BVerfGE 88, 203 - Schwangerschaftsabbruch II
1. Das Grundgesetz verpflichtet den Staat, menschliches Leben, auch das ungeborene, zu schützen. Diese Schutzpflicht hat ihren Grund in Art. 1 Abs. 1 GG; ihr Gegenstand und - von ihm her - ihr Maß werden durch Art. 2 Abs. 2 GG näher bestimmt. Menschenwürde kommt schon dem ungeborenen menschlichen Leben zu. Die Rechtsordnung muß die rechtlichen Voraussetzungen seiner Entfaltung im Sinne eines eigenen Lebensrechts des Ungeborenen gewährleisten. Dieses Lebensrecht wird nicht erst durch die Annahme seitens der Mutter begründet.
2. Die Schutzpflicht für das ungeborene Leben ist bezogen auf das einzelne Leben, nicht nur auf menschliches Leben allgemein.
3. Rechtlicher Schutz gebührt dem Ungeborenen auch gegenüber seiner Mutter. Ein solcher Schutz ist nur möglich, wenn der Gesetzgeber ihr einen Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich verbietet und ihr damit die grundsätzliche Rechtspflicht auferlegt, das Kind auszutragen. Das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs und die grundsätzliche Pflicht zum Austragen des Kindes sind zwei untrennbar verbundene Elemente des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes.
4. Der Schwangerschaftsabbruch muß für die ganze Dauer der Schwangerschaft grundsätzlich als Unrecht angesehen und demgemäß rechtlich verboten sein (Bestätigung von BVerfGE 39, 1 [44]). Das Lebensrecht des Ungeborenen darf nicht, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit, der freien, rechtlich nicht gebundenen Entscheidung eines Dritten, und sei es selbst der Mutter, überantwortet werden.
5. Die Reichweite der Schutzpflicht für das ungeborene menschliche Leben ist im Blick auf die Bedeutung und Schutzbedürftigkeit des zu schützenden Rechtsguts einerseits und damit kollidierender Rechtsgüter andererseits zu bestimmen. Als vom Lebensrecht des Ungeborenen berührte Rechtsgüter kommen dabei - ausgehend vom Anspruch der schwangeren Frau auf Schutz und Achtung ihrer Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) - vor allem ihr Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie ihr Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) in Betracht. Dagegen kann die Frau für die mit dem Schwangerschaftsabbruch einhergehende Tötung des Ungeborenen nicht eine grundrechtlich in Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition in Anspruch nehmen.
6. Der Staat muß zur Erfüllung seiner Schutzpflicht ausreichende Maßnahmen normativer und tatsächlicher Art ergreifen, die dazu führen, daß ein - unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechtsgüter - angemessener und als solcher wirksamer Schutz erreicht wird (Untermaßverbot). Dazu bedarf es eines Schutzkonzepts, das Elemente des präventiven wie des repressiven Schutzes miteinander verbindet.
7. Grundrechte der Frau tragen nicht so weit, daß die Rechtspflicht zum Austragen des Kindes - auch nur für eine bestimmte Zeit - generell aufgehoben wäre. Die Grundrechtspositionen der Frau führen allerdings dazu, daß es in Ausnahmelagen zulässig, in manchen dieser Fälle womöglich geboten ist, eine solche Rechtspflicht nicht aufzuerlegen. Es ist Sache des Gesetzgebers, solche Ausnahmetatbestände im einzelnen nach dem Kriterium der Unzumutbarkeit zu bestimmen. Dafür müssen Belastungen gegeben sein, die ein solches Maß an Aufopferung eigener Lebenswerte verlangen, daß dies von der Frau nicht erwartet werden kann (Bestätigung von BVerfGE 39, 1 [48 ff.]).
8. Das Untermaßverbot läßt es nicht zu, auf den Einsatz auch des Strafrechts und die davon ausgehende Schutzwirkung für das menschliche Leben frei zu verzichten.
9. Die staatliche Schutzpflicht umfaßt auch den Schutz vor Gefahren, die für das ungeborene menschliche Leben von Einflüssen aus dem familiären oder weiteren sozialen Umfeld der Schwangeren oder von gegenwärtigen und absehbaren realen Lebensverhältnissen der Frau und der Familie ausgehen und der Bereitschaft zum Austragen des Kindes entgegenwirken.
10. Der Schutzauftrag verpflichtet den Staat ferner, den rechtlichen Schutzanspruch des ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewußtsein zu erhalten und zu beleben.
11. Dem Gesetzgeber ist es verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht verwehrt, zu einem Konzept für den Schutz des ungeborenen Lebens überzugehen, das in der Frühphase der Schwangerschaft in Schwangerschaftskonflikten den Schwerpunkt auf die Beratung der schwangeren Frau legt, um sie für das Austragen des Kindes zu gewinnen, und dabei auf eine indikationsbestimmte Strafdrohung und die Feststellung von Indikationstatbeständen durch einen Dritten verzichtet.
12. Ein solches Beratungskonzept erfordert Rahmenbedingungen, die positive Voraussetzungen für ein Handeln der Frau zugunsten des ungeborenen Lebens schaffen. Der Staat trägt für die Durchführung des Beratungsverfahrens die volle Verantwortung.
13. Die staatliche Schutzpflicht erfordert es, daß die im Interesse der Frau notwendige Beteiligung des Arztes zugleich Schutz für das ungeborene Leben bewirkt.
14. Eine rechtliche Qualifikation des Daseins eines Kindes als Schadensquelle kommt von Verfassungs wegen (Art. 1 Abs. 1 GG) nicht in Betracht. Deshalb verbietet es sich, die Unterhaltspflicht für ein Kind als Schaden zu begreifen.
15. Schwangerschaftsabbrüche, die ohne Feststellung einer Indikation nach der Beratungsregelung vorgenommen werden, dürfen nicht für ge-rechtfertigt (nicht rechtswidrig) erklärt werden. Es entspricht unverzichtbaren rechtsstaatlichen Grundsätzen, daß einem Ausnahmetatbestand rechtfertigende Wirkung nur dann zukommen kann, wenn das Vorliegen seiner Voraussetzungen unter staatlicher Verantwortung festgestellt werden muß.
16. Das Grundgesetz läßt es nicht zu, für die Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs, dessen Rechtmäßigkeit nicht festgestellt wird, einen Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren. Die Gewährung von Sozialhilfe für nicht mit Strafe bedrohte Schwangerschaftsabbrüche nach der Beratungsregelung in Fällen wirtschaftlicher Bedürftigkeit ist demgegenüber ebensowenig verfassungsrechtlich zu beanstanden wie die Fortzahlung des Arbeitsentgelts.
17. Der Grundsatz der Organisationsgewalt der Länder gilt uneingeschränkt, wenn eine bundesgesetzliche Regelung lediglich eine von den Ländern zu erfüllende Staatsaufgabe vorsieht, nicht jedoch Einzelregelungen trifft, die behördlich-administrativ vollzogen werden könnten.
 
Urteil
des Zweiten Senats vom 28. Mai 1993 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. und 9. Dezember 1992
-- 2 BvF 2/90 und 4, 5/92 --
in den Verfahren ... ... ... ...
Entscheidungsformel:
I. 1. § 218a Absatz 1 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zum Schutz des vorgeburtlichen/werdenden Lebens, zur Förderung einer kinderfreundlicheren Gesellschaft, für Hilfen im Schwangerschaftskonflikt und zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs (Schwangeren- und Familienhilfegesetz) vom 27. Juli 1992 (Bundesgesetzbl. I Seite 1398) ist insoweit mit Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, als die Vorschrift den unter den dort genannten Voraussetzungen vorgenommenen Schwangerschaftsabbruch für nicht rechtswidrig erklärt und in Nummer 1 auf eine Beratung Bezug nimmt, die ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes nicht genügt.
Die Bestimmung ist insgesamt nichtig.
2. § 219 des Strafgesetzbuches in der Fassung des genannten Gesetzes ist mit Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.
3. § 24b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ist nach Maßgabe der Urteilsgründe mit Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes vereinbar.
4. §§ 200f, 200g der Reichsversicherungsordnung in der Fassung des Gesetzes über ergänzende Maßnahmen zum Fünften Strafrechtsreformgesetz (Strafrechtsreform-Ergänzungsgesetz - StREG) vom 28. August 1975 (Bundesgesetzbl. I Seite 2289) waren, soweit sie Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Schwangerschaftsabbrüchen nach § 218a Absatz 2 Nummer 3 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Fünfzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 18. Mai 1976 (Bundesgesetzbl. I Seite 1213) vorsahen, nach Maßgabe der Gründe mit Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes vereinbar.
5. Artikel 15 Nummer 2 des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes ist mit Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit dadurch die bisher in Artikel 4 des Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechts (5. StrRG) vom 18. Juni 1974 (Bundesgesetzbl. I Seite 1297), geändert durch Artikel 3 und Artikel 4 des Fünfzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 18. Mai 1976 (Bundesgesetzbl. I Seite 1213), enthaltene Vorschrift betreffend die Bundesstatistik über Schwangerschaftsabbrüche aufgehoben wird.
6. Artikel 4 des Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechts in der Fassung des Artikels 15 Nummer 2 des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes ist mit dem bundesstaatlichen Prinzip (Artikel 20 Absatz 1, Artikel 28 Absatz 1 des Grundgesetzes) unvereinbar und nichtig, soweit die Bestimmung die zuständigen obersten Landesbehörden verpflichtet; sie ist im übrigen nach Maßgabe der Urteilsgründe mit dem Grundgesetz vereinbar.
7. Die Anträge im Verfahren 2 BvF 2/90, betreffend die verfassungsrechtliche Prüfung des § 218b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 sowie des § 219 Absatz 1 Satz 1 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Fünfzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 18. Mai 1976 (Bundesgesetzbl. I Seite 1213), sind erledigt.
II. Gemäß § 35 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht wird angeordnet:
1. Das bisher nach Maßgabe des Urteils vom 4. August 1992 geltende Recht bleibt bis zum 15. Juni 1993 anwendbar. Für die Zeit danach bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung gelten in Ergänzung zu den Vorschriften des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes, soweit diese nicht durch Nummer I. der Urteilsformel für nichtig erklärt worden sind, die Nummern 2 bis 9 dieser Anordnung.
2. § 218 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes findet keine Anwendung, wenn die Schwangerschaft innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis durch einen Arzt abgebrochen wird, die schwangere Frau den Abbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff von einer anerkannten Beratungsstelle (vgl. Nummer 4 dieser Anordnung) hat beraten lassen. Das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs bleibt auch in diesen Fällen unberührt.
3. (1) Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. Sie hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen; sie soll ihr helfen, eine verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen. Dabei muß der Frau bewußt sein, daß das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und daß deshalb nach der Rechtsordnung ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann, wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die - vergleichbar den Fällen des § 218a Absatz 2 und 3 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes - so schwer und außergewöhnlich ist, daß sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt.
(2) Die Beratung bietet der schwangeren Frau Rat und Hilfe. Sie trägt dazu bei, die im Zusammenhang mit der Schwangerschaft bestehende Konfliktlage zu bewältigen und einer Notlage abzuhelfen. Hierzu umfaßt die Beratung
a) das Eintreten in eine Konfliktberatung; dazu wird erwartet, daß die schwangere Frau der sie beratenden Person die Tatsachen mitteilt, deretwegen sie einen Abbruch der Schwangerschaft erwägt;
b) jede nach Sachlage erforderliche medizinische, soziale und juristische Information, die Darlegung der Rechtsansprüche von Mutter und Kind und der möglichen praktischen Hilfen, insbesondere solcher, die die Fortsetzung der Schwangerschaft und die Lage von Mutter und Kind erleichtern;
c) das Angebot, die schwangere Frau bei der Geltendmachung von Ansprüchen, bei der Wohnungssuche, bei der Suche nach einer Betreuungsmöglichkeit für das Kind und bei der Fortsetzung ihrer Ausbildung zu unterstützen, sowie das Angebot einer Nachbetreuung.
Die Beratung unterrichtet auch über Möglichkeiten, ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden.
(3) Erforderlichenfalls sind ärztlich, psychologisch oder juristisch ausgebildete Fachkräfte oder andere Personen zu der Beratung hinzuzuziehen. Bei jeder Beratung ist zu prüfen, ob es angezeigt ist, im Einvernehmen mit der schwangeren Frau Dritte, insbesondere den Vater sowie nahe Angehörige beider Eltern des Ungeborenen hinzuzuziehen.
(4) Die schwangere Frau kann auf ihren Wunsch gegenüber der sie beratenden Person anonym bleiben.
(5) Ist es nach dem Inhalt des Beratungsgesprächs dem Ziel der Beratung (Absatz 1 [Satz 1]) dienlich, ist das Beratungsgespräch alsbald fortzusetzen. Sieht die beratende Person die Beratung als abgeschlossen an, hat die Beratungsstelle der Frau auf Antrag über die Tatsache, daß eine Beratung nach den Absätzen 1 bis 4 stattgefunden hat, eine auf ihren Namen lautende und mit dem Datum des letzten Beratungsgesprächs versehene Bescheinigung auszustellen.
(6) Die beratende Person hat in einer Weise, die keine Rückschlüsse auf die Identität der Beratenen erlaubt, in einem Protokoll das Alter, den Familienstand und die Staatsangehörigkeit der Beratenen, die Zahl ihrer Schwangerschaften, ihrer Kinder und früherer Schwangerschaftsabbrüche festzuhalten. Sie hat ferner die für den Abbruch genannten wesentlichen Gründe, die Dauer des Beratungsgesprächs und gegebenenfalls die zu ihm hinzugezogenen weiteren Personen zu vermerken. Das Protokoll muß auch ausweisen, welche Informationen der Schwangeren vermittelt und welche Hilfen ihr angeboten worden sind.
4. (1) Stellen, die eine Beratung nach Nummer 3 vornehmen, bedürfen - unabhängig von einer Anerkennung nach Artikel 1 § 3 des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes - besonderer staatlicher Anerkennung. Als Beratungsstellen können auch Einrichtungen freier Träger und Ärzte anerkannt werden.
(2) Beratungsstellen dürfen mit Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, nicht derart organisatorisch oder durch wirtschaftliche Interessen verbunden sein, daß hiernach ein materielles Interesse der Beratungseinrichtung an der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen nicht auszuschließen ist. Der Arzt, der den Schwangerschaftsabbruch vornimmt, ist als Berater ausgeschlossen; er darf auch nicht der Beratungsstelle angehören, die die Beratung durchgeführt hat.
(3) Als Beratungsstelle kann nur anerkannt werden, wer für eine Beratung nach Maßgabe der Nummer 3 Gewähr bietet, über für eine solche Beratung in persönlicher und fachlicher Hinsicht qualifiziertes und der Zahl nach ausreichendes Personal verfügt und mit allen Stellen zusammenarbeitet, die öffentliche und private Hilfen für Mutter und Kind gewähren. Die Beratungsstellen sind verpflichtet, die ihrer Beratungstätigkeit zugrundeliegenden Maßstäbe und die dabei gesammelten Erfahrungen jährlich schriftlich niederzulegen.
(4) Die Anerkennung darf nur mit der Maßgabe erteilt werden, daß sie nach einer gesetzlich zu bestimmenden Frist jeweils der Bestätigung durch die zuständige Behörde bedarf.
(5) Die Länder stellen ein ausreichendes Angebot wohnortnaher Beratungsstellen sicher.
5. Dem Arzt, von dem die Frau den Abbruch der Schwangerschaft verlangt, obliegen die sich aus den Urteilsgründen ergebenden Pflichten (D.V.1. und 2.).
6. Das in Nummer 4 vorgesehene Anerkennungsverfahren ist auch für bestehende Beratungsstellen durchzuführen. Bis zu dessen Abschluß, längstens bis zum 31. Dezember 1994, sind sie befugt, gemäß Nummer 3 dieser Anordnung zu beraten.
7. Die Pflicht zur Führung einer Bundesstatistik und die Meldepflicht nach Artikel 4 des Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechts (5. StrRG) vom 18. Juni 1974 (Bundesgesetzbl. I Seite 1297), geändert durch Artikel 3 und Artikel 4 des Fünfzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 18. Mai 1976 (Bundesgesetzbl. I Seite 1213), gelten auch in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet.
8. Die Regelung des § 37a des Bundessozialhilfegesetzes findet auch Anwendung bei Abbrüchen der Schwangerschaft nach Nummer 2 dieser Anordnung.
9. Bis zu einer Entscheidung des Gesetzgebers über eine etwaige Einführung einer kriminologischen Indikation und deren Feststellung können Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung und nach Beihilfevorschriften Anspruchsberechtigte bei einem Abbruch der Schwangerschaft auf Antrag Leistungen erhalten, wenn die Voraussetzungen der Nummer 2 dieser Anordnung vorliegen und der zuständige Amtsarzt oder ein Vertrauensarzt der gesetzlichen Krankenkasse bescheinigt hat, daß nach seiner ärztlichen Erkenntnis an der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach den §§ 176 bis 179 des Strafgesetzbuches begangen worden ist und dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß die Schwangerschaft auf der Tat beruht. Der Arzt kann mit Einwilligung der Frau eine Auskunft bei der Staatsanwaltschaft einholen und etwa vorhandene Ermittlungsakten einsehen; die hierbei gewonnenen Erkenntnisse unterliegen seiner ärztlichen Schweigepflicht.
 
Gründe:
 
A.
Gegenstand der zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbundenen Normenkontrollverfahren ist vor allem die Frage, ob verschiedene strafrechtliche, sozialversicherungsrechtliche und organisationsrechtliche Vorschriften über den Schwangerschaftsabbruch, die Teil der durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar 1975 (BVerfGE 39, 1 ff.) veranlaßten Neuregelungen im 15. Strafrechtsänderungsgesetz und im Strafrechtsreform-Ergänzungsgesetz oder aber Teil des nach Herstellung der deutschen Einheit für Gesamtdeutschland neu erlassenen Schwangeren- und Familienhilfegesetzes sind, der verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates genügen, das ungeborene menschliche Leben zu schützen.
I.
1. Die Frage, ob und auf welche Weise das Problem des Schwangerschaftsabbruchs im Spannungsfeld zwischen dem Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens und dem Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Frau befriedigender als mit den Mitteln des Strafrechts gelöst werden könne, wird seit vielen Jahren kontrovers diskutiert. Der im Jahr 1974 unternommene Versuch des Gesetzgebers, die ursprünglich generelle Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs hauptsächlich durch eine Fristenlösung für die ersten zwölf Schwangerschaftswochen einzuschränken, wurde durch das Bundesverfassungsgericht verworfen. Dessen Erster Senat erklärte in seinem Urteil vom 25. Februar 1975 (BVerfGE 39, 1 ff.) § 218a StGB in der Fassung des Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechts (5. StrRG) vom 18. Juni 1974 (BGBl. I S. 1297) für mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes insoweit unvereinbar und nichtig, als er den Schwangerschaftsabbruch auch dann von der Strafbarkeit ausnimmt, wenn keine Gründe vorliegen, die - im Sinne der Entscheidungsgründe - vor der Wertordnung des Grundgesetzes Bestand haben.
2. Der Deutsche Bundestag beschloß daraufhin das Fünfzehnte Strafrechtsänderungsgesetz (15. StÄG) vom 18. Mai 1976 (BGBl. I S. 1213); dadurch erhielten die Vorschriften der §§ 218 ff. StGB (im folgenden: §§ 218 ff. StGB a.F.) ihre bis jetzt geltende Fassung, die der Bekanntmachung des Strafgesetzbuches vom 10. März 1987 (BGBl. I S. 945, 1160) zugrunde liegt.
Nach diesem Gesetz wird grundsätzlich bestraft, wer eine Schwangerschaft nach Abschluß der Nidation abbricht (§ 218 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, § 219d StGB a.F.). Der Abbruch der Schwangerschaft ist jedoch innerhalb bestimmter Fristen nicht strafbar, wenn er durch einen Arzt vorgenommen wird, die Schwangere einwilligt und er nach ärztlicher Erkenntnis mit Rücksicht auf bestimmte schwerwiegende Notlagen der Schwangeren angezeigt ist (Indikationen zum Schwangerschaftsabbruch). Die maßgebende Vorschrift lautet:
    Indikation zum Schwangerschaftsabbruch
    (1) Der Abbruch der Schwangerschaft durch einen Arzt ist nicht nach § 218 strafbar, wenn
    1. die Schwangere einwilligt und
    2. der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann.
    (2) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 gelten auch als erfüllt, wenn nach ärztlicher Erkenntnis
    1. dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß das Kind infolge einer Erbanlage oder schädlicher Einflüsse vor der Geburt an einer nicht behebbaren Schädigung seines Gesundheitszustandes leiden würde, die so schwer wiegt, daß von der Schwangeren die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt werden kann,
    2. an der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach den §§ 176 bis 179 begangen worden ist und dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß die Schwangerschaft auf der Tat beruht, oder
    3. der Abbruch der Schwangerschaft sonst angezeigt ist, um von der Schwangeren die Gefahr einer Notlage abzuwenden, die
    a) so schwer wiegt, daß von der Schwangeren die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt werden kann, und
    b) nicht auf eine andere für die Schwangere zumutbare Weise abgewendet werden kann.
    (3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 dürfen seit der Empfängnis nicht mehr als zweiundzwanzig Wochen, in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2 und 3 nicht mehr als zwölf Wochen verstrichen sein."
Darüber hinaus ist die Schwangere auch beim Fehlen einer Indikation nicht strafbar, wenn ein Arzt die Schwangerschaft innerhalb von 22 Wochen seit der Empfängnis nach einer Beratung gemäß § 218b StGB a.F. abbricht (§ 218 Abs. 3 Satz 2 StGB a.F.). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, kann das Gericht bei der Frau gleichwohl von Strafe absehen, wenn sie sich zur Zeit des Eingriffs in besonderer Bedrängnis befunden hat (§ 218 Abs. 3 Satz 3 StGB a.F.). In diesen Fällen trifft die Strafe nur den von der Frau herangezogenen Arzt. Für diesen gelten auch sonst strengere Maßstäbe: Wer nämlich eine Schwangerschaft abbricht, ohne daß sich die Schwangere mindestens drei Tage vor dem Eingriff über die zur Verfügung stehenden öffentlichen und privaten Hilfen von einem Berater (vgl. § 218b Abs. 2 StGB a.F.) und über die ärztlich bedeutsamen Gesichtspunkte von einem Arzt hat beraten lassen, macht sich auch bei Vorliegen einer Indikation wegen Abbruchs der Schwangerschaft ohne Beratung der Schwangeren strafbar (§ 218b Abs. 1 StGB a.F.). Ferner macht sich trotz des Vorliegens einer Indikation strafbar, wer eine Schwangerschaft abbricht, ohne daß sich ein anderer Arzt über das Vorliegen einer Indikation schriftlich geäußert hat (§ 219 StGB a.F.). Die Beratung der Schwangeren über soziale Hilfen und die Beratung über die ärztlich bedeutsamen Gesichtspunkte dürfen auch durch den Arzt erfolgen, der sich zur Indikation äußert; die Beratung über die ärztlich bedeutsamen Gesichtspunkte darf auch der abbrechende Arzt vornehmen. Die Schwangere wird nicht nach den §§ 218b, 219 StGB a.F. bestraft.
3. Das Gesetz über ergänzende Maßnahmen zum Fünften Strafrechtsreformgesetz (Strafrechtsreform-Ergänzungsgesetz - StREG) vom 28. August 1975 (BGBl. I S. 2289) verfolgt das Ziel, die Reformbestrebungen des 5. Strafrechtsreformgesetzes durch flankierende sozialpolitische Maßnahmen zu unterstützen (vgl. BTDrucks. 7/376 S. 1).
Es beruht auf einem Entwurf der Fraktionen der SPD und FDP (BTDrucks. 7/376), der ein Gesetzesvorhaben der Bundesregierung aus dem Jahre 1972 (BRDrucks. 104/72) wieder aufgenommen hat. Der Entwurf sieht unter anderem vor, daß Versicherte bei einem Schwangerschaftsabbruch durch einen Arzt Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung haben.
Nach der Gesetzesbegründung soll der Entwurf die Reformbestrebungen des § 218 StGB ergänzen, der die Notlagen, in denen sich eine Schwangere befinden könne, in zu geringem Maße berücksichtige und damit der Problematik illegaler Abtreibungen nicht gerecht werde. Mit den vorgesehenen Maßnahmen solle auch verhindert werden, daß es zum illegalen Schwangerschaftsabbruch komme; darüber hinaus solle sichergestellt werden, daß Schwangere "in gesetzlich straffrei gestellten Fällen" wegen ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse nicht benachteiligt würden. Weiter heißt es in der Begründung (BTDrucks. a.a.O. S. 5 f.):
    "Die Beratung und die Behandlung bei einem Schwangerschaftsabbruch sind als Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ausgestaltet, weil auf diese Weise eine sachgerechte Durchführung gesichert wird.
    Die Durchführung dieser Aufgaben liegt auch wesentlich im Interesse der Allgemeinheit. Die Versichertengemeinschaft soll daher nicht allein die Kosten tragen. Aus diesem Grunde ist eine finanzielle Beteiligung des Bundes vorgesehen."
Auf Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung nahm der Deutsche Bundestag den Gesetzentwurf mit einigen Änderungen an (Deutscher Bundestag, 7. WP., 88. Sitzung vom 21. März 1974, StenBer. S. 5763 ff.). Diese bestanden im wesentlichen in der Ausdehnung der Leistungen der Krankenversicherung und der Sozialhilfe auch auf die straffrei gestellte Sterilisation durch einen Arzt sowie in der ausdrücklichen Zubilligung des in den Beratungen umstrittenen Anspruchs auf Krankengeld und Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Sterilisation oder Schwangerschaftsabbruchs (vgl. BTDrucks. 7/1753, S. 5 bis 11). Nachdem der Bundesrat seine Zustimmung verweigert hatte, schlug der Vermittlungsausschuß eine Gesetzesfassung vor, die sicherstellen sollte, daß nach einer gesetzlichen Neuregelung der Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs im Anschluß an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar 1975 Leistungen nur bei allen vom Gesetzgeber anerkannten Fällen eines "nicht rechtswidrigen" Abbruchs der Schwangerschaft durch einen Arzt zu gewähren seien (BTDrucks. 7/3778 S. 2 f.). Diese Fassung ist Gesetz geworden.
