BVerfGE 75, 302 - Präklusion II |
1. Nicht jede fehlerhafte Anwendung von Präklusionsvorschriften verletzt Art. 103 Abs. 1 GG. |
2. Die Anwendung des absoluten Verzögerungsbegriffs ist grundsätzlich mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör vereinbar. Verspätetes Vorbringen darf jedoch nicht ausgeschlossen werden, wenn offenkundig ist, daß dieselbe Verzögerung auch bei rechtzeitigem Vortrag eingetreten wäre. |
3. Eine Belehrung über die Folgen der Versäumung richterlicher Fristen ist verfassungsrechtlich nicht geboten, wenn die Partei anwaltlich vertreten ist. |
Beschluß |
des Ersten Senats vom 5. Mai 1987 |
-- 1 BvR 903/85 -- |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der H... GmbH - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Rolf Birkner und Wolfgang Thies, Bärenallee 3, Hamburg 70 - gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 3. Mai 1985 - 35 C 22/85 -. |
Entscheidungsformel: |
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen. |
Gründe: |
A. |
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Zurückweisung eines Parteivorbringens in einem Zivilprozeß als verspätet.
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I. |
Die Beschwerdeführerin betreibt ein Reinigungsunternehmen. Zu ihren Kunden gehörte auch die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die von ihr auf Zahlung von Reinigungslohn für Juli 1982 in Höhe von 325,44 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen wurde, obwohl in diesem Monat keine Reinigungsarbeiten ausgeführt worden waren. Sie trug dazu vor, ihre Mitarbeiter hätten in diesem Monat keinen Zutritt zu den Räumen der Beklagten erhalten; deshalb habe diese es zu verantworten, daß die geschuldete Leistung nicht erbracht worden sei.
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Das Amtsgericht beraumte frühen ersten Termin auf den 20. März 1985 an. Die Klageerwiderung wurde der Beschwerdeführerin erst in diesem Termin ausgehändigt. Darin machte die Beklagte geltend, eine feste Vereinbarung zwischen den Parteien habe es nicht gegeben. Die Reinigungen seien vielmehr fortlaufend durchgeführt und nach der tatsächlich angefallenen Arbeit abgerechnet und bezahlt worden. Bereits seit Mai 1982 hätten die Mitarbeiter der Beschwerdeführerin nicht mehr putzen können, weil sie keine Reinigungsmittel mehr gehabt hätten. Da die weitere Zusammenarbeit sinnlos gewesen sei, sei der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden, daß ihre Dienste in Zukunft nicht mehr in Anspruch genommen werden würden. Die Beklagte benannte einen Zeugen zum Beweis ihrer Behauptungen.
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Das Amtsgericht gab der Beschwerdeführerin auf, binnen vier Wochen zu erwidern, und beraumte Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 3. Mai 1985 an.
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Mit einem am 25. April 1985 eingegangenen Schriftsatz entschuldigte sich die Beschwerdeführerin zunächst für die Überschreitung der Äußerungsfrist, die auf eine Erkrankung ihres Prozeßbevollmächtigten zurückzuführen sei. In der Sache behauptete sie, daß es durchaus eine feste Vereinbarung über die Reinigungsarbeiten gegeben habe. Die Reinigungen seien bis einschließlich Mai 1982 beanstandungsfrei durchgeführt worden. Ab 20. Juni 1982 hätten ihre Mitarbeiter die Geschäftsräume der Beklagten nicht mehr betreten können. Diese habe zunächst Betriebsferien gemacht, ohne sie davon zu informieren, und anschließend dem Reinigungspersonal den Zutritt verwehrt. Eine Kündigung des Vertragsverhältnisses sei nie erfolgt. Es sei falsch, daß es an Reinigungsmitteln gefehlt habe. Auch sie benannte Zeugen zum Beweis ihres Vorbringens.
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Das Amtsgericht wies die Klage durch das angegriffene Urteil ab: Eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des Reinigungslohns sei nicht feststellbar. Die Beschwerdeführerin habe keinen Beweis dafür angeboten, daß zwischen den Parteien auch im Juli 1982 noch eine vertragliche Bindung bestanden habe. Der am 25. April 1985 eingegangene Schriftsatz habe gemäß § 296 Abs. 1 ZPO bei der Entscheidung keine Berücksichtigung finden können.
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Nach dieser Vorschrift sind Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür (unter anderem gemäß § 275 Abs. 4 ZPO) gesetzten Frist vorgebracht werden, nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.
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Die in dem genannten Schriftsatz enthaltenen Angriffs- und Verteidigungsmittel seien zwingend zurückzuweisen; er sei nicht unerheblich verspätet. Die der Beschwerdeführerin gesetzte Frist sei am 17. April 1985 abgelaufen gewesen. Es fehle auch an einer genügenden Entschuldigung. Die Zulassung des Schriftsatzes würde die Erledigung des Rechtsstreits wegen einer dann notwendigen Beweisaufnahme verzögern.
