BVerfGE 75, 223 - Kloppenburg-Beschluß
Zur Bindungswirkung von Vorabentscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
 
Beschluß
des Zweiten Senats vom 8. April 1987
-- 2 BvR 687/85 --
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Frau K... ...
Entscheidungsformel:
Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25. April 1985 - V R 123/ 84 - verstößt gegen Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben. Die Sache wird an den Bundesfinanzhof zurückverwiesen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten.
 
Gründe:
 
A. -- I.
1. Die Beschwerdeführerin betreibt eine Kredit- und Hypothekenagentur. Für die von ihr im ersten Halbjahr 1978 aus Kreditvermittlungsgeschäften erzielten Umsätze stellte sie als Kleinunternehmerin ihren Kunden Umsatzsteuer nicht gesondert in Rechnung. In ihrer Umsatzsteuererklärung nahm sie für diese Umsätze Steuerfreiheit in Anspruch. Sie berief sich hierfür auf § 4 Nr. 8 Buchst. A des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 i.V.m. Art. 1 und Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG), veröffentlicht am 13. Juni 1977 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (Abl. EG) Nr. L 145/1 (im folgenden: Sechste Umsatzsteuerrichtlinie).
Art. 13 Teil B Buchst. d der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie hat folgenden Wortlaut:
    "Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten ... von der Steuer:
    ...
    d) die folgenden Umsätze:
    1. die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch Kreditgeber,
    2. - 6. ..."
Die Bundesrepublik Deutschland war der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie mit Erlaß des § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG 1980 vom 26. November 1979 (BGBl. I S. 1953) erst mit Wirkung ab 1. Januar 1980 nachgekommen, obwohl sie gemäß Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie verpflichtet war, dies schon bis zum 1. Januar 1978, nach einer späteren Änderung gemäß Art. 1 der Neunten Umsatzsteuerrichtlinie vom 26. Juni 1978 (78/583/EWG) (ABl. EG Nr. L 194/16 vom 19. Juli 1978) jedenfalls bis zum 1. Januar 1979 zu bewirken. Wegen der verzögerten Durchführung der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie hatte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 169 EWGV ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, das später zurückgenommen wurde (vgl. Bulletin der Europäischen Gemeinschaften 1-1980, Ziff. 2.3.27 am Ende).
Das zuständige Finanzamt verneinte die Steuerfreiheit der in Rede stehenden Umsätze; es unterwarf sie durch Bescheid vom 3. Juli 1980 der Umsatzsteuer nach Maßgabe des Umsatzsteuergesetzes 1967/1973 (BGBl. 1973 I S. 1682) zum allgemeinen Steuersatz.
2. Mit Sprungklage verfolgte die Beschwerdeführerin ihr Begehren auf Steuerfreiheit für Kreditvermittlungsumsätze des ersten Halbjahres 1978 weiter. Sie stützte sich dabei in erster Linie auf die zu ähnlichen Fällen ergangenen Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Januar 1982 (Rechtssache [RS] 8/81, Sammlung [Slg.] 1982, S. 53) und vom 10. Juni 1982 (RS 255/81, Slg. 1982, S. 2301). Sie hatten für Recht erkannt, daß sich ein Kreditvermittler ab 1. Januar 1979 auf die Bestimmung über die Steuerfreiheit der Umsätze aus Kreditvermittlung in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie bei deren nicht fristgerechter Durchführung berufen konnte, sofern er diese Steuer nicht auf seine Leistungsempfänger abgewälzt hatte; der betroffenen Staat könne nicht entgegenhalten, daß die Richtlinie nicht durchgeführt worden sei.
Das Finanzgericht hat mit Beschluß vom 3. März 1983 (RIW/ AWD 1983, S. 524) dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 177 Abs. 2 EWGV folgende Frage vorgelegt:
    "Konnte sich ein Kreditvermittler in der Zeit vom 1. Januar 1978 bis zum 30. Juni 1978 auf die Bestimmung über die Umsatzsteuerfreiheit der Umsätze aus der Kreditvermittlung in Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 1 der Sechsten Richtlinie 77/388 des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage - bei nicht erfolgter Durchführung der Richtlinie berufen, wenn er diese Steuer nicht auf seine Leistungsempfänger abgewälzt hatte, obwohl durch Artikel 1 der Neunten Richtlinie 78/583 des Rates vom 26. Juni 1978 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern die dort genannten Mitgliedstaaten ermächtigt worden sind, die Richtlinie 77/388 spätestens am 1. Januar 1979 zur Anwendung zu bringen?"
Unter Hinweis auf seine erwähnten Urteile entschied der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 22. Februar 1984 (RS 70/83, Slg. 1984, S: 1075 [1087]):
    "Solange die Sechste Richtlinie 77/388 des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage - nicht durchgeführt war, konnte ein Kreditvermittler sich für Umsätze zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni 1978 auf die Bestimmung über die Steuerbefreiung gemäß Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 1 dieser Richtlinie berufen, wenn er diese Steuer nicht auf seine Leistungsempfänger abgewälzt hatte."
Das Finanzgericht hat daraufhin mit Urteil vom 11. Mai 1984 dem Begehren der Beschwerdeführerin entsprochen und die Umsatzsteuer für 1978 herabgesetzt; es hielt sich an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für gebunden.
3. Auf die Revision des Finanzamts hob der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 25. April 1985 die Entscheidung des Finanzgerichts wegen Verstoßes gegen Art. 20 Abs. 3 und 24 Abs. 1 GG auf und wies die Klage ab.
a) Der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sei für das Umsatzsteuerrecht nicht das Hoheitsrecht übertragen worden, Recht mit unmittelbarer Wirkung im Inland im Rahmen der Rechtsangleichung gemäß Art. 99, 100, 189 EWGV zu setzen. Deshalb sei gemäß Art. 20 Abs. 3 GG das Umsatzsteuergesetz 1967/1973 für das Jahr 1978 anzuwenden gewesen; dem habe die Bindung an das genannte Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 22. Februar 1984 nicht entgegengestanden.
aa) Nach Art. 24 Abs. 1 GG könne die Bundesrepublik Deutschland "durch Gesetz" Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen. Dem Zustimmungsgesetz zum EWG-Vertrag müsse das Ausmaß der Hoheitsrechtsübertragung entnommen werden. Diese Prüfung falle in die Zuständigkeit des Prozeßgerichts, dem es obliege, das anzuwendende Recht zu ermitteln und auszulegen.
