BVerfGE 82, 126 - Kündigungsfristen für Arbeiter
§ 622 Abs. 2 BGB ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar, soweit hiernach die Kündigungsfristen für Arbeiter kürzer sind als für Angestellte.
 
Beschluß
des Ersten Senats vom 30. Mai 1990
-- 1 BvL 2/83, 9, 10/84, 3/85, 11, 12, 13/89, 4/90 und 1 BvR 764/86 --
in den Verfahren I. zur verfassungsrechtlichen Prüfung a) des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB ... ... II. über die Verfassungsbeschwerde des Herrn N... ...
Entscheidungsformel:
I. § 622 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 erster Halbsatz des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Fassung des Artikels 2 Nummer 4 des Gesetzes zur Änderung des Kündigungsrechtes und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften (Erstes Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz) vom 14. August 1969 (BGBl. I S. 1106) ist mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit hiernach die Kündigungsfristen für Arbeiter kürzer sind als für Angestellte.
II. Die Urteile des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 19. Februar 1986 (8 Sa 1024/85, 8 Sa 1025/85 und 8 Sa 1026/85) verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sachen werden an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das Land Hessen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
 
Gründe:
 
A.
In den Vorlageverfahren ist darüber zu entscheiden, ob § 622 Abs. 2 BGB mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. In dieser Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuches werden die Kündigungsfristen für Arbeiter festgesetzt, und zwar kürzer als für Angestellte. Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen arbeitsgerichtliche Urteile, in denen das Ende seines Arbeitsvertrages nach § 622 Abs. 2 BGB bestimmt worden ist.
I.
Das Gesetz bestimmt Kündigungsfristen, die vom Beginn des Arbeitsverhältnisses an gelten (im folgenden: Grundfristen). Darüber hinaus sieht es verlängerte Fristen vor, die ein bestimmtes Lebensalter und eine längere Betriebszugehörigkeit voraussetzen. Sowohl die Grundfristen als auch die verlängerten Fristen sind für Arbeiter und Angestellte verschieden. Die ursprünglich höhere Lebensaltersschwelle bei Arbeitern soll durch ein vom Bundestag bereits verabschiedetes Arbeitsgerichtsgesetz-Änderungsgesetz auf 25 Jahre herabgesetzt und damit der für Angestellte geltenden Regelung angeglichen werden. Die entsprechenden Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch und im Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten (AngKSchG) lauten
für Angestellte:
    "§ 622 Abs. 1 BGB
    Das Arbeitsverhältnis eines Angestellten kann unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. Eine kürzere Kündigungsfrist kann einzelvertraglich nur vereinbart werden, wenn sie einen Monat nicht unterschreitet und die Kündigung nur für den Schluß eines Kalendermonats zugelassen wird."
für Arbeiter:
    "§ 622 Abs. 2 Satz 1 BGB
    Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters kann unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Wochen gekündigt werden."
für Angestellte:
    "§ 2 Satz 1 bis 3 AngKSchG
    Ein Arbeitgeber, der in der Regel mehr als zwei Angestellte, aus-..."
für Arbeiter:
    "§ 622 Abs. 2 Satz 2 BGB
    Hat das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen..."
für Angestellte:
    "...schließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, beschäftigt, darf einem Angestellten, den er oder, im Falle einer Rechtsnachfolge, er und seine Rechtsvorgänger mindestens fünf Jahre beschäftigt haben, nur mit mindestens drei Monaten Frist für den Schluß eines Kalendervierteljahres kündigen. Die Kündigungsfrist erhöht sich nach einer Beschäftigungsdauer von acht Jahren auf vier Monate, nach einer Beschäftigungsdauer von zehn Jahren auf fünf onate, nach einer Beschäftigungsdauer von zwölf Jahren auf sechs Monate. Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Dienstjahre, die vor Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres liegen, nicht berücksichtigt."
für Arbeiter:
    "... fünf Jahre bestanden, so erhöht sich die Kündigungsfrist auf einen Monat zum Monatsende, hat es zehn Jahre bestanden, so erhöht sich die Kündigungsfrist auf zwei Monate zum Monatsende, hat es zwanzig Jahre bestanden, so erhöht sich die Kündigungsfrist auf drei Monate zum Ende eines Kalendervierteljahres; bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des fünfunddreißigsten Lebensjahres liegen, nicht berücksichtigt."
Durch Tarifvertrag können kürzere als die in § 622 BGB vorgesehenen Fristen bestimmt werden (§ 622 Abs. 3 Satz 1 BGB). Die Fristen des Angestelltenkündigungsschutzgesetzes sind hingegen nicht tarifdispositiv. Einzelvertraglich kann nur die Grundfrist des § 622 Abs. 1 Satz 1 BGB auf einen Monat zum Monatsende verkürzt werden.
II.
Die Entwicklung des Rechtsbegriffs der Angestellten und ihrer kündigungsrechtlichen Besserstellung reicht in das vorige Jahrhundert zurück. Die sechswöchige Kündigungsfrist zum Quartalsende war schon im Allgemeinen Handelsgesetzbuch von 1851 für Handlungsgehilfen vorgesehen. Sie wurde in das Handelsgesetzbuch von 1897 (RGBl. S. 219) übernommen und um die unabdingbare Monatsfrist zum Monatsende (heute § 622 Abs. 1 Satz 2 BGB) ergänzt. Betriebsbeamte, Werkmeister und Techniker wurden im Jahre 1900 durch eine Novelle zur Gewerbeordnung gleichgestellt (RGBl. S. 321). Das Bürgerliche Gesetzbuch übertrug diese Regelung auf die "mit festen Bezügen zur Leistung von Diensten höherer Art Angestellten, insbesondere Lehrer, Erzieher, Privatbeamte, Gesellschafterinnen". Mit dem Angestelltenkündigungsschutzgesetz von 1926 (RGBl. I S. 399, ber. S. 412) wurden die nach der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gestaffelten verlängerten Kündigungsfristen eingeführt. Die Grundfrist wurde durch das Erste Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz von 1969 (BGBl. I S. 1106) für alle Angestellten zusammenfassend geregelt. Das Bürgerliche Gesetzbuch knüpft an den Angestelltenbegriff des Angestelltenversicherungsgesetzes an (§ 616 Abs. 2 BGB).
Auch die Zweiwochenfrist für Arbeiter hat eine lange Tradition. Bereits das Allgemeine Preußische Berggesetz von 1865 (PrGS. S. 705) sah für Bergleute eine - dispositive - vierzehntägige Kündigungsfrist vor. Dieselbe Frist galt nach §§ 134, 122 der Gewerbeordnung für Fabrikarbeiter, Gesellen und Gehilfen. Das Bürgerliche Gesetzbuch ließ ursprünglich für Wochenlohnempfänger eine Kündigung nur vom ersten Werktag der Kalenderwoche zum Wochenende zu (§ 621 Abs. 2). Die heutige Regelung wurde mit dem Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz von 1969 eingeführt. Allerdings sollte der weitergehende Schutz bei längerer Betriebszugehörigkeit erst nach Vollendung des 35. Lebensjahres einsetzen (§ 622 Abs. 2 Satz 2 2.Halbsatz). Diese Regelung ist vom Bundesverfassungsgericht durch Beschluß vom 16. November 1982 (BVerfGE 62, 256) für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden und soll inzwischen - wie bereits erwähnt - geändert werden. Die Lebensaltersgrenze soll dann auch für Arbeiter 25 Jahre betragen.
III.
Bei den Ausgangsverfahren der Richtervorlagen handelt es sich um Kündigungsschutzprozesse. Die Arbeitsgerichte haben die Kläger als Arbeiter eingestuft und die Kündigungen dem Grunde nach für wirksam erachtet. Sie sehen sich an einer abschließenden Entscheidung über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehindert, weil sie § 622 Abs. 2 BGB für verfassungswidrig halten. Die Vorschrift verstoße angesichts der günstigeren Regelung für Angestellte gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen arbeitsgerichtliche Urteile, die auf § 622 Abs. 2 BGB gestützt sind. Der Beschwerdeführer rügt einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil der Arbeitsvertrag eines Angestellten bei gleicher Beschäftigungsdauer erst zu einem späteren Zeitpunkt geendet hätte.