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II. |
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs und trägt dazu vor: Das Gericht sei der Auffassung gewesen, die Fristsetzung richte sich nach § 275 Abs. 4 ZPO, wonach dem Kläger im frühen ersten Termin oder nach Eingang der Klageerwiderung eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Klageerwiderung gesetzt werden kann. Es habe offenbar weiterhin angenommen, § 277 Abs. 4 ZPO finde Anwendung, wonach für die schriftliche Stellungnahme auf die Klageerwiderung lediglich die Bestimmungen der Absätze 1 und 3 über den notwendigen Inhalt der Schriftsätze und die erforderliche Mindestfrist entsprechend anzuwenden sind, während die in § 277 Abs. 2 ZPO vorgesehene Belehrung über die Folgen einer Fristversäumnis nicht erwähnt wird. Wenn dieser Rechtsstandpunkt richtig sei, werde die Verfassungswidrigkeit des § 277 Abs. 4 ZPO gerügt. Die Präklusionswirkung des § 296 Abs. 1 ZPO sei so einschneidend, daß die Anwendung dieser Norm immer eine Belehrung voraussetze, gleichgültig ob die Partei anwaltlich vertreten sei oder nicht. Das gebiete Art. 103 Abs. 1 GG. Dasselbe gelte, falls das Gericht § 277 ZPO nicht berücksichtigt habe, sondern § 296 Abs. 1 ZPO unmittelbar aufgrund der in dieser Vorschrift zitierten Bestimmung des § 275 Abs. 4 ZPO angewendet habe. Auch dann fehle es an der verfassungsrechtlich erforderlichen Belehrung über die Präklusionswirkung.
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III. |
Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich der Bundesminister der Justiz namens der Bundesregierung, die Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, der Präsident des Bundesgerichtshofs und die Gegnerin des Ausgangsverfahrens geäußert.
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1. Der Bundesminister sieht in der unterlassenen Belehrung der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin keinen Verfassungsverstoß: Es könne vorausgesetzt werden, daß ein Rechtsanwalt die einschlägigen Verfahrensvorschriften kenne oder in der Lage sei, sich über ihre Bedeutung zu informieren. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht daraus, daß § 277 Abs. 2 ZPO eine Belehrung des Beklagten unabhängig davon vorschreibe, ob dieser anwaltlich vertreten sei oder nicht. Der Bundesgerichtshof habe zwar ein verspätetes Vorbringen des anwaltlich vertretenen Beklagten zugelassen, weil dieser nicht belehrt gewesen sei. Die Rechtsprechung habe dies jedoch aus der tatsächlichen Ausgestaltung der gesetzlichen Regelung gefolgert, nicht dagegen aus Art. 103 Abs. 1 GG.
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Der vom Amtsgericht angewandte absolute Verzögerungsbegriff begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzeszweck lege eine Anwendung dieses Begriffs nahe. Der Gesetzgeber sei bemüht gewesen, den Streit über das Vorliegen der Präklusionsvoraussetzungen nicht ausufern zu lassen, um nicht unnötig Arbeitskraft des Gerichts zu binden. Aus diesem Grunde sei vorgesehen worden, daß das Gericht die Verzögerung und die fehlende Entschuldigung nach freier Überzeugung feststellen könne. Diesem Bestreben des Gesetzgebers werde nur der absolute Verzögerungsbegriff gerecht; er ermögliche einfache und klare Feststellungen. Im übrigen wende auch der Bundesgerichtshof diesen Begriff nicht ohne Einschränkung an. Er lehne eine Präklusion ab, wenn die Verspätung durch zumutbare vorbereitende Maßnahmen des Gerichts ausgeglichen werden könne. Dagegen berücksichtige er nicht den Gedanken der Überbeschleunigung. Dieser führe auch wieder in die Nähe eines hypothetischen Verzögerungsbegriffs, weil das Gericht wiederum einen Vergleich zwischen dem tatsächlichen und dem bei rechtzeitigem Sachvortrag möglichen Verfahrensverlauf vornehmen müßte. Eine gesicherte Prognose über den Geschehensablauf bei rechtzeitigem Vorbringen sei zudem oftmals gar nicht möglich. Dieser Gesichtspunkt verliere zwar in den Fällen an Gewicht, in denen sich zweifelsfrei und ohne wesentlichen Prüfungsaufwand feststellen lasse, daß der Rechtsstreit auch bei rechtzeitigem Vorbringen nicht schneller beendet worden wäre. Jedoch dürfe selbst bei einer solchen Fallgestaltung nicht außer Betracht bleiben, daß im Verfahrensrecht auf eine grundsätzlich strikte Handhabung von Fristen nicht verzichtet werden könne. Das Fristensystem des Präklusionsrechts, das die Parteien zu einer straffen Verfahrensführung anhalte, sei die Grundlage für ein konzentriertes und damit rationelles Vorgehen des Gerichts. Es diene daher nicht nur einer zügigen Erledigung des anstehenden Rechtsstreits, sondern liege darüber hinaus im Interesse aller übrigen Rechtssuchenden.
