufsorganisationen braucht nur ein wahlberechtigter Richter anzugehören. Sie sind in ihrer Vorschlagsliste schon aus diesem Grund nicht auf den Kreis ihrer Mitglieder beschränkt, sondern können ebenso wie die ihr Wahlvorschlagsrecht unmittelbar ausübenden Richter auch andere Persönlichkeiten in ihre Wahlvorschläge aufnehmen und müssen das notfalls, wenn sie den Besonderheiten dieser Wahlen und der daran anknüpfenden Funktion der Wahlvorschläge entsprechen wollen.
Die Anforderungen an das Recht, Wahlvorschläge einzureichen, sind weit herabgesetzt. Es kann von allen interessierten Gruppen ausgeübt werden, die von dem Wahlvorschlagsrecht mit dem Ziel der Konzentration auf allgemein zustimmungsfähige, mehr oder weniger alle Richtergruppen berücksichtigende Wahlbewerbungen Gebrauch machen. Für den Zwang, sich in diesem Sinn auch um einen Kandidaten für das Amt des Vorsitzenden dieses Vertretungsorgans zu bemühen, der in seiner justizpolitischen Verantwortung als Gerichtspräsident den Präsidialrat zu einer vertrauensvollen, effektiven Zusammenarbeit führt, lassen sich vertretbare Gründe anführen.
b) Es ist kaum zu erwarten, daß solche Bemühungen in der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Niedersachsen erfolglos bleiben müssen. In der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes mag diese Annahme näherliegen. Jedoch hindert § 33 Abs. 3 NdsRiG auch dann keine Richtergruppe oder Berufsorganisation daran, ihre Vorstellungen über die Bewerberauswahl für die weiteren Mitglieder des Präsidialrats in die Wahlvorbereitung einzubringen. Das Niedersächsische Richtergesetz und die dazu erlassene Wahlordnung für die Richtervertretungen (WO-RiV) vom 4. Oktober 1972 (GVBl. S. 449) schließen es nicht aus, daß die Wahlvorschlagsberechtigten auf die originäre, alternative Benennung eines Gerichtspräsidenten verzichten und ihre Vorschlagsliste durch Verweisung auf einen anderweitig vorgeschlagenen Wahlbewerber "ergänzen", um durch diese Ergänzung dem insoweit bindenden Vollständigkeitsgebot zu dem Zweck zu genügen, einen gültigen Wahlvorschlag herbeizuführen. Nur wenn der Wahlvorstand auch einen auf diese Weise vervollständigten Vorschlag als ungültig behandelt, kann – nicht im Gesetz, sondern in der Entscheidung des Wahlvorstandes – eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Einschränkung des Wahlvorschlagsrechts und der Wählbarkeit zum Präsidialrat vorliegen.
§ 14 Abs. 3 NdsRiG und § 24 Abs. 2 WO-RiV, wonach bei der Wahl der Richterräte, die regelmäßig nach den Grundsätzen der Verhältniswahl als Listenwahl durchgeführt wird (§ 15 Abs. 1 NdsRiG, § 26 Abs. 1 WO-RiV), jeder Richter nur in einem Wahlvorschlag enthalten sein kann und sich bei mehrfacher Benennung für eine Liste entscheiden muß, gelten für die Präsidialratswahlen nicht entsprechend (§ 31 in Verbindung mit § 17 Abs. 2 NdsRiG, § 41 in Verbindung mit §§ 32 Abs. 1, 40 Abs. 2 WO-RiV); das ergibt sich schon aus der Verschiedenheit des Wahlsystems – Verhältniswahl für die Zusammensetzung des Richterrats und Mehrheitswahl für die Zusammensetzung des Präsidialrats. Die Wahlvorschläge für den Präsidialrat beschränken sich überdies auf die Vorbereitung der Wahl. Grundlage des Wahlaktes ist der Stimmzettel, in dem alle Bewerber in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt werden (§ 33 Abs. 4 NdsRiG) und in dem nur ein Kennwort auf die ursprüngliche Vorschlagsliste hinweist (§ 25 Abs. 1 Satz 2 WO-RiV).