1. Das Normenkontrollverfahren 1 BvL 2/83
a) Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist Tischlergeselle. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31. August 1981, weil der Kläger wegen des Rückgangs von Aufträgen nicht mehr benötigt werde. Die Kündigungsschutzklage blieb erfolglos. In der Berufungsinstanz verfolgt der Kläger nur noch das Ziel, festzustellen, daß sein Arbeitsvertrag nicht bereits zum 31. August 1981, sondern erst zum 30. September 1981 geendet habe. Er meint, er sei Angestellter und nicht Arbeiter. Deswegen hätte sein Arbeitsverhältnis nur mit sechswöchiger Frist zum Quartalsende gekündigt werden können (§ 622 Abs. 1 BGB).
b) Das Landesarbeitsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG insoweit verfassungswidrig ist, als dort für Arbeiter kürzere Kündigungsfristen bestimmt werden als gemäß § 622 Abs. 1 BGB für Angestellte.
Es geht davon aus, daß der Kläger Arbeiter sei. Bei Anwendung des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB müsse die Berufung zurückgewiesen werden. Diese Bestimmung verstoße aber im Hinblick auf die günstigere Regelung für Angestellte in § 622 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen Art. 3 Abs. 1 GG und könne deswegen nicht angewendet werden.
An der Entscheidungserheblichkeit der genannten Bestimmungen ändere auch der hier maßgebliche allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag vom 27. Februar 1981 für alle Beschäftigten in den Betrieben des Einzelhandels im Lande Niedersachsen nichts. Soweit § 2 dieses Tarifvertrages unterschiedliche Kündigungsfristen für Angestellte und Arbeiter vorsehe, sei er ebenfalls wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG unwirksam. Auch die Tarifvertragsparteien seien an die Grundrechte gebunden. Die Unwirksamkeit führe zur Anwendung der den Lebenssachverhalt regelnden gesetzlichen Bestimmungen.
Die unterschiedlichen Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte ließen sich nur historisch erklären, seien aber unter den heutigen sozialen und ökonomischen Verhältnissen nicht mehr gerechtfertigt. Die sachliche Rechtfertigung einer Differenzierung sei am Zweck der Norm zu messen. Kündigungsfristen dienten primär dem Schutz des Arbeitnehmers, daneben aber auch dem Schutz des Arbeitgebers. Daran gemessen verbiete sich eine Differenzierung nach der Art der Tätigkeit.
Die Unterscheidungsmerkmale zwischen Arbeitern und Angestellten seien immer fragwürdiger und widersprüchlicher geworden. Sie spiegelten die heutige gesellschaftliche Arbeitsteilung nicht wider. Mit zunehmender Industrialisierung der Büro- und Verwaltungsarbeit vergrößere sich im Angestelltenbereich der Anteil monoton-mechanischer Arbeiten, während das Qualifikationsniveau der Facharbeiterschaft durch den technischen Wandel in der Produktion ständig steige. Die Unterscheidung zwischen beiden Gruppen von Arbeitnehmern lasse sich auch nicht mit einem abweichenden Qualifikationsniveau begründen. In Tarifverträgen werde häufig als Merkmal der untersten Gruppe der Angestellten eine einfache, schematische und mechanische Tätigkeit aufgeführt, die keine Berufsausbildung erfordere. Demgegenüber werde für die höchste Gruppe der Arbeiter hochwertige Facharbeit verlangt, die überragendes Können, völlige Selbständigkeit, Dispositionsvermögen, umfassendes Verantwortungsbewußtsein sowie entsprechende theoretische Kenntnisse voraussetze. Rund 200 Tarifverträge verzichteten ganz auf eine Unterscheidung von Angestellten und Arbeitern. Nach dem Schweizer Obligationenrecht richte sich die Länge der Kündigungsfristen allein nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses. Die Sachverständigenkommission zur Schaffung eines Arbeitsgesetzbuches halte die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten ebenfalls nicht mehr aufrecht.
Der Sinn des Gesetzes, sein Schutzzweck, werde durch die kürzeren Kündigungsfristen für Arbeiter verfehlt. Arbeiter würden weit eher von einer Kündigung betroffen als Angestellte. Nach einer im Auftrage des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung durchgeführten Untersuchung betrage der Anteil der Angestellten bei ordentlichen Kündigungen 23,5 vom Hundert bei einem Belegschaftsanteil von 43,8 vom Hundert. Der Anteil der Arbeiter an ordentlichen Kündigungen betrage 76,5 vom Hundert, ihr Belegschaftsanteil 56,2 vom Hundert. Die seit etwa 1974 zu verzeichnende strukturelle Arbeitslosigkeit wirke sich am stärksten in der Arbeiterschaft aus.
Die kurzen Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB träfen darüber hinaus weibliche Arbeitnehmer in besonderem Maße. Die erwerbstätigen Frauen seien in der Mehrzahl Arbeiterinnen, und ihnen werde zudem überproportional oft gekündigt. Auch dies ergebe sich aus der bereits erwähnten Auftragsstudie über die Kündigungspraxis in der Bundesrepublik Deutschland.
2. Die Normenkontrollverfahren 1 BvL 9 und 10/84
a) Beklagter der Ausgangsverfahren ist der Konkursverwalter des im Januar 1984 eröffneten Konkursverfahrens über das Vermögen einer Möbelfabrik. Die Kläger der Ausgangsverfahren waren Arbeiter bei der Gemeinschuldnerin. Ihnen sowie sämtlichen gewerblichen Arbeitnehmern ohne Sonderkündigungsschutz wurde unter Berufung auf die wirtschaftlich aussichtslose Lage der Gemeinschuldnerin zum 31. März 1984 gekündigt.
b) Das Arbeitsgericht hat die Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und hierzu ausgeführt: Die Kündigungen seien durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und deswegen sozial gerechtfertigt. Nach § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB wäre die von der Gemeinschuldnerin gewählte Kündigungsfrist bis 31. März 1984 ausreichend bemessen. Demgegenüber würden die Kündigungen bei einer Fristberechnung nach § 2 Abs. 1 AngKSchG erst zum 30. Juni 1984 wirken. Diese Schlechterstellung der Arbeiter gegenüber den Angestellten sei mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Zur Begründung dieser Auffassung werden im wesentlichen dieselben Gründe aufgeführt wie im Vorlagebeschluß zu 1 BvL 2/83.
3. Das Normenkontrollverfahren 1 BvL 3/85
a) Der am 20. Mai 1939 geborene Kläger des Ausgangsverfahrens war seit dem 1. April 1968 bei der Beklagten des Ausgangsverfahrens als Lagerarbeiter beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis wurde zum 29. Februar 1984 wegen Betriebsaufgabe gekündigt. Er nahm die Kündigung dem Grunde nach hin, verlangte jedoch eine Berechnung der Kündigungsfrist auf der Grundlage von § 2 AngKSchG.
b) Das Arbeitsgericht hat das Kündigungsschutzverfahren ausgesetzt. Es ist der Auffassung, nach § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB sei die Kündigung zum 29. Februar 1984 fristgemäß. Einem vergleichbaren Angestellten hätte jedoch gemäß § 2 Abs. 1 AngKSchG erst zum 30. Juni 1984 gekündigt werden dürfen. Diese Ungleichbehandlung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die verlängerten Kündigungsfristen für länger beschäftigte und damit notwendigerweise ältere Arbeiter und Angestellte bezweckten, diesem Personenkreis in etwa die gleiche Chance zu geben wie einem jüngeren Arbeitnehmer, sich nach einem neuen Arbeitsplatz umzusehen und sein zukünftiges Leben darauf einzurichten. Es sei nicht erkennbar, warum Arbeitnehmer, die überwiegend geistige Tätigkeiten verrichteten, in diesem Zusammenhang schutzwürdiger sein sollten als Arbeitnehmer, die überwiegend körperlich-motorische Arbeit verrichteten. Die Art der Tätigkeit stehe in keinem inneren Zusammenhang mit den unterschiedlich langen Kündigungsfristen. Gründe, die die Ungleichbehandlung zwischen Arbeitern und Angestellten hinsichtlich der Kündigungsfristen rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich.