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2. Auch die Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet: Daß hier ein Fall des § 296 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 275 Abs. 4 ZPO gegeben sei, begegne keinen Zweifeln. Das Amtsgericht habe auch nicht den Rahmen verfassungskonformer Anwendung des § 296 Abs. 1 ZPO verlassen. Wegen der einschneidenden Folgen einer Präklusion könne allerdings daran gedacht werden zu fragen, ob das Verfahren bei rechtzeitigem Vorbringen schneller als im Falle der Zulassung des verspäteten Vorbringens zum Abschluß gekommen wäre, um eine "Überbeschleunigung" zu vermeiden. Den gegen solche hypothetischen Erwägungen erhobenen Bedenken des Bundesgerichtshofs sei jedoch zu folgen. Die unterlassene Belehrung über die Folgen der Säumnis sei kein Verfassungsverstoß, weil die Beschwerdeführerin anwaltlich vertreten gewesen sei.
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3. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat Stellungnahmen mehrerer Zivilsenate übermittelt.
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a) Der IV a-Zivilsenat beurteilt die Zurückweisung des Vorbringens der Beschwerdeführerin durch das Amtsgericht als offensichtlich rechtsfehlerhaft. Die an die Beschwerdeführerin gerichtete Anordnung, binnen vier Wochen auf die Klageerwiderung zu entgegnen, habe nicht auf § 275 Abs. 4 ZPO gestützt werden können. Die Maßnahmen gemäß § 275 Abs. 2 bis 4 ZPO dienten ausschließlich der Vorbereitung eines Haupttermins gemäß § 278 ZPO. Einen solchen habe das Amtsgericht aber nicht bestimmt, sondern sogleich einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung anberaumt. Da die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung noch nicht ausreichend Gelegenheit gehabt habe, auf die Klageerwiderung zu antworten, wäre ein derartiges Verfahren nur vertretbar gewesen, wenn sie Gelegenheit erhalten hätte, sich nach Schluß der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich zu äußern. Die Rechtsgrundlage dafür sei nicht § 275 Abs. 4 ZPO, sondern § 283 Satz 1 ZPO, wonach einer Prozeßpartei auf Antrag eine Schriftsatzfrist eingeräumt werden kann, wenn sie sich in der mündlichen Verhandlung auf ein Vorbringen des Gegners nicht erklären kann, weil es ihr nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden ist. Werde ein solcher Schriftsatz verspätet eingereicht, bestimmten sich die Folgen nicht nach § 296 ZPO, sondern nach § 283 Satz 2 ZPO. Danach hänge die Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens von einer Ermessensentscheidung des Gerichts ab. Das habe das Amtsgericht nicht erkannt. Es habe sich vielmehr rechtsirrtümlich für verpflichtet gehalten, den verspäteten Vortrag nicht zu berücksichtigen. Diese Rechtsverletzung sei zugleich ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, weil die Anwendung der §§ 277 und 296 ZPO offensichtlich unrichtig sei.
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b) Der VII. Zivilsenat verweist auf das Urteil vom 14. Juli 1983 (BGHZ 88, 180 [183 f.]). Dort sei ausgeführt, daß Säumnisse nach § 275 Abs. 4 und § 277 Abs. 4 ZPO trotz Fehlens einer Belehrungspflicht auch dann unter die Sanktion des § 296 Abs. 1 ZPO fielen, wenn die säumige Partei nicht anwaltlich vertreten sei. Ob dies mit Art. 103 Abs. 1 GG zu vereinbaren sei, habe seinerzeit nicht entschieden zu werden brauchen. Der Senat enthalte sich auch jetzt einer Stellungnahme dazu. Prozeßrechtlich sei aber immerhin zu erwägen, ob ein nicht anwaltlich vertretener Kläger genügend entschuldigt wäre, wenn er ohne Belehrung über die Rechtsfolgen eine ihm zur Stellungnahme auf die Klageerwiderung gesetzte Frist versäume. Demgegenüber müßte sich ein anwaltlich vertretener Kläger die etwaige Unkenntnis seines Anwalts nach § 85 ZPO zurechnen lassen.