Das Gesetz hat - soweit dies hier von Interesse ist - folgenden Wortlaut:
    "IIIa. Sonstige Hilfen
    § 200e
    Versicherte haben Anspruch auf ärztliche Beratung über Fragen der Empfängnisregelung; zur ärztlichen Beratung gehören auch die erfor-derliche Untersuchung und die Verordnung von empfängnisregelnden Mitteln.
    § 200f
    Versicherte haben Anspruch auf Leistungen bei einer nicht rechtswidrigen Sterilisation und bei einem nicht rechtswidrigen Abbruch der Schwangerschaft durch einen Arzt. Es werden ärztliche Beratung über die Erhaltung und den Abbruch der Schwangerschaft, ärztliche Untersuchung und Begutachtung zur Feststellung der Voraussetzungen für eine nicht rechtswidrige Sterilisation oder für einen nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch, ärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei-, Verband- und Heilmitteln sowie Krankenhauspflege gewährt. Anspruch auf Krankengeld besteht, wenn Versicherte wegen einer nicht rechtswidrigen Sterilisation oder wegen eines nicht rechtswidrigen Abbruchs der Schwangerschaft durch einen Arzt arbeitsunfähig werden, es sei denn, es besteht Anspruch nach § 182 Abs. 1 Nr. 2.
    § 200g
    Die für die Krankenhilfe geltenden Vorschriften gelten für die Leistungsgewährung nach den §§ 200e und 200f entsprechend, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. § 192 Abs. 1 gilt nicht für die Gewährung von Krankengeld bei einer nicht rechtswidrigen Sterilisation und bei einem nicht rechtswidrigen Abbruch der Schwangerschaft durch einen Arzt."
4. Die Indikationenregelung, insbesondere der Tatbestand der allgemeinen Notlagenindikation, sowie die Krankenkassenfinanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen blieb auch in der Folgezeit rechtlich und politisch umstritten. Die Bayerische Staatsregierung stellte im März 1990 beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf verfassungsrechtliche Prüfung von Vorschriften über das Beratungs- und Indikationsfeststellungsverfahren sowie über Krankenversicherungsleistungen bei Schwangerschaftsabbrüchen aufgrund der allgemeinen Notlagenindikation; dieser Antrag (2 BvF 2/90) ist Gegenstand der vorliegenden Entscheidung.
II.
Die Herstellung der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 und die damit gestellte Aufgabe, das Recht in den vereinigten Teilen Deutschlands zu vereinheitlichen, gab Reformbestrebungen einen neuen Anstoß.
1. Zunächst blieb es bei unterschiedlichen Regelungen über die Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs in den beiden Teilen Deutschlands. Aufgrund des Einigungsvertrages (EV) vom 31. August 1990 in Verbindung mit dem Einigungsvertragsgesetz vom 23. September 1990 (BGBl. II S. 885; vgl. dort Anlage II, Kapitel III, Sachgebiet C, Abschnitt I Nr. 1) ist in dem Beitrittsgebiet nach § 153 des Strafgesetzbuches der DDR vom 12. Januar 1968 in der Neufassung vom 14. Dezember 1988 (GBl. DDR I 1989 S. 33), geändert durch das 6. Strafrechtsänderungsgesetz vom 29. Juni 1990 (GBl. DDR I S. 526), strafbar, wer "entgegen den gesetzlichen Vorschriften" die Schwangerschaft einer Frau unterbricht. Ebenso wird bestraft, wer eine Frau dazu veranlaßt oder sie dabei unterstützt, ihre Schwangerschaft selbst zu unterbrechen oder eine ungesetzliche Schwangerschaftsunterbrechung vornehmen zu lassen. Die nach dem Einigungsvertrag (a.a.O., Anlage II, Kapitel III, Sachgebiet C, Abschnitt I Nr. 4 und 5) fortgeltenden Vorschriften des Gesetzes über die Unterbrechung der Schwangerschaft vom 9. März 1972 (GBl. DDR I S. 89) und der dazu ergangenen Durchführungsbestimmung vom selben Tage (GBl. DDR II S. 149) enthalten eine Fristenregelung. Nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes ist die Schwangere berechtigt, die Schwangerschaft innerhalb von zwölf Wochen nach deren Beginn durch einen ärztlichen Eingriff in einer geburtshilflich-gynäkologischen Einrichtung unterbrechen zu lassen. Nach § 2 darf eine Unterbrechung zu einem späteren Zeitpunkt nur vorgenommen werden, wenn zu erwarten ist, daß die Fortdauer der Schwangerschaft das Leben der Frau gefährdet, oder wenn andere schwerwiegende Gründe vorliegen; darüber entscheidet eine Fachärztekommission. Nach § 3 ist die Unterbrechung der Schwangerschaft grundsätzlich unzulässig, wenn sie zu schweren gesundheitsgefährdenden oder lebensbedrohenden Komplikationen führen kann (Abs. 1) oder wenn seit der letzten Unterbrechung weniger als sechs Monate vergangen sind (Abs. 2). § 4 Abs. 1 stellt die Vorbereitung, Durchführung und Nachbehandlung des zulässigen Schwangerschaftsabbruchs arbeits- und versicherungsrechtlich dem Erkrankungsfall gleich.
2. Art. 31 Abs. 4 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 gibt dem gesamtdeutschen Gesetzgeber auf, spätestens bis zum 31. Dezember 1992 eine Regelung zu treffen, die den Schutz des vorgeburtlichen Lebens und die verfassungskonforme Bewältigung von Konfliktsituationen schwangerer Frauen besser gewährleistet, als dies in den beiden Teilen Deutschlands derzeit der Fall ist.
a) Im Jahre 1991 brachten deshalb die Fraktion der FDP (BTDrucks. 12/551), die Abgeordneten Christina Schenk u.a. und die Gruppe Bündnis 90/Die Grünen (BTDrucks. 12/696), die Fraktion der SPD (BTDrucks. 12/841), die Abgeordneten Petra Bläss u.a. und die Gruppe PDS/Linke Liste (BTDrucks. 12/898), die Fraktion der CDU/CSU (BTDrucks. 12/1178 [neu]) sowie die Abgeordneten Herbert Werner u.a. (BTDrucks. 12/1179) Gesetzentwürfe ein, die eine für das gesamte Deutschland geltende Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs zum Gegenstand haben.
Während der Gesetzesberatung kam der Gesetzentwurf der Abgeordneten Inge Wettig-Danielmeier, Uta Würfel u.a. hinzu (BTDrucks. 12/2605, ersetzt durch die BTDrucks. 12/2605 [neu]). Kernpunkt des strafrechtlichen Teils dieses später mit Änderungen angenommenen Entwurfes ist ein grundlegend umgestalteter § 218 StGB sowie eine neugestaltete Beratungsregelung (§ 219 StGB). Danach sollen Schwangerschaftsabbrüche, die durch einen Arzt binnen zwölf Wochen seit der Empfängnis mit Einwilligung der schwangeren Frau vorgenommen werden, vom Straftatbestand des § 218 StGB nicht mehr erfaßt werden, sofern die Frau sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff durch eine anerkannte Beratungsstelle hat beraten lassen. Die bisherigen Tatbestände der kriminologischen Indikation und der allgemeinen Notlagenindikation sollen entfallen und nur noch die medizinische und die embryopathische Indikation als Rechtfertigungsgründe erhalten bleiben.
In der Begründung wird hervorgehoben, daß angesichts der Bedeutung des Rechtsguts des werdenden Lebens und dessen verfassungsrechtlicher Gewährleistung ein strafrechtlicher Schutz unverzichtbar sei. Die Erfahrungen mit der 1976 eingeführten Indikationenregelung hätten jedoch gezeigt, daß es nicht möglich sei, hinreichend konkrete, ärztlich und gerichtlich nachprüfbare Kriterien für das Vorliegen einer Notlage zu normieren, die einen Abbruch rechtfertigten. Letztlich könne nur die schwangere Frau selbst die Konfliktlage beurteilen, in der sie sich befinde. Es gelte deshalb eine Regelung zu finden, die sowohl dem hohen Wert des ungeborenen Lebens als auch der Eigenverantwortlichkeit der Frau Rechnung trage. Mit seinem Urteil vom 25. Februar 1975 habe das Bundesverfassungsgericht nicht jede Fristenlösung für verfassungswidrig erklärt. In welchem Maße das Strafrecht zum Schutz des ungeborenen Lebens eingesetzt werden müsse, hänge davon ab, ob andere Regelungen vorhanden seien, durch die ein tatsächlicher Schutz werdenden Lebens gewährleistet werde. Voraussetzung für die verfassungskonforme Ausgestaltung der im Entwurf vorgesehenen Änderungen des Strafrechts sei danach zum einen, daß der Staat in ausreichendem Maße sozialpolitische Mittel zur Verfügung stelle, um auf diese Weise das vorgeburtliche Leben zu schützen. Diesem Erfordernis dienten die vorgeschlagenen sozialpolitischen Maßnahmen. Zum anderen müsse sichergestellt werden, daß die Frau ihre verantwortliche Gewissensentscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch nicht losgelöst von der durch die Verfassung vorgegebenen Grundentscheidung für den Schutz des vorgeburtlichen Lebens treffe. Dies werde verfahrensmäßig durch die verpflichtende Beratung gewährleistet, durch die der Frau Rat und Hilfe in ihrem Konflikt angeboten sowie ausreichende Informationen über staatliche Hilfen als Grundlage für eine gründliche Reflexion ihrer Situation zuteil würden. Hierbei werde die Überlegung umgesetzt, daß die Bereitschaft zu einer Entscheidung für das werdende Leben am größten sei, wenn die Frau sich nicht dem Urteil anderer Stellen unterwerfen müsse, sondern nach qualifizierter Beratung und sorgfältiger Überlegung die Entscheidung über die Fortsetzung der Schwangerschaft selbst treffen könne. Die Entscheidungsfreiheit der Frau lasse das werdende Leben nicht schutzlos. Auf diese Weise könne sich die Chance realisieren, daß die Frau - ohne in der Beratung bevormundet zu werden - die ihr angebotenen Hilfen in ihrer Konfliktlage annehme und sich für das Kind entscheide. Da der für ein solches Beratungsgespräch vorauszusetzende verantwortungsvolle Kontakt zwischen schwangerer Frau und Beraterin oder Berater nicht erzwingbar sei, würden der Frau keine Darlegungspflicht und kein Rechtfertigungszwang auferlegt. Auf ihren Wunsch erhalte sie jedoch individuelle Lösungsvorschläge zur Bewältigung ihrer Konfliktlage. Die Beratung solle eine vertrauensvolle Atmosphäre zwischen Beraterin oder Berater und schwangerer Frau herstellen, damit die schwangere Frau offen sei, andere Konfliktlösungen als den Schwangerschaftsabbruch zu erwägen.
Der Entwurf übernimmt ferner die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über Krankenkassenleistungen bei Schwangerschaftsabbrüchen als §§ 24a, 24b in das Fünfte Buch des Sozialgesetzbuchs. Dazu heißt es in der Begründung (vgl. BTDrucks. 12/2605 [neu], S. 20):
    "§ 24b entspricht im wesentlichen dem bisherigen § 200 f. RVO. ... Erfaßt werden auch Schwangerschaftsabbrüche, die nach Beratung innerhalb der ersten 12 Wochen nach der Empfängnis durchgeführt werden, da Artikel 11 in § 218 Absatz 5 StGB den Straftatbestand des Schwangerschaftsabbruchs ausschließt. Es ist daher gesichert, daß hinsichtlich der Kostenübernahme keine Änderung gegenüber der derzeitigen Rechtslage eintritt."
Die im Entwurf ebenfalls enthaltene Änderung des Art. 4 des 5. StrRG (Wegfall der Bundesstatistik über Schwangerschaftsabbrüche, Sicherstellung eines flächendeckenden Netzes von Abbrucheinrichtungen) wird wie folgt begründet (BTDrucks. 12/2605 [neu], S. 23):
    "Für den bisherigen Artikel 4 besteht kein Bedarf. Der neue Artikel 4 verpflichtet die Länder, ein ausreichendes Angebot an Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen zur Verfügung zu stellen. Dies gilt sowohl für ambulante als auch für stationäre Einrichtungen. Damit wird ausgeschlossen, daß die Zulassung ambulanter Einrichtungen zum Schwangerschaftsabbruch generell verweigert wird."
b) Der Sonderausschuß "Schutz des ungeborenen Lebens" beriet die ersten sechs Gesetzentwürfe in 17 Sitzungen, den Gesetzentwurf in der BTDrucks. 12/2605 (neu) in drei Sitzungen.
Am 13., 14. und 15. November 1991 sowie am 4. und 6. Dezember 1991 fand vor dem Ausschuß eine öffentliche Anhörung zu den Fragen der Beratung, der Prävention und Sexualerziehung und zu den verfassungs-, straf- und arztrechtlichen Fragen statt (vgl. "Zur Sache, Themen parlamentarischer Beratung", herausgegeben vom Deutschen Bundestag, Band 1/92, S. 9 bis 1027).
Bei der Überarbeitung der Gesetzentwürfe wich der Ausschuß von der allgemeinen Übung ab: Im Blick darauf, daß die Entwürfe in entscheidenden Punkten miteinander unvereinbare Regelungen enthielten, wurden die Einzelfragen zwar gemeinsam beraten, die Entscheidung über sie und damit über etwaige Änderungen sowie die Endfassung des jeweiligen Gesetzentwurfes ausschließlich seinen im Ausschuß vertretenen Befürwortern und Unterzeichnern überlassen. Eine Schlußabstimmung über die einzelnen Vorlagen fand nicht statt. Der Ausschuß kam einstimmig überein, die Entscheidung über die künftige Regelung der mit ungewollten Schwangerschaften zusammenhängenden Fragen von der Gesamtheit der Mitglieder des Bundestages ohne Vorgabe durch den Ausschuß treffen zu lassen. Dies sei als Empfehlung zu verstehen, der Bundestag möge die Gesetzentwürfe in der Fassung, die sie im Ausschuß erhalten hätten, in zweiter Beratung behandeln und darüber abstimmen (vgl. Empfehlung und Bericht des Sonderausschusses "Schutz des ungeborenen Lebens", BTDrucks. 12/2875, S. 111).
c) Bei der namentlichen Abstimmung in der zweiten Beratung des Deutschen Bundestages erhielt der Entwurf der Abgeordneten Inge Wettig-Danielmeier, Uta Würfel u.a. (BTDrucks. 12/2605[neu]) in der Ausschußfassung (vgl. dazu Empfehlung und Bericht des Sonderausschusses "Schutz des ungeborenen Lebens", BTDrucks. 12/2875, S. 85 ff., insbesondere 99 ff.) die Mehrheit (Deutscher Bundestag, 12. WP., 99. Sitzung vom 25. Juni 1992, StenBer. S. 8374). Bei der namentlichen Schlußabstimmung über diesen Entwurf in der dritten Beratung stimmten von 657 Abgeordneten 357 mit Ja und 284 mit Nein. 16 Abgeordnete enthielten sich der Stimme (Deutscher Bundestag, 12. WP., 99. Sitzung vom 25. Juni 1992, StenBer. S. 8377).
Der Bundesrat stimmte dem Gesetzesbeschluß des Deutschen Bundestages gemäß Art. 84 Abs. 1 GG gegen die Stimmen Bayerns und bei Enthaltung Baden-Württembergs, Mecklenburg-Vorpommerns und Thüringens zu (Bundesrat, 645. Sitzung vom 10. Juli 1992, StenBer. S. 375). Der Bundesrat nahm ferner eine Entschließung des Landes Hessen an (vgl. BRDrucks. 451/3/92), in der gefordert wird, die Kosten der sozialen Begleitmaßnahmen auf alle Ebenen angemessen zu verteilen, insbesondere im Wege der Erhöhung des Anteils der Länder an der Umsatzsteuer zu Lasten des Bundes.
3. Dieses Gesetz vom 27. Juli 1992 (BGBl. I S. 1398) trägt die Überschrift "Gesetz zum Schutz des vorgeburtlichen/werdenden Lebens, zur Förderung einer kinderfreundlicheren Gesellschaft, für Hilfen im Schwangerschaftskonflikt und zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs (Schwangeren- und Familienhilfegesetz)"- im folgenden: SFHG -; es hat im wesentlichen folgenden Inhalt:
a) Art. 1 SFHG ("Gesetz über Aufklärung, Verhütung, Familienplanung und Beratung") verpflichtet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur Erstellung von Konzepten und zur Verbreitung von Materialien zur Sexualaufklärung (§ 1) und schafft einen Rechtsanspruch auf Beratung (§ 2) durch anerkannte Beratungsstellen (§ 3). Geschuldet werden Informationen u.a. über Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung, familienfördernde Leistungen und Hilfen für Kinder und Familien, soziale und wirtschaftliche Hilfen für Schwangere, die Methoden zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs und die damit verbundenen Risiken sowie Lösungsmöglichkeiten für psychosoziale Konflikte im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft. Die Schwangere ist darüber hinaus bei der Geltendmachung von Ansprüchen sowie bei der Wohnungssuche, bei der Suche nach einer Betreuungsmöglichkeit für das Kind und bei der Fortsetzung ihrer Ausbildung zu unterstützen. Die Länder haben dafür Sorge zu tragen, daß den Beratungsstellen für je 40.000 Einwohner mindestens ein Berater zur Verfügung steht. Die Beratungsstellen haben Anspruch auf eine angemessene öffentliche Förderung der Personal- und Sachkosten (§ 4).
Die durch Art. 2 des Gesetzes neu eingefügten §§ 24a, 24b des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) ersetzen die bisherigen §§ 200e, 200f und 200g RVO. Nach § 24a SGB V haben Versicherte Anspruch auf ärztliche Beratung über Fragen der Empfängnisregelung, Versicherte bis zum 20. Lebensjahr darüber hinaus auch auf Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln, soweit sie ärztlich verordnet werden. In § 24b SGB V wird den Versicherten ein Anspruch auf Leistungen bei einem nicht rechtswidrigen Abbruch der Schwangerschaft durch einen Arzt gewährt, wenn dieser in einer hierfür vorgesehenen Einrichtung vorgenommen wird. Diese Vorschrift lautet:
    Schwangerschaftsabbruch und Sterilisation
    (1) Versicherte haben Anspruch auf Leistungen bei einer nicht rechtswidrigen Sterilisation und bei einem nicht rechtswidrigen Abbruch der Schwangerschaft durch einen Arzt. Der Anspruch auf Leistungen bei einem nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch besteht nur, wenn dieser in einem Krankenhaus oder einer sonstigen hierfür vorgesehenen Einrichtung im Sinne des Artikels 3 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechts vorgenommen wird.
    (2) Es werden ärztliche Beratung über die Erhaltung und den Abbruch der Schwangerschaft, ärztliche Untersuchung und Begutachtung zur Feststellung der Voraussetzungen für eine nicht rechtswidrige Sterilisation oder für einen nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch, ärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei-, Verbands- und Heilmitteln sowie Krankenhauspflege gewährt. Anspruch auf Krankengeld besteht, wenn Versicherte wegen einer nicht rechtswidrigen Sterilisation oder wegen eines nicht rechtswidrigen Abbruchs der Schwangerschaft durch einen Arzt arbeitsunfähig werden, es sei denn, es besteht ein Anspruch nach § 44 Abs. 1."
Das Kinder- und Jugendhilfegesetz wird dahin ergänzt (Art. 5 SFHG), daß ein Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr an "nach Maßgabe des Landesrechts" Anspruch auf Besuch eines Kindergartens hat; vom 1. Januar 1996 an besteht dieser Anspruch ohne Einschränkung. Ferner sind ab diesem Zeitpunkt für Kinder unter drei Jahren und für Kinder im schulpflichtigen Alter nach Bedarf Plätze in Tageseinrichtungen und Tagespflegeplätze vorzuhalten. Die beschlossenen Änderungen des Bundessozialhilfegesetzes (Art. 8 SFHG) betreffen Verbesserungen bei der Anerkennung des Mehrbedarfs von werdenden Müttern und alleinerziehenden Personen sowie eine Ausdehnung des Regreßverbots für Unterhaltsansprüche gegen Verwandte ersten Grades einer Hilfeempfängerin, die schwanger ist oder ihr leibliches Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreut. Weitere Änderungen aus dem Bereich sozialer Hilfen betreffen u.a. das Arbeitsförderungsgesetz (Art. 6 SFHG), das Berufsbildungsgesetz (Art. 7 SFHG), das Zweite Wohnungsbaugesetz (Art. 9 SFHG), das Wohnungsbindungsgesetz (Art. 10 SFHG) sowie das Belegungsrechtsgesetz (Art. 11 SFHG).
b) Art. 13 Nr. 1 des Gesetzes ersetzt die §§ 218 bis 219d des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 1987 (BGBl. I S. 945, 1160) durch neue §§ 218 bis 219b (im folgenden: §§ 218 ff. StGB n.F.), die - soweit sie in diesem Verfahren von Interesse sind - folgenden Wortlaut haben:
    Schwangerschaftsabbruch
    (1) Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Handlungen, deren Wirkung vor Abschluß der Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter eintritt, gelten nicht als Schwangerschaftsabbruch im Sinne dieses Gesetzes.
    (2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
    1. gegen den Willen der Schwangeren handelt oder
    2. leichtfertig die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung der Schwangeren verursacht.
    (3) Begeht die Schwangere die Tat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
    (4) Der Versuch ist strafbar. Die Schwangere wird nicht wegen Versuchs bestraft.
    Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs
    (1) Der Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig, wenn
    1. die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 3 Satz 2 nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen (Beratung der Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage),
    2. der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen wird und
    3. seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.
    (2) Der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig, wenn nach ärztlicher Erkenntnis der Abbruch notwendig ist, um eine Gefahr für das Leben der Schwangeren oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung ihres körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes abzuwenden, sofern diese Gefahr nicht auf andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann.
    (3) Die Voraussetzungen des Absatzes 2 gelten auch als erfüllt, wenn nach ärztlicher Erkenntnis dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß das Kind infolge einer Erbanlage oder schädlicher Einflüsse vor der Geburt an einer nicht behebbaren Schädigung seines Gesundheitszustandes leiden würde, die so schwer wiegt, daß von der Schwangeren die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt werden kann. Dies gilt nur, wenn die Schwangere dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 3 Satz 2 nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen, und wenn seit der Empfängnis nicht mehr als zweiundzwanzig Wochen verstrichen sind.
    (4) Die Schwangere ist nicht nach § 218 strafbar, wenn der Schwangerschaftsabbruch nach Beratung (§ 219) von einem Arzt vorgenommen worden ist und seit der Empfängnis nicht mehr als zweiundzwanzig Wochen verstrichen sind. Das Gericht kann von Strafe nach § 218 absehen, wenn die Schwangere sich zur Zeit des Eingriffs in besonderer Bedrängnis befunden hat.
    § 218b Schwangerschaftsabbruch ohne ärztliche Feststellung; unrichtige ärztliche Feststellung
    (1) Wer in Fällen des § 218a Abs. 2 oder 3 eine Schwangerschaft abbricht, ohne daß ihm die schriftliche Feststellung eines Arztes, der nicht selbst den Schwangerschaftsabbruch vornimmt, darüber vorgelegen hat, ob die Voraussetzungen des § 218a Abs. 2 oder 3 Satz 1 gegeben (2) Ein Arzt darf Feststellungen nach § 218a Abs. 2 oder 3 Satz 1 nicht treffen, wenn ihm die zuständige Stelle dies untersagt hat, weil er wegen einer rechtswidrigen Tat nach Absatz 1, den §§ 218, 219a oder 219b oder wegen einer anderen rechtswidrigen Tat, die er im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch begangen hat, rechtskräftig verurteilt worden ist. Die zuständige Stelle kann einem Arzt vorläufig untersagen, Feststellungen nach § 218a Abs. 2 und 3 Satz 1 zu treffen, wenn gegen ihn wegen des Verdachts einer der in Satz 1 bezeichneten rechtswidrigen Taten das Hauptverfahren eröffnet worden ist.
    § 219 Beratung der Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage
    (1) Die Beratung dient dem Lebensschutz durch Rat und Hilfe für die Schwangere unter Anerkennung des hohen Wertes des vorgeburtlichen Lebens und der Eigenverantwortung der Frau. Die Beratung soll dazu beitragen, die im Zusammenhang mit der Schwangerschaft bestehende Not- und Konfliktlage zu bewältigen. Sie soll die Schwangere in die Lage versetzen, eine verantwortungsbewußte eigene Gewissensentscheidung zu treffen. Aufgabe der Beratung ist die umfassende medizinische, soziale und juristische Information der Schwangeren. Die Beratung umfaßt die Darlegung der Rechtsansprüche von Mutter und Kind und der möglichen praktischen Hilfen, insbesondere solcher, die die Fortsetzung der Schwangerschaft und die Lage von Mutter und Kind erleichtern. Die Beratung trägt auch zur Vermeidung künftiger ungewollter Schwangerschaften bei.
    (2) Die Beratung hat durch eine auf Grund Gesetzes anerkannte Beratungsstelle zu erfolgen. Der Arzt, der den Schwangerschaftsabbruch vornimmt, ist als Berater ausgeschlossen.
    (3) Die Beratung wird nicht protokolliert und ist auf Wunsch der Schwangeren anonym durchzuführen. Die Beratungsstelle hat über die Tatsache, daß eine Beratung gemäß Absatz 1 stattgefunden hat und die Frau damit die Informationen für ihre Entscheidungsfindung erhalten hat, sofort eine mit Datum versehene Bescheinigung auszustellen."