4. Die Normenkontrollverfahren 1 BvL 11 bis 13/89
a) Die Kläger der Ausgangsverfahren arbeiteten als Schlosser und Schichtmeister im Torfkokswerk der Beklagten. Diese kündigte ihnen zum 31. Oktober 1988.
b) Das Arbeitsgericht ist der Auffassung, die Kündigungen seien gemäß § 1 Abs. 2 KSchG aus dringenden betrieblichen Erfordernissen sozial gerechtfertigt. Die Beklagte habe die Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz BGB eingehalten. Der Hauptantrag der Kläger wäre deshalb in vollem Umfang abzuweisen, wenn diese gesetzliche Bestimmung gültig wäre. Sie sei jedoch mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, weil sie Arbeiter im Vergleich zu Angestellten ungerechtfertigt benachteilige. Die historisch gewachsene Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern allein könne die Verfassungsmäßigkeit differenzierender gesetzlicher Vorschriften nicht begründen. Sonstige Gründe, welche die unterschiedlichen Fristen rechtfertigen könnten, gebe es nicht. Arbeiter verdienten nach einer Beschäftigungsdauer von zwölf Jahren keinen geringeren Schutz als Angestellte.
5. Das Normenkontrollverfahren 1 BvL 4/90
a) Die Klägerin des Ausgangsverfahrens arbeitete im Damenbekleidungsgeschäft der Beklagten als Änderungsschneiderin. Die Beklagte kündigte der zu diesem Zeitpunkt über 15 Jahre in ihrem Betrieb beschäftigten Klägerin zum 31. März 1989. § 16 Nr. 6 des auf das Beschäftigungsverhältnis der Parteien anwendbaren allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrages für den Hamburger Einzelhandel vom 26. April 1985 sieht für gewerbliche Arbeitnehmer nach zehnjähriger Betriebszugehörigkeit eine Kündigungsfrist von acht Wochen auf den Schluß des Kalendervierteljahres vor. Demgegenüber gelten nach Nr. 1 und 4 der genannten Vorschrift für die Kündigung der Angestellten die Bestimmungen der §§ 622 und 626 BGB sowie des Angestelltenkündigungsschutzgesetzes.
b) Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil die Wirksamkeit der Kündigung wegen dringender betrieblicher Bedürfnisse bejaht. Die nach dem Manteltarifvertrag geltende Kündigungsfrist sei eingehalten. Die Bestimmungen des Manteltarifvertrages seien jedoch, soweit sie gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte bei der Kündigungsfrist ungleich behandelten, mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und damit gemäß § 134 BGB nichtig.
Tarifverträge seien Gesetze im materiellen Sinn. Sie setzten objektives Recht für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen. Die Normsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien sei über das Tarifvertragsgesetz (TVG) auf staatliche Gewalt zurückzuführen. Deshalb seien die Tarifvertragsparteien unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Denn auch der Gesetzgeber könne keine weitergehenden Befugnisse übertragen, als ihm selber zustünden.
Die durch die Nichtigkeit des Manteltarifvertrages entstehende unbewußte Regelungslücke könne nicht durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden, da keine Anhaltspunkte dafür erkennbar seien, wie die Tarifvertragsparteien eine Gleichbehandlung der Arbeiter und der Angestellten hinsichtlich der Kündigungsfristen hergestellt hätten.
Mangels einer wirksamen tarifvertraglichen Regelung sei an sich § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB anzuwenden. Diese Bestimmung sei jedoch verfassungswidrig. Es sei mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren, daß der Klägerin zum 31. März 1989 gekündigt werden könne, während eine vergleichbare Angestellte gemäß § 2 Abs. 1 AngKSchG eine Kündigungsfrist zum 30. September 1989 gehabt hätte.
6. Die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 764/86
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Abweisung einer Kündigungsschutzklage und zweier Zahlungsklagen.
a) Der am 15. Oktober 1929 geborene Beschwerdeführer arbeitete im Elektrogeschäft des Beklagten der Ausgangsverfahren. Dieser kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31. März 1985 wegen Geschäftsaufgabe. Der Beschwerdeführer erhob Kündigungsschutzklage mit dem Antrag, festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis erst zum 30. Juni 1985 aufgelöst werde. Darüber hinaus verlangte er mit zwei weiteren Klagen die Vergütung für die Monate April und Mai 1985.
b) Seine Klagen waren in zweiter Instanz erfolglos. Das Landesarbeitsgericht stufte den Beschwerdeführer als Arbeiter ein und stellte fest, das Arbeitsverhältnis habe gemäß § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem 31. März 1985 geendet. Die weitergehenden Klagen seien abzuweisen.
c) Mit der am 8. Juli 1986 eingegangenen Verfassungsbeschwerde greift der Beschwerdeführer alle drei Berufungsurteile an. Er rügt die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip. Zur Begründung bezieht er sich insbesondere auf die Vorlage im Verfahren 1 BvL 2/83. Auch das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluß vom 16. November 1982 (BVerfGE 62, 256 ff.) für eine Reihe von Unterscheidungsmerkmalen zwischen Arbeitern und Angestellten dargelegt, daß sie unterschiedliche Kündigungsfristen nicht zu rechtfertigen vermöchten.
IV.
Zu den Verfahren haben sich geäußert: der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung namens der Bundesregierung, der Präsident des Bundesarbeitsgerichts, die Beklagte des Ausgangsverfahrens der Vorlage 1 BvL 2/83, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Bundesverband der Deutschen Industrie, die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund.
1. Der Bundesminister vertritt die Auffassung, die Begründungselemente des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 16. November 1982 (BVerfGE 62, 256) stimmen in wesentlichen Teilen mit der Begründung der Vorlagebeschlüsse überein. Die Bundesregierung sei gemäß § 31 BVerfGG an die tragenden Gründe dieser verfassungsgerichtlichen Entscheidung gebunden. Eine Vereinheitlichung der Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte begegne aber erheblichen Schwierigkeiten. Einer Verlängerung der Kündigungsfrist für Arbeiter würden die Arbeitgeber die damit verbundenen wirtschaftlichen Belastungen entgegenhalten. Die Angestellten und ihre Verbände würden sich mit allem Nachdruck gegen jede Verschlechterung der Kündigungsfristen zur Wehr setzen. Sie könnten dabei darauf verweisen, daß diese Fristen zum erheblichen Teil bereits im vorigen Jahrhundert eingeführt worden seien. Eine Verkürzung sei vor allem in der heutigen Zeit mit ihrer hohen Arbeitslosigkeit ein unzumutbarer sozialer Rückschritt.
Der Gesetzgeber müsse gegebenenfalls den Gesamtkomplex der Kündigungsfristen - einschließlich der Fälle längerer Betriebszugehörigkeit - regeln. Dies würde einen größeren Zeitraum erfordern. Dem möge das Bundesverfassungsgericht durch eine ausreichend lange Frist Rechnung tragen. Ähnlich wie in der vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 16. November 1982 angetroffenen Lage könne sich auch hier eine stufenweise Angleichung der Kündigungsfristen als sinnvoll erweisen, um die Schwierigkeiten einer Neuregelung zu vermindern.
2. Der Präsident des Bundesarbeitsgerichts hält ebenfalls die tragenden Gründe des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 16. November 1982 für einschlägig. Zur Verfassungswidrigkeit von § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB würden unter den Berufsrichtern unterschiedliche Auffassungen vertreten. Einerseits werde darauf verwiesen, daß nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts bei länger beschäftigten und damit in der Regel älteren Arbeitern die Bindung an den Betrieb und die Schutzbedürftigkeit nicht geringer seien als bei Angestellten. Andererseits werde die Förderung der Mobilität der Arbeiter weiterhin als ein Gesichtspunkt angesehen, der kürzere Kündigungsfristen für Arbeiter rechtfertigen könne. Dafür spreche auch die Erwägung des Bundesverfassungsgerichts, die längeren Kündigungsfristen bei Langzeitbeschäftigten sollten dazu beitragen, daß diesen in der Regel älteren Arbeitnehmern nicht oder doch nur in zweiter Linie gekündigt werde. Dieses Anliegen werde innerhalb der Gruppe der Arbeiter bei Kündigungen auch dann noch verwirklicht, wenn der Arbeitgeber gegenüber älteren Arbeitern längere Fristen einzuhalten habe als gegenüber Arbeitern mit kürzerer Betriebszugehörigkeit.