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c) Auch der VIII. Zivilsenat betrachtet das Vorgehen des Amtsgerichts als fehlerhaft, weil es die Verfahren nach § 275 ZPO und § 283 ZPO miteinander vermenge. Dabei fehle es an den Voraussetzungen des § 283 ZPO schon deswegen, weil die Beschwerdeführerin keine Schriftsatzfrist beantragt habe. Hätte das Amtsgericht, wie es nach § 275 Abs. 2 und 4 ZPO richtig gewesen wäre, statt des Verkündungstermins Haupttermin bestimmt, hätte sich trotz des verspäteten Vorbringens möglicherweise eine Verzögerung des Rechtsstreits über den Haupttermin hinaus durch geeignete Maßnahmen gemäß § 273 ZPO vermeiden lassen. Möglicherweise wären die bestrittenen Tatsachen im Haupttermin auch gar nicht streitig geblieben.
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4. Die Gegnerin des Ausgangsverfahrens hält die Rügen der Beschwerdeführerin nicht für berechtigt. Zwar stelle die Nichtbeachtung der in § 277 Abs. 2 ZPO niedergelegten Belehrungspflicht grundsätzlich einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dar. Das bedeute jedoch nicht, daß bei jeder richterlichen Frist erneut eine Belehrung über die Folgen der Fristversäumnis erfolgen müsse, wenn beide Parteien anwaltlich vertreten seien. Mit der Einschaltung des rechtskundigen Anwalts sei sichergestellt, daß die Partei sich bei künftigen Fristsetzungen ordnungsgemäß äußern könne.
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B. |
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet.
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Zwar rügt die Beschwerdeführerin ausdrücklich nur die Verfassungswidrigkeit der unterlassenen Belehrung. Zur Überprüfung steht ungeachtet dessen das gesamte Verfahren des Amtsgerichts, das zur Zurückweisung des verspäteten Vorbringens geführt hat, denn gegen diese Präklusion wendet sich die Beschwerdeführerin und trägt dazu unter Beifügung der angegriffenen Entscheidung den gesamten Lebenssachverhalt vor, der ihr zugrunde liegt. Daß sie dabei nur die unterlassene Belehrung als verfassungswidrig beurteilt, ist eine Rechtsansicht, die den Gegenstand der Verfassungsbeschwerde nicht auf diese Rüge beschränkt. Die geltend gemachte Beschwerde ist die Nichtberücksichtigung eines Schriftsatzes; das hält die Beschwerdeführerin mit ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs für nicht vereinbar. Deshalb müssen in die verfassungsrechtliche Prüfung alle von ihr vorgetragenen Umstände einbezogen werden, die zum Ausschluß wegen Verspätung geführt haben.
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Die Zurückweisung des Vorbringens der Beschwerdeführerin ist zwar nicht frei von Rechtsfehlern (I.); ihr Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG wird dadurch jedoch nicht verletzt (II.).
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I. |
1. Die Anwendung des § 275 Abs. 4 ZPO durch den Amtsrichter ist -- wie der Bundesgerichtshof ausgeführt hat -- einfachrechtlich fehlerhaft.
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Nach § 272 Abs. 1 ZPO ist der Rechtsstreit in der Regel in einem umfassend vorbereiteten Termin zur mündlichen Verhandlung (Haupttermin) zu erledigen. Zur Vorbereitung dieses Termins bestimmt der Vorsitzende nach Absatz 2 dieser Vorschrift entweder einen frühen ersten Termin, oder er veranlaßt ein schriftliches Vorverfahren. Das Verfahren bei Anberaumung und Durchführung eines frühen ersten Termins behandelt § 275 ZPO. Der vom Amtsgericht für einschlägig gehaltene § 275 Abs. 4 ZPO regelt, daß dem Kläger in diesem Termin oder nach Eingang der Klageerwiderung eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Klageerwiderung gesetzt werden kann, wobei § 277 Abs. 4 ZPO nicht vorschreibt, daß eine Belehrung über die Folgen einer Fristversäumnis vorzunehmen ist. § 275 Abs. 4 ZPO setzt jedoch immer voraus, daß es überhaupt noch um die Vorbereitung eines Haupttermins geht. Ein solcher Haupttermin war hier nicht mehr beabsichtigt, denn das Amtsgericht hatte auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 1985 einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung anberaumt. Eine Fristsetzung nach § 275 Abs. 4 ZPO für einen terminsvorbereitenden Schriftsatz kam also gar nicht mehr in Betracht. Der Amtsrichter wollte der Beschwerdeführerin vielmehr Gelegenheit geben, sich noch vor der Entscheidung zu dem ihr erst im Termin überreichten Schriftsatz der Beklagten zu erklären. Eine solche Nachfrist regelt § 283 ZPO. Sie setzt allerdings -- anders als die in § 275 Abs. 4 ZPO genannte Frist -- einen Antrag voraus. Daß die Beschwerdeführerin einen solchen gestellt hätte, weist das Verhandlungsprotokoll des Amtsgerichts nicht aus.