Art. 14 SFHG ändert einige Vorschriften der Strafprozeßordnung (StPO) und ergänzt insbesondere den § 108 StPO, der die Beschlagnahme von sogenannten Zufallsfunden betrifft, um ein Verwertungsverbot: Bei einem Arzt gefundene Gegenstände, die den Schwangerschaftsabbruch einer Patientin betreffen, dürfen in einem Strafverfahren gegen die Patientin wegen einer Straftat nach § 218 StGB nicht verwertet werden.
c) Zwei weitere Änderungen in Art. 15 SFHG betreffen das Fünfte Gesetz zur Reform des Strafrechts (5. StrRG) vom 18. Juni 1974 (BGBl. I S. 1297): Die Neufassung des Art. 3 Abs. 1 beseitigt - jedenfalls dem Wortlaut nach - das durch Art. 3 Abs. 1 des Fünfzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes eingeführte Erfordernis einer behördlichen Zulassung für Einrichtungen außerhalb von Krankenhäusern, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden (Satz 1), und bestimmt, daß der Schwangerschaftsabbruch zum frühest möglichen Zeitpunkt vorgenommen werden soll (Satz 2). Art. 4 n.F. betrifft nunmehr Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen und läßt damit das in Art. 4 geregelte Erfordernis einer Bundesstatistik entfallen. Die Vorschrift lautet:
    Einrichtung zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen
    Die zuständige oberste Landesbehörde stellt ein ausreichendes und flächendeckendes Angebot sowohl ambulanter als auch stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicher."
Die frühere Fassung hatte folgenden Wortlaut:
    Bundesstatistik
    Über die unter den Voraussetzungen des § 218a des Strafgesetzbuchs vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüche wird beim Statistischen Bundesamt eine Bundesstatistik geführt. Wer als Arzt einen solchen Schwangerschaftsabbruch ausgeführt hat, hat dies bis zum Ende des laufenden Kalendervierteljahres mit Angaben über
    1. den Grund des Schwangerschaftsabbruchs,
    2. den Familienstand und das Alter der Schwangeren sowie die Zahl der von ihr versorgten Kinder,
    3. die Zahl der vorangegangenen Schwangerschaften und deren Beendigung,
    4. die Dauer der abgebrochenen Schwangerschaft,
    5. die Art des Eingriffs und beobachtete Komplikationen,
    6. den Ort der Vornahme des Eingriffs und im Fall eines Krankenhausaufenthalts dessen Dauer sowie
    7. gegebenenfalls den fremden Staat, in dem die Schwangere ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, dem Statistischen Bundesamt anzuzeigen; der Name der Schwangeren darf dabei nicht angegeben werden."
Schließlich hebt Art. 16 SFHG die aufgrund des Einigungsvertrages fortgeltenden Bestimmungen des Rechts der DDR über den Schwangerschaftsabbruch auf.
III.
Mit Urteil vom 4. August 1992 (BVerfGE 86, 390) ordnete das Bundesverfassungsgericht aufgrund von Anträgen der Bayerischen Staatsregierung sowie von 248 Abgeordneten des Deutschen Bundestages gemäß § 32 BVerfGG u.a. an, daß Art. 13 Nr. 1 und Art. 16 des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes vom 27. Juli 1992 (BGBl. I S. 1398) einstweilen nicht in Kraft treten und die in Art. 4 (Bundesstatistik) des Fünften Strafrechtsreformgesetzes vom 18. Juni 1974 (BGBl. I S. 1297), geändert durch Art. 3 und Art. 4 des Gesetzes vom 18. Mai 1976 (BGBl. I S. 1213) getroffenen Regelungen einstweilen in Kraft bleiben und auch in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet anzuwenden sind (vgl. BVerfGE 86, 390 ff.; BGBl. 1992 I S. 1585). Die einstweilige Anordnung wurde durch Beschluß vom 25. Januar 1993 wiederholt (BVerfGE 88, 83 = BGBl. I S. 270).
 
B. -- I.
Die Bayerische Staatsregierung hat im Verfahren 2 BvF 2/90 gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 13 Nr. 6 BVerfGG die verfassungsgerichtliche Überprüfung der Vorschriften in § 218b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 219 Abs. 1 Satz 1 StGB in der Fassung des 15. Strafrechtsänderungsgesetzes und der §§ 200f, 200g RVO beantragt, soweit diese Vorschriften Schwangerschaftsabbrüche aufgrund der allgemeinen Notlagenindikation (§ 218a Abs. 2 Nr. 3 StGB in der Fassung des 15. Strafrechtsänderungsgesetzes) betreffen. Sie macht geltend, die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung seien im angegebenen Umfang nichtig; für die angegriffenen Bestimmungen des Strafgesetzbuches müsse der Gesetzgeber binnen angemessener Frist eine Neuregelung treffen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge.
1. Die Vorschriften der §§ 218b, 219 Abs. 1 StGB a.F. stellten keinen ausreichenden Ausgleich dafür dar, daß der Schwangerschaftsabbruch bei bestimmten Indikationen nicht mit Strafe bedroht werde. Sie genügten - wie die Antragstellerin näher darlegt - weder in ihrer Summe noch im Detail den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen wirksamen Schutz des ungeborenen Lebens, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 25. Februar 1975 formuliert habe. Die Vorschriften ermöglichten in Verbindung mit der unscharfen Formulierung der Notlagenindikation bei Einhaltung gewisser Formalitäten Straflosigkeit wie im Falle einer Fristenlösung. Als "allgemeine Notlage" werde auf der Grundlage dieses Konzepts in der Praxis alles anerkannt, was gegen die Bedürfnisse und Lebensperspektiven der Frau gerichtet sei und sie gefährde. Es liege in der Konsequenz dieses Konzepts, daß die Frau letztlich selbst einzuschätzen habe, ob sie sich auf eine Indikation berufen könne.Die Indikationsfeststellung werde auf diese Weise zum Gegenstand eines vermeintlichen Rechtsanspruchs der Frau, der sich in einem Anspruch auf Entlastung vom finanziellen Aufwand des Abbruchs fortsetze. Die Beratung erfolge dabei nur "pro forma" und gelte schwerpunktmäßig der Vermittlung indikationsfeststellender und abbruchbereiter Ärzte.
Die Vorschriften seien daher mit dem durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz des ungeborenen Lebens unvereinbar. Da ihre Nichtigkeit oder Unanwendbarkeit aber selbst die ihnen zukommende begrenzte Schutzwirkung für das werdende Leben beseitigte, seien sie indes ungeachtet ihrer Verfassungswidrigkeit bis zu der gebotenen Neuregelung für weiterhin anwendbar zu erklären. Die Verpflichtung des Gesetzgebers, binnen angemessener Frist eine Nachbesserung vorzunehmen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge, ergebe sich aus der grundgesetzlichen Schutzpflicht für das ungeborene Leben.
2. Die §§ 200f, 200g RVO seien aus kompetenzrechtlichen und materiellen Gründen verfassungswidrig und nichtig, soweit sie Versicherten einen Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Schwangerschaftsabbrüchen gewähren, die nach § 218a Abs. 2 Nr. 3 StGB a.F. (Notlagenindikation) nicht strafbar sind.
a) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes lasse sich nicht aus Art. 74 Nr. 12 GG ("Sozialversicherung") herleiten. Die soziale Krankenversicherung diene der Absicherung gegen Krankheit und verwandte Risiken durch Zusammenschluß und Beitragszahlung gleichartig Bedrohter. In den Fällen der sogenannten Notlagenindikation sei der Schutz vor Mutterschaft kein typisches vorsorgefähiges Risiko, das von der Versichertengemeinschaft zu tragen sei. Mutterschaft sei keine Krankheit; ein Schwangerschaftsabbruch, der nach § 218a Abs. 2 Nr. 3 StGB a.F. indiziert sei, werde auch nicht als Heileingriff bewertet.
Die Gesetzgebungszuständigkeit ergebe sich auch nicht aus Art. 74 Nr. 7 GG ("öffentliche Fürsorge"). Der Erwägung, daß Schwangere bei nicht mit Strafe bedrohten Schwangerschaftsabbrüchen nicht wegen ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse benachteiligt werden dürften, könne der Gesetzgeber aufgrund des Art. 74 Nr. 7 GG nur im Sozialhilferecht Rechnung tragen (vgl. § 37a BSHG). Er könne aber aufgrund dieser Erwägung nicht allgemeine Leistungsansprüche in der gesetzlichen Krankenversicherung begründen, die die individuelle Leistungsfähigkeit der Versicherten nicht berücksichtigten, und die dadurch entstehenden versicherungsfremden Lasten auf alle Beitragszahler verteilen.
b) Die Vorschriften der §§ 200f, 200g RVO seien auch materiell verfassungswidrig. Die Schutzpflicht für das ungeborene Leben gebiete den Staatsorganen, sich in allen Bereichen der Rechtsordnung schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen. Dagegen verstießen die angegriffenen Bestimmungen: Das Grundgesetz verwehre es dem Gesetzgeber zwar nicht, Schwangerschaftsabbrüche aufgrund einer allgemeinen Notlagenindikation nicht mit Strafe zu bedrohen. Er sei jedoch gehindert, für diesen Fall Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung vorzusehen und dadurch zur Vernichtung des zu schützenden Rechtsgutes Hilfe zu leisten. Der Staat setze damit seine sozialpolitischen Mittel nicht für, sondern gegen das werdende Leben ein. Die Kassenleistungen bildeten zudem einen Anreiz für die ausufernde Anwendung des Tatbestandes der allgemeinen Notlagenindikation. Die Hemmschwelle gegenüber Schwangerschaftsabbrüchen werde ganz allgemein gesenkt, indem der Schwangerschaftsabbruch im "sozialen Netz" aufgefangen werde.
Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 25. Februar 1975 ausgesprochen, daß die Mißbilligung des Schwangerschaftsabbruchs in der Rechtsordnung klar zum Ausdruck kommen müsse. Es sei der falsche Eindruck zu vermeiden, es handle sich beim Schwangerschaftsabbruch um den gleichen sozialen Vorgang wie etwa einen Gang zum Arzt zwecks Heilung einer Krankheit oder gar um eine rechtlich irrelevante Alternative zur Empfängnisverhütung. Gerade dieses Mißverständnis förderten die angegriffenen Vorschriften. Die Indikationstatbestände nach § 218a StGB a.F. in Verbindung mit der gesetzlichen Einräumung eines Anspruchs auf Kassenleistungen erweckten den Eindruck, als sei die Abtreibung Gegenstand eines sozialen Anspruchs. Hier liege eine wesentliche Ursache für den vielfach beklagten Verlust des rechtsethischen Bewußtseins für die Schutzbedürftigkeit des ungeborenen Lebens.
Schließlich seien die angegriffenen Vorschriften der Reichsversicherungsordnung auch deshalb verfassungswidrig, weil nicht sichergestellt sei, daß die Kassenleistungen nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen in Anspruch genommen würden; sie enthielten keinerlei Ansatz für eine Mißbrauchsabwehr. Die Krankenkassen seien nicht verpflichtet, ihre Leistungen vom Nachweis der Indikationsvoraussetzungen durch ein begründetes ärztliches Votum abhängig zu machen. Das geltende Recht schreibe auch nicht vor, daß der Arzt seine Leistungen bei einem Schwangerschaftsabbruch nur abrechnen dürfe, wenn er seine Meldepflicht gemäß Art. 4 des 5. StrRG in Verbindung mit Art. 3 Nr. 2 des 15. StÄG erfüllt habe. Eine solche Koppelung könnte den Arzt zu einer gesetzestreueren Handhabung des § 218a Abs. 1 und 2 StGB a.F. bewegen und die Aufsichtsbehörden der Länder in die Lage versetzen, mit rechtsaufsichtlichen Mitteln auf deren Einhaltung hinzuwirken.
II.
1. Die Bundesregierung und die Landesregierungen von Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein halten den Antrag bezüglich der Beratung und Indikationsfeststellung für unbegründet; die Landesregierungen sehen ihn überdies als durch den Einigungsvertrag überholt an. Das Grundkonzept des Fünfzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes sei vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 25. Februar 1975 gebilligt worden. Im vorliegenden Verfahren - so führt die Bundesregierung aus - gehe es allein um die Frage, ob der Gesetzgeber Rechtsänderungen vornehmen müsse, um die Umsetzung seiner verfassungsrechtlich unbedenklichen Bewertung von Schwangerschaftsabbrüchen in der Rechtswirklichkeit zu verbessern. Er könne jedoch von Verfassungs wegen nicht auf bestimmte Details der Beratungsregelung festgelegt sein, wenn eine andere - auch die bestehende - Regelung nach seiner Einschätzung ebenfalls geeignet sei, dem Schutz des ungeborenen Lebens zu dienen. Die Wahl eines bestimmten Konzepts sei insoweit verfassungsrechtlich nicht vorgegeben. Die Kritik der Antragstellerin betreffe Detailregelungen, die in den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers fielen. Nach Ansicht der Landesregierungen trifft auch der Vorwurf der Antragstellerin nicht zu, das geltende Recht sei im Blick auf die Generalprävention ineffizient. Es trage im Gegenteil zur Bildung des Rechtsbewußtseins der Bevölkerung bei.
Die von der Antragstellerin angegriffenen Vorschriften der Reichsversicherungsordnung seien gleichfalls verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dem Bund stehe für die §§ 200f, 200g RVO die Gesetzgebungskompetenz zu; sie unterfielen als "sonstige Hilfen" im Sinne der §§ 200e ff. RVO dem Kompetenzbereich der "Sozialversicherung" nach Art. 74 Nr. 12 GG. Der Begriff der Sozialversicherung sei ein weitgefaßter verfassungsrechtlicher Gattungsbegriff, der für neue Lebenssachverhalte und neue Sozialleistungen offen sei, wenn diese in ihren wesentlichen Strukturelementen, insbesondere in der organisatorischen Durchführung und hinsichtlich der abzudeckenden Risiken, dem Bild entsprächen, das durch die klassische Sozialversicherung geprägt sei. Die Gewährung der Leistungen nach §§ 200f, 200gRVO sei nicht nur an einen Träger der klassischen Sozialversicherung angelehnt, sondern in dessen Leistungsgewährung integriert. Die Leistungen wiesen auch inhaltliche Strukturelemente der Sozialversicherung auf. Sie hätten - so die Bundesregierung - vor allem auch den gesundheitlichen Schutz versicherter Frauen zum Ziel, die einen von der Rechtsordnung nicht mißbilligten Schwangerschaftsabbruch durchführen ließen. Die umfassenden Kassenleistungen sollten gewährleisten, daß aus medizinischer Sicht alles Erforderliche getan werde, um gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Gesundheitsschäden vorzubeugen.
Die §§ 200f, 200g RVO verstießen auch nicht gegen das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Für einen kausalen Zusammenhang zwischen dieser Regelung und den Abbruchzahlen gebe es keine tatsächlichen Anhaltspunkte. Im Gegenteil spreche alles dafür, daß keine Frau die schwerwiegende Entscheidung über den Abbruch einer Schwangerschaft von einer Kostenlast von etwa 300 bis 1.500 DM abhängig machen würde. Einen "Anreiz" zum oder eine "Prämierung" des Schwangerschaftsabbruchs stellten die Leistungen der Krankenkasse nicht dar. Die Leistungen prämierten nicht den Schwangerschaftsabbruch, sondern das Sich-Einlassen der Frau auf das Verfahren der Beratung und Indikationsfeststellung und dienten damit dem Schutz des ungeborenen Lebens. Im übrigen dürfe die gesetzliche Krankenversicherung nur dann Leistungen erbringen, wenn der Abbruch nicht rechtswidrig sei. Die sozialversicherungsrechtlichen Normen enthielten keine eigene rechtliche Bewertung von Schwangerschaftsabbrüchen, für die verfassungsrechtlich auch kein Anlaß bestehe; sie stellten sich lediglich als akzessorische Folgeregelungen zu den strafrechtlichen Bestimmungen dar. Der von der Antragstellerin behauptete Mißbrauch der §§ 200f, 200g RVO zur Finanzierung gesetzwidriger Abbrüche stelle dieses Ergebnis nicht in Frage. In einem Normenkontrollverfahren könne es nur um mögliche Versäumnisse des Gesetzgebers, nicht aber um solche von Verwaltung und Justiz gehen.
Zur Beratungspraxis haben die Landesregierungen das Ergebnis einer aufgrund eines gemeinsam erarbeiteten Fragebogens durchgeführten Umfrage bei den Beratungsstellen in den Ländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig- Holstein mitgeteilt sowie einen Erfahrungsbericht über den Vollzug des § 218b StGB a.F. im Lande Bremen in den Jahren 1987 und 1988 vorgelegt.
2. Nach Auffassung der Landesregierung von Baden-Württemberg entspricht die Rechtslage beim Beratungs- und Indikationsfeststellungsverfahren nicht den im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar 1975 gestellten Anforderungen.
Der Staat könne seine Verpflichtung, das sich entwickelnde Leben in Schutz zu nehmen, nur dann wirksam erfüllen, wenn er bundeseinheitlich verbindliche Maßstäbe für Beratung und Indikation setze und die bestehende Rechtszersplitterung in den Ländern beseitige. Die §§ 218b, 219 StGB a.F. regelten das Beratungs- und Indikationsfeststellungsverfahren sowie den Inhalt der Beratung nur lückenhaft und ungenau. So nähmen einige Träger solcher Einrichtungen für sich in Anspruch, die Beratung "wertneutral" führen zu dürfen. Außerdem ließen die geltenden Bestimmungen Vorkehrungen dagegen vermissen, daß die im Interesse eines wirksamen Lebensschutzes unumgängliche Eigenständigkeit von Beratung und Indikation gewahrt bleibe.
3. Die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Thüringen beschränken sich in ihren Äußerungen im wesentlichen darauf, zur Beratungspraxis in ihrem Land Stellung zu nehmen.
4. Von den obersten Gerichtshöfen des Bundes haben der Bundesgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht, das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht Stellungnahmen einzelner Senate übermittelt. Von den angehörten Beratungsstellen oder deren Trägern, Versicherungsträgern und sonstigen Stellen haben sich geäußert: Sozialdienst katholischer Frauen - Zentrale e.V., Deutscher Caritasverband e.V., Diakonisches Werk der EKD in Deutschland e.V., Pro Familia Deutsche Gesellschaft für Sexualberatung und Familienplanung e.V., Arbeiterwohlfahrt - Bundesverband e.V., Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugend und Eheberatung e.V., Ulmer Beratungsstelle für Problemschwangerschaften e.V., Hannoversche Arbeitsgemeinschaft für Jugend und Eheberatung e.V., Soziale Beratungsstelle der Landeshauptstadt Stuttgart für werdende Mütter, Sozialmedizinische Familienberatung in Düsseldorf, AOK-Bundesverband, Bundesärztekammer und Deutscher Ärztinnenbund e.V.
 
C. - I.
Die Bayerische Staatsregierung (2 BvF 4/92) und 249 Mitglieder des Deutschen Bundestages (2 BvF 5/92) haben gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 13 Nr. 6 BVerfGG den Antrag auf verfassungsrechtliche Überprüfung der Art. 13 Nr. 1 und 15 Nr. 2 SFHG gestellt. Sie halten die in Art. 13 Nr. 1 geregelte Neufassung des § 218a Abs. 1 StGB und des § 219 StGB (Beratung der Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage) sowie die in Art. 15 Nr. 2 vorgesehene Aufhebung des Art. 4 des 5. StrRG (Bundesstatistik) für unvereinbar mit dem Grundgesetz, weil diese Vorschriften gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verstießen.
Die Bayerische Staatsregierung hält darüber hinaus aus denselben Gründen die Sicherstellungsverpflichtung unter Art. 15 Nr. 2 SFHG (Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen) und die Bestimmung des § 24b SGB V in der Fassung des Art. 2 SFHG für verfassungswidrig. Sie ist weiter der Meinung, daß es insoweit an der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes fehle. Sie hat zur Stützung ihres Standpunktes auch ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Kriele zum Thema der nicht-therapeutischen Abtreibung vor dem Grundgesetz vorgelegt.
II.
Zur Begründung wird im wesentlichen vorgetragen:
1. Das Grundgesetz stelle in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 das sich im Mutterleib entwickelnde Leben unter den Schutz des Staates. Die Schutzpflicht habe nicht das Leben als Abstraktum zum Gegenstand, sondern die je individuelle und einzigartige Existenz jedes einzelnen Menschen. Der so geschützte Mensch existiere als einzigartiges Individuum nicht erst mit der Geburt, sondern auch schon vorher.
Die verschiedenen Regelungskonzepte für den Schwangerschaftsabbruch (generelle Rechtmäßigkeits-Wertung; eingeschränkte Unrechtswertung) könnten nicht nur begriffen werden als je besondere gesetzgeberische "Wege", um den ungeborenen Menschen "möglichst wirksam" zu schützen. Die Verfassung gestatte es dem Gesetzgeber nicht, ein Konzept genereller Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs einzusetzen, um ungeborenes Leben im ganzen besser zu schützen; denn der Verzicht auf das grundgesetzlich gebotene Unrechtsurteil bedeute Verzicht auf den dem einzelnen ungeborenen Menschen durch die Verfassung unmittelbar verliehenen Schutz- und Achtungsanspruch. Sogar für den verfassungsändernden Gesetzgeber seien die Verbürgungen der einzelnen Grundrechte insoweit einer Einschränkung entzogen, als sie zur Aufrechterhaltung einer dem Art. 1 Abs. 1 und 2 GG entsprechenden Ordnung unverzichtbar seien. Die generelle Ausmerzung des Unrechtsgehalts von Tötungshandlungen greife in diesen Kernbereich ein, weil dadurch der elementarste rechtliche Schutz für das bedrohte Rechtsgut preisgegeben werde.
Nach wie vor sei das grundsätzliche Unrechtsurteil - nach Auffassung der Bayerischen Staatsregierung auch eine grundsätzliche und zeitlich nicht eingeschränkte Bedrohung mit Strafe - neben allen erforderlichen Beratungs- und Hilfsangeboten ein notwendiges und geeignetes Mittel zum Schutz des ungeborenen Lebens. Es habe Einfluß auf die Wertvorstellungen und die Verhaltensweisen der Bevölkerung. Diese rechtsethische Signalwirkung sei auch an anderer Stelle für den Schutz bedeutsamer Rechtsgüter in Anspruch genommen worden (Umweltstrafrecht, Embryonenschutz), ersichtlich ohne Rücksicht darauf, ob in der Praxis eine realistische Chance der strafrechtlichen Verfolgung bestehe.
Sollte § 218a Abs. 1 StGB n.F. - so führt die Bayerische Staatsregierung ergänzend aus - als verfassungsrechtlich unbedenklich beurteilt werden, so werde im Beitrittsgebiet das Konzept der dort seit 1972 geltenden Fristenregelung letztlich bestätigt. Der Gesetzgeber verzichte sonach auf den Versuch, mit seinen Mitteln ein rechtliches Bewußtsein vom Wert und verfassungsrechtlichen Schutz des ungeborenen Lebens in der Bevölkerung der neuen Länder zu schaffen. Spezifische Gefahren drohten dem ungeborenen Leben auch durch die medizinisch- pharmazeutische Entwicklung. Käme zur befristeten strafrechtlichen Freigabe der Abtreibung die Zulassung des Hormonpräparates RU 486 in Deutschland hinzu, so ergäbe sich daraus eine Kombination rechtlicher und medizinisch-organischer Erleichterungen des Schwangerschaftsabbruchs. Die Verbesserung der pränatalen Diagnostik habe zur Folge, daß die Eltern häufig schon jetzt, in jedem Falle aber in absehbarer Zeit innerhalb der ersten zwölf Wochen feststellen lassen könnten, ob das erwartete Kind in jeder Hinsicht gesund sei. Lasse die Frau wegen einer festgestellten Schädigung der Leibesfrucht die Schwangerschaft innerhalb der ersten zwölf Wochen seit Empfängnis abbrechen, so sei dies "nicht rechtswidrig", ohne daß es darauf ankomme, ob die Schädigung des Gesundheitszustandes behebbar sei oder so schwer wiege, daß von der Schwangeren die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt werden könne. Damit werde ein Schwangerschaftsabbruch aus rein eugenischen Gründen möglich. Entsprechend den Erfahrungen aus den Vereinigten Staaten sei auch zu befürchten, daß in Zukunft eine größere Zahl von Frauen einen Schwangerschaftsabbruch verlange, weil das ungeborene Kind das nicht gewünschte Geschlecht habe. Der Arzt könne diesem Wunsch nicht entgegenhalten, der Eingriff sei rechtswidrig; auch derjenige, der einen solchen Abbruch öffentlich empfehle, befinde sich im Einklang mit der Rechtsordnung.
Verfassungsrechtlich komme eine Rechtfertigung des Schwangerschaftsabbruchs nur im Einzelfall aufgrund einer Interessen- und Güterabwägung in Betracht. An dieser fehle es im Fall des § 218a Abs. 1 StGB n.F. Nach dieser Vorschrift würden alle Fälle legalisiert, in denen die Schwangere den Abbruch der Schwangerschaft - aus welchen Gründen auch immer - verlange. Eine Beschränkung auf rechtfertigende Ausnahmetatbestände enthalte das Gesetz insoweit nicht. Das Vorliegen einer Not- und Konfliktlage werde an keiner Stelle zur Voraussetzung eines nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruchs in den ersten zwölf Wochen gemacht, sondern in der Neufassung der §§ 218a Abs. 1 und 219Abs. 1 Satz 2 StGB lediglich generell unterstellt. Auch stelle das regelmäßige Bestehen einer schwierigen Lebenssituation noch keinen zureichenden Rechtfertigungsgrund dar. Es müsse eine außergewöhnliche Belastung im Einzelfall vorliegen, welche das Austragen des Kindes für die Frau als wirklich unzumutbare Härte erscheinen lasse. Das Gesetz fordere jedoch nicht einmal, daß die Frau, die den Schwangerschaftsabbruch verlange, zumindest subjektiv das Austragen des Kindes als unzumutbare außergewöhnliche Belastung empfinde. Die These, Frauen trieben nicht "leichtfertig" ab, erfasse nur einen Teil der Wirklichkeit. Nicht wenige Frauen betrachteten den Schwangerschaftsabbruch als Teil ihrer persönlichen, rechtlich nicht einschränkbaren Freiheit. Die verhältnismäßig hohe Zahl von Mehrfachabbrüchen in Rechtsordnungen mit sogenannter Fristenlösung deute überdies ebenso wie die öffentlichen Kampagnen für die Abtreibung darauf hin, daß der Schwangerschaftsabbruch auch als Mittel der Familienplanung verstanden und praktiziert werde.
