BVerfGE 82, 6 - Analoge Rechtsanwendung
Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit analoger Rechtsanwendung.
 
Beschluß
des Ersten Senats vom 3. April 1990
-- 1 BvR 1186/89 --
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Firma X... -- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Ulrich Lorenz-Meyer, Dr. Jürgen Scheer, Dr. Wilhelm Kröger und Wolfgang Schwartz, Neuer Wall 69, Hamburg 36 -- gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11. August 1989 -- 11 S 398/87 --.
 
Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
 
Gründe:
 
A.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen ein Urteil, in dem der nichteheliche Lebenspartner der verstorbenen Mieterin als "anderer Familienangehöriger" im Sinne des § 569a Abs. 2 Satz 1 BGB angesehen worden ist.
I.
1. Durch den Tod des Mieters wird das Vertragsverhältnis mit dem Vermieter nicht beendet. Vielmehr tritt der Erbe des Mieters gemäß §§ 1922 Abs. 1, 1967 BGB in dessen Stellung ein. Mit Rücksicht auf den personalen Charakter des Rechtsverhältnisses räumt § 569 Abs. 1 BGB Vermieter und Erben ein außerordentliches befristetes Kündigungsrecht ein. Der Anwendungsbereich dieser Norm wird jedoch durch die Sondervorschriften der §§ 569a, 569b BGB eingeschränkt, wonach Ehegatten und andere Familienangehörige unter bestimmten Voraussetzungen unabhängig von ihrer Erbenstellung in das Mietverhältnis eintreten. Die hier allein interessierende Vorschrift lautet:
    § 569a BGB
    (1) In ein Mietverhältnis über Wohnraum, in dem der Mieter mit seinem Ehegatten den gemeinsamen Hausstand führt, tritt mit dem Tode des Mieters der Ehegatte ein. Erklärt der Ehegatte binnen eines Monats, nachdem er von dem Tode des Mieters Kenntnis erlangt hat, dem Vermieter gegenüber, daß er das Mietverhältnis nicht fortsetzen will, so gilt sein Eintritt in das Mietverhältnis als nicht erfolgt; § 206 gilt entsprechend.
    (2) Wird in dem Wohnraum ein gemeinsamer Hausstand mit einem oder mehreren anderen Familienangehörigen geführt, so treten diese mit dem Tode des Mieters in das Mietverhältnis ein. Das gleiche gilt, wenn der Mieter einen gemeinsamen Hausstand mit seinem Ehegatten und einem oder mehreren anderen Familienangehörigen geführt hat und der Ehegatte in das Mietverhältnis nicht eintritt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend; bei mehreren Familienangehörigen kann jeder die Erklärung für sich abgeben. Sind mehrere Familienangehörige in das Mietverhältnis eingetreten, so können sie die Rechte aus dem Mietverhältnis nur gemeinsam ausüben. Für die Verpflichtungen aus dem Mietverhältnis haften sie als Gesamtschuldner.
    (3) und (4) ...
    (5) Der Vermieter kann das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen, wenn in der Person des Ehegatten oder Familienangehörigen, der in das Mietverhältnis eingetreten ist, ein wichtiger Grund vorliegt; die Kündigung kann nur für den ersten Termin erfolgen, für den sie zulässig ist. § 556a ist entsprechend anzuwenden.
    (6) Treten in ein Mietverhältnis über Wohnraum der Ehegatte oder andere Familienangehörige nicht ein, so wird es mit dem Erben fortgesetzt. Sowohl der Erbe als der Vermieter sind berechtigt, das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen; die Kündigung kann nur für den ersten Termin erfolgen, für den sie zulässig ist.