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Die Folgen der Versäumung einer Nachfrist regelt § 283 Satz 2 ZPO. Danach kann das Gericht eine verspätet eingereichte Erklärung bei der Entscheidung berücksichtigen; es liegt also in seinem Ermessen, ob es das Vorbringen zurückweist. Demgegenüber gilt bei der Versäumung der Frist des § 275 Abs. 4 ZPO die Präklusionsvorschrift des § 296 Abs. 1 ZPO, welche die Zurückweisung zwingend vorschreibt, es sei denn, die Zulassung des Vorbringens würde die Erledigung des Rechtsstreits nach der freien Überzeugung des Gerichts nicht verzögern oder die Partei entschuldigt die Verspätung genügend. Der Irrtum des Amtsrichters führte also dazu, daß er die Zurückweisung des verspäteten Vorbringens für zwingend hielt, obwohl er bei richtiger Rechtsanwendung nach § 283 Satz 2 ZPO eine Ermessensentscheidung hätte treffen müssen.
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2. Daß der Amtsrichter bei der Anwendung des § 296 Abs. 1 ZPO allein darauf abgestellt hat, ob sich die Erledigung des Rechtsstreits bei Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens verzögern würde, entspricht demgegenüber höchstrichterlicher Rechtsprechung. Nach dem absoluten Verzögerungsbegriff des Bundesgerichtshofs (BGHZ 75, 138 [141 f.]; 86, 31 [34 ff.]) kommt es ausschließlich darauf an, ob der Prozeß bei Zulassung des verspäteten Vorbringens länger dauern würde als bei dessen Zurückweisung. Das hat der Amtsrichter unter Hinweis auf die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme zu Recht bejaht.
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3. Die von der Beschwerdeführerin in den Mittelpunkt ihres Rechtsbehelfs gestellte Frage nach der Belehrungspflicht über die Folgen einer Säumnis beantwortet sich einfachrechtlich ebenfalls eindeutig. § 283 ZPO, der richtigerweise hätte angewandt werden müssen, verlangt keine Belehrung. Eine solche sieht das Gesetz auch bei einer Frist nach § 275 Abs. 4 ZPO nicht vor. § 277 Abs. 4 ZPO erklärt -- wie bereits dargelegt -- insoweit nur die Absätze 1 und 3 für entsprechend anwendbar. Auf Absatz 2, der die Belehrungspflicht über die Folgen einer Fristversäumnis enthält, verweist er nicht. Diese Regelung hat der Gesetzgeber bewußt getroffen, wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt. Der Bundesminister der Justiz hat in seiner Stellungnahme zutreffend darauf hingewiesen, daß die Vorschrift über die Belehrungspflicht für Fristenversäumnisse bei der Replik während des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen wurde, weil ein Kläger in diesem Verfahrensstadium immer anwaltlich vertreten sei (BTDrucks. 7/2729, S. 9, 71 f. und 130). Die dadurch an sich notwendige Ergänzung der Vorschriften für das amtsgerichtliche Verfahren, in dem kein Anwaltszwang herrscht, ist offenbar versehentlich unterblieben.
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II. |
Auch unter Berücksichtigung dieser einfachrechtlichen Ausgangslage ist ein Grundrechtsverstoß nicht erkennbar.
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1. Das Bundesverfassungsgericht hat es bisher ausdrücklich offengelassen, ob die fehlerhafte Anwendung einer einfachrechtlichen Präklusionsvorschrift stets eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs darstellt (BVerfGE 54, 117 [124]; 66, 260 [264]; 69, 126 [136]; 69, 145 [149]). Es hat jedoch wiederholt betont, daß diese Vorschriften strengen Ausnahmecharakter haben, weil sie sich zwangsläufig nachteilig auf das Bemühen um eine materiell richtige Entscheidung auswirken (BVerfGE 55, 72 [94]) und einschneidende Folgen für die säumige Partei nach sich ziehen (BVerfGE 59, 330 [334]; 60, 1 [6]; 62, 249 [254]; 63, 177 [180]; 67, 39 [41]; 69, 145 [149]). Das legt es nahe, die Auslegung und Anwendung dieser das rechtliche Gehör beschränkenden Vorschriften durch die Fachgerichte einer strengeren verfassungsgerichtlichen Kontrolle zu unterziehen, als dies üblicherweise bei der Anwendung einfachen Rechts geschieht. Dies ist schon wegen der Intensität des Eingriffs bei einer Präklusion geboten.