Das Gesetz versage der schwangeren Frau jeden Maßstab dafür, wann ein Austragen der Schwangerschaft unzumutbar sei. Es lasse damit gerade jene Frauen im Stich, die durch Einwirkungen ihrer Umwelt (Eltern, Kindesvater, Arbeitgeber) zur Abtreibung gedrängt werden, und zwar in einem Zeitraum, in dem die Schwangere solchen Pressionen besonders intensiv ausgesetzt sei. Das Argument, auf Maßstäbe für die Unzumutbarkeit müsse gänzlich verzichtet werden, weil sonst in der Beratung Gewissensnöte vorgetäuscht würden und die "Kommunikation zum Ritual" entarte, überzeuge nicht. Es sei nicht einsichtig, wieso dadurch, daß der Abbruch generell für nicht rechtswidrig erklärt werde, zu einer "offeneren" Beratungsatmosphäre beigetragen werde; denn die Frau sei im Falle der Beratung schon nach geltendem Recht von der Strafdrohung ausgenommen.
Mit der Qualifikation als "nicht rechtswidrig" in § 218a Abs. 1 StGB n.F. gebe der Gesetzgeber der gesamten Rechtsordnung die Grundwertung vor. Es sei klar, daß die genannte Bestimmung den unmittelbaren Anschluß an § 24b SGB V suche und finde. Die Leistungen der Krankenkasse würden damit notwendigerweise auch für jene Schwangerschaftsabbrüche gewährt, die aus Gründen erfolgten, die vor dem Grundgesetz keinen Bestand hätten. Schwere neuartige Konflikte ergäben sich ferner im ärztlichen Berufsrecht und im Organisationsrecht.
Die Zurücknahme des Unrechtsurteils werde nicht durch die im Schwangeren- und Familienhilfegesetz vorgesehenen sozialpolitischen Maßnahmen aufgewogen. Eine rechtliche Mißbilligung des Schwangerschaftsabbruchs komme darin nicht zum Ausdruck. Dies könne im Sozialrecht allenfalls dadurch geschehen, daß der Gesetzgeber nicht in jedem Falle eines Schwangerschaftsabbruchs soziale Vorteile gewähre.
Im übrigen stehe die Verwirklichung der sozialpolitischen Maßnahmen in wesentlichen Punkten noch aus und sei - wie die Verweisung auf den "Finanzausgleich" zeige - in hohem Maße ungewiß.
2. Die Beratung solle die Schutzfunktion übernehmen, die im Indikationenmodell die Feststellung der rechtfertigenden Indikationstatbestände erfülle. An die Stelle objektivierter Kontrolle träten prozedurale Einwirkungen auf den nicht kontrollierbaren Entscheidungsprozeß. Die Beratung bilde damit im gesetzlichen Konzept den "zentralen Punkt".
Daraus folge, daß die Beratung Pflicht sein müsse. Sie dürfe sich auch nicht auf eine bloße Information über Leistungseinrichtungen und Rechtsansprüche beschränken, sondern müsse darauf gerichtet sein, die Frau zu ermutigen, die Schwangerschaft auszutragen. Dazu müsse die Frau ihre Not- und Konfliktlage darlegen und die Gründe benennen, die sie zu einem Schwangerschaftsabbruch bestimmten. Von einer Beratung könne jedenfalls dann keine Rede sein, wenn sich die Schwangere vollständig ausschweige. Der plausible Gedanke, nur eine Beratung "ohne Druck" könne eine gewisse Aussicht auf lebensschützenden Erfolg haben, könne auch nicht bedeuten, daß die schwangere Frau nicht mit der Bewertung des Schwangerschaftsabbruchs als Unrecht konfrontiert werden dürfe. Erforderlich sei ferner, die beratenden Instanzen und Personen durch normative und institutionelle Vorkehrungen dazu anzuhalten, daß sie die Beratung entsprechend den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben durchführen. Dies wiederum setze ein Minimum an Protokollierung des Beratungsvorganges voraus.
Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge die in § 219 Abs. 1 StGB n.F. geregelte Beratung nicht. Sie sei auf das Prinzip der Selbstbestimmung der Frau ausgerichtet. Obwohl in § 219 nicht weniger als neunmal der Begriff der "Beratung" verwendet werde, würden in der Sache nur Informationspflichten begründet. Im Gesetz sei nicht einmal gesagt, daß Gegenstand der Beratung die Not- und Konfliktlage sein solle, in der sich die Schwangere befinde. Die Beratung werde im Gesetz auch nicht als Gespräch definiert. Des weiteren fehle die Vorgabe des Beratungsziels, die Schwangere zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen. Es werde nur die Erwartung des Gesetzgebers zum Ausdruck gebracht, daß die Beratung dem Lebensschutz diene. Der Kern der Vorschrift liege im Absatz 1 Satz 3, nach dem die Beratung dazu dienen solle, die Schwangere in die Lage zu versetzen, eine "verantwortungsbewußte eigene Gewissensentscheidung" zu treffen. Mit dieser verfehlten Umschreibung werde ein falsches Vorverständnis erzeugt, das zu Denk- und Argumentationsverboten führe und geeignet sei, die unkontrollierbare Entscheidung über den Schwangerschaftsabbruch mit dem Schein einer verfassungsrechtlich geschützten Gewissensentscheidung zu umgeben. Des weiteren fehle eine gesetzliche Verpflichtung der Schwangeren zur Darlegung ihrer persönlichen Notlage ebenso wie eine auch nur minimale Pflicht zur Protokollierung der Beratung.
3. Die Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit zumindest des § 218a Abs. 1 und des § 219 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 StGB n.F. könne nicht isoliert festgestellt werden. Sie führe aus den Gründen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 4. August 1992 zur Nichtigkeit des Art. 13 Nr. 1 des SFHG insgesamt.
4. Die Beibehaltung der Bundesstatistik über Schwangerschaftsabbrüche (vgl. Art. 4 des 5. StrRG a.F.) sei unter dem Gesichtspunkt der Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers verfassungsrechtlich geboten.
5. Zur Regelung der in Art. 15 Nr. 2 SFHG enthaltenen Sicherstellungsverpflichtung fehlt dem Bund nach Auffassung der Bayerischen Staatsregierung die Gesetzgebungskompetenz. Die Sicherstellungsverpflichtung des Art. 15 Nr. 2 SFHG verstoße auch inhaltlich gegen das Grundgesetz und sei deshalb nichtig. Sie gehe über eine Verpflichtung der obersten Landesbehörde, im Rahmen der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten darauf hinzuwirken, daß ein ausreichendes und flächendeckendes Angebot an Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen zur Verfügung stehe, weit hinaus. Der Gesetzgeber verpflichte eine bestimmte Landesbehörde und mit ihr das Land zu einer Leistung, die rechtlich und tatsächlich nicht möglich oder unzumutbar sei. Dies sei ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) und gegen das Prinzip der Bundestreue.
6. Die Bayerische Staatsregierung hält schließlich § 24b SGB V in der Fassung des Art. 2 SFHG aus den im Verfahren 2 BvF 2/90 vorgebrachten kompetenzrechtlichen und materiellen Gründen für verfassungswidrig.
III.
Von den nach § 77 BVerfGG zur Äußerung Berechtigten haben Stellung genommen: der Deutsche Bundestag, der sich ergänzend auf ein von Prof. Dr. Eser erstelltes Rechtsgutachten bezieht,sowie - in einer gemeinsamen Stellungnahme - die Landesregierungen von Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein. Sie halten die Anträge für unbegründet; von einer Äußerung zur Bundesstatistik hat der Deutsche Bundestag abgesehen.
1. Der Gesetzgeber des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes sei von einer umfassenden Schutzpflicht des Staates für das Leben, einschließlich des vorgeburtlichen, ausgegangen, habe sich auf die Erkenntnis, daß ein wirksamer Lebensschutz; nicht allein durch Strafdrohungen erreicht werden könne, gestützt und das Prinzip "Hilfe statt Strafe" zugrunde gelegt. Diese Strategie verspreche jedenfalls mittel- und längerfristig einen deutlich besseren Lebensschutz als ein bloßes Abschreckungsstrafrecht, welches die Frau zur unmündigen Normunterworfenen herabstufe; es erreiche auch einen höheren Grad rechtsethischer Integration.
Biologisch gesehen sei die Entwicklung menschlichen Lebens ein Kontinuum, das mit der Kernverschmelzung von Ei und Samenzelle beginne und mit dem Tode des Individuums ende. Weder die Nidation noch die Geburt erschienen bei dieser Betrachtung als Einschnitte. Dennoch dürfe der Gesetzgeber an verschiedene Entwicklungsphasen unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen und müsse dies unter Umständen auch tun. Soweit der vorgeburtliche menschliche Entwicklungsprozeß überhaupt Einschnitte aufweise, seien diese im Blick auf die Beziehung zwischen der Mutter und dem Ungeborenen zu ermitteln. Die Schwangere nehme das ungeborene Leben erst allmählich wahr. Erst von dieser Wahrnehmung an könne von der Schwangeren die Entscheidung für die Annahme der Leibesfrucht verlangt werden. Erst mit der Annahme gewinne die Beziehung der Schwangeren zur Leibesfrucht Verbindlichkeit. Dies gelte schon nach bisherigem Recht. Die angegriffene Regelung gehe von denselben Fristen und denselben Wirkungen des Fristablaufs aus. Die bisherige Regelung für den Schwangerschaftsabbruch habe normativ die Unzumutbarkeit der Annahme vorausgesetzt. Die Neufassung des § 218a StGB ändere dies nur insoweit, als sie die kriminologische und die soziale Indikation entfallen und an ihre Stelle die "informierte Entscheidung" der Schwangeren nach entsprechender Beratung treten lasse.
Das Bundesverfassungsgericht habe immer wieder betont, daß es Sache des Gesetzgebers sei zu entscheiden, auf welche Weise er seine verfassungsrechtliche Pflicht, das Leben zu schützen, erfüllen wolle. Im Verfahren einer abstrakten Normenkontrolle könne eine "Vertretbarkeitskontrolle" oder sogar eine "intensivierte Inhaltskontrolle" erfolgen. In bezug auf die Abtreibungsproblematik habe das Bundesverfassungsgericht weiter vorgegeben, daß Strafe niemals Selbstzweck sein könne; sie sei die "ultima ratio" im Instrumentarium des Gesetzgebers, deren Einsatz dem Verhältnismäßigkeitsprinzip unterliege. Die Anwendung dieser Maximen erfordere sowohl vom Gesetzgeber als auch vom überprüfenden Gericht ein prognostisches Verhalten. Für die Anforderungen an eine verfassungsrechtlich zu akzeptierende Prognose habe das Bundesverfassungsgericht im Mitbestimmungsurteil Richtlinien entwickelt (vgl. BVerfGE 50, 290 [332 ff.]). Diesen Anforderungen sei der Deutsche Bundestag gerecht geworden. Das angegriffene Gesetz realisiere eine neue und bessere Schutztechnik für das werdende Leben und bringe zugleich das Interesse an einer menschlich richtigen und normativ angemessenen rechtlichen Antwort auf die besondere Lage der betroffenen Frau zur Geltung.
Das Schwangeren- und Familienhilfegesetz setze auf Hilfe, Beratung und Überzeugung und nicht auf die Einschüchterung der Frau durch Strafdrohung; es realisiere damit die prinzipielle Vorgabe, das Strafrecht erst als "ultima ratio" einzusetzen. Nach den vorliegenden sozialwissenschaftlichen Untersuchungen hätten die Strafnormen keine abschreckende Wirkung. Die strafrechtliche Aufklärung und Aburteilung von Schwangerschaftsabbrüchen bewege sich statistisch gegen Null. Das Strafrecht sei in diesem Bereich praktisch wirkungslos und wirke überdies selektiv. Begünstigt würden die Informierten, die sozial gut Ausgestatteten, die Wendigen. Diese Verhältnisse seien unerträglich. Der Gesetzgeber habe nicht mehr auf eine Verbesserung des Lebensschutzes in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen durch die geltende Indikationenregelung hoffen können.
Die Strafdrohung könne die Chance gefährden, werdendes Leben zu bewahren. Sie könne die Frau, die sich des Vorliegens einer Indikation nicht sicher sei, davon abhalten, sich einer Beratung zu stellen. Bei anderen Frauen könne das Bestreben, eine Indikationsfeststellung um jeden Preis zu erhalten, zu nicht wirklichkeitsgetreuen Darstellungen ihrer Lage führen. Sie erlebten die Beratung als Prüfung, der man sich entziehen müsse, nicht als Hilfsangebot.
Einer Grundlage entbehre der Vorwurf, § 218a StGB n.F. gehe in seiner verfassungswidrigen Zielsetzung und Fassung über den früheren § 218a StGB noch hinaus, den das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 25. Februar 1975 für nichtig erklärt habe. In der Sache sei es damals wie heute um den Ausschluß der Rechtswidrigkeit gegangen. Wie das Bundesverfassungsgericht damals richtig erkannt habe (vgl. BVerfGE 39, 1 [54]), ließen sich mit der Rechtswidrigkeit des ärztlichen Eingriffs diejenigen Maßnahmen, welche mit diesem Eingriff zusammenhingen, weder rechtspolitisch noch rechtssystematisch vereinbaren. Deshalb schaffe § 218a StGB in der früheren und in der aktuellen Fassung einen Rechtfertigungsgrund. Die Formulierungen "nicht rechtswidrig" und "nicht strafbar" seien funktional gleichwertig. Verfassungsrechtlich sei die Fassung "nicht rechtswidrig" im Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG sogar vorzuziehen.
Zu Unrecht werde der Vorwurf erhoben, das Schwangeren- und Familienhilfegesetz mißbillige den Schwangerschaftsabbruch nicht. Es sei abwegig, aus der strafrechtlichen Freistellung einer Handlung kurzerhand zu schließen, daß diese damit zu einem normalen sozialen Vorgang werde. Die rechtliche Mißbilligung ergebe sich zum einen daraus, daß der Gesetzgeber die Strafdrohung unmißverständlich überall dort eingesetzt habe, wo sie den Schutz des werdenden Lebens gewährleisten könne. Auf der anderen Seite böten Art. 1 bis 12, Art. 14 und 15 SFHG umfängliche Instrumente und Maßnahmen im Dienste des Lebensschutzes. Hier zeige der Gesetzgeber seine Mißbilligung dadurch, daß er alle Kräfte aufwende, um taugliche Gegenmittel zu schaffen und einzusetzen.
Der Gesetzgeber - so tragen die Landesregierungen ergänzend vor - gehe davon aus, daß der Staat bedrohtes Leben nicht in allen Fällen schützen könne, und ziele deshalb darauf, daß er es in möglichst vielen Fällen schütze. Damit werde die Aufgabe, das einzelne Leben zu schützen, nicht in Frage gestellt.
2. Wer auf Beratung und Hilfe und nicht nur auf Strafdrohung setze, habe zahlreiche und plausible Gründe für die Erwartung, er werde damit das ungeborene Leben besser schützen: Die Beratung sei eine Voraussetzung für eine verantwortliche Entscheidung der schwangeren Frau. Auf sie setze der Gesetzgeber als den wirksamsten Schutzschirm, den der vom Schwangerschaftsabbruch bedrohte Embryo habe.
Der Gesetzgeber überlasse das werdende Leben aber nicht einer Entscheidung, in der das Gewissen der Schwangeren sich aus Not, Hilflosigkeit, Bedrängnis und Angst nicht ausreichend Gehör verschaffe. Er habe Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen und ökonomischen Situation der Schwangeren und der Mütter und zur Beseitigung oder doch Linderung von Not, Hilflosigkeit, Bedrängnis und Angst getroffen. Er habe auch Sorge dafür getragen, daß diese Hilfen der Frau nicht verborgen blieben. Die Beratung sei das Kernstück auch der strafrechtlichen Regelungen des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes und vom Gesetzgeber im Gegensatz zum geltenden Recht allseits mit Strafe bewehrt worden.
Die Pflicht der beratenden Person zur umfassenden Information der Schwangeren (§ 219 Abs. 1 Satz 4, 5 StGB n.F.) gewährleiste, daß vor allem in bezug auf die sozialen und ökonomischen Bedingungen eine irrtumsfreie Entscheidung der Frau zustandekomme. In der Praxis habe sich gezeigt, daß eine Schwangerschaftskonfliktberatung der einzige Weg sei, die natürliche und unter Umständen auch moralisch fundierte Tendenz der Frau zur Austragung der Schwangerschaft zu verstärken. Selbst wenn Schwangere die Beratungsstellen mit dem als feststehend empfundenen Entschluß aufsuchten, die Schwangerschaft abzubrechen, könne eine solche Beratung den Konflikt aufarbeiten, die Festlegung auf den Schwangerschaftsabbruch lösen und so Lebensschutz bewirken. Die Konfliktberatung könne jedoch nicht vorgeschrieben und erzwungen, sondern nur angeboten werden. Zu diesem Angebot verpflichte § 219 Abs. 1 Satz 2, 3 StGB n.F.
Daß der Gesetzgeber die unter diesen Voraussetzungen getroffene Entscheidung der Frau als verantwortlich anerkenne, sei die zwingende Konsequenz aus einem Schutzkonzept, das auf Beratung und Hilfe statt auf Strafdrohung setze. Ein Beratungsmodell müsse, um schutzwirksam zu sein, auf der Nicht-Rechtswidrigkeit bestehen. Damit keine über den Abbruch nachdenkende Frau davon abgehalten werde, sich beraten zu lassen, müsse auf jede Form von Repression, Stigmatisierung und Diskriminierung verzichtet werden. Mit der bloßen Straffreiheit sei dies nicht zu erreichen. Der Vorwurf, dadurch werde das Rechtsgut des werdenden Lebens in die freie und unkontrollierbare Entscheidung der Schwangeren gestellt, treffe nicht zu. Die Entscheidung zum Abbruch der Schwangerschaft richte sich im physischen wie im psychischen und regelmäßig auch im sozialen Sinn auf einen existenziellen Eingriff bei der Frau. Sie gehe nicht, wie im Strafrecht sonst, nur auf die Verletzung eines fremden Rechtsguts; sie gehe immer zugleich auch auf Selbstverletzung. Sie werde deshalb auch nicht leichthin getroffen.
Die Landesregierungen führen dazu ergänzend aus, auch das Grundrecht des Art. 4 Abs. 1 GG verlange, daß die Entscheidung zum Abbruch einer Schwangerschaft gerechtfertigt sei. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits ausgesprochen, daß die Entscheidung zum Abbruch einer Schwangerschaft den Rang einer achtenswerten Gewissensentscheidung haben könne (vgl. BVerfGE 39, 1 [48]). Seit 1975 sei die Gesellschaft sensibler dafür geworden, welche Herausforderung und Belastung Schwangerschaft und Mutterschaft für die Frau bedeuteten. Diese träfen Frauen in ihrer sozialen Identität und Lebensführung heute einschneidender als früher, weil Selbstdarstellung und Lebensführung heute für sie schwieriger seien. Das heiße nicht, daß alle Entscheidungen über Annahme oder Abbruch der Schwangerschaft Gewissensentscheidungen wären. Dennoch sei es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, die Gewissensentscheidung als die Regel und den Fall, in dem die Gewissensdimension verstellt und verkannt sei, als die Ausnahme anzusehen.
3. Die Kompetenz des Bundes zum Erlaß des Art. 15 Nr. 2 SFHG (Sicherstellungsverpflichtung) ergebe sich aus Art. 74 Nr. 1 GG (Strafrecht) unter dem Gesichtspunkt der Annex-Materie. Als Hilfe in einer konkreten Konflikt- und Notsituation schwangerer Frauen, deren Bewältigung der Gesetzgeber zur öffentlichen Aufgabe gemacht habe, folge - so die Landesregierungen - diese Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes auch aus Art. 74 Nr. 7 GG (öffentliche Fürsorge). Die Vorschrift sei auch inhaltlich verfassungsgemäß. Sie verpflichte die Landesbehörden weder zu rechtlich noch zu tatsächlich unmöglichem Verhalten. Art. 2 des 5. StrRG bleibe unberührt; die Gewissens- und Glaubensfreiheit werde nicht angetastet. Religiös "neutrale" kommunale und andere Krankenhäuser könnten sich als Institutionen oder als juristische Personen nicht auf das Grundrecht der Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) berufen. Da die Leistungen bei nicht rechtswidrigem Schwangerschaftsabbruch zu den Pflichtleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zählten, seien deren Leistungsträger auch verpflichtet, diese Leistungen entweder selbst oder durch Dritte anzubieten. Art. 15 Nr. 2 aktualisiere und konkretisiere diese Verpflichtung.
4. Die kompetenzrechtlichen und die materiell-rechtlichen Bedenken der Antragstellerin zu 1) gegen § 24b SGB V seien gleichfalls unbegründet. Die Kompetenz des Bundes ergebe sich aus Art. 74 Nr. 12 GG, der die Einbeziehung neuer Lebenssachverhalte in das Gesamtsystem "Sozialversicherung" ermögliche. Auch die materiell-rechtlichen Bedenken griffen nicht durch. Komme die Schwangere trotz der qualifizierten Beratung und der zahlreichen gesetzlich vorgesehenen Hilfen zur Unausweichlichkeit des Abbruchs oder liege einer der Indikationsfälle vor, so sei es konsequent und trage dem Gebot zu sozialer Gerechtigkeit Rechnung, wenn der Gesetzgeber die eigenverantwortliche Entscheidungsfindung von finanziellen Erwägungen nach Möglichkeit freistelle. Die sozialstaatliche Leistungstypisierung erlaube es, dabei auch Einzelfälle mitzuerfassen, die dem normativen Leitgedanken nicht voll entsprächen.
5. Die Aufhebung der Vorschrift über die Bundesstatistik so die Landesregierungen - sei gleichfalls nicht zu beanstanden. Die lebensschützenden Wirkungen der Neuregelung könnten nur durch eine wissenschaftliche Begleitforschung überprüft werden, die auf Methoden der empirischen Sozialforschung zurückgreife. Für derartige Erhebungen sei das Vorhandensein der Statistik keine notwendige Bedingung.
IV.
Zur Vorbereitung der Entscheidung in den Verfahren 2 BvF 4, 5/92 hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts die Professoren Dres. Stürner und Schulin mit der Erstattung eines Rechtsgutachtens zu folgenden Fragen beauftragt:
    (1) Welche Auswirkungen ergeben sich de lege lata für die verschiedenen Bereiche der Rechtsordnung (z.B. Arbeits-, Familien-, Sozial-, ärztliches Berufs-, allgemeines Zivilrecht ), wenn die Rechtsordnung Schwangerschaftsabbrüche rechtlich mißbilligt?
    Welche Auswirkungen hat es auf diese Rechtslage, wenn das Strafrecht unter bestimmten Voraussetzungen (derzeit: Indikationenregelung; angegriffenes Gesetz: innerhalb der ersten zwölf Wochen und nach Beratung) für Schwangerschaftsabbrüche einen Rechtfertigungsgrund vorsieht?
    (2) Welche weiteren Möglichkeiten sind denkbar, um die rechtliche Mißbilligung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafrechts in einzelnen Bereichen der Rechtsordnung zum Ausdruck zu bringen? Welche rechtlichen Auswirkungen würden sie haben?
V.
In der mündlichen Verhandlung vom 8. und 9. Dezember 1992, an der auch Abgeordnete aus allen Fraktionen des 12. Deutschen Bundestages teilgenommen haben, haben die Antragsteller, der Deutsche Bundestag und die Landesregierungen von Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein ihr schriftsätzliches Vorbringen bekräftigt. Die Sachverständigen Prof. Dr. Stürner und Prof. Dr. Schulin haben ihre schriftlichen Rechtsgutachten erläutert und ergänzt. Das Gericht hat als Auskunftspersonen zu Fragen des ärztlichen Berufsrechts Vertreter der Bundesärztekammer und ärztlicher Berufsverbände sowie Mitglieder des Landesärztegerichts Baden- Württemberg herangezogen. Zu Fragen der Beratungs- und der Sozialhilfepraxis hat es weitere auf Veranlassung des Senats durch die Antragsteller und durch Äußerungsberechtigte gestellte sachkundige Personen gehört.
 
D. - I.
1. Das Grundgesetz verpflichtet den Staat, menschliches Leben zu schützen. Zum menschlichen Leben gehört auch das ungeborene. Auch ihm gebührt der Schutz des Staates. Die Verfassung untersagt nicht nur unmittelbare staatliche Eingriffe in das ungeborene Leben, sie gebietet dem Staat auch, sich schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen, d.h. vor allem, es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von seiten anderer zu bewahren (vgl. BVerfGE 39, 1 [42]). Ihren Grund hat diese Schutzpflicht in Art. 1 Abs. 1 GG, der den Staat ausdrücklich zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde verpflichtet; ihr Gegenstand und - von ihm her -ihr Maß werden durch Art. 2 Abs. 2 GG näher bestimmt.
a) Menschenwürde kommt schon dem ungeborenen menschlichen Leben zu, nicht erst dem menschlichen Leben nach der Geburt oder bei ausgebildeter Personalität (vgl. bereits § 10 I 1 ALR: "Die allgemeinen Rechte der Menschheit gebühren auch den noch ungeborenen Kindern, schon von der Zeit ihrer Empfängnis.").Es bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung, ob, wie es Erkenntnisse der medizinischen Anthropologie nahelegen, menschliches Leben bereits mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle entsteht. Gegenstand der angegriffenen Vorschriften ist der Schwangerschaftsabbruch, vor allem die strafrechtliche Regelung; entscheidungserheblich ist daher nur der Zeitraum der Schwangerschaft. Dieser reicht nach den - von den Antragstellern unbeanstandeten und verfassungsrechtlich unbedenklichen - Bestimmungen des Strafgesetzbuches vom Abschluß der Einnistung des befruchteten Eis in der Gebärmutter (Nidation; vgl. § 218 Abs. 1 Satz 2 StGB in der Fassung des Art. 13 Nr. 1 SFHG) bis zum Beginn der Geburt (vgl. § 217 StGB und dazu BGHSt 32, 194 ff.). Jedenfalls in der so bestimmten Zeit der Schwangerschaft handelt es sich bei dem Ungeborenen um individuelles, in seiner genetischen Identität und damit in seiner Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit bereits festgelegtes, nicht mehr teilbares Leben, das im Prozeß des Wachsens und Sich-Entfaltens sich nicht erst zum Menschen, sondern als Mensch entwickelt (vgl. BVerfGE 39, 1 [37]). Wie immer die verschiedenen Phasen des vorgeburtlichen Lebensprozesses unter biologischen, philosophischen, auch theologischen Gesichtspunkten gedeutet werden mögen und in der Geschichte beurteilt worden sind, es handelt sich jedenfalls um unabdingbare Stufen der Entwicklung eines individuellen Menschseins. Wo menschliches Leben existiert, kommt ihm Menschenwürde zu (vgl. BVerfGE 39, 1 [41]).