Das Prozeßgericht habe im Rahmen der Auslegung dieses Gesetzes zu entscheiden, ob Rechtsakte der Organe der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im staatlichen Bereich wirkten; dies gelte insbesondere für die Frage, ob Richtlinien "ähnliche Wirkungen" wie Verordnungen entfalteten und ob Rechtsbürger der Gemeinschaft sich auf dafür geeignete Bestimmungen von Richtlinien berufen könnten. Aus Art. 177 EWGV ergebe sich nichts Gegenteiliges, da durch Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs allein der Inhalt des Gemeinschaftsrechts festgestellt werde.
bb) Die gemäß Art. 20 Abs. 3 GG bestehende Bindung der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt an Gesetz und Recht der Bundesrepublik Deutschland umfasse auch die Bindung an Rechtsnormen, die von der Europäischen Gemeinschaft zu unmittelbarer Geltung innerhalb der Mitgliedstaaten bestimmt seien, wenn und soweit der Gemeinschaft gemäß Art. 24 Abs. 1 GG durch Gesetz das Hoheitsrecht übertragen worden sei, Recht mit unmittelbarer Geltung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu setzen.
Da die Öffnung des innerstaatlichen Bereiches für das autonome Gemeinschaftsrecht zugleich eine materielle Verfassungsänderung bedeute, sei der Gesetzesvorbehalt des Art. 24 Abs. 1 GG strikt zu verstehen: Nach der Hoheitsrechtsübertragung eintretende Rechtsentwicklungen in der zwischenstaatlichen Einrichtung seien durch das deutsche Zustimmungsgesetz nur gedeckt, soweit dieses auch dafür bereits Hoheitsrechte übertragen habe, also künftige Entwicklungen hinreichend bestimmbar normiert seien; nur dann sei ein neuerliches Zustimmungsgesetz entbehrlich.
cc) Das deutsche Zustimmungsgesetz zum EWG-Vertrag habe der Europäischen Gemeinschaft für die Umsatzsteuer nicht das Hoheitsrecht übertragen, Recht mit unmittelbarer Geltung im Inland zu setzen; dies ergebe sich aus dem EWG-Vertrag, wie er Bestandteil dieses Gesetzes geworden sei.
Zu den Aufgaben der Europäischen Gemeinschaft gehöre gemäß Art. 99 EWGV die Harmonisierung des mitgliedstaatlichen Umsatzsteuerrechts; sie habe gemäß Art. 99, 100 EWGV durch den Erlaß von Richtlinien zu erfolgen. Richtlinien dienten einer zweistufigen Rechtsetzung: Auf der ersten Stufe werde der Inhalt des zu harmonisierenden Rechts und die Frist zur Umsetzung durch die Mitgliedstaaten festgelegt; auf der zweiten Stufe hätten die Mitgliedstaaten die an sie gerichteten Richtlinien innerhalb der ihnen gesetzten Frist in staatliches Recht umzusetzen. Mit der Zustimmung zu diesem Weg der Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Umsatzsteuerrechts und zu Art. 189 Abs. 3 EWGV habe demnach nicht die Kompetenz übertragen werden sollen, Richtlinien - auch nicht im Wege der Rechtsfortbildung - "ähnliche Wirkungen" beizulegen wie Verordnungen. Von diesem Verständnis des Art. 189 EWGV seien die vertragschließenden Parteien im Jahre 1957 ausgegangen. Auf dieser Auffassung beruhe auch Art. 2 Satz 2 des Zustimmungsgesetzes zum EWG-Vertrag, der zwischen Beschlüssen des Rates unterscheide, durch die innerstaatliche Gesetze erforderlich würden, und solchen, durch die unmittelbar geltendes Recht geschaffen werde. Dies werde auch aus den Erläuterungen der Bundesregierung bei der Verabschiedung des Zustimmungsgesetzes zum EWG-Vertrag deutlich; in der Bundestagsdrucksache 3440 vom 4. Mai 1957 heiße es in Anlage C zu Art. 189 EWGV: "Richtlinien sind für den einzelnen nicht unmittelbar verbindlich. Sie werden es erst durch die von den Mitgliedstaaten zur Ausführung dieser Richtlinien erlassenen Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsmaßnahmen ...". Auch der französische Staatsrat sei in seiner Entscheidung vom 22. Dezember 1978 (= EuR 1979, S. 292 ff.) zu einem entsprechenden Verständnis des Art. 189 Abs. 3 EWGV gelangt.
dd) Art. 20 Abs. 3 GG gestatte auch nicht, das Umsatzsteuergesetz 1967/1973 bei der Rechtsschutzgewährung durch Anerkennung eines subjektiven materiellen oder prozessualen Rechts des Einzelnen außer Anwendung zu lassen. Entsprechende Auffassungen beruhten auf der Annahme, der Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem staatlichen Recht greife unabhängig von Art und Inhalt der jeweiligen Norm stets ein, und der Rechtsbürger der Gemeinschaft könne sich zu seinen Gunsten auf einen Vertragsverstoß eines Mitgliedstaats diesem gegenüber berufen.
Einen solchen Anspruch, den auch das Gemeinschaftsrecht nicht begründe, gewähre das deutsche Recht nicht; Art. 20 Abs. 3 GG gebiete, die von den gesetzgebenden Körperschaften kompetenzgemäß und materiell verfassungsgemäß erlassenen deutschen Gesetze anzuwenden. Dem Einzelnen stünden keine Ansprüche gegen den Staat zu, wenn dieser seiner Verpflichtung gegenüber einer zwischenstaatlichen Einrichtung und anderen Staaten zur Schaffung einer bestimmten Gesetzeslage nicht oder nicht fristgerecht nachkomme. Auch bestehe kein konkretes Rechtsverhältnis, kraft dessen es nach Treu und Glauben erlaubt oder geboten sein könnte, einzelne Rechtsfolgen abweichend von der gesetzlichen Anordnung eintreten zu lassen. Insbesondere gebiete die in Art. 5 EWGV niedergelegte Pflicht zur Gemeinschaftstreue nicht, die Berufung des Einzelnen auf ihm günstige Richtlinienbestimmungen entgegen dem Gesetz zuzulassen, da für das Ziel des EWG-Vertrags, der Schaffung eines gemeinsamen Marktes, im Bereich der Harmonisierung des Umsatzsteuerrechts in Art. 99, 100, 189 Abs. 3 EWGV ein besonderes Verfahren vorgesehen sei.
ee) Der Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts stehe auch die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 22. Februar 1984 nicht entgegen.