    (7) Eine von den Absätzen 1, 2 oder 5 abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
2. Vorläuferbestimmung des § 569 a BGB war § 19 des Gesetzes über Mieterschutz und Mieteinigungsämter (MSchG). In seiner Ursprungsfassung vom 1. Juni 1923 (RGBl. I S.353) schloß er die Kündigung nach § 569 BGB (dem jetzigen § 569 Abs. 1 BGB) aus, wenn der Erbe der Ehegatte des Mieters oder ein volljähriger Verwandter bis zum zweiten Grade war und beim Tode zu dessen Hausstand gehört hatte (§ 19 Abs. 1 Satz 2 MSchG). Kündigte der Vermieter oder der Erbe nach § 569 BGB, traten diese Familienangehörigen in die Rechte und Pflichten des Mieters ein (§ 19 Abs. 2 Satz 1 MSchG). Nachfolgende Änderungen hoben die Einschränkungen auf, wonach nur volljährige Verwandte bis zum zweiten Grad in die Mieterstellung des Verstorbenen eintreten konnten (siehe insbesondere § 6 der Dritten Verordnung zur Ausführung der Verordnung über Kündigungsschutz für Miet- und Pachträume vom 5. September 1939, RGBl. I S. 1670; § 5 der Sechsten Verordnung zur Ausführung der Verordnung über Kündigungsschutz für Miet- und Pachträume vom 15. Dezember 1942, RGBl. I S. 709). § 19 MSchG bot damit sämtlichen mit dem Mieter verwandten und verschwägerten Personen ohne Rücksicht auf den Grad dieser Beziehung die Möglichkeit der Nachfolge.
§ 19 MSchG wurde schrittweise (Art. III Nr. 5 des Gesetzes über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Miet- und Wohnrecht vom 23. Juni 1960, BGBl. I S. 389) von den §§ 569a, 569b BGB abgelöst (Art. 1 Nr. 22, Art. IV § 1 und § 7 Abs. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom 14. Juli 1964, BGBl.I S. 457). Ziel dieses Gesetzes war es, das seinerzeit als Notrecht geschaffene Mieterschutzgesetz nicht ersatzlos wegfallen zu lassen und nicht zu rechtfertigenden Härten bei der Beendigung des Mietverhältnisses entgegenzuwirken (Zweiter Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zu BTDrucks. IV/2195, S. 1). Dazu gehöre namentlich die Übernahme des im Mieterschutzrecht entwickelten Gedankens, das Mietverhältnis beim Tode des Mieters mit den Familienangehörigen fortzusetzen, die zu seinem Hausstand gehört hätten (BTDrucks. IV/806, S. 7). Ob auch nichteheliche Partner als Familienangehörige anzusehen seien, wurde im parlamentarischen Verfahren -- soweit ersichtlich -- nicht ausdrücklich diskutiert.
II.
1. Die Beschwerdeführerin -- eine gemeinnützige Baugenossenschaft -- hatte Frau S. im Mai 1968 eine Zweizimmerwohnung vermietet. Frau S. starb am 5. Dezember 1986. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens hatte seinen Angaben zufolge bereits seit 1968 mit ihr in der Wohnung zusammengelebt. Die Beschwerdeführerin lehnte sein Verlangen, das Mietverhältnis mit ihm fortzusetzen, ab, weil noch genügend Genossen für derartige Wohnungen vorgemerkt seien. Nach verweigertem Auszug erhob sie Räumungsklage, die erstinstanzlich Erfolg hatte. Das Amtsgericht führte aus, selbst wenn man § 569 a Abs. 2 Satz 1 BGB analog auf nichteheliche Lebenspartner anwende, sei der Beklagte nicht in das Mietverhältnis eingetreten. Denn wegen des Altersunterschiedes -- Frau S. war mit 76 Jahren gestorben, der Beklagte zum Zeitpunkt ihres Todes 46 Jahre alt -- sei ihr Verhältnis kein eheähnliches gewesen.