Sowohl aus der Funktion des Präsidialrats als auch aus dem Sinn des Wahlverfahrens, für das sich der niedersächsische Gesetzgeber entschieden hat, folgt schließlich: Die Wahlvorschlagsberechtigten können sich auf einen gemeinsamen Wahlvorschlag verständigen oder, falls eine Einigung nicht angestrebt oder erreicht wird, vollständig oder teilweise gleichlautende Vorschlagslisten einreichen. Ungeachtet der förmlichen Bekanntgabe der Wahlvorschläge nach Ablauf der Einreichungsfrist (§ 11 WO-RiV) liegt es im Interesse jeder Richtergruppe oder Berufsorganisation und jedes Kandidaten, eine Wahlbewerbung möglichst frühzeitig bekanntzumachen. Der Wahlvorstand wird daher einen Wahlvorschlag, der dem Erfordernis des § 33 Abs. 3 NdsRiG nicht entspricht, gegebenenfalls unter Hinweis auf vorliegende Vorschlagslisten zurückgeben (§ 9 Abs. 4 WO-RiV), es sei denn, die Beseitigung des Mangels ist nicht zu erwarten.
Einer nochmaligen schriftlichen Zustimmung des Gerichtspräsidenten zur Aufnahme in einen weiteren Wahlvorschlag (§ 8 Abs. 1 WO-RiV) bedarf es nicht. Seine Bereitschaft zur Annahme der Wahl ergibt sich aus der Bewerbung, der er zugestimmt hat. Ein Bewerber, der auf einem Wahlvorschlag kandidiert und als solcher gegenüber den Präsidenten, die als sonstige Mitglieder vorgeschlagen werden, gekennzeichnet ist (§ 45 Abs. 2 WO-RiV), kann sich daher grundsätzlich nicht dagegen wenden, daß sein Name mit dieser Kennzeichnung auch in anderen Wahlvorschlägen enthalten ist; denn in dem Stimmzettel ist nur das Kennwort eines Wahlvorschlages anzugeben, dem der Präsident zugestimmt hat.
6. Dagegen würde § 33 Abs. 3 NdsRiG in der Auslegung des vorlegenden Gerichts den Gleichheitssatz verletzen. Sie geht davon aus, daß die Wahlvorschlagsberechtigten gehindert sind, zur Benennung eines Bewerbers um den Vorsitz im Präsidialrat auf einen anderen Wahlvorschlag zu verweisen. Hierdurch würden die Erfolgschancen konkurrierender Wahlbewerbungen so weit verringert werden können, daß eine echte Wahlentscheidung nicht mehr gewährleistet wäre.
III.
Nach alledem gibt es verschiedene Zumutbare Möglichkeiten, dem Vollständigkeitsgebot des § 33 Abs. 3 NdsRiG zu genügen. Der Landesgesetzgeber hat, wie dargelegt, eine willkürliche Benachteiligung einzelner Wähler oder Wählergruppen vermieden. Die Bindung an die bundesrechtlichen Rahmenvorschriften ist nicht verletzt; denn § 74 Abs. 2 DRiG verlangt für die Wahl der Mitglieder des Präsidialrats der Richter im Landesdienst nicht, daß sich der wählende Richter stets – nämlich auch dann, wenn nur ein Wahlvorschlag vorliegt, obwohl nach dem Gesetz mehrere Vorschläge gemacht werden können – zwischen mehreren Wahlbewerbern muß entscheiden können. Außerhalb vernünftiger Erwartung liegt es, daß alle wahlvorschlagsberechtigten Wählergruppen oder alle Gerichtspräsidenten eines Gerichtszweiges die Wahl boykottieren und dadurch kein Präsident eines Gerichts zum Vorsitzenden des Präsidialrats gewählt werden kann. Erst wenn der Gesetzgeber in dieser Erwartung enttäuscht würde, wäre er aufgerufen, das Gesetz zu novellieren, um die ordnungsgemäße Konstituierung eines Präsidialrats zu sichern.
(gez.) Dr. Zeidler Dr. Geiger Dr. Rinck Wand Hirsch Dr. Rottmann Dr. Niebler Dr. Steinberger