Die Bindungswirkung von Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs gemäß Art. 177 EWGV für das jeweilige Ausgangsverfahren beziehe sich sachlich auf den Inhalt des Gemeinschaftsrechts, das der Gerichtshof verbindlich auslege; sie lasse die Kompetenz des Prozeßgerichts zur Entscheidung über das anzuwendende Recht unberührt. Der Europäische Gerichtshof nehme auch nicht in Anspruch, im Einzelfall über den Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem staatlichen Recht entscheiden zu können.
Durch die Ausübung des Rechts auf Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 177 EWGV könne der Gemeinschaft nicht die Rechtsetzungskompetenz auf einem Gebiet zuwachsen, für das sie nur Richtlinien erlassen dürfe. Diese Beurteilung ändere sich auch nicht dadurch, daß die Bundesrepublik Deutschland die für sie geltende Frist zur Durchführung der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie nicht eingehalten habe; der hierin liegende Verstoß gegen den EWGVertrag könne weder die fehlende Hoheitsrechtsübertragung "durch Gesetz" gemäß Art. 24 Abs. 1 GG noch die erforderliche Umsetzung in innerstaatliches Recht ersetzen.
Daher erstrecke sich die Bindung des Bundesfinanzhofs als Prozeßgericht an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 22. Februar 1984 nicht darauf, Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie anwenden zu müssen.
b) Den Anträgen der Beschwerdeführerin, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 GG sowie des Europäischen Gerichtshofs gemäß Art. 177 EWGV herbeizuführen, habe nicht entsprochen werden können. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht wäre nicht zulässig gewesen, da der erkennende Senat des Bundesfinanzhofs das deutsche Zustimmungsgesetz zum EWG-Vertrag nicht für verfassungswidrig halte; eine allgemeine Regel des Völkerrechts stehe nicht in Frage. Einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie habe es nicht bedurft, da bereits mehrere Vorabentscheidungen vorgelegen hätten und es im entscheidungserheblichen Punkt auf das Recht der Bundesrepublik Deutschland und nicht auf das der Europäischen Gemeinschaft ankomme.
II.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde beantragt die Beschwerdeführerin, das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25. April 1985 - notfalls nach Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - aufzuheben. Sie rügt eine Verletzung ihres Grundrechts auf den gesetzlichen Richter, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, und ihrer von Art. 2 Abs. 1 GG umfaßten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit.
1. Der Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird darin gesehen, daß der Bundesfinanzhof die auf Vorlage des Finanzgerichts im selben Verfahren ergangene Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 22. Februar 1984 (RS 70/83, Slg. 1984, S. 1075) unberücksichtigt gelassen habe und dabei weder den Europäischen Gerichtshof mit den für maßgeblich gehaltenen Fragestellungen im Rahmen eines neuerlichen Vorabentscheidungsersuchens gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV befaßt noch dem Bundesverfassungsgericht die Frage nach Anwendbarkeit der einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vorgelegt habe. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs beruhe darauf, daß er nicht dasjenige Gericht habe zu Wort kommen lassen, dem die verbindliche Entscheidung dieser Frage zustehe. Die Befugnis, das "anzuwendende Recht zu ermitteln und auszulegen" und über "das anzuwendende Recht" zu entscheiden, komme dem Prozeßgericht jedenfalls nicht in der Form zu, daß es das Gemeinschaftsrecht vor dem Hintergrund der deutschen Verfassung verwerfen dürfe. Da sich der Bundesfinanzhof ein Verwerfungsrecht bezüglich der einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie nicht habe selbst zumessen dürfen, hätte er, wenn er das von ihm angestrebte Ergebnis unter Umgehung des Europäischen Gerichtshofs habe erreichen wollen, allenfalls den Weg einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG wählen können und müssen.
Angesichts der umfangreichen wissenschaftlichen Kritik an seiner im Prinzip gleichlautenden Entscheidung vom 16. Juli 1981 könne der Bundesfinanzhof sich hinsichtlich seiner Vorlagepflicht nicht auf einen Rechtsirrtum berufen; vielmehr habe er sich ersichtlich bewußt zum Richter in einer Sache aufgeschwungen, in der ihm eine Entscheidung nicht zugestanden habe. Dieses Verhalten müsse als Willkür angesehen werden.
2. Indem der Bundesfinanzhof sein angegriffenes Urteil auf die deutsche umsatzsteuerrechtliche Vorschrift gestützt und entgegen der bindenden Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs der steuerbefreienden Vorschrift der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie nicht den Anwendungsvorrang eingeräumt hat, habe er die Beschwerdeführerin in einer der verfassungsmäßigen Ordnung nicht entsprechenden Weise in ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit eingeschränkt.
3. Hinsichtlich der Frage der innerstaatlichen Anwendbarkeit von EG-Richtlinien, namentlich der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie, macht sich die Beschwerdeführerin ausdrücklich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu eigen.
Unzutreffend sei insbesondere die Auslegung des deutschen Zustimmungsgesetzes zum EWG-Vertrag durch den Bundesfinanzhof. Insbesondere sei nicht richtig, daß die Bundestagsdrucksache II/3440 die Erläuterungen der Bundesregierung bei der Verabschiedung des Zustimmungsgesetzes wiedergebe; der Entwurf des Zustimmungsgesetzes habe erst auf der Grundlage der Bundestagsdrucksache II/3615 und vor allem II/3660 (Schriftlicher Bericht des 3. Sonderausschusses - Gemeinsamer Markt/Euratom - über den Entwurf des Zustimmungsgesetzes) seine endgültige Fassung erlangt. Entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofs unterscheide Art. 2 Satz 2 des Zustimmungsgesetzes nicht zwischen Richtlinien und Verordnungen des Rates, sondern führe beide praktisch gleichrangig nebeneinander auf; dies ergebe sich schon aus der unterschiedslosen Rechtsfolge, daß nämlich bei beiden Akten die Unterrichtung von Bundestag und Bundesrat durch die Bundesregierung vor der Beschlußfassung durch den Rat erfolgen solle. In der vom Bundesfinanzhof allein zitierten Bundestagsdrucksache II/3440 finde sich noch kein Entwurf für Art. 2 Satz 2 des Zustimmungsgesetzes; erst die Bundestagsdrucksache II/3660 enthalte auf ihrer Seite 13 den Hinweis auf die Forderung des Bundesrates, Weisungen der Bundesregierung an ihre Vertreter im Ministerrat zuvor mit dem zuständigen Gremium des Bundesrats zu beraten, was Grundlage für die endgültige Fassung des Art. 2 Satz 2 Zustimmungsgesetz geworden sei. Aus der Bundestagsdrucksache II/3440 in Anlage C zu Art. 189 EWGV sei in Wirklichkeit nichts anderes als eine Umschreibung des Regelungsgehaltes von Art. 189 EWGV abzulesen.