Die Berufung des Beklagten hatte Erfolg. Das Landgericht nahm Bezug auf seinen Prozeßkostenhilfe-Beschluß vom 1. Februar 1988. Darin hatte es sich auf den Standpunkt gestellt, § 569 a Abs. 2 Satz 1 BGB sei auf nichteheliche Lebenspartner analog anzuwenden. Im Vordergrund der Vorschrift stehe das Ziel, zur Vermeidung unbilliger Härten demjenigen den bisherigen Lebensmittelpunkt zu erhalten, der mit dem Mieter in einem Haushalt gelebt habe. Die Einfügung des Tatbestandsmerkmals "Familienangehöriger" erkläre sich historisch daraus, daß nichteheliche Lebensgemeinschaften 1964 noch keinen sozial relevanten Tatbestand dargestellt hätten. Das habe sich seither jedoch gründlich geändert; auch der Gesetzgeber habe diesem Phänomen verschiedentlich Rechnung getragen. Dieses Tatbestandsmerkmal habe daher zurückzutreten. Die analoge Anwendung sei auch mit Art. 6 Abs. 1 GG und dem Gebot ausreichender Abgrenzung des Anwendungsbereichs des § 569 a BGB vereinbar.
Wegen der Einzelheiten wird auf die in WuM 1989, S. 304 f., abgedruckten Gründe verwiesen.
2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Landgericht habe bei der Anwendung des § 569 a Abs. 2 Satz 1 BGB nicht berücksichtigt, daß sie durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG vor einem Kontrahierungszwang geschützt sei. Es habe in Wahrheit das Recht unzulässig fortgebildet. Allein dem Gesetzgeber sei es vorbehalten, das Rechtsverhältnis zwischen Eigentümer und Mitbenutzer der Wohnung auszugestalten. Wenn er die vermeintlich erst in den letzten 15 Jahren an Bedeutung gewinnenden nichtehelichen Lebensgemeinschaften zwar auf anderen Gebieten, nicht jedoch im Mietrecht berücksichtigt habe, müßten die Gerichte dies hinnehmen. Diese Rechtsfortbildung sei auch nicht mit der Wertordnung des Grundgesetzes (Art. 6 Abs. 1 GG) zu vereinbaren.
III.
Namens des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg hat der Justizsenator Stellung genommen. Er hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, weil die Beschwerdeführerin die nunmehr behaupteten Verfassungsverletzungen vor dem Landgericht nicht in bestmöglicher Weise geltend gemacht habe. Sie sei auch unbegründet. Eine nichtehelichen Partnern ausdrücklich eingeräumte Nachfolgemöglichkeit würde zweifellos eine zulässige Sozialbindung der Vermieterrechte darstellen.
 
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Die von der Freien und Hansestadt Hamburg dagegen erhobenen Bedenken greifen nicht durch. Der Grundsatz der Subsidiarität gebietet zwar, im Ausgangsverfahren alle prozessualen Möglichkeiten auszuschöpfen, damit der Verfassungsverstoß beseitigt oder verhindert wird (vgl. BVerfGE 22, 287 [290 f.]). Der Beschwerdeführerin kann jedoch nicht der Vorwurf gemacht werden, dies unterlassen zu haben. Vor Erlaß des Prozeßkostenhilfe-Beschlusses hatte sie sich gegen eine analoge Anwendung des § 569 a Abs. 2 Satz 1 BGB im Kern mit denselben Gründen gewandt, die sie mit der Verfassungsbeschwerde geltend macht. Mehr war nicht erforderlich.
 
C.
Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Die angegriffene Entscheidung überschreitet nicht die Grenzen, welche der richterlichen Rechtsfortbildung durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gezogen sind (I.). Die durch sie auferlegten Beschränkungen verletzen auch nicht die Eigentumsgewährleistung (II.).
I.