Für den Fall der Verfassungswidrigkeit von § 622 Abs. 2 BGB bittet das Bundesarbeitsgericht um Klarstellung, wie die Arbeitsgerichte zu verfahren hätten. Zweifelhaft sei vor allem, ob Verfahren ausgesetzt werden müßten, bis der Gesetzgeber eine neue Regelung getroffen habe.
3. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens 1 BvL 2/83 trägt vor: Die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten habe auch heute noch nicht an Relevanz verloren. Die Tatsache, daß sich das Qualifikationsniveau von Arbeitern und Angestellten in Teilbereichen angeglichen habe, führe noch nicht zu einer homogenen Gruppe der abhängig Beschäftigten. Unter betrieblichen und unternehmerischen Gesichtspunkten sei eine Vereinheitlichung der gesamten Arbeitnehmerschaft auch nicht wünschenswert. Die Notwendigkeit einer betrieblichen Gliederung und Stufenordnung innerhalb der Belegschaft liege im Wesen einer Leistungsgesellschaft begründet. Arbeitnehmer, die leitende oder sonst gehobene Tätigkeit verrichteten und an die spezielle Anforderungen in bezug auf Vorbildung, Kenntnisse und Verantwortungsbewußtsein gestellt würden, sollten sich als besondere Gruppe aus der Masse der Beschäftigten hervorheben und in den Genuß besserer Arbeitsbedingungen kommen. Durch die Aufrechterhaltung einer betrieblichen Leistungspyramide, innerhalb derer mit dem Erreichen der höheren Stufe Belohnungen in Form von besseren Arbeitsbedingungen verbunden seien, würden die Aufstiegsorientiertheit gefördert und damit ein Leistungsanreiz geschaffen.
Die bestehenden Unterschiede zwischen den Gruppen der Arbeiter und der Angestellten rechtfertigten die unterschiedlichen Kündigungsfristen. Angestellte fänden nicht so schnell eine neue Arbeitsstelle wie Arbeiter. Im manuellen Tätigkeitsbereich, insbesondere unter ungelernten Arbeitern, sei ein Stellungswechsel leichter und auch üblicher als bei geistiger Arbeit. Die Bindung an den Betrieb sei bei ungelernten und angelernten Arbeitern in der Regel wesentlich geringer als bei den Angestellten. Die kürzeren Kündigungsfristen für Arbeiter fänden ihre Rechtfertigung in deren eigenem Verhalten, während die längeren Fristen für Angestellte deren stärkerer beruflicher Stetigkeit Rechnung trügen. Die kürzeren Kündigungsfristen seien bei Arbeitern gerade deshalb angebracht, weil auf dem für sie maßgeblichen Sektor des Arbeitsmarktes die größere Fluktuation herrsche. Zu Unrecht folgere deshalb das vorlegende Gericht aus der häufigeren Betroffenheit der Arbeiter von Kündigungen, daß sie stärker dagegen geschützt werden müßten.
§ 622 Abs. 1 und Abs. 2 BGB könnten tarifvertraglich abbedungen werden. Damit stehe den Sozialpartnern eine abweichende Regelungsmöglichkeit offen.
4. Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft hält § 622 Abs. 2 BGB für verfassungsgemäß.
Es gebe zahlreiche gesetzliche, tarifvertragliche und sonstige Differenzierungen zwischen Arbeitern und Angestellten. Folgte man der Auffassung der vorlegenden Gerichte und des Beschwerdeführers, dann wären alle diese Rechtsnormen verfassungswidrig, was ernsthaft nicht vertreten werden könne. Die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten beruhe auf einer geschichtlich gewachsenen Entwicklung, die auch heute noch von den Arbeitnehmergruppen überwiegend akzeptiert werde. Angestellte und Arbeiter verhielten sich in einer Fülle von Einzelfragen unterschiedlich. Die Unterscheidung zwischen ihnen sei historisch gesichert und könne auch heute nicht ernsthaft in Frage gestellt werden.
Die unterschiedlichen Kündigungsfristen seien aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Ein Arbeitsplatzwechsel sei beim Angestellten in der Regel mit größeren Schwierigkeiten verbunden als beim gewerblichen Arbeitnehmer. Je qualifizierter eine Tätigkeit sei, desto länger dauere es, einen neuen Arbeitsvertrag zu schließen. Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit sei bei Angestellten erheblich höher als bei Arbeitern. Angestellte mit einfacher Tätigkeit seien im Durchschnitt 19,5 Wochen, bei gehobener Tätigkeit 18,6 Wochen arbeitslos. Demgegenüber betrage die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit von Nichtfacharbeitern 14,7, von Facharbeitern 12,4 Wochen.
Die vom Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluß vom 16. November 1982 (BVerfGE 62, 256 ff.) entschiedene Frage dürfe mit der vorliegenden Problematik nicht gleichgestellt werden. Das Gericht habe seine Erwägungen mehrfach selbst als nicht vorgreiflich für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit verschiedener Kündigungsfristen bezeichnet. So lasse es ausdrücklich dahinstehen, ob die Unterscheidung von geistiger und manueller Arbeit nicht doch die verschieden langen Kündigungsfristen rechtfertige. An anderer Stelle werde darauf hingewiesen, daß der Gesichtspunkt unterschiedlich langer Arbeitslosigkeitszeiten sich "allenfalls auf die Länge der Kündigungsfristen selbst" auswirken, also insoweit durchaus ein taugliches Unterscheidungsmerkmal sein könne.
5. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Bundesverband der Deutschen Industrie machen geltend:
Ein Differenzierungsverbot widerspräche der ökonomischen und sozialen Realität. Angestellte seien auch heute noch vorwiegend geistig, Arbeiter vorwiegend manuell tätig. Überlappungen seien Ausnahmen geblieben. Die historisch gewachsene Unterscheidung der beiden Gruppen sei als gesellschaftliche Wertung tief im Allgemeinbewußtsein verwurzelt.
Die längere Kündigungsfrist für Angestellte sei wegen der erhöhten Schutzbedürftigkeit dieser Gruppe sachlich gerechtfertigt. Ihre Tätigkeit erfordere in der Regel eine intensivere Schul- und Berufsausbildung. Die höhere Qualifikation erschwere die Suche nach einer adäquaten Beschäftigung. Je qualifizierter eine Tätigkeit sei, desto länger dauere es, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Daher bedürfe der Angestellte im Vergleich zum gewerblichen Arbeitnehmer eines verstärkten Schutzes durch längere Kündigungsfristen. Außerdem trete der Angestellte regelmäßig später in das Erwerbsleben ein als der Arbeiter. Auch im Hinblick auf seine damit insgesamt kürzere Gesamterwerbszeit sei der verbesserte Schutz durch die längeren Kündigungsfristen gerechtfertigt.
Ein weiterer sachlicher Grund für die unterschiedlich langen Kündigungsfristen ergebe sich aus einem spezifischen Interesse der Arbeitgeber. Bei den Angestellten erschwere die höhere und speziellere Qualifikation die Suche nach geeigneten Nachfolgern. Durch die längere Kündigungsfrist werde der Arbeitgeber in die Lage versetzt, sich frühzeitig darum zu bemühen und neue Mitarbeiter einzuarbeiten.
Gegenüber Arbeitern müsse dem Arbeitgeber die Möglichkeit erhalten bleiben, Umgruppierungen in eine niedrigere Lohngruppe kurzfristig zu realisieren. Derartige Umgruppierungen würden nicht selten für einen begrenzten Zeitraum vorgenommen. Eine in guten Zeiten aus Arbeitsmarktgründen vorgenommene Eingruppierung in höhere Lohngruppen müsse bei schlechter wirtschaftlicher Lage möglichst schnell korrigiert werden können. So könnten Arbeitsplätze erhalten werden. Eine Gleichstellung der Kündigungsfristen durch Anhebung der für Arbeiter geltenden Vorschriften laufe den Flexibilisierungsbemühungen des Gesetzgebers zuwider.