Die vom Bundesfinanzhof abgelehnte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Anwendbarkeit nicht fristgerecht in das innerstaatliche Recht umgesetzter Richtlinien entspreche nur der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur unmittelbaren Anwendbarkeit von Gebots- oder Verbotsvorschriften des EWG-Vertrags, die, wie etwa Art. 95, nach ihrem Wortlaut lediglich an die Mitgliedstaaten gerichtet sind. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung habe das Bundesverfassungsgericht Art. 95 EWGV dahin gewertet, daß dieser auch individuellen Rechtsschutz gegen einen überhöhten Steuersatz und subjektive Rechte gewähre (BVerfGE 31, 145 [167]). Danach habe der Bundesfinanzhof Art. 95 EWGV in dieser Auslegung als unmittelbar anwendbare Norm qualifiziert, indem er entgegenstehendes deutsches Recht unangewendet ließ; das sei vom Bundesverfassungsgericht im genannten Beschluß vom 9. Juni 1971 (BVerfGE 31, 145) als verfassungskonform bestätigt worden. Dieses Ergebnis müsse auch für das hier entscheidungserhebliche Problem gelten.
III.
Die Bundesregierung hat keine Stellungnahme abgegeben.
 
B.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. Das angegriffene Urteil des Bundesfinanzhofs verstößt gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und war deshalb aufzuheben.
1. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (BVerfGE 73, 339 [366 ff.]).
2. Die Rechtswirkung der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie war für den Bundesfinanzhof eine entscheidungserhebliche Frage im Sinne des Art. 177 Abs. 3 EWGV. Diese Frage war nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts zu beurteilen. Da der EWG-Vertrag integraler Bestandteil des deutschen Zustimmungsgesetzes ist, handelte es sich hierbei um Vertragsauslegung und nicht lediglich um die Auslegung und Anwendung von Recht aus deutscher Rechtsquelle. Wollte der Bundesfinanzhof unter Verneinung der Bindungswirkung der im selben Ausgangsverfahren über die nämliche Frage ergangenen Vorabentscheidung des Gerichtshofs dessen Rechtsauffassung nicht folgen, so war er verpflichtet, diese Frage dem Gerichtshof neuerlich gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV vorzulegen. Dieser Vorlagepflicht ist der Bundesfinanzhof in objektiv willkürlicher Weise nicht nachgekommen (vgl. BVerfGE 19, 38 [43]; st. Rspr.).
a) Art. 177 EWGV spricht dem Gerichtshof im Verhältnis zu den Gerichten der Mitgliedstaaten die abschließende Entscheidungsbefugnis über die Auslegung des Vertrages sowie über die Gültigkeit und die Auslegung der dort genannten abgeleiteten gemeinschaftlichen Akte zu; die nach Maßgabe des Art. 177 EWGV ergangenen Urteile des Gerichtshofs sind für alle mit demselben Ausgangsverfahren befaßten mitgliedstaatlichen Gerichte bindend (BVerfGE 45, 142 [162]; 52, 187 [200 f.]; 73, 339 [370]). Diese Kompetenzzuweisung ist auf ein Zusammenwirken zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gerichtet; sie dient im Interesse des Vertragszieles der Integration, der Rechtssicherheit und der Rechtsanwendungsgleichheit einer möglichst einheitlichen Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch alle Gerichte im Geltungsbereich des EWG-Vertrags. Die Begründung dieser Kompetenz der Gemeinschaft, die vom Gerichtshof wahrgenommen wird, ist im Hinblick auf Art. 24 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie schließt eine konkurrierende Kompetenz der deutschen Gerichte aus.
b) Die durch Art. 177 EWGV übertragene Kompetenz ist nicht schrankenlos. Die ihr durch das Grundgesetz gezogenen Grenzen unterliegen letztlich der Gerichtsbarkeit des Bundesverfassungsgerichts (vgl. auch G. Ress, Wichtige Vorlagen deutscher Verwaltungsgerichte an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, in: Die Verwaltung, Bd. 20, 1987, S. 177 [178 f.]).
c) Der Bundesfinanzhof sieht diese verfassungsrechtlichen Grenzen durch die rechtliche Qualifizierung, die der Gerichtshof im vorliegenden Fall der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie beigelegt hat, als überschritten an. Diese Qualifizierung sei nicht mehr vom deutschen Zustimmungsgesetz zu den Römischen Verträgen gedeckt; der Gerichtshof der Gemeinschaften ermangele der Befugnis, Richtlinien im Wege der Rechtsfortbildung den Verordnungen im Sinne des Art. 189 EWGV gleichzustellen. Der Bundesfinanzhof sei angesichts dessen von Verfassungs wegen gehalten, im vorliegenden Fall das deutsche Umsatzsteuergesetz anzuwenden. Der Sache nach verneint der Bundesfinanzhof die Bindungswirkung von Vorabentscheidungen des Gerichtshofs der Gemeinschaften nach Art. 177 EWGV, sofern sie die Grenzen der der Gemeinschaft im Sinne des Art. 24 Abs. 1 GG übertragenen Hoheitsrechte überschritten.
Von Verfassungs wegen kann der Auffassung des Bundesfinanzhofs für die in Rede stehende Frage der rechtlichen Qualifizierung bestimmter Arten von Richtlinien der Gemeinschaft nicht gefolgt werden.