Diese Würde des Menschseins liegt auch für das ungeborene Leben im Dasein um seiner selbst willen. Es zu achten und zu schützen bedingt, daß die Rechtsordnung die rechtlichen Voraussetzungen seiner Entfaltung im Sinne eines eigenen Lebensrechts des Ungeborenen gewährleistet (vgl. auch BVerfGE 39, 1 [37]). Dieses Lebensrecht, das nicht erst durch die Annahme seitens der Mutter begründet wird, sondern dem Ungeborenen schon aufgrund seiner Existenz zusteht, ist das elementare und unveräußerliche Recht, das von der Würde des Menschen ausgeht; es gilt unabhängig von bestimmten religiösen oder philosophischen Überzeugungen, über die der Rechtsordnung eines religiös-weltanschaulich neutralen Staates kein Urteil zusteht.
b) Die Schutzpflicht für das ungeborene Leben ist bezogen auf das einzelne Leben, nicht nur auf menschliches Leben allgemein. Ihre Erfüllung ist eine Grundbedingung geordneten Zusammenlebens im Staat. Sie obliegt aller staatlichen Gewalt (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG), d.h. dem Staat in allen seinen Funktionen, auch und gerade der gesetzgebenden Gewalt. Die Schutzpflicht bezieht sich zumal auf Gefahren, die von anderen Menschen ausgehen. Sie umfaßt Schutzmaßnahmen mit dem Ziel, Notlagen im Gefolge einer Schwangerschaft zu vermeiden oder ihnen abzuhelfen, ebenso wie rechtliche Verhaltensanforderungen; beides ergänzt sich.
2. Verhaltensanforderungen zum Schutz des ungeborenen Lebens stellt der Staat, indem er durch Gesetz Gebote und Verbote ausspricht, Handlungs- und Unterlassungspflichten festlegt. Dies gilt auch für den Schutz des nasciturus gegenüber seiner Mutter, ungeachtet der Verbindung, die zwischen beiden besteht und bei Mutter und Kind zu einem Verhältnis der "Zweiheit in Einheit" führt. Ein solcher Schutz des Ungeborenen gegenüber seiner Mutter ist nur möglich, wenn der Gesetzgeber ihr einen Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich verbietet und ihr damit die grundsätzliche Rechtspflicht auferlegt, das Kind auszutragen. Das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs und die grundsätzliche Pflicht zum Austragen des Kindes sind zwei untrennbar verbundene Elemente des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes.
Nicht weniger ist Schutz gegenüber Einwirkungen gefordert, die von Dritten - nicht zuletzt aus dem familiären und dem weiteren sozialen Umfeld der schwangeren Frau - ausgehen; diese können sich unmittelbar gegen den nasciturus richten, aber auch mittelbar, indem der schwangeren Frau geschuldete Hilfe verweigert, sie wegen der Schwangerschaft in Bedrängnis gebracht oder gar Druck auf sie ausgeübt wird, die Schwangerschaft abzubrechen.
a) Solche Verhaltensgebote können sich nicht darauf beschränken, Anforderungen an die Freiwilligkeit zu sein, sondern sind als Rechtsgebote auszugestalten. Sie müssen, gemäß der Eigenart des Rechts als einer auf tatsächliche Geltung abzielenden und verwiesenen normativen Ordnung, verbindlich und mit Rechtsfolgen versehen sein. Dabei ist die Strafandrohung nicht die einzig denkbare Sanktion, sie kann allerdings den Rechtsunterworfenen in besonders nachhaltiger Weise zur Achtung und Befolgung der rechtlichen Gebote veranlassen.
Rechtliche Verhaltensgebote sollen Schutz in zwei Richtungen bewirken. Zum einen sollen sie präventive und repressive Schutzwirkungen im einzelnen Fall entfalten, wenn die Verletzung des geschützten Rechtsguts droht oder bereits stattgefunden hat. Zum anderen sollen sie im Volke lebendige Wertvorstellungen und Anschauungen über Recht und Unrecht stärken und unterstützen und ihrerseits Rechtsbewußtsein bilden (vgl. BVerfGE 45, 187 [254, 256]), damit auf der Grundlage einer solchen normativen Orientierung des Verhaltens eine Rechtsgutsverletzung schon von vornherein nicht in Betracht gezogen wird.
b) Der Schutz des Lebens ist nicht in dem Sinne absolut geboten, daß dieses gegenüber jedem anderen Rechtsgut ausnahmslos Vorrang genösse; das zeigt schon Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG. Der Schutzpflicht ist andererseits nicht dadurch genügt, daß überhaupt Schutzvorkehrungen irgendeiner Art getroffen worden sind. Ihre Reichweite ist vielmehr im Blick auf die Bedeutung und Schutzbedürftigkeit des zu schützenden Rechtsguts - hier des ungeborenen menschlichen Lebens - einerseits und mit ihm kollidierender Rechtsgüter andererseits zu bestimmen (vgl. G. Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 1987, S. 253 ff.). Als vom Lebensrecht des Ungeborenen berührte Rechtsgüter kommen dabei - ausgehend vom Anspruch der schwangeren Frau auf Schutz und Achtung ihrer Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) - vor allem ihr Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie ihr Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) in Betracht.
Art und Umfang des Schutzes im einzelnen zu bestimmen, ist Aufgabe des Gesetzgebers. Die Verfassung gibt den Schutz als Ziel vor, nicht aber seine Ausgestaltung im einzelnen. Allerdings hat der Gesetzgeber das Untermaßverbot zu beachten (vgl. zum Begriff Isensee in: Handbuch des Staatsrechts, Band V, 1992, § 111 Rdnrn. 165 f.); insofern unterliegt er der verfassungsgerichtlichen Kontrolle. Notwendig ist ein - unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechtsgüter - angemessener Schutz; entscheidend ist, daß er als solcher wirksam ist. Die Vorkehrungen, die der Gesetzgeber trifft, müssen für einen angemessenen und wirksamen Schutz ausreichend sein und zudem auf sorgfältigen Tatsachenermittlungen und vertretbaren Einschätzungen beruhen (dazu unten I.4.). Das danach verfassungsrechtlich gebotene Maß des Schutzes ist unabhängig vom Alter der Schwangerschaft. Das Grundgesetz enthält für das ungeborene Leben keine vom Ablauf bestimmter Fristen abhängige, dem Entwicklungsprozeß der Schwangerschaft folgende Abstufungen des Lebensrechts und seines Schutzes. Auch in der Frühphase einer Schwangerschaft hat die Rechtsordnung deshalb dieses Maß an Schutz zu gewährleisten.
c) Soll das Untermaßverbot nicht verletzt werden, muß die Ausgestaltung des Schutzes durch die Rechtsordnung Mindestanforderungen entsprechen.
aa) Hierzu zählt, daß der Schwangerschaftsabbruch für die ganze Dauer der Schwangerschaft grundsätzlich als Unrecht angesehen wird und demgemäß rechtlich verboten ist (vgl. BVerfGE 39, 1 [44]). Bestünde ein solches Verbot nicht, würde also die Verfügung über das Lebensrecht des nasciturus, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit, der freien, rechtlich nicht gebundenen Entscheidung eines Dritten, und sei es selbst der Mutter, überantwortet, wäre rechtlicher Schutz dieses Lebens im Sinne der oben genannten Verhaltensanforderungen nicht mehr gewährleistet. Eine solche Preisgabe des ungeborenen Lebens läßt sich auch unter Hinweis auf die Menschenwürde der Frau und ihre Fähigkeit zu verantwortlicher Entscheidung nicht einfordern. Rechtlicher Schutz bedingt, daß das Recht selbst Umfang und Grenzen zulässigen Einwirkens des einen auf den anderen normativ festlegt und nicht dem Belieben eines der Beteiligten überläßt.
Grundrechte der Frau greifen gegenüber dem grundsätzlichen Verbot des Schwangerschaftsabbruchs nicht durch. Zwar haben diese Rechte auch gegenüber dem Lebensrecht des nasciturus Bestand und sind entsprechend zu schützen. Aber sie tragen nicht so weit, daß die Rechtspflicht zum Austragen des Kindes von Grundrechts wegen - auch nur für eine bestimmte Zeit - generell aufgehoben wäre. Die Grundrechtspositionen der Frau führen allerdings dazu, daß es in Ausnahmelagen zulässig, in manchen dieser Fälle womöglich geboten ist, eine solche Rechtspflicht nicht aufzuerlegen.
bb) Solche Ausnahmelagen zu Ausnahmetatbeständen zu fassen, ist Sache des Gesetzgebers. Um dabei das Untermaßverbot nicht zu verletzen, muß er allerdings in Rechnung stellen, daß die miteinander kollidierenden Rechtsgüter hier nicht zu einem verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden können, weil auf der Seite des ungeborenen Lebens in jedem Fall nicht ein Mehr oder Weniger an Rechten, die Hinnahme von Nachteilen oder Einschränkungen, sondern alles, nämlich das Leben selbst, in Frage steht. Ein Ausgleich, der sowohl den Lebensschutz des nasciturus gewährleistet als auch der schwangeren Frau ein Recht zum Schwangerschaftsabbruch einräumt, ist nicht möglich, weil Schwangerschaftsabbruch immer Tötung ungeborenen Lebens ist (vgl. BVerfGE 39, 1 [43]). Ein Ausgleich kann auch nicht - wie es vertreten wird (vgl. Nelles in: "Zur Sache, Themen parlamentarischer Beratung", herausgegeben vom Deutschen Bundestag, Band 1/92, S. 250) - dadurch erreicht werden, daß für eine gewisse Zeit der Schwangerschaft das Persönlichkeitsrecht der Frau vorgeht und danach erst das Recht des ungeborenen Lebens Vorrang erhält. Das Lebensrecht des Ungeborenen käme dann nur zur Geltung, wenn die Mutter sich nicht in der ersten Phase der Schwangerschaft zu seiner Tötung entschlossen hat.
Das bedeutet indes nicht, daß eine Ausnahmelage, die es von Verfassungs wegen zuläßt, die Pflicht zum Austragen des Kindes aufzuheben, nur im Falle einer ernsten Gefahr für das Leben der Frau oder einer schwerwiegenden Beeinträchtigung ihrer Gesundheit in Betracht kommt. Ausnahmelagen sind auch darüber hinaus denkbar. Das Kriterium für ihre Anerkennung ist, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, das der Unzumutbarkeit (vgl. BVerfGE 39, 1 [48 ff.]). Dieses Kriterium hat - unbeschadet des Umstandes, daß die Beteiligung der Frau an dem Schwangerschaftsabbruch strafrechtlich nicht als Unterlassungsdelikt einzuordnen ist - deshalb seine Berechtigung, weil sich das Verbot des Schwangerschaftsabbruchs angesichts der einzigartigen Verbindung von Mutter und Kind nicht in einer Pflicht der Frau erschöpft, den Rechtskreis eines anderen nicht zu verletzen, sondern zugleich eine intensive, die Frau existentiell betreffende Pflicht zum Austragen und Gebären des Kindes enthält und eine darüber hinausgehende Handlungs-, Sorge- und Einstandspflicht nach der Geburt über viele Jahre nach sich zieht (vgl. insoweit auch M. von Renesse, ZRP 1991, S. 321 [322 f.]). Aus der Vorausschau auf die damit verbundenen Belastungen können in der besonderen seelischen Lage, in der sich werdende Mütter gerade in der Frühphase einer Schwangerschaft vielfach befinden, in Einzelfällen schwere, unter Umständen auch lebensbedrohende Konfliktsituationen entstehen, in denen schutzwürdige Positionen einer schwangeren Frau sich mit solcher Dringlichkeit geltend machen, daß jedenfalls die staatliche Rechtsordnung - ungeachtet etwa weitergehender moralischer oder religiös begründeter Pflichtauffassungen - nicht verlangen kann, die Frau müsse hier dem Lebensrecht des Ungeborenen unter allen Umständen den Vorrang geben (vgl. BVerfGE 39, 1 [50]).
Eine Unzumutbarkeit kann allerdings nicht aus Umständen herrühren, die im Rahmen der Normalsituation einer Schwangerschaft verbleiben. Vielmehr müssen Belastungen gegeben sein, die ein solches Maß an Aufopferung eigener Lebenswerte verlangen, daß dies von der Frau nicht erwartet werden kann.
Für die Pflicht zum Austragen des Kindes folgt daraus, daß neben der hergebrachten medizinischen Indikation auch die kriminologische und - ihre hinreichend genaue Umgrenzung vorausgesetzt - die embryopathische Indikation als Ausnahmetatbestände vor der Verfassung Bestand haben können; für andere Notlagen gilt dies nur dann, wenn in ihrer Umschreibung die Schwere des hier vorauszusetzenden sozialen oder psychisch-personalen Konflikts deutlich erkennbar wird, so daß - unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit betrachtet - die Kongruenz mit den anderen Indikationsfällen gewahrt bleibt (vgl. auch BVerfGE 39, 1 [50]).
cc) Soweit die Unzumutbarkeit die Pflicht der Frau, das Kind auszutragen, begrenzt, ist damit die Schutzpflicht des Staates, die gegenüber jedem ungeborenen menschlichen Leben besteht, nicht aufgehoben. Sie wird den Staat insbesondere veranlassen, durch Rat und Hilfe der Frau beizustehen und sie dadurch womöglich doch für das Austragen des Kindes zu gewinnen; davon geht auch die Regelung in § 218a Abs. 3 StGB n.F. aus.
dd) Handelt es sich bei der Aufgabe, das menschliche Leben vor seiner Tötung zu schützen, um eine elementare staatliche Schutzaufgabe, so läßt es das Untermaßverbot nicht zu, auf den Einsatz auch des Strafrechts und die davon ausgehende Schutzwirkung frei zu verzichten.
Dem Strafrecht kommt seit jeher und auch unter den heutigen Gegebenheiten die Aufgabe zu, die Grundlagen eines geordneten Gemeinschaftslebens zu schützen. Dazu gehört die Achtung und grundsätzliche Unverletzlichkeit menschlichen Lebens. Dementsprechend wird die Tötung anderer umfassend mit Strafe bedroht.
Das Strafrecht ist zwar nicht das primäre Mittel rechtlichen Schutzes, schon wegen seines am stärksten eingreifenden Charakters; seine Verwendung unterliegt daher den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit (BVerfGE 6, 389 [433 f.]; 39, 1 [47]; 57,250 [270]; 73, 206 [253]). Aber es wird als "ultima ratio" dieses Schutzes eingesetzt, wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist.
Danach ist das Strafrecht regelmäßig der Ort, das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs und die darin enthaltene grundsätzliche Rechtspflicht der Frau zum Austragen des Kindes gesetzlich zu verankern. Sofern allerdings wegen verfassungsrechtlich ausreichender Schutzmaßnahmen anderer Art von einer Strafdrohung für nicht gerechtfertigte Schwangerschaftsabbrüche in begrenztem Umfang abgesehen werden darf, kann es auch genügen, das Verbot für diese Fallgruppe auf andere Weise in der Rechtsordnung unterhalb der Verfassung klar zum Ausdruck zu bringen (vgl. BVerfGE 39, 1 [44, 46]).
3. Der Staat genügt seiner Schutzpflicht gegenüber dem ungeborenen menschlichen Leben nicht allein dadurch, daß er Angriffen wehrt, die diesem von anderen Menschen drohen. Er muß auch denjenigen Gefahren entgegentreten, die für dieses Leben in den gegenwärtigen und absehbaren realen Lebensverhältnissen der Frau und der Familie begründet liegen und der Bereitschaft zum Austragen des Kindes entgegenwirken. Darin berührt sich die Schutzpflicht mit dem Schutzauftrag aus Art. 6 Abs. 1 und 4 GG (zu Art. 6 Abs. 1 vgl. BVerfGE 76, 1 [44 f., 49 f.]; zu Art. 6 Abs. 4 vgl. zuletzt BVerfGE 84, 133 [155 f.]). Sie verpflichtet die staatliche Gewalt, Problemen und Schwierigkeiten nachzugehen, die der Mutter während und nach der Schwangerschaft erwachsen können. Art. 6 Abs. 4 GG enthält einen für den gesamten Bereich des privaten und öffentlichen Rechts verbindlichen Schutzauftrag, der sich auch auf die schwangere Frau erstreckt. Diesem Auftrag entspricht es, Mutterschaft und Kinderbetreuung als eine Leistung zu betrachten, die auch im Interesse der Gemeinschaft liegt und deren Anerkennung verlangt.
Schon im Ersten Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform (BTDrucks. 7/1981 [neu] S. 7) wird ausgeführt, daß die ungünstige Wohnungssituation, die Unmöglichkeit, neben einer Ausbildung oder Erwerbstätigkeit ein Kind zu versorgen, sowie wirtschaftliche Not und sonstige materielle Gründe, außerdem bei alleinstehenden Schwangeren die Angst vor gesellschaftlicher Diskriminierung, zu den häufig genannten Ursachen und Motiven für den Wunsch nach einem Abbruch der Schwangerschaft gehören.
a) Die der Mutter geschuldete Fürsorge der Gemeinschaft umfaßt die Verpflichtung des Staates, darauf hinzuwirken, daß eine Schwangerschaft nicht wegen einer bestehenden oder nach der Geburt des Kindes drohenden materiellen Notlage abgebrochen wird. Ebenso sind Nachteile, die einer Frau aus der Schwangerschaft für Ausbildung und Beruf erwachsen können, nach Möglichkeit auszuschließen. Dem Staat obliegt es, in Wahrnehmung seiner Schutzpflicht gegenüber dem ungeborenen menschlichen Leben den Umständen nachzugehen, die die Lage der schwangeren Frau und der Mutter zu erschweren geeignet sind, und sich im Maße des rechtlich und tatsächlich Möglichen und Verantwortbaren um Abhilfe oder Erleichterung zu bemühen. Das betrifft nicht nur den Gesetzgeber, sondern auch Regierung und Verwaltung.
Zwar kann und muß der Staat den Eltern nicht alle Belastungen und Einschränkungen abnehmen, die für sie mit der "Pflege und Erziehung" von Kindern (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) verbunden sind. Indessen gibt es - über die Regelungen hinaus, die das Schwangeren- und Familienhilfegesetz in seinen Artikeln 5 bis 12 getroffen hat - weitere Möglichkeiten der Entlastung. So bieten sich schon im staatlichen Bereich viele Möglichkeiten eines wirksameren Schutzes von Mutter und Kind; zu denken ist an das Wohnungswesen, den öffentlichen Dienst und berufs-, insbesondere auch ausbildungsrechtliche Regelungen.
Der Staat kann aber - und muß gegebenenfalls - an einem wirksamen Schutz auch Dritte beteiligen. Eltern übernehmen mit der Erziehung ihrer Kinder zugleich Aufgaben, deren Erfüllung sowohl im Interesse der Gemeinschaft als Ganzer als auch jedes einzelnen gelegen ist. Darum ist der Staat gehalten, eine kinderfreundliche Gesellschaft zu fördern, was auch auf den Schutz des ungeborenen Lebens zurückwirkt. Mit Blick darauf hat der Gesetzgeber nicht nur im Bereich des Arbeitsrechts, sondern auch in anderen Bereichen des Privatrechts Regelungen mit besonderer Rücksicht auf Familien mit Kindern zu erwägen; hierher zählen etwa das Verbot einer Kündigung von Mietverträgen über Wohnraum wegen der Aufnahme eines neugeborenen Kindes, aber auch Bestimmungen im Bereich des Kreditwesens über Vertragsgestaltungen oder staatliche Vertragshilfen, welche den Eltern eine Erfüllung von Kreditverpflichtungen nach der Geburt eines Kindes ermöglichen oder erleichtern.
b) Der Schutz des ungeborenen Lebens, der Schutzauftrag für Ehe und Familie (Art. 6 GG) und die Gleichstellung von Mann und Frau in der Teilhabe am Arbeitsleben (vgl. Art. 3 Abs. 2 GG sowie Art. 3, 7 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966 [BGBl. 1973 II, S. 1570]) verpflichten den Staat und insbesondere den Gesetzgeber, Grundlagen dafür zu schaffen, daß Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit aufeinander abgestimmt werden können und die Wahrnehmung der familiären Erziehungsaufgabe nicht zu beruflichen Nachteilen führt. Dazu zählen auch rechtliche und tatsächliche Maßnahmen, die ein Nebeneinander von Erziehungs- und Erwerbstätigkeit für beide Elternteile ebenso wie eine Rückkehr in eine Berufstätigkeit und einen beruflichen Aufstieg auch nach Zeiten der Kindererziehung ermöglichen. Hierher gehören auch die durch Art. 6 und 7 SFHG erfolgten Änderungen des Arbeitsförderungs- und des Berufsbildungsgesetzes; damit beschreitet der Gesetzgeber den richtigen Weg. Gleiches gilt für Regelungen, die auf eine Verbesserung der institutionellen (vgl. Art. 5 SFHG) oder familiären Kinderbetreuung zielen (vgl. etwa die Leistungen im Rahmen des sogenannten Familienlastenausgleichs, insbesondere das Erziehungsgeld, sowie die Regelungen über den Erziehungsurlaub und den Unterhaltsvorschuß). Die Bedeutung solcher Leistungen als Maßnahmen präventiven Lebensschutzes hat der Gesetzgeber in Rechnung zu stellen, wenn es erforderlich wird, staatliche Leistungen im Hinblick auf knappe Mittel zu überprüfen.
c) Weiter hat der Staat dafür zu sorgen, daß ein Elternteil, der sich unter Verzicht auf Erwerbseinkommen der Erziehung eines Kindes widmet, für die ihm hieraus erwachsenden versorgungsrechtlichen Nachteile einen angemessenen Ausgleich erhält. Den Ausführungen hierzu im Urteil des Ersten Senats vom 7. Juli 1992 - 1 BvL 51/86, 50/87 und 1 BvR 873/90, 761/91 (Umdruck S. 55 f. - BVerfGE 87, 1 ff.) tritt der Senat bei.
d) Der Schutzauftrag verpflichtet den Staat schließlich auch, den rechtlichen Schutzanspruch des ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewußtsein zu erhalten und zu beleben. Deshalb müssen die Organe des Staates in Bund und Ländern erkennbar für den Schutz des Lebens eintreten. Das betrifft auch und gerade die Lehrpläne der Schulen. Öffentliche Einrichtungen, die Aufklärung in gesundheitlichen Fragen, Familienberatung oder Sexualaufklärung betreiben, haben allgemein den Willen zum Schutz des ungeborenen Lebens zu stärken; dies gilt insbesondere für die in Art. 1 § 1 SFHG vorgesehene Aufklärung. Öffentlich-rechtlicher wie privater Rundfunk sind bei Ausübung ihrer Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) der Würde des Menschen verpflichtet (zum privaten Rundfunk vgl. Art. 1 § 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Staatsvertrages über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31. August 1991); ihr Programm hat daher auch teil an der Schutzaufgabe gegenüber dem ungeborenen Leben.
4. Nach dem unter 2. und 3. Dargelegten muß der Staat, um seiner Schutzpflicht für das ungeborene Leben zu genügen, ausreichende Maßnahmen normativer und tatsächlicher Art ergreifen, die dazu führen, daß ein - unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechtsgüter - angemessener und als solcher wirksamer Schutz erreicht wird. Dazu bedarf es eines näher zu entwickelnden, Elemente des präventiven wie des repressiven Schutzes miteinander verbindenden Schutzkonzepts. Die Aufstellung und normative Umsetzung eines solchen Schutzkonzepts ist Sache des Gesetzgebers. Nach den bestehenden verfassungsrechtlichen Anforderungen ist er dabei nicht frei, den Schwangerschaftsabbruch über verfassungsrechtlich unbedenkliche Ausnahmetatbestände hinaus als nicht rechtswidrig, also erlaubt, anzusehen. Allerdings kann der Gesetzgeber nach noch näher auszuführenden Maßstäben entscheiden, wie er das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs im übrigen in den verschiedenen Bereichen der Rechtsordnung zur Wirkung bringt. Insgesamt muß aber das Schutzkonzept so ausgestaltet sein, daß es geeignet ist, den gebotenen Schutz zu entfalten, und nicht in eine - zeitlich begrenzte - rechtliche Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs übergeht oder als solche wirkt.