In der derzeitigen wirtschaftlichen Lage wären bei einer Angleichung der Kündigungsfristen weitere wirtschaftliche und soziale Gefährdungen unausweichlich. Konjunkturschwankungen wirkten sich in der Produktion stärker aus als in der Verwaltung. Längere Kündigungsfristen der vorwiegend in der Produktion tätigen Arbeiter würden oft kurzfristig notwendig werdende Anpassungen verhindern. Dies könne vor allem bei kleineren Unternehmen zu ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten bis hin zur Existenzgefährdung führen. Aber auch größere Betriebe müßten auf Auftragsspitzen und Konjunkturschwankungen flexibel reagieren können. Eine Verlängerung der Kündigungsfristen für gewerbliche Arbeitnehmer könne möglicherweise zu einer weiteren Verteuerung der ohnehin überfrachteten Sozialpläne und damit zu höherer Kostenbelastung und in der Folge zu einer Verschärfung der Arbeitslosigkeit führen.
Die unmittelbar betroffenen Kreise seien von der Notwendigkeit kürzerer Kündigungsfristen für Arbeiter überzeugt. Es gebe nur vereinzelt Tarifverträge, in denen Kündigungsfristen für Arbeiter teilweise denen für Angestellte angeglichen seien. Auch dann unterlägen Arbeiter jedenfalls in den ersten fünf Jahren ihrer Betriebszugehörigkeit oft wesentlich kürzeren Fristen als Angestellte. In zahlreichen Tarifverträgen werde zudem die gesetzliche Kündigungsfrist für Arbeiter sogar noch verkürzt.
Die längeren Kündigungsfristen der Angestellten entsprächen auch der größeren Verantwortung, die diese Gruppe von Arbeitnehmern durchweg zu tragen habe. Sie besäßen daher das besondere Vertrauen des Arbeitgebers. Insbesondere nach einer Betriebszugehörigkeit von zwölf Jahren habe ein Angestellter oftmals eine Vertrauensstellung inne, wie sie ein Arbeiter niemals erlangen könne.
Sollte § 622 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz BGB mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sein, wäre eine Übergangsregelung bis zur gesetzlichen Neuregelung unerläßlich, um eine gravierende Rechtsunsicherheit zu vermeiden, wie sie schon durch den Beschluß vom 16. November 1982 ausgelöst worden sei.
6. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält § 622 Abs. 2 BGB für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG. Für die nach geltendem Recht bestehenden Unterschiede bei den Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte sei ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund nicht ersichtlich. Bei einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise müsse die Regelung daher als willkürlich angesehen werden. Deswegen verstoße sie gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG.
Die Herausbildung der verschiedenen Gruppen von Arbeitnehmern in der historischen Entwicklung habe ausschließlich der Privilegierung bestimmter Arbeitnehmerschichten gedient. Schon deshalb könne an dieser Differenzierung unter der Geltung des Grundgesetzes nicht festgehalten werden.
Die Abgrenzungskriterien zwischen den beiden Gruppen von Arbeitnehmern seien im Laufe der Zeit immer fragwürdiger und widersprüchlicher geworden. Zwar sei die grundsätzliche Andersartigkeit der körperlichen und der geistigen Arbeit auch heute noch Ausdruck der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Die in der Sozialversicherung und der Rechtsprechung entwickelten Berufsgruppenkataloge spiegelten aber diese Arbeitsteilung nicht wider. Es gebe vielfache Überschneidungen. Eine klare Grenzziehung sei nicht möglich. Im Zuge der technisch-wissenschaftlichen Entwicklung steige der Qualifikationsgrad der Facharbeiter an, während sich im Verwaltungsbereich die Mechanisierung ausbreite. Technische Angestellte würden zunehmend auch in den Produktionsprozeß einbezogen, wo sie teilweise akkordähnlichen Arbeitsbewertungssystemen unterlägen. Jedenfalls vermöge die Unterscheidung zwischen geistiger und körperlicher Arbeit eine rechtliche Trennung der beiden Arbeitnehmergruppen und eine Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen; denn die sozialen Grundinteressen seien bei Angestellten und Arbeitern dieselben.
Die Überschneidungen würden auch in den Tarifverträgen deutlich. Merkmal für die unterste Angestelltentarifgruppe seien einfachste schematische und mechanische Tätigkeiten. Die obersten Tarifgruppen der Arbeiter seien hingegen durch hochwertige Facharbeit gekennzeichnet, die überragendes Können, völlige Selbständigkeit, Dispositionsvermögen, umfassendes Verantwortungsbewußtsein und entsprechende theoretische Kenntnisse voraussetze. In der gewerkschaftlichen Tarifpolitik sei man - im Einklang mit der Personalpolitik mancher Unternehmen - darum bemüht, die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten abzubauen. Es gebe bereits einheitliche Manteltarife, Urlaubsabkommen und Arbeitsbewertungssysteme, Monatslöhne für Arbeiter und analytische Verfahren zur Ermittlung der Bezahlung für Angestellte.
Differenzierende arbeitsrechtliche Regelungen seien an sich notwendig. Darüber könne aber stets nur sachgerecht im Zusammenhang mit der Regelung einer konkreten Einzelfrage entschieden werden. Eine rein formale Unterscheidung wie die zwischen Arbeitern und Angestellten könne jedoch eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Es möge sogar für bestimmte Wirtschaftsbereiche, wie etwa den Bausektor, ein Bedürfnis nach kürzeren Kündigungsfristen geben. Das habe aber mit der formalen Abgrenzung zwischen Arbeitern und Angestellten nichts zu tun. Soweit ein entsprechendes Bedürfnis bestehe, könne dem durch tarifvertragliche Kündigungsregeln Rechnung getragen werden.
Eine Verlängerung der Kündigungsfristen für Arbeiter werde jedoch zu keinerlei finanziellen Auswirkungen für die Unternehmen führen. Die personalplanerischen Möglichkeiten der Unternehmen - und nicht nur der Großunternehmen - reichten aus, um untragbare finanzielle Belastungen auch dann zu vermeiden, wenn bei Arbeitern dieselben Kündigungsfristen einzuhalten wären wie bei Angestellten. Die längeren Kündigungsfristen würden lediglich den Zwang begründen, den Beschäftigten rechtzeitig von einer beabsichtigten Kündigung in Kenntnis zu setzen.
Für jeden Arbeitnehmer bestehe ein erhebliches Interesse an einer möglichst langen Kündigungsfrist, damit er sich frühzeitig um einen neuen Arbeitsplatz bemühen könne. Eine kurzfristige Kündigung könne den Betroffenen nötigen, die erstbeste Arbeitsstelle anzunehmen, um nicht arbeitslos zu werden oder eine Sperrung des Arbeitslosengeldes zu riskieren. Bei Konjunktureinbrüchen seien insbesondere Arbeitnehmer mit kürzerer Kündigungsfrist betroffen.
 
B.
Die Vorlagen und die Verfassungsbeschwerde sind zulässig.
I.
In den Vorlagebeschlüssen wird dargelegt, daß es auf die Verfassungsmäßigkeit der vorgelegten Norm entscheidungserheblich ankomme. Die Auffassung, daß § 622 Abs. 2 BGB gegen das Grundgesetz verstoße, wird unter Berücksichtigung der einschlägigen Literatur begründet. Soweit die Entscheidungen vorrangig von der Gültigkeit eines Manteltarifvertrages abhängen (1 BvL 2/83 und 1 BvL 4/90), wird in nachvollziehbarer Weise ausgeführt, daß auch die tarifvertraglichen Regelungen gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstießen und deswegen ungültig seien. Ob das zutrifft, ist eine Frage, die weitgehend mit der Vorlagefrage übereinstimmt; deshalb braucht ihr im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht weiter nachgegangen zu werden (vgl. BVerfGE 63, 1 [28]; ähnlich auch BVerfGE 75, 166 [175 f.]).
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist ebenfalls zulässig. Sie ist fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet. Ihre Zulässigkeit wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Beklagte der Ausgangsverfahren, eine offene Handelsgesellschaft, zwischenzeitlich im Handelsregister gelöscht wurde. Ihre Prozeßfähigkeit bleibt davon zunächst unberührt (Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 28. Aufl., 1989, § 124 Anm. 5 E). Bei einer Vollbeendigung der Gesellschaft mit Abschluß ihrer Auseinandersetzung kann die Klage gegen Gesellschafter umgestellt werden, die gemäß § 128 HGB für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich haften. Der Beschwerdeführer kann seine Ansprüche also nach einer Aufhebung der angegriffenen Urteile weiterverfolgen.
 
C.
§ 622 Abs. 2 BGB ist mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar.
I.