aa) In den Anfangsjahren der Europäischen Gemeinschaft ging man davon aus, daß Richtlinien im Sinne des Art. 189 EWGV sich nur an die Mitgliedstaaten richten und vor ihrer Vollziehung im innerstaatlichen Recht keine Rechtswirkung für den privaten Einzelnen entfalteten (vgl. Fuß, DVBl. 1965, S. 378 ff. und Everling in: Festschrift für Karl Carstens, Bd. 1, 1984, S. 95 ff. [97] m.w.N.). In einem grundlegenden Urteil vom 5. Februar 1963 (RS 26/62, Slg. 1963, S. 5) entschied der Gerichtshof, daß der seinem Wortlaut nach (nur) an die Mitgliedsstaaten gerichtete Art. 12 EWGV - also eine Vertragsvorschrift - unmittelbare Wirkungen erzeuge und individuelle Rechte der privaten Einzelnen begründen könne. Dies warf die Frage auf, ob Vergleichbares auch für an Mitgliedsstaaten gerichtete abgeleitete Gemeinschaftsakte gelte, jedenfalls soweit sie sich nach ihrem Inhalt dazu eigneten. Für einen solchen Schluß konnten die beiden zentralen Begründungselemente des genannten Urteils sprechen: die - bezogen auf die Vertragsziele - auf die größtmögliche Wirksamkeit der rechtlichen Bestimmungen gerichtete Auslegung der Vertragsnormen sowie die Einbeziehung des Marktbürgers in das Gemeinschaftsrecht im Interesse eines wirkungsvollen Rechtsschutzes, der nicht nur über Vertragsverletzungsklagen gemäß Art. 169 EWGV gesichert werden sollte. Auf der Grundlage dieser Diskussion (vgl. statt aller Everling, a.a.O., S. 97 f. m.w.N.) kam es zu den Urteilen vom 6. und 21. Oktober 1970 (RS 9/70, 20/70, 23/70, Grad u. a. (Leber-Pfennig), Slg. 1970, S. 825, 861, 881) und vom 17. Dezember 1970 (RS 33/70, SACE (Abgaben gleicher Wirkung), Slg. 1970, S. 1213); die Urteile zum "Leber- Pfennig" betrafen eine "Entscheidung", nicht eine Richtlinie im Sinne des Art. 189 EWGV. Doch waren ihre Begründungen auf Richtlinien übertragbar. Dies galt insbesondere für das Argument, mit dem der Gerichtshof dem Hinweis auf den bloßen Wortlaut des Art. 189 EWGV und der dort vorgesehenen Unterscheidung zwischen Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen begegnete: Aus der unmittelbaren Geltung von Verordnungen folge nicht zwangsläufig, daß andere Rechtsakte niemals unmittelbare, direkte Wirkung entfalten könnten. Eine (an einen Mitgliedstaat gerichtete) Entscheidung könne praktische Wirksamkeit nur entfalten, wenn der private Einzelne sich vor Gericht auf die dem Mitgliedstaat durch diesen Akt auferlegte Verpflichtung berufen könne; dadurch würde die Entscheidung noch nicht der Verordnung gleichgestellt. Dabei stellte der Gerichtshof darauf ab, ob die jeweilige Verpflichtung hinreichend klar und unbedingt ist.
bb) Begleitet von einer durchaus gegensätzlichen und lebhaften wissenschaftlichen Diskussion (vgl. die Angaben bei Everling, a.a.O., S. 99 [Anm. 20]) hat der Gerichtshof den eingeschlagenen Weg weiterverfolgt. Er hat dabei Richtlinien zwar nicht den Verordnungen förmlich gleichgestellt, wohl aber dem privaten Einzelnen die Möglichkeit zuerkannt, sich auf die Bestimmungen von Richtlinien gegenüber dem Mitgliedstaat, an den sie gerichtet sind - nicht auch gegenüber Dritten -, in gewissem Umfang zu seinen Gunsten zu "berufen". Er hat ferner ausgesprochen, daß Richtlinien zur Auslegung des ihrer Durchführung dienenden nationalen Rechts heranzuziehen seien (vgl. etwa Urteil vom 4. Dezember 1974, RS 41/74 (Aufenthalts-Richtlinie), Slg. 1974, S. 1337; Urteil vom 26. Februar 1975, RS 67/74 (Aufenthalts-Richtlinie), Slg. 1975, S. 297; Urteil vom 1. Februar 1977, RS 51/76 (2. Umsatzsteuerrichtlinie), Slg. 1977, S. 113 und Urteil vom 5. April 1979, RS 148/78 (Richtlinie gefährliche Stoffe), Slg. 1979, S. 1629).
cc) Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs (vgl. insbesondere Urteil vom 19. Januar 1982, RS 8/81, Slg. 1982, S. 53 und die diese Entscheidung zur Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie bestätigenden Urteile vom 10. Juni 1982, RS 255/81, Slg. 1982, S. 2301 und vom 22. Februar 1984, RS 70/83, Slg. 1984, S. 1075; für weitere Nachweise zur im Ergebnis gleichen Rechtsprechung zu anderen Richtlinien siehe Everling, a.a.O., S. 100 [Anm. 27]) ergibt sich mittlerweile folgendes Bild: Da die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, ihr innerstaatliches Recht den Richtlinien anzupassen, treffen im Regelfall die Wirkungen der Richtlinie den "Marktbürger" erst auf dem Wege der von dem jeweiligen Mitgliedstaat ergriffenen Vollzugsmaßnahmen; dabei ist die Richtlinie für die Auslegung der mitgliedstaatlichen Durchführungsregelung insoweit von Bedeutung, als die Gerichte entsprechend der aus Art. 5 EWGV folgenden Verpflichtung zur Gemeinschaftstreue diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen haben, die dem Inhalt der Richtlinie in der ihr vom Gerichtshof gemäß Art. 177 EWGV gegebenen Auslegung entspricht.
Nur für den Fall einer nicht ordnungsgemäß, zumal nicht fristgerecht erfolgten Vollziehung einer Richtlinie durch einen Mitgliedstaat hat der Gerichtshof dem privaten Einzelnen das Recht zuerkannt, sich vor den mitgliedstaatlichen Gerichten gegenüber entgegenstehendem nationalen Recht auf durch die Richtlinie auferlegte Verpflichtungen zu berufen, sofern diese klar und unbedingt sind und zu ihrer Anwendung insoweit keines Ausführungsakts mehr bedürfen.