Der Gesetzgeber muß der Wahl und Ausgestaltung seines Schutzkonzepts die verfassungsrechtlich tragfähige Einschätzung zugrunde legen, daß er mit ihm den Schutz des ungeborenen Lebens so gewährleisten werde, wie es das Untermaßverbot verlangt. Soweit seinen Entscheidungen zugleich Prognosen über tatsächliche Entwicklungen, insbesondere die Wirkungen seiner Regelung zugrundeliegen, müssen diese Prognosen verläßlich sein; das Bundesverfassungsgericht prüft, ob sie nach Maßgabe der nachfolgenden Kriterien vertretbar sind.
a) Ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum kommt dem Gesetzgeber auch dann zu, wenn er - wie hier - verfassungsrechtlich verpflichtet ist, wirksame und ausreichende Maßnahmen zum Schutz eines Rechtsguts zu ergreifen. Der Umfang dieses Spielraums hängt von Faktoren verschiedener Art ab, im besonderen von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich - zumal über künftige Entwicklungen wie die Auswirkungen einer Norm - ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter (vgl. BVerfGE 50, 290 [332 f.]; 76, 1 [51 f.]; 77, 170 [214 f.]). Ob sich hieraus für die verfassungsrechtliche Überprüfung drei voneinander unterscheidbare Kontrollmaßstäbe herleiten lassen (vgl. BVerfGE 50, 290 [333]), bedarf keiner Erörterung; die verfassungsrechtliche Prüfung erstreckt sich in jedem Falle darauf, ob der Gesetzgeber die genannten Faktoren ausreichend berücksichtigt und seinen Einschätzungsspielraum "in vertretbarer Weise" gehandhabt hat. Die im Beschluß des Senats vom 29. Oktober 1987 (vgl. BVerfGE 77, 170 [214 f.]) enthaltenen Ausführungen zur Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen staatliches Unterlassen dürfen nicht dahin verstanden werden, als genügten der Erfüllung der Schutzpflicht des Staates gegenüber menschlichem Leben schon Maßnahmen, "die nicht gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind."
b) Bei der verfassungsgerichtlichen Beurteilung, ob die gesetzgeberische Einschätzung der Wirksamkeit eines neuen Schutzkonzepts vertretbar ist, darf nicht außer Betracht bleiben, daß der Gesetzgeber in Erfüllung der ihm aus der Verfassung erwachsenden Pflicht zum Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens handelt. Die hier in Rede stehenden Rechtsgüter des Ungeborenen und der Frau haben hohen verfassungsrechtlichen Rang. Das ist als Umstand, der die Eigenart des den Regelungsgegenstand bildenden Sachbereichs kennzeichnet, für die Beurteilung einer gesetzlichen Regelung zum Schutz des ungeborenen Lebens ebenso entscheidend wie die Tatsache, daß im Konfliktfall das ungeborene Leben getötet wird, wenn die schwangere Frau sich gegen die Fortsetzung der Schwangerschaft entscheidet. Von wesentlicher Bedeutung ist weiter, daß die Schwangerschaft in ihrer Frühphase oft nur der Mutter bekannt und das Ungeborene ihrem Schutz in jeder Hinsicht anvertraut, von ihm aber auch existenziell abhängig ist. Der Staat sieht sich vor die Aufgabe gestellt, Leben zu schützen, von dessen Vorhandensein er nichts weiß. Dies macht verständlich, warum die Erfahrungen mit allen bisherigen strafrechtlichen Regelungen wenig ermutigend sind. Ins Gewicht fällt schließlich, daß für den Gesetzgeber, wenn er sich zu einer grundlegend neuen Regelung entschließt, die Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil über deren Auswirkungen zu bilden, naturgemäß eingeschränkt sind. Hierfür läßt sich auf Erfahrungen aus dem Ausland wegen der nicht gesicherten Vergleichbarkeit der jeweiligen Verhältnisse nur bedingt zurückgreifen. In solcher Lage muß sich der Gesetzgeber des erreichbaren,für die gebotene verläßliche Prognose der Schutzwirkung des Konzepts wesentlichen Materials bedienen und es mit der gebotenen Sorgfalt daraufhin auswerten, ob es seine gesetzgeberische Einschätzung hinreichend zu stützen vermag.
II.
Nach dem Dargelegten ist es dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht verwehrt, für den Schutz des ungeborenen Lebens zu einem Schutzkonzept überzugehen, das in der Frühphase der Schwangerschaft in Schwangerschaftskonflikten den Schwerpunkt auf die Beratung der schwangeren Frau legt, um sie für das Austragen des Kindes zu gewinnen, und dabei im Blick auf die notwendige Offenheit und Wirkung der Beratung auf eine indikationsbestimmte Strafdrohung und die Feststellung von Indikationstatbeständen durch einen Dritten verzichtet.
Der Gesetzgeber des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes hat den Wechsel im Schutzkonzept mit vertretbaren Einschätzungen vollzogen.
1. Eine Neuregelung der mit dem Schwangerschaftsabbruch zusammenhängenden Fragen ist durch Art. 31 Abs. 4 EV veranlaßt worden. Die Vorschrift stellt dem gesamtdeutschen Gesetzgeber die Aufgabe, "spätestens bis zum 31. Dezember 1992 eine Regelung zu treffen, die den Schutz vorgeburtlichen Lebens und die verfassungskonforme Bewältigung von Konfliktsituationen schwangerer Frauen vor allem durch rechtlich gesicherte Ansprüche für Frauen, insbesondere auf Beratung und soziale Hilfen, besser gewährleistet, als dies in beiden Teilen Deutschlands derzeit der Fall ist." Im Vordergrund standen dabei zwei Wege. Angesichts der Erfahrungen mit dem Vollzug der nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar 1975 (BVerfGE 39, 1 ff.) geschaffenen Indikationenregelung - deren verfassungsrechtliche Problematik die im Verfahren 2 BvF 2/90 gestellten Anträge aufweisen - konnte es der Gesetzgeber unternehmen, diese Lösung durch eine deutlichere, damit wohl notwendig auch engere Fassung der Indikationstatbestände zu ersetzen und an die Feststellung der Indikationen strengere Anforderungen zu stellen. Als anderer Weg kam eine Beratungsregelung in Betracht. Für sie kann der gesamtdeutsche Gesetzgeber anführen, daß sie besser geeignet erscheinen kann, die bisher von einer Fristenregelung einerseits und von einer Indikationenregelung andererseits gekennzeichneten deutschen Teilrechtsordnungen und das durch sie in unterschiedlicher Weise geprägte Rechtsbewußtsein der Bevölkerung zusammenzuführen.
2. Der Gesetzgeber ist bei der Entwicklung eines neuen Schutzkonzepts nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Erfahrungen der bisherigen Rechtspraxis zu bewerten und hieran sein Schutzkonzept auszurichten. Auch unterschiedliche Formen eines weitgreifenden strafrechtlichen Schutzes für das ungeborene Leben auf der normativen Ebene - sei es die strenge Abtreibungsregelung des § 218 StGB 1871, unter der die Rechtsprechung nur eine enge medizinische Indikation anerkannte, sei es die differenzierte Indikationenregelung seit 1976 - haben nicht zu verhindern vermocht, daß Abtreibung eine Massenerscheinung gewesen und geblieben ist. Es kommt hierfür nicht darauf an, ob die höheren oder niedrigeren Einschätzungen der Abtreibungszahlen in früherer Zeit und in den Jahren seit 1976 die größere Verläßlichkeit und Wirklichkeitsnähe aufweisen; auch die niedrigeren Einschätzungen mußten den Gesetzgeber beunruhigen. Diese hohe Zahl der Abbrüche läßt sich auch nicht zureichend mit Ermittlungs- oder sonstigen Schwierigkeiten bei der Anwendung und Handhabung der jeweils geltenden strafrechtlichen Regelungen erklären oder mit dem Fehlen einer ernsthaften Vollzugsbereitschaft. Soweit solche Umstände als kontinuierliche Erscheinung feststellbar sind, besteht vielmehr gerade Anlaß, nach den Ursachen hierfür zu fragen und sich dem darin zu Tage tretenden Problem zu stellen.
Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist die aus dieser Analyse gewonnene Einschätzung des Gesetzgebers, die Ausgestaltung der Strafdrohung im geltenden Recht wirke im Falle eines Schwangerschaftskonflikts einer dem Austragen des Kindes aufgeschlossenen Entscheidung der Frau eher entgegen, weil die schwangere Frau ihren Konflikt als höchstpersönlichen erlebt und sich gegen seine Beurteilung und Bewertung durch Dritte wehrt. Die Umstände erheblichen Gewichts, die einer Frau das Austragen eines Kindes bis zur Unzumutbarkeit erschweren können, bestimmen sich nicht nur nach objektiven Komponenten, sondern auch nach ihren physischen und psychischen Befindlichkeiten und Eigenschaften. Eine hinreichend zuverlässige und nachvollziehbare Beurteilung dieser nur in ihrem Zusammenwirken erheblichen und möglicherweise untereinander wieder gegenläufigen Zumutbarkeitskriterien kann daher nur mit erheblichem Aufwand von erfahrenem Sachverstand möglich sein. Je mehr aber Dritte in den innersten Bereich einer Frau eindringen, um so größer wird die Gefahr, daß die Frau sich dem durch Vorschieben von anderen Gründen oder Ausweichen in die Illegalität entzieht. In einem solchen Fall ist aber von vornherein jede Chance vertan, durch verständnisvolle, sachkundige Beratung mit der Frau deren Konflikt zu ergründen und ihr bei seiner Bewältigung so zu helfen, daß sie sich nicht gegen das Kind entscheidet.
3. Es ist daher eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Einschätzung des Gesetzgebers, wenn er sich zur Erfüllung seines Schutzauftrags einem Schutzkonzept zuwendet, das davon ausgeht, jedenfalls in der Frühphase der Schwangerschaft sei ein wirksamer Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens nur mit der Mutter, aber nicht gegen sie möglich. Sie allein und nur von ihr selbst ins Vertrauen Gezogene wissen in diesem Stadium der Schwangerschaft um das neue Leben, das noch ganz der Mutter zugehört und von ihr in allem abhängig ist. Diese Unentdecktheit, Hilflosigkeit und Abhängigkeit des auf einzigartige Weise mit der Mutter verbundenen Ungeborenen lassen die Einschätzung berechtigt erscheinen, daß der Staat eine bessere Chance zu seinem Schutz hat, wenn er mit der Mutter zusammenwirkt.
Diese Einschätzung kann sich auch darauf gründen, daß eine Frau, die von einer ungewollten Schwangerschaft erfährt, in besonderer Weise existenziell betroffen sein kann. Sie muß unter Umständen ihre Lebensplanung tiefgreifend ändern und sieht sich weit über die mit einer Schwangerschaft unvermeidlich einhergehenden Beschwerden hinaus im einzelnen unübersehbaren und lange andauernden Handlungs- und Sorgepflichten, gegebenenfalls auch zusätzlichen Lebensrisiken ausgesetzt. Zudem ist eine Frau in der Frühphase einer solchen Schwangerschaft psychisch oft noch nicht auf die Mutterschaft eingestellt und empfindet noch nicht die Bindung an das in ihr wachsende Leben wie in einem späteren Stadium, in dem sie es in sich verspürt. Eine Strafandrohung bewirkt hier wenig, so daß es um so näher liegt, der Frau mit präventiven Mitteln des Rechts bei der Bewältigung ihres Konflikts zu helfen, damit sie ihrer Verantwortung für das Ungeborene gerecht werden kann. Deshalb kann die besondere Lage der Frau und des Ungeborenen in dieser Frühphase der Schwangerschaft zwar Anlaß sein, unter Rücknahme strafrechtlicher Sanktionen besondere Schutzmaßnahmen zu ergreifen; sie darf aber - wie dargelegt - nicht dazu führen, die Grundrechtsposition der Frau denen des ungeborenen Lebens überzuordnen. Liegt die Würde des Menschseins auch für das ungeborene Leben im Dasein um seiner selbst willen, so verbieten sich jegliche Differenzierungen der Schutzverpflichtung mit Blick auf Alter und Entwicklungsstand dieses Lebens oder die Bereitschaft der Frau, es weiter in sich leben zu lassen.
4. Es steht mit der einer Frau und werdenden Mutter gebührenden Achtung in Einklang, wenn der Staat Frauen nicht durch generelle Drohung mit Strafe, sondern durch individuelle Beratung und einen Appell an ihre Verantwortung gegenüber dem ungeborenen Leben, durch wirtschaftliche und soziale Förderung und darauf bezogene qualifizierte Information dafür zu gewinnen sucht, sich der Aufgabe als Mutter nicht zu entziehen. Dabei kann der Gesetzgeber davon ausgehen, daß dies eher behindert als gefördert wird, wenn ein Dritter die Gründe, aus denen eine Frau das Austragen ihres Kindes als unzumutbar ansieht, überprüfen und bewerten müßte.
Damit ist nicht gesagt, daß nach fachkundiger und individueller Beratung nur noch die Frau ihre Schwangerschaft abbricht, die sich in einem Konflikt solchen Ausmaßes befindet, daß ihr das Austragen des Kindes nach den oben dargelegten verfassungsrechtlichen Maßstäben unzumutbar ist. Dies würde die Lebenswirklichkeit verkennen, in der Männer wie Frauen vielfach ihre eigenen Lebensvorstellungen überbewerten und diese auch dann nicht zurückzustellen bereit sind, wenn es bei objektivem Nachvollziehen ihrer individuellen Lebenssituation zumutbar erscheint. Gleichwohl darf der Gesetzgeber aus den genannten Gründen (vgl. oben 2. und 3.) annehmen, auch eine Indikationenüberprüfung im ersten Stadium der Schwangerschaft könnte nicht besser verhindern, daß Frauen sich einseitig an ihren persönlichen Interessen orientieren; demgegenüber könne aber die im Überlassen einer Letztverantwortung zum Ausdruck kommende Achtung vor dem Verantwortungsbewußtsein der Frauen Appellfunktion haben und geeignet sein, allgemein die Verantwortung von Frauen gegenüber dem ungeborenen Leben zu stärken, sofern dies vor dem Hintergrund einer wachgehaltenen Orientierung über die verfassungsrechtlichen Grenzen von Recht und Unrecht geschehe. Der Gesetzgeber darf berücksichtigen, daß Frauen, an die diese Erwartungen gestellt werden, ihre Verantwortung unmittelbarer und stärker empfinden und daher eher Anlaß zu ihrer gewissenhaften Ausübung haben können, als wenn ein Dritter einen ihm genannten Grund - mehr oder weniger eingehend - überprüft und bewertet und mit der Feststellung, der Abbruch sei aufgrund eines Indikationstatbestandes erlaubt, der Frau ein Stück Verantwortung abnimmt.
5. Überläßt der Gesetzgeber jenen Frauen, die sich der Beratung unterziehen, die Letztverantwortung für den Schwangerschaftsabbruch und ermöglicht er es ihnen, gegebenenfalls für den Abbruch einen Arzt in Anspruch zu nehmen, so kann er vertretbar daran die Erwartung knüpfen, daß Schwangere im Konfliktfall die Beratung annehmen und ihre Situation offenlegen.
a) Der Gesetzgeber kann nicht zuletzt Erfahrungen der Beratungspraxis dafür anführen, daß selbst eine mit der Beratung nicht verbundene, sondern ihr nachfolgende, personell und institutionell von ihr getrennte Indikationsfeststellung eine ungünstige Vorwirkung auf die Beratung ausübt und deren Wirkungschancen wesentlich beeinträchtigt, indem die Frau auf den festzustellenden Indikationstatbestand fixiert und eine offene Erörterung des Schwangerschaftskonflikts verhindert wird.
b) Diese Erwägungen gelten allerdings nur für die allgemeine Notlagenindikation. Bei ihr handelt es sich meist um Notlagen, die sich als Produkt vielfältiger und vielschichtiger, auch dem persönlichen Bereich der Schwangeren zuzurechnender Faktoren ergeben. Sie müßten in gleicher Weise Gegenstand der Drittfeststellung und Bewertung im Verfahren der Indikationsfeststellung sein, wie sie in einer - zum Lebensschutz gebotenen - Konfliktberatung aufgedeckt und erörtert werden sollen. Dies macht deutlich, daß die unbefangene Mitarbeit der Frau an der Bewältigung dieses Konflikts durch das Erfordernis seiner Drittbeurteilung behindert sein kann. Anders liegt es bei einer medizinischen, embryopathischen oder auch kriminologischen Indikation. Die Notlage ist hier greifbar, wenn ärztlich festgestellt ist, daß sich die Frau mit der Fortsetzung der Schwangerschaft einer beachtlichen Gefahr für ihre Gesundheit aussetzt oder die erhebliche Gefahr einer schweren Schädigung des Kindes besteht, oder wenn die Frau Opfer einer Straftat ist. Der vorgegebene objektive Sachverhalt verändert auch die Thematik und die Funktion der Beratung so, daß Frauen kaum Anlaß haben, einer solchen Indikationsfeststellung auszuweichen oder die Beratung nicht mit der notwendigen Offenheit anzunehmen.
c) Wissenschaftlich und rechtspolitisch umstritten war und ist allerdings, ob eine Beratungsregelung für Schwangerschaftsabbrüche in der Frühphase der Schwangerschaft eine bessere Schutzwirkung für das ungeborene Leben entfalten kann als die bisherige Regelung. Zwar besteht Übereinstimmung darüber, daß die bisherige Indikationenregelung in ihrer praktischen Handhabung einen ungenügenden Schutz gegen Schwangerschaftsabbrüche geboten habe, jedoch ist die Einschätzung, die Notwendigkeit einer Indikationsfeststellung mindere die Schutzwirkung der Schwangerschaftsberatung, in Wissenschaft und Beratungspraxis unterschiedlich. Angesichts der dargelegten Gründe, die gegen die Beibehaltung der bisherigen Indikationenregelung sprechen, hindern solche Ungewißheiten den Gesetzgeber jedoch nicht grundsätzlich daran, eine Beratungsregelung einzuführen; freilich ist er gehalten, die Auswirkungen seines neuen Schutzkonzepts im Auge zu behalten (Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht).
III.
Geht der Gesetzgeber in Erfüllung seiner Schutzpflicht zu einem Beratungskonzept über, so bedeutet das, daß die Schutzwirkung für das ungeborene Leben maßgeblich - präventiv - durch eine beratende Einflußnahme auf die einen Schwangerschaftsabbruch erwägende Frau erreicht werden soll. Das Beratungskonzept ist darauf angelegt, das Verantwortungsbewußtsein der Frau zu stärken, die - unbeschadet der Verantwortlichkeiten des familiären und weiteren sozialen Umfeldes sowie des Arztes (vgl. unten V. und VI.) - letztlich den Abbruch der Schwangerschaft tatsächlich bestimmt und insofern verantworten muß (Letztverantwortung). Das erfordert Rahmenbedingungen, die positive Voraussetzungen für ein Handeln der Frau zugunsten des ungeborenen Lebens schaffen. Nur dann kann trotz des Verzichts auf eine Feststellung von Indikationstatbeständen als Voraussetzung für einen Schwangerschaftsabbruch gleichwohl von einer Schutzwirkung des Beratungskonzepts für das ungeborene Leben ausgegangen werden (1.). Allerdings ist es nicht zulässig, nicht indizierte Schwangerschaftsabbrüche für gerechtfertigt (nicht rechtswidrig) zu erklären, deren Vornahme Frauen nach Beratung in den ersten zwölf Wochen von einem Arzt verlangen (2.). Im übrigen ist der Gesetzgeber nicht gehalten, die sich aus dem grundsätzlichen Verbot des Schwangerschaftsabbruchs an sich aufdrängenden Folgerungen in jeder Hinsicht zu ziehen, wenn das Beratungskonzept um seiner Wirksamkeit willen bestimmte Ausnahmen fordert (3.).
1. a) Zu den notwendigen Rahmenbedingungen eines Beratungskonzepts gehört an erster Stelle, daß die Beratung für die Frau zur Pflicht gemacht wird und ihrerseits darauf ausgerichtet ist, die Frau zum Austragen des Kindes zu ermutigen. Dabei muß die Beratung nach Inhalt, Durchführung und Organisation geeignet sein, der Frau die Einsichten und Informationen zu vermitteln, deren sie für eine verantwortliche Entscheidung über die Fortsetzung oder den Abbruch der Schwangerschaft bedarf (siehe dazu im einzelnen unten IV.).
b) Darüber hinaus müssen die Personen in das Schutzkonzept einbezogen werden, die - sei es positiv, sei es negativ - in einem Schwangerschaftskonflikt auf den Willen der Frau Einfluß nehmen können. Dies gilt insbesondere für den Arzt, den die Schwangere zur Durchführung des Abbruchs aufsucht. Außer ihr und der Person, die sie beraten hat, weiß oft nur er um die Existenz des Ungeborenen; zudem ist der Arzt nach ärztlichem Berufsverständnis ohnehin zu dessen Schutz berufen (siehe dazu unten V.). In das Schutzkonzept einzubeziehen sind aber auch Personen des familiären und des weiteren sozialen Umfeldes einer schwangeren Frau, die diese, wie aus Berichten von Beratern und Ärzten sowie aus wissenschaftlichen Untersuchungen hervorgeht, häufig - und dies nicht selten in strafwürdiger Weise - gegen das Kind beeinflussen (siehe dazu unten VI.).
c) Aus den zu D.II.5.a) und b) genannten Gründen muß die Beratungsregelung davon absehen, den Rechtfertigungsgrund einer allgemeinen Notlagenindikation vorzusehen. Er würde ihrem Konzept zuwiderlaufen. Die Beratungsregelung will wirksamen Schutz dadurch erreichen, daß sie die Frau um ihrer Aufgeschlossenheit gegenüber der Beratung willen davor bewahrt, eine sie rechtfertigende Notlage darlegen und sich deren Feststellung unterziehen zu müssen. Das hat unvermeidlich zur Folge, daß die Beratungsregelung die Möglichkeit einer Rechtfertigung durch die allgemeine Notlagenindikation nicht verheißen kann. Nur wenn die Beratungsregelung generell und ausnahmslos von der Feststellung des Vorliegens einer sozialen Notlage absieht, kann sie erreichen, daß Frauen die Beratung annehmen und sich ihr nicht im Blick auf eine erstrebte Beurteilung ihrer Entscheidung als rechtmäßig - und daran möglicherweise geknüpfte günstige Rechtsfolgen - verschließen. Die Beratungsregelung mutet es daher Frauen zu, auf die persönliche Entlastung zu verzichten, die in einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des von ihnen beabsichtigten Abbruchs liegen kann, auch wenn bei ihnen im Einzelfall eine allgemeine Notlage ohne weiteres nachvollziehbar erscheinen mag.
Die Grundrechtspositionen der Frau fordern einen Rechtfertigungsgrund der allgemeinen Notlagenindikation nicht; ihnen kann auch in anderer Weise entsprochen werden (vgl. dazu D. III.3.). Doch darf die Orientierung über die Rechtspflicht zum Austragen des Kindes und ihre Grenzen auch bei einer Beratungsregelung, die unvermeidlich auf eine Notlagenindikation verzichtet, nicht verlorengehen. Auch im konkreten Schwangerschaftskonflikt kann die normative Orientierung auf den Schutz des ungeborenen Lebens nicht entfallen; der verfassungsrechtliche Rang des Rechtsguts des ungeborenen menschlichen Lebens muß dem allgemeinen Rechtsbewußtsein weiterhin gegenwärtig bleiben (sog. positive Generalprävention). Auch eine Beratungsregelung muß daher in der Rechtsordnung unterhalb der Verfassung zum Ausdruck bringen, daß ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen rechtmäßig sein kann, wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die - vergleichbar den Fällen der medizinischen und embryopathischen Indikation (§ 218a Abs. 2 und 3 StGB n.F.) - so schwer und außergewöhnlich ist, daß sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt. Diese Orientierung gibt der verantwortlich handelnden Frau die Grundlage, ihr Handeln zu beurteilen. Dies gerade ist der Kern der Verantwortung, die der Frau mit einer Beratungsregelung überlassen ist; aus ihrer Wahrnehmung kann freilich eine Rechtfertigung nicht folgen (vgl. D.III.2.b.aa).
d) Schließlich verlangt eine Beratungsregelung, die vorwiegend auf präventiven Schutz setzt, daß ein Angebot sozialer Hilfen für Mutter und Kind - auch tatsächlich - bereitsteht, das durch Beseitigung oder Linderung konkreter Bedrängnisse und sozialer Nöte eine Entscheidung der Eltern für das Kind stützen und die Frau zum Austragen des Kindes ermutigen kann (vgl. oben D.I.3.).
2. Das mit einem Beratungskonzept verbundene Ziel, Schwangerschaftsabbrüche, die während der ersten zwölf Wochen nach Beratung auf Verlangen der Schwangeren - ohne Feststellung von Indikationen - von einem Arzt vorgenommen werden, nicht mit Strafe zu bedrohen, kann der Gesetzgeber nur erreichen, indem er diese Schwangerschaftsabbrüche aus dem Tatbestand des § 218 StGB ausnimmt; sie können nicht für gerechtfertigt (nicht rechtswidrig) erklärt werden.
a) Darf der Schwangerschaftsabbruch nach der Verfassung nur bei Vorliegen bestimmter Ausnahmetatbestände erlaubt werden, so kann er nicht zugleich im Strafrecht unter anderen, weitergehenden Voraussetzungen als erlaubt angesehen werden. Die Rechtsordnung muß das verfassungsrechtliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs bestätigen und verdeutlichen. Dazu dient insbesondere das Strafrecht, das Rechtsgüter von besonderem Rang und in einer besonderen Gefährdungslage schützt und das allgemeine Bewußtsein von Recht und Unrecht am deutlichsten prägt. Wenn das Strafrecht einen Rechtfertigungsgrund vorsieht, muß das im allgemeinen Rechtsbewußtsein so verstanden werden, als sei das im Rechtfertigungstatbestand bezeichnete Verhalten erlaubt. Auch die Rechtsordnung im übrigen würde bei den jeweiligen Regelungen über Recht und Unrecht in ihren Teilbereichen davon ausgehen, daß der Schutz für dieses Leben durch die strafrechtlichen Rechtfertigungsgründe aufgehoben sei. Damit wäre der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht nicht genügt. Die Durchschlagskraft, die einem strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund für die gesamte Rechtsordnung jedenfalls dann zukommt, wenn es sich um den Schutz elementarer Rechtsgüter handelt, schließt es aus, ihn in seinen Wirkungen allein auf das Strafrecht zu beschränken. Ein Schwangerschaftsabbruch darf deshalb strafrechtlich nur für gerechtfertigt erklärt werden, wenn und soweit die Rechtfertigungsgründe auf die verfassungsrechtlich zugelassenen Ausnahmen vom Verbot des Schwangerschaftsabbruchs tatbestandlich begrenzt sind.
Werden hingegen Schwangerschaftsabbrüche unter bestimmten Voraussetzungen aus dem Straftatbestand ausgeklammert, so bedeutet dies lediglich, daß sie nicht mit Strafe bedroht sind. Eine Entscheidung des Gesetzgebers darüber, ob der Schwangerschaftsabbruch in anderen Teilen der Rechtsordnung als rechtmäßig oder rechtswidrig anzusehen und zu behandeln ist, bleibt damit offen (vgl. Lenckner in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 24. Aufl., 1991, Vorbem. zu §§ 13 ff. Rdnr. 18; Eser/Burkhardt, Strafrecht I, 4. Aufl., 1992, Nr. 9, Rdnr. 41). In anderen Bereichen der Rechtsordnung können dann eigenständige Regelungen getroffen werden, die dort den Schwangerschaftsabbruch als rechtswidrig zugrunde legen. Geschieht dies allerdings nicht, so wirkt sich der Ausschluß des Straftatbestandes wie ein Rechtfertigungsgrund aus, womit den Mindestanforderungen der Schutzpflicht nicht mehr genügt wäre.