1. a) Die Auslegung des einfachen Gesetzesrechts einschließlich der Wahl der hierbei anzuwendenden Methode ist Sache der Fachgerichte und vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht auf ihre Richtigkeit hin zu untersuchen (BVerfGE 18, 85 [92]). Bedient sich das Fachgericht dabei herkömmlicher Auslegungsmethoden, bestehen dagegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfGE 11, 126 [130]).
b) Auch die analoge Anwendung einfachgesetzlicher Vorschriften ist von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 25, 167 [183]). Verfassungsrechtliche Schranken ergeben sich allerdings aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG angeordneten Vorrang des Gesetzes, der hier in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG den Prüfungsmaßstab bildet (zum Zusammenhang des eingeschränkten speziellen Grundrechts aus Art. 20 Abs. 3 GG vgl. BVerfGE 69, 315 [369]). Er gewährleistet als Element des Rechtsstaatsprinzips zugleich das Maß an Rechtssicherheit, das im Interesse der Freiheitsrechte unerläßlich ist (vgl. BVerfGE 7, 89 [92]; 7, 194 [196]; 13, 261 [271]; 49, 304 [318]). Der Bürger muß sein Verhalten auf den Inhalt der Rechtsordnung einstellen und dementsprechend disponieren können. Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, darf der Richter diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen, die so im Parlament nicht erreichbar war (vgl. BVerfGE 69, 315 [372]; J. Ipsen, Richterrecht und Verfassung, 1975, S. 236).
Die tatsächliche oder rechtliche Entwicklung kann jedoch eine bis dahin eindeutige und vollständige Regelung lückenhaft, ergänzungsbedürftig und zugleich ergänzungsfähig werden lassen. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Lückensuche und -schließung findet ihre Rechtfertigung unter anderem darin, daß Gesetze einem Alterungsprozeß unterworfen sind. Sie stehen in einem Umfeld sozialer Verhältnisse und gesellschaftspolitischer Anschauungen, mit deren Wandel sich auch der Norminhalt ändern kann (vgl. BVerfGE 34, 269 [288]). In dem Maße, in dem sich aufgrund solcher Wandlungen Regelungslücken bilden, verliert das Gesetz seine Fähigkeit, für alle Fälle, auf die seine Regelung abzielt, eine gerechte Lösung bereit zu halten. Die Gerichte sind daher befugt und verpflichtet zu prüfen, was unter den veränderten Umständen "Recht" im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG ist.
c) Die Methode der Analogie wird diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht. Sie geht zwar über die Auslegung im engen Sinne hinaus, indem sie den Anwendungsbereich einer Norm auf einen Fall erstreckt, der von ihrem Wortlaut nicht erfaßt wird. Diese Rechtsfortbildung geschieht jedoch innerhalb des beschriebenen verfassungsrechtlichen Rahmens. Sie stellt nicht die Äußerung unzulässiger richterlicher Eigenmacht dar, durch die der erkennbare Wille des Gesetzgebers beiseite geschoben und durch eine autark getroffene richterliche Abwägung der Interessen ersetzt wird. Vielmehr wird aus den Wertungen des Gesetzes entnommen, ob eine Lücke besteht und in welcher Weise sie geschlossen werden soll.
2. a) Die fachgerichtliche Beurteilung, ob der Sachverhalt eine Analogie rechtfertigt, unterliegt nur in eingeschränktem Umfang der verfassungsgerichtlichen Kontrolle. Die Beantwortung der Frage, ob eine Gesetzeslücke oder eine abschließende Regelung vorliegt, erfordert im gleichen Maße eine rechtliche Wertung wie die Lösung des Problems, in welcher Weise die Lücke zu schließen ist (vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl., 1983, § 84 a. E.). Sie setzt eine Betrachtung des einfachen Gesetzesrechts voraus, zu dessen Erforschung das Bundesverfassungsgericht nicht berufen ist (vgl. BVerfGE 18, 85 [93]). Es darf daher die fachgerichtliche Wertung grundsätzlich nicht durch eine eigene ersetzen. Die Beantwortung der Frage, ob sich die tatsächlichen Verhältnisse seit Schaffung der Norm in einer deren analoge Anwendung rechtfertigenden Weise verändert haben, obliegt zunächst ebenfalls den Fachgerichten. Auch wenn sich bei der Rechtsfortbildung in verstärktem Maße das Problem des Umfangs richterlicher Gesetzesbindung stellt, ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle analoger Rechtsanwendung darauf beschränkt, ob das Fachgericht in vertretbarer Weise eine einfachgesetzliche Lücke angenommen und geschlossen hat und ob diese Erweiterung des Normenbereichs Wertungen der Verfassung, namentlich Grundrechten widerspricht.
b) Diesem Maßstab hält die angegriffene Entscheidung stand.