In seinem hierfür grundlegenden Urteil vom 19. Januar 1982, RS 8/81, Slg. 1982, S. 53 ff. wird ausgeführt (Rdnrn. 17 ff.):
    "Nach Artikel 189 Absatz 3 EWG-Vertrag ist "die Richtlinie ... für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überläßt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel". Nach dieser Bestimmung begründet die Richtlinie für die Staaten, an die sie gerichtet ist, eine Verpflichtung zur Erreichung eines bestimmten Ziels, die bei Ablauf der durch die Richtlinie selbst festgesetzten Frist erfüllt sein muß. Daraus folgt, daß immer dann, wenn eine Richtlinie ordnungsgemäß durchgeführt wird, ihre Wirkungen den einzelnen auf dem Wege über die von dem jeweiligen Mitgliedstaat ergriffenen Durchführungsmaßnahmen treffen .... Besondere Probleme ergeben sich dagegen, wenn ein Mitgliedstaat eine Richtlinie nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat, insbesondere wenn die Bestimmungen einer Richtlinie bei Ablauf der für ihre Durchführung gesetzten Frist noch nicht durchgeführt worden sind. Aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes - zuletzt in dem Urteil vom 5. April 1979 (Rechtssache 148/78, Ratti, Slg., S. 1629) - ergibt sich, daß zwar nach Artikel 189 (EWGV) Verordnungen unmittelbar gelten und infolgedessen schon wegen ihrer Rechtsnatur unmittelbare Wirkungen erzeugen können, daß hieraus indessen nicht folgt, daß andere in diesem Artikel genannte Kategorien von Rechtsakten niemals ähnliche Wirkungen erzeugen könnten. Mit der den Richtlinien durch Artikel 189 (EWGV) zuerkannten verbindlichen Wirkung wäre es folglich unvereinbar, grundsätzlich auszuschließen, daß sich betroffene Personen auf die durch die Richtlinie auferlegte Verpflichtung berufen können. Insbesondere in den Fällen, in denen etwa die Gemeinschaftsbehörden die Mitgliedstaaten durch Richtlinie zu einem bestimmten Verhalten verpflichten, würde die praktische Wirksamkeit einer solchen Maßnahme abgeschwächt, wenn die einzelnen sich vor Gericht hierauf nicht berufen und die staatlichen Gerichte sie nicht als Bestandteil des Gemeinschaftsrechts berücksichtigen könnten. Daher kann ein Mitgliedstaat, der die in der Richtlinie vorgeschriebenen Durchführungsmaßnahmen nicht fristgemäß erlassen hat, den einzelnen nicht entgegenhalten, daß er die aus dieser Richtlinie erwachsenen Verpflichtungen nicht erfüllt hat. Demnach können sich die einzelnen in Ermangelung von fristgemäß erlassenen Durchführungsmaßnahmen auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, gegenüber allen innerstaatlichen, nicht richtlinienkonformen Vorschriften berufen; einzelne können sich auf diese Bestimmungen auch berufen, soweit diese Rechte festlegen, die dem Staat gegenüber geltend gemacht werden können."
Auf die Rechtsauffassung in diesem Urteil, die er in der Entscheidung vom 10. Juni 1982 (RS 255/81, Slg. 1982, S. 2301) bestätigte, hat sich der Gerichtshof in seiner Vorabentscheidung vom 22. Februar 1984, die dem Ausgangsverfahren hier zugrunde liegt, ausdrücklich bezogen.
dd) Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs fand im deutschsprachigen Schrifttum weitgehend Zustimmung (vgl. die Nachweise bei Everling, a.a.O., S. 103 ff. auch zur Diskussion im englischsprachigen und romanischen Rechtskreis, sowie Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich (1984), S. 215 f.). Allerdings beschränkte sich diese wissenschaftliche Auseinandersetzung fast ausschließlich auf die gemeinschaftsrechtlichen und erörterte nicht allfällige verfassungsrechtliche Fragen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung lebte im Anschluß an den Beschluß des Fünften Senats des Bundesfinanzhofs vom 16. Juli 1981 (EuR 1981, S. 442 m. Anm. Millarg) wieder auf, als dieser im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unter Berufung auf die Entscheidung des französischen Staatsrats vom 22. Dezember 1978 (EuR 1979, S. 292 m. Anm. Bieber und EuGRZ 1979, S. 251 m. Anm. Tomuschat) der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht folgte; dieser Beschluß wurde im Schrifttum, darunter auch von Richtern des Bundesfinanzhofs, wiederum fast ausschließlich unter gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten erörtert und weithin abgelehnt (vgl. Autexier, Revue Trimestrielle de Droit Europ en 1981, S. 780 (784); Dänzer- Vanotti, BB 1982, S. 1106, (1109); G. Meier, BB 1981, S. 1883 (1884); Millarg, EuR 1981, S. 454 und Scheuing, EuR 1985, S. 229 [264 ff.]); verteidigt wurde er von Sigloch (BB 1982, S. 791) und Weiß (UStR 1981, S. 197). Verfassungsrechtliche Gesichtspunkte wurden von Herrmann (RIW/AWD 1982, S. 566 ff.) und Voß (RIW/AWD 1982, S. 570) erörtert; beide gelangten im Ergebnis zu der Auffassung, daß der Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 16. Juli 1981 gemeinschaftsrechtlich fehlerhaft und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur sogenannten unmittelbaren Anwendbarkeit bestimmter Richtlinien verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei (vgl. ferner die Kritik von Bleckmann, RIW/AWD 1984, S. 774 (777); Pescatore, European Law Review 1983, S. 155 (170) und Seidel, NJW 1985, S. 517 ff.). Die Auffassung des Bundesfinanzhofs in seinem mit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil wurde im Schrifttum sowohl aus gemeinschafts- wie aus verfassungsrechtlicher Sicht nachdrücklich kritisiert (vgl. Tomuschat, EuR 1985, S. 346 ff.; Duhnkrack, RIW/AWD 1986, S. 40 ff. und Magiera, DÖV 1985, S. 937 ff.); Zustimmung fand sie bei Mößlang (Internationale Wirtschafts-Briefe Nr. 16 vom 26. August 1985, S. 529 ff.).
d) Sowohl die kompetenz- und materiellrechtliche Rechtsauffassung des Gerichtshofs der Gemeinschaften zur Rechtsnatur von Richtlinien der in Rede stehenden Art als auch die Methode, mit der er diese Rechtsauffassung entwickelt hat, halten sich im Rahmen des durch das Zustimmungsgesetz zum EWG-Vertrag abgesteckten Integrationsprogramms; ebensowenig überschreitet das Zustimmungsgesetz zum EWG-Vertrag, das dieses Ergebnis wie die Methode der Rechtsfindung des Gerichtshofs deckt, die rechtsstaatlichen Grenzen, die einer Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 24 Abs. 1 GG von Verfassungs wegen gesetzt sind (vgl. BVerfGE 37, 271 [280 ff.]; 73, 339 [375 ff.]).