1. Eine ungleiche Behandlung mehrerer Gruppen von Normadressaten ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn zwischen ihnen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (vgl. BVerfGE 55, 72 [88]; 58, 369 [373 f.]; 60, 123 [133 f.]; 60, 329 [346]; 62, 256 [274]; 72, 141 [150]). Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, ob eine Ungleichbehandlung Auswirkungen auf grundrechtlich gesicherte Freiheiten hat (vgl. BVerfGE 62, 256 [274]).
2. Die vorlegenden Gerichte halten die Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern mangels hinreichender Abgrenzungskriterien insgesamt für nicht (mehr) durchführbar. Auch in der Literatur wird dieser Standpunkt vertreten (vgl. dazu etwa Nikisch, Zur Neuabgrenzung der Begriffe Angestellter und Arbeiter, 1959; Trieschmann, Ungleichbehandlung im Arbeitsvertragsrecht, in: Festschrift für Herschel, 1982, S. 421 ff. [425 ff.]; Klinkhammer, Der Betriebsrat 1981, S. 555 [557]; Lipke, DB 1983, S. 111 [113 f.]; Kehrmann, Arbeitsrecht im Betrieb 1983, S. 36 f.; ders., Arbeitsrecht im Betrieb 1987, S. 55 [56]; Schusser, Die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten aus betrieblicher Sicht, in: Hromadka [Hrsg.], Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, 1989, S. 61 [71]). Das Bundesverfassungsgericht ist dem in seinem Beschluß vom 16. November 1982 (BVerfGE 62, 256 [275]) nicht gefolgt. Daran ist festzuhalten. Anhand der von den Arbeitsgerichten entwickelten Kriterien lassen sich Arbeiter und Angestellte hinreichend deutlich unterscheiden. Jedenfalls bestehen dagegen aus verfassungsrechtlicher Sicht (Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG) keine Bedenken.
3. Die Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten bei den gesetzlichen Kündigungsfristen ist beträchtlich. Zwei Wochen werden dem Arbeiter zugebilligt, sechs Wochen beträgt demgegenüber die Kündigungsfrist für Angestellte. Diese Frist kann zwar einzelvertraglich auf einen Monat herabgesetzt werden. Das ist aber nicht die Regel. Für Angestellte gelten zudem feste Kündigungstermine. Bei der Regelfrist ist das der Schluß des Kalendervierteljahres, bei der Mindestfrist das Monatsende. Die Kündigung eines Arbeiters ist erst nach längerer Betriebszugehörigkeit an Termine gebunden.
Die Kombination von Frist und Termin kann zu einer erheblichen Verlängerung der Zeitspanne führen, die zwischen einer Kündigung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt. Entschließt sich ein Arbeitgeber in der zweiten Hälfte eines Quartals zur Kündigung eines Angestellten, dann kann er das Arbeitsverhältnis nach § 622 Abs. 1 BGB erst mit Ablauf des übernächsten Vierteljahres beendigen. Die Kündigungstermine bewirken weiteren Schutz. Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt werden auf bestimmte Zeitpunkte konzentriert; das erleichtert die Arbeitsplatzsuche.
Auch bei den verlängerten Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB bleiben die Arbeiter benachteiligt. Nach fünf Jahren können sie mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende, Angestellte hingegen mit einer Dreimonatsfrist zum Quartalsende gekündigt werden (§ 2 AngKSchG). Das Maß der Ungleichbehandlung bleibt bei weiter zunehmender Betriebszugehörigkeit in etwa konstant. Erst nach 20 Jahren verringert sich der Abstand. Die Kündigungsfristen der Arbeiter sind dann halb so lang wie die der Angestellten.
Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kann den Arbeitnehmer empfindlich treffen. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwingt ihn, einen neuen Arbeitsplatz zu suchen und sich auf neue Arbeitsbedingungen einzustellen, möglicherweise sogar den Wohnort zu wechseln. Ob er einen neuen Arbeitsplatz mit gleichem Verdienst und gleichwertigen Bedingungen findet, hängt wesentlich auch davon ab, wieviel Zeit ihm für die Arbeitsplatzsuche zur Verfügung steht. Dem sollen die Kündigungsfristen Rechnung tragen. Der Gekündigte kann schon vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Stelle suchen und die erforderlichen Dispositionen im privaten Bereich treffen. Er erhält die Chance, sofort nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Stelle anzutreten. Die Chance wächst mit der Dauer der Kündigungsfrist.
Das Interesse des Arbeitnehmers an einer möglichst langen Kündigungsfrist wird auch nicht dadurch abgeschwächt oder gar aufgewogen, daß er ebenfalls eine Kündigungsfrist einhalten muß, wenn er die Arbeitsstelle wechseln will. Um diese Frist geht es hier nicht. Sie hängt mit der Kündigungsfrist des Arbeitgebers auch nicht notwendig zusammen. Beide Fristen können unterschiedlich lang sein. So gelten die Fristen des § 2 AngKSchG nur für den Fall einer Kündigung durch den Arbeitgeber (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25. November 1971 - 2 AZR 62/71 -, AP Nr. 11 zu § 622 BGB).
4. Einige der Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten, die zur Rechtfertigung der ungleichen Kündigungsfristen herangezogen werden, sind dazu von vornherein nicht geeignet, weil es an einem Legitimationszusammenhang zwischen ihnen und den Kündigungsfristen fehlt (a-e). Andere Unterscheidungsmerkmale könnten ungleiche Fristen an sich rechtfertigen, sind aber nicht hinreichend gruppenspezifisch (f-h). Sie treffen nur für eine Teilgruppe der Normadressaten zu. Wenn der Gesetzgeber mit Rücksicht auf sie abweichende Kündigungsfristen festsetzen wollte, dann durfte er nicht pauschal Arbeiter und Angestellte verschieden behandeln.
a) Der wesentliche Unterschied zwischen den Gruppen der Arbeiter und der Angestellten wird allgemein darin gesehen, daß diese überwiegend geistige, jene hingegen überwiegend körperliche Arbeit verrichteten. Ob und inwieweit das (noch) zutrifft, kann dahingestellt bleiben; denn ein rechtfertigender Grund für die ungleichen Kündigungsfristen liegt darin nicht. Kopf- und Handarbeiter verdienen denselben Schutz bei Arbeitsplatzverlust. Aus der Art ihrer Tätigkeit allein ergibt sich kein erhöhtes Schutzbedürfnis. Das hat der Senat bereits in seinem Beschluß vom 16. November 1982 ausgesprochen (BVerfGE 62, 256 [276]). Was dort für die Kündigung länger beschäftigter Arbeitnehmer gesagt wurde, trifft auch für die Grundfristen des § 622 Abs. 1 und Abs. 2 BGB zu.
b) Nichts anderes gilt für die vielfach behauptete besondere Gruppenmentalität der Angestellten. Sie könnte eine weiterreichende Schutzwürdigkeit im Hinblick auf längere Kündigungsfristen nicht begründen.
c) Die betroffenen Kreise sollen, so wird vorgetragen, von der Notwendigkeit kürzerer Kündigungsfristen für Arbeiter überzeugt sein. Auch eine solche Einstellung, wenn es sie in der Gesamtgruppe der Arbeiter tatsächlich gäbe, könnte eine objektive Benachteiligung durch das Gesetz nicht rechtfertigen. Ein Verfassungsverstoß wird nicht dadurch ausgeräumt, daß Betroffene ihn billigen. Außerdem dürfte das Bewußtsein der beteiligten Kreise durch die seit langem bestehende Rechtslage wesentlich geprägt sein. Schon deswegen kann es zur Rechtfertigung dieser Rechtslage nicht beitragen. Schließlich fehlt es an hinreichend konkreten Anhaltspunkten dafür, daß auch nur die Mehrzahl der Arbeiter längere Kündigungsfristen nicht anstrebt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist nicht dieser Auffassung. Die einschlägigen Manteltarife sind kein Indiz für mangelndes Interesse der Arbeiter an längeren Kündigungsfristen. Sie orientieren sich ersichtlich an der bestehenden gesetzlichen Regelung. Ohne nähere Einsicht in die Gründe für ihr Zustandekommen läßt sich ihnen wenig über die Interessenlage der beteiligten Kreise entnehmen. Überdies enthält eine nicht geringe Zahl von Manteltarifverträgen längere als die gesetzlichen Kündigungsfristen.
d) Als Grund für die längeren Kündigungsfristen der Angestellten wird weiter geltend gemacht, diese benötigten eine längere vorberufliche Ausbildung und träten deshalb später ins Erwerbsleben ein. Ihre Gesamtlebensarbeitszeit sei kürzer als die der Arbeiter. Deswegen verdienten sie stärkeren Schutz vor Arbeitslosigkeit.