Das Bundesverfassungsgericht hat zwar bereits im Jahre 1958 (BVerfGE 9, 20 [32]) ausgeführt, "eheähnliche Gemeinschaften" stellten eine typische Erscheinung des sozialen Lebens dar. Dies schließt jedoch nicht notwendig die Annahme des Landgerichts aus, daß diese Gemeinschaften erst ausgangs der siebziger Jahre in einem Umfang zu einem sozialen Phänomen geworden sind, den der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 569 a BGB so nicht vorhergesehen hatte. Diese Feststellungen sind nicht ersichtlich ohne tatsächliche Grundlage.
Vertretbar ist auch die Auffassung des Landgerichts, dieser Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse müsse durch eine Ausweitung des Anwendungsbereiches von § 569 a Abs. 2 Satz 1 BGB Rechnung getragen werden. Sie kann sich unter anderem darauf berufen, daß eine im Jahre 1964 zwischen Mietparteien rechtsgeschäftlich getroffene Abrede, nach dem Tode des Mieters mit dessen überlebendem nichtehelichem Partner einen neuen Mietvertrag abzuschließen, seinerzeit von der Nichtigkeitsfolge des § 138 Abs. 1 BGB bedroht gewesen wäre (vgl. BGH, FamRZ 1964, S. 140 [142]; 1965, S. 368 [369]). Heute dürfte diese Rechtsfolge kaum in Betracht kommen. Gleiches gilt nunmehr für die Frage, ob nichteheliche Partner gemeinsam eine Wohnung anmieten können. Im Gegensatz zum Jahre 1964 (vgl. etwa noch LG Köln, ZMR 1974, S. 141 [142] einerseits, AG Mannheim, ZMR 1972, S. 193 andererseits) besteht heute weitgehende Einigkeit darüber, daß der Vermieter unter den Voraussetzungen des § 549 BGB (vgl. zu dessen Anwendung OLG Hamm, RES [Bd. II] § 549 BGB Nr. 1) verpflichtet ist, den ständigen Aufenthalt eines nichtehelichen Partners in der Mietwohnung zu dulden; das gilt jedenfalls dann, wenn dieser nicht in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Vertragsschluß einzieht (vgl. BGH, RES [Bd. IV] § 549 BGB Nr. 3, S. 47; vgl. auch BayObLG, RES [Bd. III] § 549 BGB Nr. 2, S. 39). Diese Duldungspflicht zu Lebzeiten des Mieters ist zwar nicht mit der Pflicht gleichzusetzen, nach dessen Tod das Mietverhältnis mit dem überlebenden nichtehelichen Partner fortzusetzen. Immerhin zeigt diese veränderte rechtliche Wertung jedoch zugleich einen Wandel in den gesellschaftlichen Auffassungen an, der die Schlußfolgerung des Landgerichts noch als vertretbar erscheinen läßt.
Eine zusätzliche Stütze erhält diese Rechtsfindung durch die Tatsache, daß der Gesetzgeber nichteheliche Lebensgemeinschaften in verschiedenen Regelungsbereichen ausdrücklich berücksichtigt hat (vgl. § 122 BSHG, § 137 Abs. 2 a AFG, § 18 WoGG). Ob dies -- wie das Landgericht (WuM 1989, S. 304 [305]) meint -- mit dem Ziel einer Gleichstellung der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit Ehegatten erfolgte, braucht dabei nicht entschieden zu werden. Hier reicht allein aus, daß der Gesetzgeber diese Erscheinungsform des Zusammenlebens nicht mehr unberücksichtigt läßt.