aa) Der Gerichtshof stützt sich zum einen auf das Gefüge der Handlungsformen des Art. 189 EWGV (Verordnung, Richtlinie, Entscheidung), zum anderen auf das Ziel des Vertrags, gerade auch dem Marktbürger, um dessentwillen die Gemeinschaft letztlich errichtet sei und wirksam funktionieren solle, zureichenden Rechtsschutz zu verschaffen. Es ist kein unvertretbarer Schluß, wenn der Gerichtshof aus der Bestimmung des Art. 189 EWGV, daß die Verordnung "unmittelbar" gilt, folgert, daß damit nicht schon eine "unmittelbare" Rechtswirkung der anderen Rechtsakte (Entscheidung, Richtlinie) ausgeschlossen sei. Es ist ferner methodisch nicht unvertretbar, wenn der Gerichtshof dann im Hinblick auf das Ziel, dem Marktbürger möglichst weitreichenden Rechtsschutz zu verschaffen und der unstreitigen Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Richtlinien zu befolgen, Nachdruck zu verleihen, zu dem Schluß gelangt, der Marktbürger könne sich in bestimmten begrenzten Fällen gegenüber dem Mitgliedstaat in einem Rechtsstreit auf die Richtlinie "berufen" und der Mitgliedstaat könne ihm die Nichterfüllung der Richtlinie nicht entgegenhalten. Auch das Bundesverfassungsgericht hat die unmittelbare Rechtswirkung von Akten der Gemeinschaft im Zusammenhang mit dem Rechtsschutz subjektiver Rechte der Bürger gesehen (vgl. BVerfGE 31, 145 (173 ff.) bezüglich Art. 95 EWGV).
Der Gerichtshof nimmt hierdurch nicht, wie der Bundesfinanzhof meint, für die Gemeinschaft eine Rechtsetzungsgewalt nach Art gleichsam einer Verordnungskompetenz auf einem Gebiet (Umsatzsteuerrecht) in Anspruch, auf dem sie nur eine Richtlinienkompetenz besitze. Vielmehr beschränkt er sich darauf, die Rechtswirkungen einer bestehenden Kompetenz näher auszugestalten. Zwar kommt die Möglichkeit des privaten Einzelnen, sich auf die Richtlinie zu "berufen", einer normativen Wirkung - jedenfalls im bilateralen Verhältnis zum angesprochenen Mitgliedstaat - praktisch gleich; sie bedeutet aber nicht eine Erweiterung der Rechtsetzungskompetenz der Gemeinschaft. Der eigentliche Sinn dieser Möglichkeit des Sich-Berufen-Könnens liegt nicht darin, die Rechtsetzungskompetenz der Gemeinschaft zu erweitern, sondern die durch die Richtlinie begründete Verpflichtung des Mitgliedstaates wirkungsvoll und zumal in rechtsstaatlicher Weise zu sanktionieren: unabhängige Gerichte sollen sie feststellen und ihre Nichterfüllung durch Richterspruch im Einzelfall sanktionieren.
Darin liegt gewiß ein Stück Rechtsfortbildung durch den Gerichtshof (vgl. Börner, Festschrift für Gerhard Kegel [1987], S. 57 ff.) und nicht lediglich Konkretisierung eines schon durch den Vertrag allgemein vorgegebenen Sanktionsgefüges im Einzelfall: Die Sanktionierung der Nichterfüllung von Richtlinien nicht allein durch eine Verletzungsklage der Gemeinschaft gegen den Mitgliedstaat, sondern auch durch "Berufung auf die Richtlinie" im Rechtsstreit des privaten Einzelnen gegen den Mitgliedstaat zu ermöglichen, schafft eine neue Sanktionskategorie. Sie fügt sich indes nach ihrer Leitidee in die rechtsstaatliche Struktur der Gemeinschaft ein, ist vom Gerichtshof gerade an dieser rechtsstaatlichen Grundstruktur ausgerichtet und von dort her ausgestaltet worden.
bb) Es ist mit Art. 24 Abs. 1 GG vereinbar, dem Gerichtshof, einer zwischenstaatlichen Einrichtung, eine derartige Befugnis zur Rechtsfortbildung im Bereich des Kompetenzrechts dieser Einrichtung zu übertragen. Zwar ist es auch verfassungsrechtlich erheblich, ob eine zwischenstaatliche Einrichtung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 GG sich in den Grenzen der ihr übertragenen Hoheitsrechte hält oder aus ihnen ausbricht (vgl. BVerfGE 37, 271 [279 f.]; 58, 1 [30 f.]; 73, 339 [375 f.]). Der Gemeinschaft ist durch den EWG-Vertrag nicht eine Rechtsprechungsgewalt zur unbegrenzten Kompetenzerweiterung übertragen worden. Die Gemeinschaft ist kein souveräner Staat im Sinne des Völkerrechts (vgl. Eric Stein, Towards a European Foreign Policy? The European Foreign Affairs System from the Perspective of the United States Constitution, in: Integration Through Law, Vol. 1, bk. 3 [1986], S. 3 [19]), dem eine Kompetenzkompetenz über innere Angelegenheiten zukäme. Auf sie ist weder die territoriale Souveränität noch die Gebiets- und Personalhoheit der Mitgliedstaaten übertragen worden; ihre auswärtigen Befugnisse betreffen begrenzte Bereiche, mögen sie im einzelnen hierbei auch nicht, wie im Bereich anderer Vertragsziele, durch den Grundsatz der Spezialermächtigung beschränkt sein. Nach wie vor sind derzeit die Mitgliedstaaten im Rahmen des allgemeinen Völkervertragsrechts die Herren der Gemeinschaftsverträge, wie nicht zuletzt die Einheitliche Europäische Akte vom 17. und 28. Februar 1986 (Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Suppl. 2 [1986]) belegt.
Zulässig und von den Auslegungsregeln für die Gemeinschaftsverträge her nachgerade geboten ist es indessen, vorhandene Kompetenzen der Gemeinschaft im Lichte und im Einklang mit den Vertragszielen auszulegen und zu konkretisieren. Wo insoweit generelle Grenzen der Reichweite der Gemeinschaftsgewalt verlaufen, kann hier dahinstehen. Die vorliegende Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Möglichkeit des Marktbürgers, sich auf Richtlinien bestimmter Art unmittelbar zu berufen, bleibt weit davon entfernt, diese Grenzen zu überschreiten. Das Ergebnis dieser Rechtsprechung hält sich im Gefüge der vertraglich begründeten Handlungsformen der Gemeinschaftsgewalt; sie werden nicht erweitert oder durch neuartige Handlungsformen ergänzt; die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten (zur Richtlinienerfüllung) werden weder erhöht noch verschärft - erhöht wird die Wirkungskraft einer bestimmten Art von Richtlinien mit dem Ziel, ihre Beachtung durch die Mitgliedstaaten besser zu gewährleisten. Angesichts des nicht unerheblichen Gefälles zwischen den Mitgliedstaaten beim Vollzug von Richtlinien dient dies zumal der Herstellung der Rechtsanwendungsgleichheit zwischen den Marktbürgern und stellt keine Überschreitung der Grenzen der Hoheitsbefugnisse dar, die für die Gemeinschaft durch den Abschluß des EWG-Vertrages begründet worden sind.