Während der Tatbestandsausschluß so die Möglichkeit offenhält, diesen Mindestanforderungen in anderen Teilen der Rechtsordnung zu entsprechen, gibt ein in das Strafgesetz eingeführter Rechtfertigungsgrund das von der Verfassung geforderte grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs von vornherein in einem größeren Umfang preis. Insoweit sind dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers Grenzen gezogen.
b) Es entspricht unverzichtbaren rechtsstaatlichen Grundsätzen, daß einem Ausnahmetatbestand rechtfertigende Wirkung nur dann zukommen kann, wenn das Vorliegen seiner Voraussetzungen festgestellt werden muß, sei es durch die Gerichte, sei es durch Dritte, denen der Staat kraft ihrer besonderen Pflichtenstellung vertrauen darf und deren Entscheidung nicht jeder staatlichen Überprüfung entzogen ist. Läßt das vom Gesetzgeber gewählte Schutzkonzept der Beratung, soweit es um die überwiegend geltend gemachten allgemeinen Notlagen geht, diese Indikationsregelung nicht zu, weil die Feststellung ihrer Voraussetzungen die Wirksamkeit der Beratung hindern würde, so muß der Gesetzgeber insoweit darauf verzichten, den Abbruch der Schwangerschaft für gerechtfertigt zu erklären.
aa) Weder der im Schutzkonzept angelegte Verzicht auf die Indikationsregelung noch die einzigartige Verbindung von Mutter und Kind während der Schwangerschaft ermöglichen es, hiervon abzugehen. Es kann nicht eingewandt werden, daß die allgemeine Notlagenindikation als Rechtfertigungsgrund anderen Maßstäben unterliegen müsse, weil ihre Voraussetzungen sich einer Feststellung entzögen. Vielmehr ist eine solche Feststellung ungeachtet der dabei bestehenden Schwierigkeiten (siehe oben II.2.) weder tatsächlich noch rechtlich unmöglich. Auch soweit sie subjektive Umstände betrifft, unterscheidet sie sich nicht von vielen anderen Feststellungen zur Persönlichkeit, Willenskraft und psychischen Befindlichkeit von Personen, die der Rechtsstaat verlangt und trifft, wenn es etwa um die Ahndung einer Verletzung fundamentaler Rechtsgüter oder ihre Bewahrung geht (vgl. etwa §§ 46 ff., 56 ff., 63 ff., 70 StGB).
Allerdings würde es dazu in nicht wenigen Fällen erforderlich sein, höchstpersönliche Beziehungen und Verhältnisse der Frau zu beleuchten. Dem kann sie aber, wenn es darum geht, ob die Tötung des auch der Frau gegenüber geschützten Lebens des Ungeborenen erlaubt ist, keine eigenen Rechte entgegenhalten. Ist aber die Feststellung der Indikation nur tatsächlich besonders aufwendig, so ist allein dies noch kein hinreichender Grund, von ihr Abstand zu nehmen und sie etwa durch eine "Selbstindikation" der Frau zu ersetzen. Auch wenn die Beratungsregelung den Frauen Verantwortung bei der Entscheidung über das Austragen ihres Kindes zutraut und mit der Beratung ein Verfahren zur Verfügung stellt, das ihnen die notwendige normative Orientierung und Ermutigung zum Kind geben kann, wäre es gleichwohl mit der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes unvereinbar, wenn die an dem Konflikt existenziell beteiligten Frauen selbst mit rechtlicher Erheblichkeit feststellten, ob eine Lage gegeben ist, bei der das Austragen des Kindes unzumutbar ist und deshalb der Abbruch der Schwangerschaft auch von Verfassungs wegen erlaubt werden kann. Die Frauen würden dann in eigener Sache über Recht und Unrecht befinden. Das läßt der Rechtsstaat auch und gerade in der besonderen Situation der "Zweiheit in Einheit" nicht zu. Die Verfassung verspricht dem noch in jeder Weise von der Mutter abhängigen Ungeborenen Schutz auch dieser gegenüber. Dann aber darf die besondere Verbindung von Mutter und ungeborenem Leben, die für dieses Schutz bedeutet, aber auch Gefahr bringen kann, nicht zum Anlaß genommen werden, allein der Mutter die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen zu überlassen, die ihr nach der Rechtsordnung die Tötung des Ungeborenen erlauben. Damit wäre gerade ein Mindestmaß an rechtlichem Schutz nicht mehr gewährt.
bb) Der nötige Nachweis einer Notlage kann auch nicht aufgrund von Erfahrungssätzen oder Indizien als allgemein erbracht angesehen werden, so daß auch ohne eine Feststellung im Einzelfall eine Notlagenindikation an die Beratung geknüpft werden könnte.
Es ist nichts Ungewöhnliches, daß die Rechtsordnung - insbesondere auch das Strafrecht - einen Tatsachenkomplex als rechtlich erheblich ansieht, der sich aus äußeren und inneren Tatsachen zusammensetzt. Oft ist deren Feststellung nur dadurch möglich, daß Umstände festgestellt werden, die nach der Lebenserfahrung auf das Vorhandensein der festzustellenden Tatsache schließen lassen (Indizien), etwa indem mit Hilfe von Erfahrungssätzen von einem bestimmten äußeren Geschehen auf innere Tatsachen geschlossen wird. Nur so läßt sich auch die Gesamtheit der Tatsachen feststellen, die Voraussetzung einer rechtfertigenden Notlagenindikation ist.
Die Ausgestaltung der Beratungsregelung ermöglicht es nicht, schon aus ihrer Durchführung unter Zuhilfenahme von Erfahrungssätzen mit hinreichender Sicherheit zu schließen, dem unter den Voraussetzungen der Beratungsregelung geäußerten Abbruchverlangen liege in der Regel tatsächlich eine Konfliktsituation solcher Schwere zugrunde, daß das Austragen des Kindes unzumutbar sei und deshalb der Abbruch der Schwangerschaft auch von Verfassungs wegen erlaubt sein dürfe. Das Beratungskonzept setzt auf die das bedrohte Rechtsgut schützende Wirkung einer Beratung, die bei den Beteiligten die Bereitschaft für das Kind bekräftigen und fördern soll. Es geht auch vertretbar davon aus, daß Frauen sich in der Regel nicht leichten Herzens, ohne eine Konfliktsituation zu empfinden, zu dem Eingriff eines Schwangerschaftsabbruchs entschließen. Das Beratungskonzept mag auch geeignet sein, Frauen, die in der Beratung zum Austragen des Kindes ermutigt werden und denen die von der Rechtsordnung gezogene Grenze zwischen verbotenen und ausnahmsweise erlaubten Schwangerschaftsabbrüchen in einer ihnen verständlichen Weise erläutert worden ist, dazu zu veranlassen, sich um gewissenhafte Beurteilung und Einschätzung ihres Konflikts zu bemühen und in voller Kenntnis des Für und Wider verantwortlich eine Entscheidung zu treffen. Diese Einschätzung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie wäre allerdings nicht mehr nachvollziehbar, nähme der Gesetzgeber darüber hinaus einen Erfahrungssatz des Inhalts an, die Beratung und das ärztliche Gespräch könnten eine Frau in ihrer durch die ungewollte Schwangerschaft hervorgerufenen Konfliktsituation regelmäßig so beeinflussen, daß sie sich dem für sie physisch und psychisch belastenden Schwangerschaftsabbruch nur unterziehen werde, wenn die Voraussetzungen einer unzumutbaren Notlage tatsächlich vorliegen. Eine Frau, die das Kind - aus welchen Gründen auch immer - auf keinen Fall haben will, sieht als einzigen Ausweg die Abtreibung. Diese erscheint dann - wird sie von einem Arzt in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft ausgeführt - auch bei Berücksichtigung der nicht zu vernachlässigenden Gefahr psychischer Spätfolgen für die Frau unvergleichlich weniger belastend als das Austragen, Gebären und Aufziehen des Kindes. Es entspricht daher der Erfahrung, daß ungewollt schwanger gewordene Frauen oft ihre Zuflucht in der Abtreibung suchen; das wird durch die sich nach wie vor in überaus großer Zahl ereignenden Abtreibungen bestätigt. Es besteht hingegen kein Erfahrungssatz, daß sie den Abbruch der Schwangerschaft nur dann auf sich nehmen, wenn ihnen in einer Ausnahmelage das Austragen des Kindes aus schwerwiegenden Gründen unzumutbar ist.
Ginge der Gesetzgeber aber davon aus, daß ein Abbruchverlangen nach Beratung und ärztlichem Gespräch sich jedenfalls bei typisierender Betrachtungsweise als verantwortungsvolle und von rechtlichen Maßstäben gesteuerte Entscheidung darstelle und damit die Feststellung einer Indikation durch Dritte im Einzelfall ersetzen könne, so würde er den Mindestanforderungen an den jedem Ungeborenen geschuldeten rechtlichen Schutz nicht genügen. Dazu gehört es - wie dargelegt -, daß die Tötung des einzelnen Lebens nur erlaubt sein darf, wenn im konkreten Fall für die Frau ausnahmsweise die Voraussetzung der Unzumutbarkeit gegeben ist. Dem wird nicht mit einer Feststellung genügt, es liege eine Situation vor, in der nach Einschätzung des Gesetzgebers Frauen typischerweise nur bei Vorliegen einer rechtfertigenden Ausnahmelage abtreiben.
cc) Die Schutzwirkungen der Beratungsregelung hängen nicht davon ab, daß das nach Beratung der Frau geäußerte Abbruchverlangen den Schwangerschaftsabbruch rechtfertigt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß die Wirksamkeit der Beratung die Gewißheit der Frau voraussetzte, der Abbruch, für den sie sich nach Abschluß des Beratungsverfahrens entscheidet, werde von der Rechtsordnung ausdrücklich gebilligt. Vielmehr würde es einer auf den Schutz des ungeborenen Lebens zielenden Beratung eher abträglich sein, wenn die Rechtsordnung ohnehin jedes Abbruchverlangen nach Beratung erlaubte. Die Beratung könnte nämlich die Verantwortung der Frauen nicht stärken, wenn ihre Entschließung für den Abbruch nach der Beratung in jedem Falle rechtliche Anerkennung erführe.
Die Bewertung eines Schwangerschaftsabbruchs als rechtmäßig auch in Fällen, in denen eine unzumutbare Ausnahmelage nicht festgestellt wird, schwächte zudem den rechtlichen Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens, den das prinzipielle Verbot des Schwangerschaftsabbruchs durch die Aufrechterhaltung des Rechtsbewußtseins zu bewirken vermag (positive Generalprävention). Das Rechtsbewußtsein wird durch widersprüchliche rechtliche Bewertungen verunsichert. Ein solcher Widerspruch läge vor, wenn der schwangeren Frau in der Beratung eine rechtliche Orientierung gegeben würde, ihr Schwangerschaftsabbruch sei nur erlaubt, wenn Indikationen vorliegen, andererseits aber ihre Entscheidung für den Abbruch nach Beratung als gerechtfertigt, mithin als erlaubt, angesehen würde, obwohl eine Indikation nicht festgestellt wird.
Mithin kann der Gesetzgeber im Rahmen einer Beratungsregelung das gewünschte Ergebnis, die Frau nicht mit Strafe zu bedrohen, wenn sie - nach stattgehabter Beratung - die Schwangerschaft in der Frühphase durch einen Arzt abbrechen läßt, verfassungsrechtlich unbedenklich nur durch einen Tatbestandsausschluß erreichen. Er muß dann freilich dafür Sorge tragen, daß das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs für die gesamte Dauer der Schwangerschaft, das danach im Umfang des Tatbestandsausschlusses nicht mehr in einer Strafbestimmung enthalten ist, an anderer Stelle der Rechtsordnung in geeigneter Weise zum Ausdruck kommt (vgl. auch oben D.III.1.c).
3. Die Herausnahme des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Straftatbestand läßt - wie dargelegt - Raum, das grundsätzliche Verbot eines Schwangerschaftsabbruchs, für den rechtfertigende Ausnahmetatbestände nicht festgestellt sind, in den übrigen Bereichen der Rechtsordnung zur Geltung zu bringen. Hierbei verlangen die Besonderheiten des Beratungskonzepts, auch für den Fall eines späteren Schwangerschaftsabbruchs Bedingungen zu schaffen, die nicht im Vorwege der Bereitschaft der Frau entgegenwirken, sich auf die dem Lebensschutz dienende Beratung einzulassen, ihren Konflikt offenzulegen und an seiner Lösung verantwortlich mitzuwirken. Deshalb ist die Rechtslage insgesamt so zu gestalten, daß es sich für die Frau nicht nahelegt, die Beratung gar nicht erst anzunehmen und in die Illegalität auszuweichen. Über die Herausnahme des Schwangerschaftsabbruchs aus der Strafdrohung hinaus muß sichergestellt sein, daß gegen das Handeln der Frau und des Arztes von Dritten Nothilfe zugunsten des Ungeborenen nicht geleistet werden kann. Die Frau muß auch in der Lage sein, den Abbruch durch einen Arzt im Rahmen eines wirksamen privatrechtlichen Vertrags durchführen zu lassen (vgl. dazu unten V.6.). Ebenso muß sie davor geschützt sein, den Abbruch und ihre Gründe hierfür unter Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts weiteren Personen offenbaren zu müssen (vgl. unten E.V.3.b) und 4.b). Um derartige Bedingungen herbeizuführen, muß es möglich sein, in dem jeweils einschlägigen Rechtsbereich davon abzusehen, den nach Beratung vorgenommenen Schwangerschaftsabbruch, obwohl er nicht gerechtfertigt ist, als Unrecht zu behandeln.
Die Schutzpflicht für das ungeborene menschliche Leben läßt dies zu. Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, die sich nach dem grundsätzlichen Verbot des Schwangerschaftsabbruchs an sich aufdrängenden Folgerungen in jeder Hinsicht zu ziehen, wenn ein hinreichend auf den Lebensschutz ausgerichtetes Schutzkonzept zu seiner Wirksamkeit bestimmte Ausnahmen fordert. Die Schutzwirkungen, die von dem grundsätzlichen Verbot eines Schwangerschaftsabbruchs ausgehen, indem dieses das allgemeine Rechtsbewußtsein prägt und stützt, gehen dann nicht verloren, wenn Folgewirkungen des Verbots - mit Rücksicht auf sinnvolle andere Schutzmaßnahmen - nur in bestimmten Bereichen der Rechtsordnung eingeschränkt werden, in anderen hingegen Geltung haben.
Diesen Anforderungen kann trotz der Einschränkung der Verbotsfolgen entsprochen werden. Die im Rahmen der Beratungsregelung erfolgenden Abbrüche dürfen in ihren Rechtsfolgen gerechtfertigten Abbrüchen nur insoweit gleichgestellt werden, als dies zur Verwirklichung der Schutzmaßnahme unerläßlich ist. Solche Einschränkungen der Verbotsfolgen sind auch nur in einzelnen Rechtsbeziehungen erforderlich. Im übrigen dürfen Rechtsfolgen, die eine Rechtmäßigkeit des Handelns voraussetzen, nicht an solche Abbrüche geknüpft werden. Die verfassungsrechtlich gebotene Wertung dieser Abbrüche als nicht rechtmäßig prägt des weiteren Maßstäbe des Vertragsrechts. Sie hat etwa auch Richtlinie zu sein für die Ausbildung von Ärzten, ärztlichem Hilfspersonal und Sozialarbeitern. Allgemein ist das aus der Schutzpflicht folgende verfassungsrechtliche Gebot, den Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich als Unrecht zu behandeln, bei der Auslegung und Anwendung des Rechts, insbesondere von Generalklauseln, in der Weise zu beachten, daß gerechtfertigte und nicht gerechtfertigte Schwangerschaftsabbrüche nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, das Schutzkonzept erfordere es.
4. Die Beratungsregelung hat nach allem zur Folge, daß die Frau, die ihre Schwangerschaft nach Beratung abbricht, eine von der Rechtsordnung nicht erlaubte Handlung vornimmt. Das Beratungskonzept kann der Frau den Rechtfertigungsgrund der allgemeinen Notlage und deren Feststellung nicht zuteil werden lassen, ohne damit der ihr zugrundeliegenden Schutzkonzeption zu widersprechen. Dies kann die Beratungsregelung der Frau zumuten, ohne sie zum bloßen Objekt eines Schutzkonzepts herabzuwürdigen. Das Beratungskonzept nimmt die Frau als handelnde Person ernst, indem es sie als Verbündete bei dem Schutz des ungeborenen Lebens zu gewinnen sucht und dabei von ihr eine verantwortliche Mitwirkung erwartet. Es schafft des weiteren Bedingungen, die die Rechtsposition der Frau achten (siehe oben 3.) und jene Rechtsnachteile vermeiden, die der Frau Veranlassung geben könnten, sich dem Beratungsverfahren und dem ärztlichen Gespräch zu entziehen. Nur wenn es nicht mehr um solche Bedingungen geht, muß das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs zum Tragen kommen. Dies bedeutet etwa, daß für Schwangerschaftsabbrüche im Rahmen der Beratungsregelung nicht alle die rechtlichen Vorteile gewährt werden können, die nach der Rechtsordnung für rechtmäßige Abbrüche zulässig sind.
IV.
Die Schutzpflicht für das ungeborene menschliche Leben legt dem Gesetzgeber, wenn er sich für ein Beratungskonzept entscheidet, auch Bindungen bei der normativen Ausgestaltung des Beratungsverfahrens auf (siehe oben III.1.a). Dieses erhält mit der Verlagerung des Schwerpunktes der Schutzgewährung auf präventiven Schutz durch Beratung eine zentrale Bedeutung für den Lebensschutz. Der Gesetzgeber muß daher bei der Festlegung des Inhalts einer Beratung (1.), der Regelung ihrer Durchführung (2.) und der Organisation der Beratung einschließlich der Auswahl der an ihr mitwirkenden Personen (3.) unter Bindung an das Untermaßverbot Regelungen treffen, die wirksam und ausreichend sind, um eine Frau, die den Schwangerschaftsabbruch erwägt, für das Austragen des Kindes gewinnen zu können. Nur dann ist die Einschätzung des Gesetzgebers, mit einer Beratung könne wirksamer Lebensschutz erzielt werden, vertretbar.
1. Für die Festlegung des Inhalts der Beratung kann der Gesetzgeber davon ausgehen, daß Beratung nur dann eine Chance hat, das ungeborene menschliche Leben wirklich zu schützen, wenn sie ergebnisoffen geführt wird. Die Beratung muß, um erfolgreich sein zu können, darauf angelegt sein, daß die Frau sich an der Suche nach einer Lösung beteiligt. Dies rechtfertigt es auch, davon abzusehen, die erwartete Gesprächs- und Mitwirkungsbereitschaft der Frau zu erzwingen oder sie zu verpflichten, sich im Beratungsgespräch als Person zu identifizieren.
Die Beratung im Schwangerschaftskonflikt bedarf der Zielorientierung auf den Schutz des ungeborenen Lebens hin. Eine bloß informierende Beratung, die den konkreten Schwangerschaftskonflikt nicht aufnimmt und zum Thema eines persönlich geführten Gesprächs zu machen sucht, sich auch nicht um konkrete Hilfen im Blick auf diesen Konflikt bemüht, ließe die Frau im Stich und verfehlte ihren Auftrag. Die Beraterinnen oder Berater müssen sich von dem Bemühen leiten lassen, die Frau zur Fortsetzung ihrer Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen.
Eine solche Ermutigung steht solange nicht im Widerspruch zu den Wirkungsbedingungen einer Beratung, wie sie von der personalen Freiheit der Ratsuchenden ausgeht, ihre Verantwortung respektiert und dementsprechend als ergebnisoffene Beratung geführt wird. Als ein Vorgang personaler Kommunikation schließt eine ergebnisoffene Beratung keineswegs aus, daß vom Berater vermittelte normative Vorstellungen und Werthaltungen in sie einfließen; sie bietet vielmehr gerade die Chance dafür, daß normative Orientierungen und Prägungen, die auch bei der Ratsuchenden vorhanden sind, angesprochen werden. Ein Schwangerschaftskonflikt erwächst in aller Regel aus einem elementaren Zwiespalt zwischen der Erkenntnis, schutzbedürftiges menschliches Leben in sich zu tragen, dem Wunsch, das Kind haben zu wollen einerseits und andererseits der Sorge, der damit verbundenen Aufgabe nicht gewachsen, schweren Konflikten im persönlichen Umfeld ausgesetzt zu sein oder eigene Lebensvorstellungen zurückstellen zu müssen. Eine Beratung, die diesen Zwiespalt aufdeckt und sich darum bemüht, die dem Kinderwunsch entgegenstehenden Umstände bewältigen zu helfen und die Frau zum Austragen der Schwangerschaft zu ermutigen, ist deshalb keine von außen kommende Fremdbestimmung. Daß die Frau solcher Hilfe bedarf, belegen auch psychische Folgeprobleme, die nach einem Schwangerschaftsabbruch nicht selten auftreten.
Beratung kann nach alledem nicht nur durch Manipulation und Indoktrination mißglücken, sondern ebenso durch ein unbeteiligtes Anheimstellen, das die Frau mit ihrem Konflikt allein läßt und ihr damit letztlich anteilnehmenden Rat verweigert. Auch eine Beratung, die sich lediglich an der im Beratungsgespräch vorgetragenen Interessenlage der schwangeren Frau orientiert, ohne den vorhandenen Zwiespalt aufzugreifen, wird dem Auftrag der Beratung nicht gerecht. Andererseits würde eine auf die Erzeugung von Schuldgefühlen zielende und in dieser Weise belehrende Einflußnahme die Bereitschaft der Frau, sich der Beratung zu öffnen und sich ihren Zwiespalt bewußt zu machen, behindern.
Die Beratung soll ermutigen, nicht einschüchtern; Verständnis wecken, nicht belehren; die Verantwortung der Frau stärken, nicht sie bevormunden. Das stellt hohe Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung der Beratung und an die Personen,die sie durchführen. Dazu bedarf es entsprechender gesetzlicher Vorgaben.
a) Soll die Verantwortung der schwangeren Frau für das ungeborene Leben Grundlage einer gewissenhaften Entscheidung werden, so muß die Frau sich eben dieser Verantwortung bewußt sein, die sie nach dem Beratungskonzept in spezifischer Weise trägt. Dabei muß sie wissen, daß das Ungeborene insbesondere auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat, also auch im Frühstadium der Schwangerschaft nach der Rechtsordnung besonderen Schutz genießt. Mithin muß der Frau bewußt sein, daß nur in Ausnahmesituationen nach der Rechtsordnung ein Schwangerschaftsabbruch in Betracht gezogen werden darf, nämlich nur, wenn der Frau eine Belastung erwächst, die so schwer und außergewöhnlich ist, daß sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt. Dessen muß sich die beratende Person vergewissern und etwa vorhandene Fehlvorstellungen in für die Ratsuchende verständlicher Weise korrigieren.
Hiergegen kann nicht eingewandt werden, daß die bloße Mitteilung einer Rechtslage, die für die Frau keine strafrechtlichen Folgen vorsieht, Schutz zu bewirken nicht in der Lage sei. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß schwangere Frauen in einer Konfliktsituation allgemein einer solchen Information unzugänglich sind oder sie in ihrer Situation gar nur als belehrende Einflußnahme des Staates empfinden und beiseite schieben. Das Beratungskonzept geht gerade davon aus, daß auch die schwangere Frau, die sich in einer Not- und Konfliktlage sieht, zu einer verantwortlichen, die Belange des ungeborenen Lebens achtenden Entscheidung in der Lage sei; dann ist es nur folgerichtig anzunehmen, daß sie bei ihrer Entscheidung mit in Erwägung ziehen wird, was die Rechtsordnung insoweit als Recht und Unrecht ansieht. Die dazu notwendigen Bewertungsmaßstäbe hat ihr - soweit erforderlich - die Beratung in verständlicher Weise zu vermitteln. Danach jedenfalls vermag die Frau in gleicher Weise wie jeder Handelnde im Augenblick seines Handelns ihr Tun rechtlich zu beurteilen.
b) Die Wissenschaft hat Methoden dafür entwickelt, wie bei der Bewältigung von Konflikten Hilfe geleistet werden kann; sie werden auch praktiziert. Ein Konzept, das den Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens in den ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft vornehmlich durch Beratung gewährleisten will, kann hierauf nicht verzichten. Jede Beratung muß daher darauf angelegt sein, ein Gespräch zu führen und dabei die Methoden einer Konfliktberatung anzuwenden. Dies setzt zum einen voraus, daß die Beratenden über entsprechende Fähigkeiten verfügen und jeder einzelnen Frau hinreichend Zeit widmen können. Zum anderen ist die Aufnahme einer Konfliktberatung von vornherein nur möglich, wenn die Schwangere der beratenden Person die wesentlichen Gründe mitteilt, die sie dazu bewegen, einen Abbruch der Schwangerschaft in Erwägung zu ziehen.
Wenn es auch der Charakter einer Beratung ausschließt, eine Gesprächs- und Mitwirkungsbereitschaft der schwangeren Frau zu erzwingen, ist doch für eine Konfliktberatung, die zugleich die Aufgabe des Lebensschutzes erfüllen soll, die Mitteilung der Gründe unerläßlich, die dazu führen, einen Schwangerschaftsabbruch zu erwägen.