Die angegriffene Rechtsfindung ersetzt nicht in unzulässiger Weise eine Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers durch eine richterliche. Vielmehr hat dieser selbst für mehrere Fälle die Befugnis des Vermieters, seinen Vertragspartner privatautonom auszuwählen, zugunsten solcher Personen eingeschränkt, welche in der Wohnung mit dem verstorbenen Mieter einen gemeinsamen Hausstand hatten. Eine grundsätzlich neue richterliche Bestimmung der Vermieterbefugnise stellt die angegriffene Entscheidung also nicht dar.
3. Die Analogie verstößt schließlich nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Diese Grundrechtsnorm legt dem Gesetzgeber neben dem Verbot, die Ehe zu schädigen, zwar auf, Ehe und Familie vor Beeinträchtigungen zu schützen und durch geeignete Maßnahmen zu fördern (BVerfGE 6, 55 [76]). Daraus ist jedoch keine Pflicht zu entnehmen, nichtehelichen Gemeinschaften jedwede rechtliche Anerkennung zu versagen und mit allen Mitteln darauf hinzuwirken, daß ihnen die zu ihrer Führung erforderlichen finanziellen und sonstigen Mittel entzogen werden (vgl. BVerfGE 9, 20 [34 f.]; BVerwGE 15,306 [316]). Auch wenn der Gesetzgeber die eheliche Form des Zusammenlebens für die beste Lösung halten und eine ausdrückliche Regelung des im Ausgangsverfahren streitigen Problems an dieser Richtschnur orientieren dürfte, besteht damit andererseits keine aus Art. 6 Abs. 1 GG abzuleitende Verpflichtung, die Führung nichtehelicher Gemeinschaften durch Ausschluß von der Nachfolgemöglichkeit des § 569 a BGB zu erschweren.
II.
Die angegriffene Entscheidung verletzt auch nicht Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
1. Ist die vorgenommene Rechtsfortbildung von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, stellt sich im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nur noch die Frage, ob das Landgericht § 569 a Abs. 2 Satz 1 BGB durch Ausweitung seines Anwendungsbereiches einen Inhalt gegeben hat, den selbst der Gesetzgeber bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht ohne Verstoß gegen die Eigentumsgewährleistung hätte bestimmen dürfen (vgl. BVerfGE 79, 283 [290]). Diese Frage ist zu verneinen.
a) Das grundrechtlich geschützte Eigentum zeichnet sich zwar durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis aus (vgl. BVerfGE 52, 1 [30]). Dies schließt es aus, daß die grundrechtliche Freiheit des Eigentümers nach der erstmaligen Vermietung seines Objekts auf die Befugnis reduziert wird, aus dieser Nutzungsform finanziellen Ertrag zu ziehen. Der Eigentümer darf auch nicht verpflichtet werden, sämtliche Mitbewohner des jeweiligen Mieters als Nachfolger zu akzeptieren, ohne auf die Person des Vertragspartners noch in irgendeiner Weise Einfluß nehmen zu können (vgl. BVerfGE 79, 292 [304] unter Hinweis auf BVerfGE 52, 1 [36 f.]).
Andererseits ist jedoch zu beachten, daß der Eigentümer vermieteten Wohnraums in verstärktem Maße verpflichtet ist, auf die Belange derjenigen Mitbürger Rücksicht zu nehmen, die aus eigener finanzieller Kraft keinen Wohnraum für sich schaffen können und deshalb auf die Nutzung fremden Eigentums angewiesen sind (vgl. BVerfGE 37, 132 [140]; 38, 348 [370]). Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es nicht nur, die Eigentümerbefugnisse in dem Mietverhältnis zu beschränken, welches der Vermieter selbst vertraglich begründet hat. Er gibt vielmehr zugleich -- in den nachfolgend zu erörternden Grenzen -- eine verfassungsrechtlich zureichende Grundlage dafür ab, die freie Wahl des Vertragspartners teilweise einzuschränken.