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Dem entspricht es, daß die verfassungsrechtliche Überprüfung nach der bisherigen Rechtsprechung über eine bloße Willkürkontrolle hinausgehen muß. So hat das Bundesverfassungsgericht Art. 103 Abs. 1 GG jedenfalls dann als verletzt angesehen, wenn die Rechtsanwendung offenkundig unrichtig war (BVerfGE 69, 145 [149]). Daneben sind aber auch Grundsätze rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung in die Prüfung einbezogen worden (darauf verweisen BVerfGE 55, 72 [93 f.] und 69, 126 [140] ausdrücklich). So ist eine Präklusion dann als ein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs beurteilt worden, wenn richterliches Fehlverhalten, namentlich eine unzulängliche Verfahrensleitung oder eine Verletzung der gerichtlichen Fürsorgepflicht, die Verzögerung mitverursacht hatte (BVerfGE 51, 188 [192]; 60, 1 [6]; Beschluß vom 14. April 1987 -- 1 BvR 162/84 --, Leitsatz 1 sowie Umdruck S. 10 f.). Als verfassungswidrig wurde auch die mißbräuchliche Anwendung einer Präklusionsvorschrift bewertet, wobei der Mißbrauch in der Zurückweisung trotz erkennbar unzureichender Terminsvorbereitung gesehen wurde (BVerfGE 69, 126 [139] im Anschluß an BGHZ 86, 31 [39]).
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Diese von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Gesichtspunkte führen hier aber noch nicht weiter. Eine Verletzung rechtsstaatlicher Verfahrenserfordernisse liegt in der Verwechslung der einschlägigen Präklusionsnorm nicht. Ebenso verbietet sich die Annahme einer offenkundigen Unrichtigkeit der Rechtsanwendung. Zwar ist dem Amtsgericht ein Rechtsfehler unterlaufen. Ihn zu erkennen setzt aber schon eine nähere Vertrautheit mit der Materie des Zivilprozeßrechts voraus. Augenfällig wird das bei einer Gegenüberstellung der zu der Verfassungsbeschwerde abgegebenen Stellungnahmen. Angesichts derart differierender Äußerungen rechtskundiger Stellen kann von einer Evidenz des Fehlers nicht gesprochen werden.
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Es bedarf daher einer Klärung der bisher nicht entschiedenen Frage, unter welchen allgemeinen Voraussetzungen eine rechtsfehlerhafte Präklusion grundgesetzwidrig ist. Auszugehen ist dabei von den in der Rechtsprechung entwickelten Grenzen verfassungsgerichtlicher Überprüfung fachgerichtlicher Entscheidungen. Danach ist es nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren über die Richtigkeit der Auslegung des einfachen Rechts durch die Gerichte zu befinden (BVerfGE 32, 319 [325 f.]). Es ist kein Revisionsgericht (BVerfGE 3, 213 [219]), sondern prüft nur, ob die Rechtsanwendung Verfassungsrecht verletzt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Entscheidung darauf beruht, daß das Gericht Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts verkannt hat (BVerfGE 19, 303 [310]; st.Rspr.). Verfassungsrecht ist also nicht schon dann verletzt, wenn eine Entscheidung am einfachen Recht gemessen objektiv fehlerhaft ist. Der Fehler muß gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten liegen (BVerfGE 18, 85 [92 f.]; st.Rspr.). Das muß grundsätzlich auch für die Überprüfung der Anwendung und Auslegung von Präklusionsvorschriften gelten; denn auch sie sind zunächst einfachrechtlicher Natur, und das Bundesverfassungsgericht ist -- unabhängig vom Prüfungsgegenstand -- auf den Prüfungsmaßstab des Verfassungsrechts beschränkt. Unterschiede hinsichtlich der Prüfungsintensität können sich nur daraus ergeben, daß die angewandten einfachrechtlichen Normen unterschiedliche Grundrechtsrelevanz haben. Je weiter diese in den Schutzbereich von Grundrechten eingreifen oder -- auf der anderen Seite -- den Schutzbereich von Grundrechten sichern, desto intensiver ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Normanwendung. Präklusionsvorschriften schränken die Möglichkeit zur Wahrnehmung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Prozeß ein und bewegen sich damit regelmäßig im grundrechtsrelevanten Bereich. Daraus folgt zwangsläufig, daß bei ihrer Anwendung die Schwelle der Grundrechtsverletzung eher erreicht werden kann, als dies üblicherweise bei der Anwendung einfachen Rechts der Fall ist. Geprüft werden muß hier ebenso wie bei der Anwendung jeder anderen Norm einfachen Rechts, ob die jeweilige Rechtsanwendung verfassungswidrig ist. Das bedeutet, daß die bisher offengelassene Frage, ob die fehlerhafte Anwendung einer einfachrechtlichen Präklusionsvorschrift stets eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG darstellt, nur dann bejaht werden könnte, wenn in diesem Fall immer der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs mißachtet wäre. Das wird bei den vielfältigen Möglichkeiten falscher Rechtsanwendung im Präklusionsrecht nicht ernsthaft vertreten werden können, will man nicht die Präklusionsvorschriften als äußerste verfassungsrechtliche Grenze für die Beschränkung des Rechts aus Art. 103 Abs. 1 GG betrachten und sie damit zuletzt selbst auf die Ebene des Verfassungsrechts erheben. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs kann auch bei der fehlerhaften Anwendung von Präklusionsvorschriften nur dann verletzt sein, wenn dadurch eine verfassungsrechtlich erforderliche Anhörung nicht stattgefunden hat.