cc) Auch gegen die Methode richterlicher Rechtsfortbildung, deren sich der Gerichtshof bedient hat, ist weder unter dem Maßstab des Zustimmungsgesetzes zum EWG-Vertrag noch dem des Art. 24 Abs. 1 GG etwas zu bewenden. Zwar ist dem Gerichtshof keine Befugnis übertragen worden, auf diesem Wege Gemeinschaftskompetenzen beliebig zu erweitern; ebensowenig aber können Zweifel daran bestehen, daß die Mitgliedstaaten die Gemeinschaft mit einem Gericht ausstatten wollten, dem Rechtsfindungswege offenstehen sollten, wie sie in jahrhundertelanger gemeineuropäischer Rechtsüberlieferung und Rechtskultur ausgeformt worden sind. Der Richter war in Europa niemals lediglich "la bouche qui prononce les paroles de la loi"; das römische Recht, das englische common law, das Gemeine Recht waren weithin richterliche Rechtsschöpfungen ebenso wie in jüngerer Zeit etwa in Frankreich die Herausbildung allgemeiner Rechtsgrundsätze des Verwaltungsrechts durch den Staatsrat oder in Deutschland das allgemeine Verwaltungsrecht, weite Teile des Arbeitsrechts oder die Sicherungsrechte im privatrechtlichen Geschäftsverkehr. Die Gemeinschaftsverträge sind auch im Lichte gemeineuropäischer Rechtsüberlieferung und Rechtskultur zu verstehen. Zu meinen, dem Gerichtshof der Gemeinschaften wäre die Methode der Rechtsfortbildung verwehrt, ist angesichts dessen verfehlt. Das Bundesverfassungsgericht ist auch bislang schon ohne Aufhebens davon ausgegangen, daß der Gerichtshof subjektive Rechte des privaten Einzelnen aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen entwickeln darf (BVerfGE 37, 271; 73, 339). Wie behutsam der Gerichtshof dabei im vorliegenden Zusammenhang verfahren ist, zeigt sich daran, daß er nicht Richtlinien schlechthin "berufungsfähig" gemacht hat, sondern dafür bestimmte, oben aufgezeigte Kriterien erstellt hat, die - jedenfalls in der bisherigen Richtlinienpraxis, die Hunderte von Richtlinien allein zur Rechtsangleichung aufweist, - nur selten erfüllt sind.
3. Der Bundesfinanzhof war mithin an die vom Finanzgericht eingeholte Vorabentscheidung des Gerichtshofs gebunden. Da es für seine Entscheidung auf die Frage, ob die Beschwerdeführerin sich auf die Sechste Umsatzsteuerrichtlinie berufen könne, ankam, hatte er die Vorabentscheidung des Gerichtshofs seiner eigenen Beurteilung zugrunde zu legen. Dem stand nicht entgegen, daß die Rechtswirkung der Berufung auf die Richtlinie von der Rechtsfolgenanordnung des deutschen Umsatzsteuergesetzes 1967/1973 abwich. Rechtsakten des Gemeinschaftsrechts kommt für den Fall eines Widerspruchs zu innerstaatlichem Gesetzesrecht auch vor deutschen Gerichten der Anwendungsvorrang zu. Dieser Anwendungsvorrang gegenüber späterem wie früherem nationalem Gesetzesrecht beruht auf einer ungeschriebenen Norm des primären Gemeinschaftsrechts, der durch die Zustimmungsgesetze zu den Gemeinschaftsverträgen in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 GG der innerstaatliche Rechtsanwendungsbefehl erteilt worden ist (vgl. BVerfGE 31, 145 [173 ff.]; Scheuner, Der Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft und Verfassungsrechtsprechung, AöR 100 [1975], S. 30 [40 f.]). Art. 24 Abs. 1 GG enthält die verfassungsrechtliche Ermächtigung für die Billigung dieser Vorrangregel durch den Gesetzgeber und ihre Anwendung durch die rechtsprechende Gewalt im Einzelfall (BVerfGE 73, 339 [375]; Scheuner, a.a.O., S. 44; Tomuschat in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 24 [Zweitbearb.], Rdnr. 76 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Wollte der Bundesfinanzhof der Rechtsauffassung des Gerichtshofs gleichwohl nicht folgen, so wäre er, da die Auslegung der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie des Rates für ihn entscheidungserheblich war, gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV zu einer neuerlichen Vorlage an den Gerichtshof verpflichtet gewesen. In seinem Vorlagebeschluß hätte er seine Bedenken gegen die Rechtsauffassung des Gerichtshofs zur Anrufbarkeit nicht fristgerecht in innerstaatliches Recht umgesetzter Richtlinien und zumal in bezug auf die nach seiner Auffassung fehlende Kompetenz des Gerichtshofs zur Rechtsfortbildung des Vertragsrechts dartun müssen.
4. Dieser Verpflichtung zur neuerlichen Vorlage an den Gerichtshof gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV hat sich der Bundesfinanzhof in objektiv willkürlicher Weise entzogen: Verweigert sich ein letztinstanzliches Gericht dieser Vorlagepflicht bezüglich derjenigen Rechtsfragen, die bereits Entscheidungsgegenstand einer im selben Verfahren ergangenen Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs waren, so ist das eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wie immer im übrigen der Maßstab der Willkür im Hinblick auf Verstöße gegen die Vorlagepflicht aus Art. 177 EWGV zu fassen sein mag.
5. Eine Aufhebung der angegriffenen Entscheidung wegen Unterlassens einer Vorlage des Zustimmungsgesetzes zum EWG- Vertrag gemäß Art. 100 Abs. 1 GG kommt nicht in Betracht. Der Bundesfinanzhof hält das Zustimmungsgesetz für verfassungsgemäß. Voraussetzung der Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG ist, daß das Fachgericht von der Grundgesetzwidrigkeit des in Rede stehenden Gesetzes überzeugt ist.
6. Da das Urteil des Bundesfinanzhofs bereits wegen des Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG aufzuheben war, kann dahinstehen, ob es gegen weitere von der Beschwerdeführerin benannte Grundrechte verstößt.
 
C.
Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
Zeidler, Niebler, Steinberger, Träger, Mahrenholz, Böckenförde, Klein, Graßhof