b) Die Wohnung stellt den räumlichen Mittelpunkt des privaten, Lebensbereiches dar. Aus der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) folgt die Befugnis des Mieters, eine nichteheliche Lebensgemeinschaft zu begründen und aufrechtzuerhalten. Wegen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums dürfte der Gesetzgeber berücksichtigen, daß der Lebensgefährte des Mieters als Mitbenutzer der Wohnung, jedenfalls bei lang andauerndem Mitgebrauch, seinen eigenen Lebensmittelpunkt in diesen Räumen gefunden hat; er dürfte deshalb auch für den Fall des Todes des schuldrechtlich allein berechtigten Mieters einen Ausgleich schaffen. Fraglich könnte allerdings sein, ob es mit der Privatnützigkeit und grundsätzlichen Verfügungsbefugnis des Eigentümers zu vereinbaren wäre, jedem diese Nachfolgemöglichkeit einzuräumen, der nur kurze Zeit dort gewohnt hat. In jedem Falle müßte der Tatsache Rechnung getragen werden, daß in der Person des Dritten möglicherweise Gründe vorhanden sind, aufgrund derer dem Eigentümer die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
2. Bei Würdigung dieser widerstreitenden Interessen hätte der Gesetzgeber seine Regelungskompetenz (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht überschritten, wenn er in Fällen wie dem des Ausgangsverfahrens dem Lebenspartner eine Nachfolgemöglichkeit ausdrücklich eingeräumt hätte. Nach den mit der Verfassungsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts verband den Beklagten mit Frau S. eine achtzehnjährige Partnerschaft. Jedenfalls eine solche Dauer würde den Gesetzgeber berechtigen, den Vermieter durch Einschränkung der Kontrahierungsfreiheit zur Rücksichtnahme auf den Überlebenden zu verpflichten. Gesichtspunkten der Zumutbarkeit für den Vermieter könnte dabei im Rahmen des § 569 a Abs. 5 BGB Rechnung getragen werden.
 
D.
Mit diesem Beschluß ist über die zivilrechtlich "richtige" Auslegung des § 569 a Abs. 2 BGB nicht entschieden. Diese wird in dem dafür vorgesehenen Verfahren gemäß Art. III Abs. 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom 21. März 1967 (BGBl. I S. 1248) zu klären sein, das seit der Änderung durch das Gesetz vom 5. Juni 1980 (BGBl. I S. 657) auch für die Rechtsfragen gilt, welche den Bestand eines Mietvertragsverhältnisses über Wohnraum betreffen. Seine Einführung diente unter anderem dem Ziel, als Ersatz der in anderen Verfahrensarten jedenfalls grundsätzlich eröffneten dritten Gerichtsinstanz Fragen des Mietrechts ohne unangemessene Verzögerung und zugleich ohne das Prozeßkostenrisiko klären zu lassen, welches der unterlegenen Partei im Falle einer dritten Instanz droht (vgl. Voelskow, DB 1968, S. 160 [162]; Landfermann, WuM 1981, S. 217 [223]). Mit der Einführung der Pflicht zur Einholung eines Rechtsentscheids verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die Rechtsprechung zu dem für weite Bevölkerungskreise wichtigen Gebiet des Wohnraummietrechts zu vereinheitlichen und eine aus rechtsstaatlicher Sicht, insbesondere Gründen der Gleichheit vor dem Gesetz und der Rechtssicherheit, außerordentlich bedenkliche Rechtsunsicherheit zu verhindern (vgl. BTDrucks. 8/3357, S. 3). Es stellt daher eine nicht zu rechtfertigende Verkehrung des Gesetzeszweckes dar, wenn dieses beiden Mietvertragsparteien dienende Verfahren ausgespart wird und das Landgericht -- mit der Folge einer Anrufung des Bundesverfassungsgerichts -- mietrechtliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung selbst entscheidet.
Diese Gesichtspunkte können der Verfassungsbeschwerde jedoch nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Beschwerdeführerin nicht die Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gerügt hat (vgl. BVerfGE 76, 93 [96 f.]).
(gez.) Herzog Henschel Seidl Grimm Söllner Dieterich Kühling Seibert