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Geklärt werden muß also, ob Art. 103 Abs. 1 GG es zuläßt, eine Partei mit ihrem Vorbringen zwingend auszuschließen, die es schuldhaft unterlassen hat, innerhalb einer ihr gesetzten Frist vor einem Verkündungstermin vorzutragen, wenn die Berücksichtigung des Vortrages zu der Notwendigkeit der Anberaumung eines weiteren Termins führen würde.
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Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß Art. 103 Abs. 1 GG den Gesetzgeber nicht hindert, durch Präklusionsvorschriften auf eine Prozeßbeschleunigung hinzuwirken, sofern die betroffene Partei ausreichend Gelegenheit hatte, sich zu allen für sie wichtigen Punkten zur Sache zu äußern, dies aber aus von ihr zu vertretenden Gründen versäumt hat (BVerfGE 69, 145 [149] m.w.N.). Daran gemessen ist im vorliegenden Fall kein Grund für ein verfassungsgerichtliches Eingreifen erkennbar. Der Amtsrichter hatte eine klare Frist gesetzt. Die Beschwerdeführerin hatte hinreichend Gelegenheit zur Äußerung, sie ließ diese Gelegenheit schuldhaft ungenutzt verstreichen, und die Zurückweisung ihres Vorbringens diente der Verhinderung einer Verzögerung.
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Die Verwechslung der Präklusionsvorschriften durch den Amtsrichter stellt demnach keinen Verstoß gegen den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs dar.
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2. Ebensowenig verletzt die Anwendung des sogenannten absoluten Verzögerungsbegriffs Grundrechte der Beschwerdeführerin. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht bisher nur insoweit eindeutig Stellung bezogen, als es die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit der Präklusion im frühen ersten Termin nach § 296 Abs. 2 ZPO und die Ausfüllung der Begriffe "Verzögerung" und "grobe Nachlässigkeit" den Fachgerichten zugewiesen hat (BVerfGE 69, 126 [138]). Beanstandet hat es die Anwendung des absoluten Verzögerungsbegriffs allerdings dann, wenn es sich bei dem frühen ersten Termin um einen Durchlauftermin handelt, also eine zur Streitentscheidung geeignete Verfahrensvorbereitung erkennbar nicht getroffen wurde. Daraus ist geschlossen worden, daß eine konsequente Weiterführung dieser Rechtsprechung eine Ablehnung des absoluten Verzögerungsbegriffes insgesamt zur Folge haben müsse (Deubner, NJW 1985, S. 1140 [1142]; Waldner, ZZP 98, S. 448 [455]). Dieser Schluß ist nicht zwingend. Ein verfassungsrechtliches Verdikt sollte nach dem klaren Wortlaut der Entscheidung im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 86, 31 [39]) nur über die Fälle verhängt werden, in denen die Anwendung der Präklusionsvorschriften rechtsmißbräuchlich ist (BVerfGE 69, 126 [139]). Diesen Vorwurf des Rechtsmißbrauchs kann man gegen die Anwendung des absoluten Verzögerungsbegriffs nicht generell erheben, obwohl er zu einer schnelleren Beendigung des Prozesses als bei korrektem Alternativ-Verhalten der säumigen Partei und damit zu einer Überbeschleunigung führen kann. Dieses Ergebnis ist jedoch dann nicht untragbar und daher auch nicht unverhältnismäßig, wenn die Feststellung des mutmaßlichen Geschehensablaufs bei korrektem Alternativ-Verhalten mit Unsicherheiten belastet ist oder zumindest Schwierigkeiten aufwirft; auf die mit hypothetischen Erwägungen verbundenen Unsicherheiten weist auch der Bundesgerichtshof (BGHZ 86, 31 [37]) hin. Die Zulässigkeit einer Präklusion wird verfassungsrechtlich erst problematisch, wenn sich ohne weitere Erwägungen aufdrängt, daß dieselbe Verzögerung auch bei rechtzeitigem Vorbringen eingetreten wäre. Einerseits kann es nicht Sinn der der Beschleunigung dienenden Präklusionsvorschriften sein, das Gericht mit schwierigen Prognosen über hypothetische Kausalverläufe zu belasten und damit weitere Verzögerungen zu bewirken; diese Vorschriften dürfen aber andererseits auch nicht dazu benutzt werden, verspätetes Vorbringen auszuschließen, wenn ohne jeden Aufwand erkennbar ist, daß die Pflichtwidrigkeit -- die Verspätung allein -- nicht kausal für eine Verzögerung ist. In diesen Fällen ist die Präklusion rechtsmißbräuchlich, denn sie dient erkennbar nicht dem mit ihr verfolgten Zweck (diesem Ergebnis neigt offenbar auch der Bundesgerichtshof zu, BGHZ 86, 31 [39]). Da aber allein dieser Zweck, die Abwehr pflichtwidriger Verfahrensverzögerungen, die Einschränkung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs verfassungsrechtlich rechtfertigt, liegt in einem solchen Rechtsmißbrauch zugleich ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG.