Auch dieser Gesichtspunkt vermag die ungleichen Kündigungsfristen von vornherein nicht zu rechtfertigen. Kündigungsfristen sollen den Übergang zu einer neuen Stelle erleichtern. Sie sind nicht dazu bestimmt, die aktive Arbeitszeit insgesamt zu verlängern. Außerdem haben im wesentlichen nur die Angestellten mit akademischer Ausbildung eine signifikant kürzere Gesamtlebensarbeitszeit als andere Arbeitnehmer. Ihretwegen allein ließe sich eine Begünstigung der Gesamtgruppe der Angestellten vor den Arbeitern nicht rechtfertigen.
e) Ebensowenig läßt sich die Ungleichbehandlung mit einem dadurch angeblich erzielbaren Leistungsansporn begründen. Der behauptete Zusammenhang zwischen den längeren Kündigungsfristen der Angestellten und einem höheren Leistungswillen der Arbeiter bleibt in tatsächlicher Hinsicht ungreifbar. Ein Arbeiter kann im allgemeinen nur nach Änderung seines Tätigkeitsbereiches und nicht durch bessere Leistung Angestellter werden. Zwischen beiden Arbeitnehmergruppen besteht nur eine geringe Durchlässigkeit. Übrigens wäre das Bestreben, durch unterschiedliche Kündigungsfristen einen zusätzlichen Leistungsanreiz zu geben, angesichts der gleichartigen Schutzbedürfnisse beider Gruppen kein Sachgesichtspunkt, der nach Gewicht und Tragweite die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte.
f) Angestellte sind nach den vorliegenden Statistiken im Durchschnitt einige Wochen länger arbeitslos als Arbeiter (Karr/Apfelthaler, Zur Dauer der Arbeitslosigkeit, Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 1981, S. 384 ff.; Arbeitsmarktanalyse 1988 anhand ausgewählter Bestands- und Bewegungsdaten ANBA 1989, S. 621 [677]). Aus den Zahlen lassen sich jedoch keine gruppenspezifischen Schwierigkeiten der Angestellten bei der Stellensuche ableiten, die der Gesetzgeber durch längere Kündigungsfristen ausgleichen könnte. Vielmehr ist die unterschiedliche Dauer der Arbeitslosigkeit auf Gründe zurückzuführen, die nur für einen Teil der Angestellten zutreffen. Objektive Gegebenheiten, die die Stellensuche verzögern, liegen nur bei höher- und hochqualifizierten Arbeitnehmern vor. Diese Gruppe ist bei den Angestellten überrepräsentiert. Das erklärt die im Durchschnitt - geringfügig - längere Dauer der Arbeitslosigkeit von Angestellten. Der Anteil der Höherqualifizierten an der Gesamtgruppe der Angestellten ist jedoch nicht so groß, daß die bestehende Ungleichheit im Rahmen zulässiger Typisierung gerechtfertigt wäre.
Die Ansprüche eines Arbeitnehmers bei der Arbeitsplatzsuche steigen mit seiner Qualifikation. Wer über spezielle Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, muß die dafür passende Aufgabe finden. Nur in dem Maße, in dem das gelingt, kann er mit der Erhaltung seines Lebensstandards rechnen und zugleich erwarten, daß sich seine Fähigkeiten am neuen Arbeitsplatz weiterentwickeln werden und daß seine Qualifikation erhalten bleibt. Je spezieller das Interesse des Arbeitsuchenden ausgeprägt ist, desto beschränkter ist das einschlägige Stellenangebot. Entsprechend schwieriger ist es für ihn, das Passende zu finden, und entsprechend aufwendiger und zeitraubender ist seine Suche. Qualifizierte Angestellte müssen ihren Arbeitsplatz häufig auf überregionalen Arbeitsmärkten suchen und sich in der Regel ausführlich schriftlich bewerben (Karr/ Apfelthaler, a.a.O., S. 386; so auch Trieschmann, a.a.O., S. 434; Dieterich, VSSR 1976, S. 61 [68]).
Wie im einzelnen die Gruppe der Arbeitnehmer zu bestimmen wäre, denen der Gesetzgeber zum Ausgleich für eine besonders zeitaufwendige Arbeitsplatzsuche eine längere Kündigungsfrist zubilligen könnte, kann offenbleiben. Abzustellen wäre auf Merkmale wie vorberufliche Ausbildung, Qualifizierung und Spezialisierung im Beruf, Verantwortungsbereich und Führungsposition. Der Angestelltenbegriff geht ursprünglich zwar auf ein von diesen Merkmalen geprägtes Leitbild zurück. Inzwischen hat er sich jedoch weit davon entfernt. Über die Hälfte aller Arbeitnehmer sind Angestellte (Statistisches Jahrbuch 1989, S. 95), mehr als ein Drittel davon einfache Angestellte (vgl. Brill, DB 1981, S. 316). Das sind über vier Millionen Arbeitnehmer. Ihr Tätigkeitsfeld umfaßt Arbeiten, die ohne besondere Vorbildung und ohne herausgehobene Qualifikation erledigt werden können. Das Angebot derartiger Stellen ist ähnlich breit gestreut wie das für gewöhnliche manuelle Tätigkeiten. Es gibt keinen Grund für die Annahme, daß einfache Angestellte mehr Zeit für die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz benötigten als Arbeiter mit entsprechend geringem Spezialisierungsgrad.
Angesichts dieser Zahlen lassen sich längere Kündigungsfristen für die gesamte Gruppe der Angestellten nicht mit dem Hinweis auf besondere Schwierigkeiten bei der Stellensuche rechtfertigen. Jede gesetzliche Regelung muß verallgemeinern. Der Gesetzgeber darf vor allem bei der Ordnung von Massenerscheinungen generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden und dabei von dem Gesamtbild ausgehen, das sich aus den vorliegenden Erfahrungen ergibt (BVerfGE 78, 214 [226 f.] m.w.N.; st. Rspr.). Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, solange eine verhältnismäßig kleine Gruppe benachteiligt wird und der Gleichheitsverstoß nicht sehr intensiv ist (BVerfGE 26, 265 [275 f.]). Es geht nicht an, eine größere Zahl von Betroffenen ohne rechtfertigenden Grund stärker zu belasten (vgl. BVerfGE 71, 39 [50]). Dasselbe gilt, wenn eine privilegierende Regelung ohne rechtfertigenden Grund auf eine große Gruppe von Normadressaten erstreckt wird. Die Privilegierung büßt damit ihre Rechtfertigung vor der Gruppe der Benachteiligten ein, die ihren Anspruch auf Gleichbehandlung einfordert.
g) Ein weiterer, die unterschiedliche Behandlung von Arbeitern und Angestellten rechtfertigender Umstand wird darin gesehen, daß eine Verlängerung der Kündigungsfristen für Arbeiter Kündigungen und Sozialpläne verteuern würde. Dieses Interesse des Arbeitgebers wäre geeignet, differenzierende Regelungen im Arbeitsvertragsrecht zu rechtfertigen. Der Schutz der Arbeitnehmer durch eine gesetzliche Festlegung von Kündigungsfristen berührt auch die wirtschaftlichen Interessen der Arbeitgeber. Dem muß der Gesetzgeber ausgewogen Rechnung tragen.
Der pauschale Hinweis auf eine Verteuerung von Kündigungen und Sozialplänen vermag jedoch die Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten vor dem Gleichbehandlungsgebot nicht zu rechtfertigen. Ein sachlicher Grund für die gruppenspezifische Benachteiligung der Arbeiter läßt sich darin nicht erkennen. Wenn der Gesetzgeber es für geboten erachtet, die Arbeitgeber von den Folgekosten bei Kündigungen zu entlasten, dann darf er dieses Ziel nicht einseitig auf Kosten einer der beiden Gruppen von Arbeitnehmern verfolgen.
h) Schließlich wird geltend gemacht, daß die Unternehmer in der Lage sein müßten, im produktiven Bereich schneller Personal zu entlassen. Ein Bedürfnis nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität im produktiven Bereich ist grundsätzlich geeignet, unterschiedliche Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte zu rechtfertigen. Dem Gesetzgeber ist es durch das Grundgesetz nicht verwehrt, funktions- oder auch betriebsspezifischen Interessen der Arbeitgeber an größerer personalwirtschaftlicher Beweglichkeit durch verkürzte gesetzliche Kündigungsfristen Rechnung zu tragen.