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Zu einer solchen offenkundigen Zweckverfehlung führt die Anwendung des absoluten Verzögerungsbegriffs im Falle der Beschwerdeführerin nicht. Es ist keineswegs ohne weiteres erkennbar, daß ihre Pflichtwidrigkeit nicht kausal für eine eintretende Verzögerung gewesen wäre. Zwar wäre die vom Amtsgericht für notwendig erachtete Beweisaufnahme auch erforderlich geworden, wenn die Beschwerdeführerin ihre Stellungnahme fristgerecht abgegeben hätte. Ob dann dieselbe Verzögerung eingetreten wäre, kann jedoch nicht abgesehen werden. Wäre der Schriftsatz -- wie aufgegeben -- bis zum 17. April 1985 eingegangen, hätte das Amtsgericht möglicherweise den auf den 3. Mai 1985 anberaumten Verkündungstermin aufheben und noch auf denselben Tag oder unmittelbar danach oder vielleicht sogar für einen früheren Zeitpunkt einen Haupttermin anberaumen und die Parteien sowie die von ihnen benannten Zeugen zu diesem laden können. Daß eine solche Möglichkeit am 25. April 1985, also lediglich gut eine Woche vor dem festgesetzten Verkündungstermin, noch bestanden hätte, ist schon wegen der einzuhaltenden Ladungsfristen (§ 217 ZPO) unwahrscheinlich, zumindest aber ohne nähere Prüfung nicht feststellbar. Es liegt in der Natur der Sache, daß solche Dispositionen um so schwieriger werden, je kurzfristiger sie getroffen werden müssen. Es kann ferner nicht ausgeschlossen werden, daß auch und gerade im Hinblick darauf die vom Gericht gesetzte Frist bewußt so bemessen war, daß sie mehr als zwei Wochen vor dem anberaumten Verkündungstermin endete. Jedenfalls hätte das Amtsgericht zur Feststellung des hypothetischen Geschehensablaufs bei rechtzeitigem Vorbringen die dargelegten Erwägungen anstellen müssen. Der damit verbundene Aufwand, dessen Ergebnis zudem noch mit Unsicherheiten belastet wäre, wird verfassungsrechtlich nicht gefordert; er liefe der vom Gesetzgeber gewollten Beschleunigung zuwider. In einer solchen Situation kann das Gericht "nach freier Überzeugung" (§ 296 Abs. 1 und 2 ZPO) eine Verzögerung bejahen, ohne daß dagegen unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs etwas zu erinnern wäre. Diese durch den Gesetzgeber gestattete freie Überzeugungsbildung ermöglicht dem Gericht zugleich, bei der Anwendung der Präklusionsvorschriften den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren, das heißt, diese scharfe Waffe mit Vorsicht und dem rechtsstaatlich gebotenen Augenmaß zu handhaben (vgl. Leipold, ZZP 97, S. 395 [398]). Auch unter diesem Gesichtspunkt sind im vorliegenden Fall keine Umstände erkennbar, die ein verfassungsgerichtliches Eingreifen notwendig machen.
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3. Schließlich greift die unterbliebene Belehrung über die Folgen einer Fristversäumnis nicht in grundrechtlich geschützte Positionen der Beschwerdeführerin ein. Eine solche Belehrung ist bei einer anwaltlich vertretenen Partei verfassungsrechtlich nicht geboten. Von Rechtsanwälten kann und muß erwartet werden, daß sie sich über die Folgen der Nichteinhaltung einer richterlichen Frist im klaren sind. Eine verfassungsrechtliche Belehrungspflicht ihnen gegenüber würde die durch Art. 103 Abs. 1 GG oder durch rechtsstaatliche Verfahrensprinzipien geforderte Fürsorgepflicht des Gerichts überspannen.
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