Die Einschätzung der tatsächlichen Umstände und Bedürfnisse, die zu einer solchen Regelung führen, ist allein Sache des Gesetzgebers. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Gestaltungsfreiraum grundsätzlich zu respektieren. Erst wenn die einem Gesetz zugrunde liegenden tatsächlichen Voraussetzungen sich als evident unzutreffend erweisen, kann daraus die Verfassungswidrigkeit der Regelung folgen. Ein Schutzbedürfnis des Arbeitgebers erscheint insoweit hinreichend begründbar. Konjunktureinbrüche mögen sich in der Produktion rascher auswirken als im administrativen Bereich (so auch Molitor, RdA 1989, S. 240 [242]; Trieschmann, a.a.O., S. 440).
Auch dieser rechtfertigende Grund für die ungleichen Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten hat jedoch im Laufe der Entwicklung seine Unterscheidungskraft verloren. Früher mag es richtig gewesen sein, das Tätigkeitsfeld des Arbeiters mit dem produktiven Sektor weitgehend gleichzusetzen. Heute trifft das jedoch nicht mehr zu. Zwar sind auch heute noch in der Produktion überwiegend Arbeiter tätig, aber keineswegs alle Arbeiter stehen im Produktionsprozeß. Im Jahre 1989 waren nur etwa zwei Drittel der Arbeiterschaft (rund sieben Millionen) im produzierenden Gewerbe und in der Landwirtschaft beschäftigt (Statistisches Jahrbuch 1989, S. 96). Für rund dreieinhalb Millionen Arbeiter, die im Dienstleistungsbereich tätig sind, trifft damit der rechtfertigende Grund nicht zu. Auch wenn man in Rechnung stellt, daß der Gesetzgeber in einem weiten Rahmen typisierende und pauschalierende Regelungen treffen kann, sind das zu viele, um die Regelung insgesamt noch als gerechtfertigt erscheinen zu lassen.
Es kommt hinzu, daß das Flexibilitätsargument die Ungleichbehandlung nicht nur im Hinblick auf die Gruppe der Normadressaten, sondern auch in sachlicher Hinsicht nur teilweise abdeckt. Es trifft allein für betriebsbedingte Kündigungen zu. Bei normaler Konjunkturlage sind jedoch fast zwei Drittel aller Kündigungen verhaltens- oder personenbedingt. Auch in Zeiten schlechter Konjunktur sind weniger als die Hälfte aller Kündigungen betriebsbedingt (Falke/Höland/Rhode/ Zimmermann, Kündigungspraxis und Kündigungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 1981, S. 64 ff.).
5. Gibt es danach schon für die ungleichen Grundfristen keinen rechtfertigenden Grund, so gilt das für die noch weiter auseinanderklaffenden Fristen bei längerer Beschäftigungsdauer erst recht. Gruppenspezifische Unterschiede, die sich erst bei längerer Beschäftigungsdauer oder bei höherem Lebensalter ergeben, bestehen nicht. Dazu kann auf den Senatsbeschluß vom 16. November 1982 (BVerfGE 62, 256 [281 ff.]) verwiesen werden. Die dort erwogenen Differenzierungsgründe sind im vorliegenden Verfahren von den Beteiligten nicht wieder aufgegriffen worden.
6. § 622 Abs. 2 BGB ist deshalb mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Ob und inwieweit Tarifverträge, die eine entsprechende Regelung enthalten, von Verfassungs wegen Beschränkungen unterliegen können, ist hier nicht zu entscheiden. Im übrigen ist der von tarifvertraglichen Regelungen erfaßte Personenkreis mit den Großgruppen der Angestellten und Arbeiter nicht identisch. Tarifverträge betreffen jeweils nur einen bestimmten Ausschnitt aus dem Gesamtspektrum der Arbeitnehmerschaft.
II.
Steht eine Norm mit der Verfassung nicht im Einklang, so ist sie grundsätzlich für nichtig zu erklären (§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Abs. 1 BVerfGG). Das gilt jedoch nicht, wenn sich ein Verfassungsverstoß aus dem Zusammenwirken mehrerer Vorschriften ergibt und eine Korrektur auf verschiedene Weise vorgenommen werden kann. So liegt es hier. Die für Arbeiter geltenden Kündigungsfristen sind mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar, weil sie ohne ausreichenden Grund die Arbeiter schlechter stellen als die Angestellten. Durch eine Nichtigerklärung von § 622 Abs. 2 BGB würde die bestehende Ungleichheit nur noch vertieft werden. Beseitigt werden kann der Verfassungsverstoß nur durch eine Neuregelung der einschlägigen Vorschriften durch den Gesetzgeber.
In einer solchen Lage muß das Bundesverfassungsgericht sich grundsätzlich darauf beschränken, die diskriminierende Bestimmung als unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären. Diese darf dann bis zur Neuregelung von staatlichen Stellen nicht mehr angewandt werden. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die Rechtslage unverzüglich mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen. Gerichte müssen anhängige Verfahren, bei denen die Entscheidung von der verfassungswidrigen Norm abhängt, aussetzen, bis eine Neuregelung in Kraft tritt (vgl. BVerfGE 37, 217 [260 f.]; siehe auch Heußner, NJW 1982, S. 257).
Ein solcher Schwebezustand kann seinerseits verfassungswidrig werden, wenn er zu lange andauert. Das Grundgesetz gewährleistet wirksamen Rechtsschutz auch in bürgerlich- rechtlichen Streitigkeiten (Art. 20 Abs. 3 GG; vgl. BVerfGE 74, 228 [234]). Eine Aussetzung von Gerichtsverfahren wegen einer verfassungswidrigen Rechtslage kann deswegen nur für eine begrenzte Zeit hingenommen werden. Bereinigt der Gesetzgeber den Verfassungsverstoß nicht in angemessener Frist, dann müssen die Gerichte, wollen sie nicht selbst verfassungswidrig handeln, die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten fortführen und verfassungskonform entscheiden.
Hier kann nicht länger als bis zum 30. Juni 1993 auf eine Neuregelung gewartet werden. Ein weiterer Aufschub wäre mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 20 Abs. 3 GG nicht vereinbar. Von der Verfassungswidrigkeit des § 622 Abs. 2 BGB werden alle Kündigungsschutzprozesse erfaßt, in denen der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von dieser Vorschrift abhängt. Bei wirksamer Kündigung oder einer Auflösung des Arbeitsvertrages nach § 9 KSchG kann über verbleibende Lohnansprüche oder eine Abfindung nicht abschließend entschieden werden. Daß Rechtsschutzbegehren von solcher Dringlichkeit und in solcher Zahl vorerst unerledigt bleiben müssen, ist schwer erträglich. Dauert dieser Zustand länger an, so droht ein noch verfassungsfernerer Zustand als der gegenwärtige.
Angesichts der langen Zeit, die der Gesetzgeber für die infolge der Entscheidung vom 16. November 1982 erforderlich gewordene Korrektur benötigt hat, und im Hinblick auf die eingehende Diskussion der einschlägigen Fragen in der Literatur sowie bereits vorliegende Reformvorschläge erscheint es angemessen, dem Gesetzgeber für die Neuregelung eine Frist bis zum 30. Juni 1993 zu setzen.
 
D.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angefochtenen Urteile beruhen auf der verfassungswidrigen Vorschrift des § 622 Abs. 2 BGB. Der Beschwerdeführer wird dadurch in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung verletzt (Art. 3 Abs. 1 GG). Die angefochtenen Urteile sind insoweit aufzuheben. Das Arbeitsgericht muß die Verfahren nach Maßgabe der obigen Ausführungen zunächst aussetzen.
Herzog, Henschel, Seidl, Grimm, Söllner, Dieterich, Kühling, Seibert