Dies von der Frau zu verlangen, beeinträchtigt weder die Ergebnisoffenheit des Beratungsverfahrens, noch wertet sie die der Frau zukommende Verantwortung ab. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, daß das Konzept, Lebensschutz durch Beratung zu gewähren, darauf verzichtet, die Gründe der Frau für den Abbruch einer Nachprüfung und Bewertung durch Dritte anhand von Indikationstatbeständen zu unterziehen und die nach der Beratung getroffene Entscheidung der Frau gegen das Kind mit Sanktionen zu belegen. Wenn in einem solchen Konzept die Beratung darauf hinwirken soll, daß die Frau ihre Abbruchgründe mitteilt, knüpft dies gerade an die Verantwortung der schwangeren Frau und ihre Fähigkeit an, eine gewissenhafte Entscheidung zu treffen.
c) Die Erfüllung der Schutzpflicht gegenüber dem ungeborenen menschlichen Leben erfordert es weiter, daß in der Beratung soziale und sonstige Fördermaßnahmen, die der Staat ergriffen hat, der Frau vorgestellt werden und sie bei der Inanspruchnahme der Leistungen so effektiv wie möglich unterstützt wird. Gleiches gilt, soweit Dritte, wie etwa Kirchen oder Stiftungen, Mittel zum Schutze des Lebens bereithalten. Nur so ist gewährleistet, daß alle diese Hilfen gerade die Frauen, die ihrer oft am meisten bedürfen, auch erreichen und ihren Willen zum Kind fördern.
d) Das Beratungsverfahren löste die ihm zukommende Aufgabe nicht hinreichend, wenn nicht berücksichtigt würde, daß Personen, die der schwangeren Frau nahestehen - insbesondere der Vater des ungeborenen Kindes und die Eltern einer minderjährigen Schwangeren -, zu ihrer Unterstützung berufen sind und sie in ihrer Entscheidung für oder gegen das Kind beeinflussen können. Jede Beratung muß es deshalb unternehmen zu klären, ob die Hinzuziehung des Vaters, naher Angehöriger oder Vertrauter angezeigt erscheint und die schwangere Frau dafür gewonnen werden kann. In Fällen, in denen die Schwangere von vornherein von einer solchen ihr nahestehenden Person begleitet wird, ist es hingegen geboten zu prüfen, ob von dieser ein für das ungeborene Leben schädlicher Einfluß zu befürchten und die Schwangere daher aufzufordern ist, noch einmal ohne Begleitung zu einem Beratungsgespräch zu kommen.
2. Der notwendige Inhalt einer Beratung muß auch die Regelung ihrer Durchführung bestimmen.
a) Vorzusehen ist, daß die schwangere Frau nicht notwendig schon nach dem ersten Beratungsgespräch die Ausstellung der Beratungsbescheinigung verlangen kann. Wenn auch ein im Beratungsverfahren ausgeübter Druck der Wirksamkeit einer Beratung im Grundsatz eher abträglich ist, muß doch vorgesehen werden, daß die Beratungsstelle die Bescheinigung erst ausstellt, wenn sie die Beratung als abgeschlossen ansieht. Der besonderen psychischen Situation der Frau kann auch bei einer solchen Regelung hinreichend Rechnung getragen werden. Deshalb werden die Beratungsstellen gehalten sein, etwa erforderliche weitere Beratungstermine unverzüglich zur Verfügung zu stellen. Allerdings darf ein Vorenthalten der Beratungsbescheinigung nicht dazu dienen, die zur Abtreibung entschlossene Frau zu veranlassen, den Abbruch bis zum Ende der Zwölf-Wochen-Frist hinauszuschieben.
b) Der Schwangerschaftsabbruch darf der Beratung nicht auf dem Fuße folgen. Die Beratung wird vielfach von der schwangeren Frau nicht sofort, sondern erst in einer gewissen Zeit verarbeitet werden können. Die Frau muß noch Gelegenheit haben, mit ihr vertrauten Personen über ihre Entscheidung zu sprechen, wenn diese verantwortungsbewußt getroffen werden soll (vgl. schon BVerfGE 39, 1 [64]).
3. Will der Staat den von ihm zu gewährenden Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens durch ein Beratungsverfahren verwirklichen, so trägt er für dessen Durchführung die volle Verantwortung. Ihm obliegt es, ein angemessenes Beratungsangebot sicherzustellen, und er darf sich seiner Verantwortung nicht etwa dadurch entziehen, daß er die Beratung privaten Organisationen zu unkontrollierter und nach je eigenen religiösen, weltanschaulichen oder politischen Zielvorstellungen ausgerichteter Ausführung überläßt. Wird die Beratung von nichtstaatlichen Organisationen durchgeführt, so ändert dies nichts daran, daß im Rahmen eines Schutzkonzepts, das gerade die Beratung zu einem wesentlichen Instrument des Lebensschutzes macht, die Beratung eine Aufgabe des Staates bleibt; er darf deren Handhabung um der Wirksamkeit des Schutzes willen seiner Aufsicht nicht entgleiten lassen. Daraus folgt:
a) Der Staat darf, unabhängig davon, ob es sich um staatliche, kommunale oder private Träger handelt, nur solchen Einrichtungen die Beratung anvertrauen, die nach ihrer Organisation, nach ihrer Grundeinstellung zum Schutz des ungeborenen Lebens, wie sie in ihren verbindlichen Handlungsmaßstäben und öffentlichen Verlautbarungen zum Ausdruck kommt, sowie durch das bei ihnen tätige Personal die Gewähr dafür bieten, daß die Beratung im Sinne der verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben erfolgt.
b) Eine Beratung, die den dargestellten inhaltlichen Anforderungen genügen soll, muß von persönlich und fachlich qualifiziertem Personal durchgeführt werden, dessen Zahl so bemessen sein muß, daß ein Beratungsgespräch nicht unter Zeitdruck steht. In Fällen, in denen es um die Beratung in einer besonders schwierigen Lage geht, muß es möglich sein, auf Sachverständige zurückzugreifen, die über die jeweils erforderlichen Fachkenntnisse verfügen; so etwa wenn eine embryopathische Indikation in Frage steht, auf den bei den Fachärzten und in den Behindertenverbänden versammelten Sachverstand und deren besondere Erfahrungen.
c) Wer den Schwangerschaftsabbruch vornimmt, muß als Berater ausgeschlossen sein. Darüber hinaus ist eine wie immer geartete organisatorische, institutionelle oder wirtschaftliche Integration von Beratungsstellen in Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen unzulässig, wenn hiernach nicht auszuschließen ist, daß die Beratungseinrichtung materiell an der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen interessiert ist. Das würde sie für eine Beratung, die die Aufgabe hat, auf den Schutz des ungeborenen Lebens hinzuwirken, die schwangere Frau zum Austragen des Kindes zu ermutigen und ihre Notlage einfühlsam mit ihr zu erörtern, untauglich machen.
d) Der Staat genügt seiner Verantwortung für die Organisation und Durchführung der Beratung nicht schon dadurch, daß er die Eignung der Beratungsinstitutionen in dem oben aufgezeigten Sinn bei ihrer Anerkennung prüft, dann aber für die Zukunft eine Rechtsposition verleiht, die nur widerrufen werden kann, wenn eine wesentliche und nachhaltige Verletzung der Pflicht zur Beratung im Sinne der verfassungsrechtlichen Vorgaben und gesetzlichen Vorschriften nachzuweisen ist.
Die Beratungsstellen trifft im Rahmen des Beratungskonzepts eine besondere Verantwortlichkeit. Der Staat muß daher - auf gesetzlicher Grundlage - die Anerkennung dieser Stellen regelmäßig und in nicht zu langen Zeitabständen überprüfen und sich dabei vergewissern, ob die Anforderungen an die Beratung beachtet werden; nur unter diesen Voraussetzungen darf die Anerkennung weiter fortbestehen oder neu bestätigt werden.
e) Diese Überwachungspflicht des Staates setzt voraus, daß das Gesetz auch Möglichkeiten zur wirksamen Überwachung schafft.Es ist Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, wie dies zu geschehen hat. Naheliegend ist eine Verpflichtung der beratenden Personen, nach Abschluß einer Beratung deren wesentlichen Inhalt und angebotene Hilfsmaßnahmen in einem Protokoll festzuhalten, das dann allerdings ausschließlich zur späteren Kontrolle der Beratungstätigkeit Verwendung finden darf, nicht hingegen zur Überprüfung und Bewertung einzelner Abbrüche. Bei Beratungsstellen, in denen eine Supervision der Beratungstätigkeit stattfindet - was grundsätzlich naheliegt -, dürften solche Protokolle ohnehin gebräuchlich sein. Dem Anspruch der an der Beratung Beteiligten auf Wahrung ihres Persönlichkeitsrechts wäre dadurch Rechnung zu tragen, daß das Protokoll Rückschlüsse auf die Identität der Beratenen und eventuell hinzugezogener Dritter nicht erlaubt. Damit würde auch der Gefahr begegnet, durch eine Dokumentation das für eine wirksame Beratung unerläßliche Vertrauensverhältnis der an ihr Beteiligten zu beeinträchtigen.
Für eine wirksame Kontrolle der Beratungsstellen ist es erforderlich, daß diese in Rechenschaftsberichten regelmäßig die in ihrer Beratung gesammelten Erfahrungen niederlegen. Dies könnte auch deshalb notwendig sein, weil solche Berichte eine Grundlage abgeben können für die Überprüfung des Schutzkonzepts und Überlegungen des Staates, es zu verbessern.
V.
Das Schutzkonzept einer Beratungsregelung trifft im Arzt auf einen weiteren Beteiligten, der der Frau - nunmehr aus ärztlicher Sicht - Rat und Hilfe schuldet. Der Arzt darf einen verlangten Schwangerschaftsabbruch nicht lediglich vollziehen, sondern hat sein ärztliches Handeln zu verantworten. Er ist Gesundheit und Lebensschutz verpflichtet und darf deshalb nicht unbesehen an einem Schwangerschaftsabbruch mitwirken.
Die staatliche Schutzpflicht erfordert es hier, daß die im Interesse der Frau notwendige Beteiligung des Arztes zugleich Schutz für das ungeborene Leben bewirkt. Der Arzt ist schon durch Berufsethos und Berufsrecht darauf verpflichtet, sich grundsätzlich für die Erhaltung menschlichen Lebens, auch des ungeborenen, einzusetzen. Daß der Arzt dieser Schutzaufgabe bei der ärztlichen Beratung und der Entscheidung über die Mitwirkung am Schwangerschaftsabbruch nachkommen kann, muß der Staat sicherstellen. Er muß ferner gerade dann, wenn die Rechtsordnung darauf verzichtet, das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes für den Schwangerschaftsabbruch im Einzelfall feststellen zu lassen, den Arzt verpflichten, die ihm zukommende Schutzaufgabe wahrzunehmen.
1. Im einzelnen kann die rechtliche Regelung der Pflichten des Arztes bei einem Schwangerschaftsabbruch zunächst an die allgemeinen Berufspflichten anknüpfen, die der Arzt bei jedem medizinischen Eingriff zu beachten hat. Seine allgemeinen Pflichten zur Erhebung eines Befundes, zur Aufklärung und Beratung des Patienten sowie zur Dokumentation sind allerdings den Besonderheiten des Schwangerschaftsabbruchs nach dem Beratungskonzept anzupassen.
a) Eine ärztlich verantwortbare Entscheidung über die Mitwirkung beim Schwangerschaftsabbruch setzt voraus, daß der Arzt sich über die Voraussetzungen vergewissert, von denen nach dem Schutzkonzept einer Beratungsregelung der Ausschluß der Strafdrohung abhängen muß. Dazu gehört neben der Prüfung, ob die Frau sich hat beraten lassen und ob die Überlegungsfrist zwischen Beratung und Schwangerschaftsabbruch gewahrt ist, die Feststellung des Alters der Schwangerschaft. Hierbei darf der Arzt sich nicht allein auf die Angaben der Frau verlassen, sondern muß sich einer verläßlichen Untersuchungsmethode - etwa der Ultraschalluntersuchung - bedienen.
Weiterhin obliegt es dem Arzt, über die rein medizinischen Aspekte des Schwangerschaftsabbruchs hinaus den Schwangerschaftskonflikt, in dem die Frau steht, im Rahmen ärztlicher Erkenntnismöglichkeiten zu erheben. Dazu hat er sich die Gründe, aus denen die Frau den Schwangerschaftsabbruch verlangt, darlegen zu lassen. Soweit diese - wie etwa der Gesundheitszustand der Frau - ärztlicher Untersuchung zugänglich sind, obliegt dem Arzt grundsätzlich eine eigene Beurteilung. Bei anderen Gründen darf der Arzt regelmäßig von den Angaben der Frau ausgehen, sofern sie ihm - gegebenenfalls nach entsprechender Vergewisserung - glaubhaft erscheinen. Etwaige tieferliegende Ursachen des Schwangerschaftskonflikts soll er in Erfahrung zu bringen suchen. Vor allem hat er sein Augenmerk darauf zu richten, ob die Frau tatsächlich den Schwangerschaftsabbruch innerlich bejaht oder ob sie insbesondere Einflüssen unterlegen ist, die von ihrem familiären oder weiteren sozialen Umfeld - etwa dem Ehemann, dem Partner, den Eltern oder dem Arbeitgeber - ausgegangen sind. In solchen Fällen kann vermehrt die Gefahr nachfolgender psychischer Störungen bestehen, die der Arzt bei seiner Beratung und Entscheidung berücksichtigen und über die er die Frau in geeigneter Weise aufklären muß. Der Arzt darf weiterhin Umstände nicht außer acht lassen, die darauf hindeuten, daß der Schwangerschaftsabbruch der Frau in ihrem Konflikt nicht hilft.
b) Im Beratungsgespräch hat der Arzt der Frau in geeigneter Weise, ohne vorhandene Ängste und seelische Nöte zu verstärken, ein hinreichendes Wissen davon zu vermitteln und zur Sprache zu bringen, daß der Schwangerschaftsabbruch menschliches Leben zerstört. Aus dem einschlägigen Schrifttum sind Schilderungen von Frauen bekannt, daß sie vor dem Schwangerschaftsabbruch falsche Vorstellungen über das tatsächliche Geschehen gehabt hätten und bei ausreichender Kenntnis den Abbruch nicht hätten vornehmen lassen. In solchen Fällen ist der ärztlichen Aufklärungspflicht nicht genügt worden.
Der ärztlichen Untersuchung und Information müssen andererseits aufgrund der Schutzpflicht für das ungeborene Leben Grenzen gezogen werden, um der Gefahr von Schwangerschaftsabbrüchen aus Gründen der - von der Verfassungsordnung mißbilligten - Geschlechtswahl zu begegnen. Deshalb muß ausgeschlossen sein, daß in der Frühphase der Schwangerschaft anderen als dem Arzt oder seinem Personal das Geschlecht des Kindes bekannt wird, es sei denn, die Mitteilung wäre medizinisch indiziert.
c) Da verantwortliches ärztliches Handeln normativ am Schutz des ungeborenen Lebens orientiert ist, hat der Arzt zu berücksichtigen, unter welchen Voraussetzungen die Rechtsordnung einen Schwangerschaftsabbruch als nicht rechtswidrig ansieht. Notwendig dafür ist eine - dem Recht verpflichtete - ärztliche Beurteilung der Konfliktlage, die als Grundlage des Gesprächs mit der Frau und der eigenen Entscheidung des Arztes dienen kann. Dabei hat der Arzt der Frau die für seine Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte mitzuteilen.
d) Nach den allgemeinen Grundsätzen des ärztlichen Berufsrechts ist der Arzt gehalten, über die in Ausübung seines Berufes gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen hinreichende Aufzeichnungen zu fertigen (vgl. § 11 Abs. 1 der Musterberufsordnung). Diese Dokumentationspflicht hat sich auch auf die Erfüllung der erweiterten Aufklärungs- und Beratungspflicht bei einem Schwangerschaftsabbruch, wie sie sich aus den vorstehenden Darlegungen ergibt, zu erstrecken. Dies muß in den berufsrechtlichen Vorschriften klargestellt sein.
e) Die Erfordernisse eines ärztlichen Gesprächs mit der Frau und einer Entscheidung des Arztes in ärztlicher Verantwortung stehen nicht in Widerspruch zur Konzeption einer Beratungsregelung; denn die Frau wird nicht dem Druck ausgesetzt, die Gründe für ihren Abbruchwunsch durch einen Dritten überprüfen und bewerten zu lassen. Die Feststellung und Beurteilung einer Indikation wird von dem Arzt gerade nicht verlangt, wenn er sich ein Bild darüber machen soll, ob er nach seinem ärztlichen Selbstverständnis seine Mitwirkung bei dem von der Frau gewünschten Abbruch verantworten kann.
Eine solche ärztliche Entscheidung ist mit dem Beruf des Arztes und seiner ureigenen Aufgabe, Leben zu erhalten, unaufhebbar verbunden. Dementsprechend haben die in der mündlichen Verhandlung geladenen Vertreter der ärztlichen Standesorganisationen übereinstimmend erklärt, auch wenn die strafrechtliche Regelung nicht verlange, daß die Ärzte sich von der Schwangeren die Gründe für den Abbruchwunsch mitteilen lassen, sei diese Mitteilung für ärztlich verantwortliches Handeln ebenso unerläßlich wie die Prüfung, ob das Gespräch mit der Patientin ihnen die Überzeugung vermitteln könne, daß der Abbruchwunsch auf einem eigenen, verantwortlichen Entschluß und achtenswerten Gründen beruhe.
2. a) Verlangt die Frau weiterhin den Schwangerschaftsabbruch, nachdem sie außer der Beratung auch ärztlichen Rat in dem dargestellten Sinne erfahren hat, ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, daß in einem Beratungskonzept der Ausschluß der Strafdrohung (Tatbestandsausschluß - vgl. oben III.2.a) für sie nicht mehr davon abhängt, ob der Arzt den Schwangerschaftsabbruch für zulässig hält. In diesem Konzept soll der Arzt nicht mit verbindlicher Wirkung entscheiden, ob der Schwangerschaftsabbruch im Einzelfall stattfinden darf.
b) Hält der Arzt den Abbruch für ärztlich verantwortbar, so muß er daran mitwirken können, ohne daß ihm Strafe droht. Hält er den Abbruch für ärztlich nicht verantwortbar, so ist er zwar aufgrund seiner allgemeinen Berufspflichten gehalten, seine Mitwirkung abzulehnen. Sanktionen für die Verletzung von Pflichten solcher Art sind in der Rechtspraxis nur schwer durchsetzbar. Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht für das ungeborene Leben gebietet es nicht, für Verstöße im Strafrecht eine Ahndung vorzusehen. Zur Erfüllung der Schutzpflicht erscheint es insoweit ausreichend, aber auch erforderlich, daß die genannte Verpflichtung und ihre Durchsetzung in den ärztlichen Berufsordnungen geregelt wird; dies muß unabhängig von einer strafrechtlichen Regelung geschehen.
c) Strafrechtlicher Sanktion zugänglich und im Rahmen eines Beratungskonzepts bedürftig ist dagegen, daß der Arzt sich die Gründe der Frau für ihr Abbruchverlangen darlegen läßt, sich der vorausgegangenen Beratung sowie der Überlegungsfrist vergewissert und er seine besondere, dem Lebensschutz dienende Aufklärungs- und Beratungspflicht erfüllt. Außerdem muß die Verpflichtung, das Alter der Schwangerschaft festzustellen und in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft keine Mitteilungen über das Geschlecht des zu erwartenden Kindes zu machen, strafbewehrt sein. Auf die Sicherung dieses in seinen Berufspflichten begründeten Handelns des Arztes, das nicht allein den Belangen der Frau dient, sondern zugleich eine wichtige Stütze für den Schutz des ungeborenen Lebens darstellt, darf ein auf Schutzwirkung zielendes Beratungskonzept nicht verzichten.
Eine nur berufsrechtliche Normierung würde dabei der Schutzpflicht für das ungeborene Leben nicht genügen. Die bisherige Regelung des Schwangerschaftsabbruchs im ärztlichen Berufsrecht verweist auf das Strafrecht. Die Anhörung von Vertretern der ärztlichen Standesorganisationen in der mündlichen Verhandlung hat ergeben, daß diese auch bei einem Übergang zu einem Beratungskonzept keinen Anlaß für ergänzende berufsrechtliche Vorschriften sehen, die höhere Anforderungen an das ärztliche Verhalten normieren als das Strafrecht. Danach kann - jedenfalls gegenwärtig - nicht darauf gesetzt werden, daß den dargestellten ärztlichen Verhaltenspflichten durch eine berufsrechtliche Normierung und Sanktionierung in dem Maße zur Beachtung verholfen würde, wie sie für einen wirksamen Schutz des ungeborenen Lebens unabdingbar ist.
3. Damit der Arzt, an den sich die Frau wegen eines Schwangerschaftsabbruchs wendet, den Anforderungen der erweiterten Aufklärungs- und Beratungspflicht gerecht werden kann, ist es angezeigt, durch Vorschriften über die ärztliche Aus- und Fortbildung in geeigneter Weise dafür zu sorgen, daß dem Arzt über das gynäkologische Fachwissen hinaus die für eine ärztliche Beurteilung von Schwangerschaftskonflikten notwendigen Kenntnisse vermittelt werden.
4. Der Arzt kann die ihm im Schutzkonzept einer Beratungsregelung zukommende Funktion nur zuverlässig wahrnehmen, wenn ihm aus seiner Weigerung, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen, grundsätzlich keine rechtlichen oder tatsächlichen Nachteile erwachsen. Auch fällt das Recht, die Mitwirkung an Schwangerschaftsabbrüchen - mit Ausnahme medizinisch indizierter - zu verweigern, in den Schutzbereich seines durch das ärztliche Berufsbild geprägten Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG). Dem hat der Gesetzgeber mit Art. 2 des 5. StrRG Rechnung getragen. Diese Vorschrift ist bei Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs vertraglich nicht abdingbar. Die §§ 627, 628 BGB sind unter Berücksichtigung des Weigerungsrechts anzuwenden. Auch wenn ein Arzt in abhängiger Stellung sich generell weigert, nicht medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen, dürfen sich für ihn daraus regelmäßig keine beruflichen Nachteile ergeben; eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann auch dann nur ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn der Arbeitgeber keine andere Möglichkeit hat, den Arzt zu beschäftigen. Die fachärztliche Ausbildung darf an der Weigerung des Arztes, sich in dem beschriebenen Umfang an Schwangerschaftsabbrüchen zu beteiligen, nicht scheitern.
5. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des 5. StrRG in der Fassung des Art. 15 Nr. 1 SFHG schreibt vor, daß ein Schwangerschaftsabbruch nur in einer Einrichtung vorgenommen werden darf, in der auch die notwendige medizinische Nachbehandlung gewährleistet ist. Es liegt nahe, daß auf der Grundlage dieser Vorschrift Einrichtungen entstehen werden, die sich auf die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen spezialisieren und ihre Tätigkeit im wesentlichen darauf ausrichten. Die hieraus entstehenden Gefahren für die Erfüllung der dem Arzt, zumal im Rahmen einer Beratungsregelung, zufallenden Aufgabe beim Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens liegen auf der Hand. Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht gebietet es daher dem Gesetzgeber zu prüfen, in welcher Weise solchen Gefahren wirksam entgegengetreten werden kann, und geeignete Regelungen zu treffen. Für diese Prüfung könnten die Erfahrungen in Betracht kommen, die in Frankreich mit der Begrenzung der Zahl der Abbrüche auf einen bestimmten Anteil der insgesamt vorgenommenen ärztlichen Verrichtungen und der einheitlich festgelegten Höhe der Vergütung für einen Schwangerschaftsabbruch gemacht worden sind (vgl. Eser/Koch, Schwangerschaftsabbruch im internationalen Vergleich, Teil 1 Europa, 1988, S. 520 f.).
6. Die staatliche Schutzpflicht für das ungeborene Leben gebietet nicht, Arzt- und Krankenhausverträge über Schwangerschaftsabbrüche, die nach dem Beratungskonzept nicht mit Strafe bedroht werden, als rechtlich unwirksam anzusehen. Das Konzept erfordert es vielmehr, daß der Leistungsaustausch zwischen Arzt und Frau als Rechtsverhältnis ausgestaltet wird, mithin die Leistungen mit Rechtsgrund gewährt werden. Unbeschadet der Beurteilung von Rechtsfolgen des Vertrags im einzelnen greifen daher die §§ 134, 138 BGB nicht ein. Arzt und Krankenhausträger sollen an dem Schwangerschaftsabbruch nur aufgrund eines wirksamen Vertrages mitwirken, der ihre Rechte, insbesondere den Entgeltanspruch, sichert, ebenso aber auch ihre Pflichten regelt.Vor allem bedarf der vom Arzt zu gewährleistende Schutz des ungeborenen Lebens und der Gesundheit der Frau vertragsrechtlicher Absicherung. Die Schlechterfüllung der Beratungs- und Behandlungspflichten muß deshalb grundsätzlich auch vertrags- und deliktsrechtliche Sanktionen auslösen können.
Dies bedarf allerdings aus verfassungsrechtlicher Sicht differenzierender Betrachtung. Eine zivilrechtliche Sanktion für die Schlechterfüllung des Vertrages und für eine deliktische Beeinträchtigung der körperlichen Integrität der Frau ist grundsätzlich erforderlich; dies betrifft nicht nur eine Verpflichtung zur Rückzahlung der vergeblich geleisteten Vergütung, sondern auch den Ersatz von Schäden einschließlich - im Rahmen der §§ 823, 847 BGB - einer billigen Entschädigung der Frau für die immateriellen Belastungen, die mit dem fehlgeschlagenen Schwangerschaftsabbruch oder mit der Geburt eines behinderten Kindes für sie verbunden waren. Eine rechtliche Qualifikation des Daseins eines Kindes als Schadensquelle kommt hingegen von Verfassungs wegen (Art. 1 Abs. 1 GG) nicht in Betracht. Die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, jeden Menschen in seinem Dasein um seiner selbst willen zu achten (vgl. oben I.1.a), verbietet es, die Unterhaltspflicht für ein Kind als Schaden zu begreifen. Die Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Haftung für ärztliche Beratungsfehler oder für fehlgeschlagene Schwangerschaftsabbrüche (zum Schwangerschaftsabbruch vgl.BGHZ 86, 240 ff.; 89, 95 ff.; 95, 199 ff.; BGH, NJW 1985, S. 671 ff.; VersR 1985, S. 1068 ff.; VersR 1986, S. 869 f.; VersR 1988, S. 155 f.; NJW 1992, S. 1556 ff.; zur Sterilisation vgl. BGHZ 76, 249 ff.; 76, 259 ff.; BGH, NJW 1984, S. 2625 f.) ist im Blick darauf der Überprüfung bedürftig. Hiervon unberührt bleibt eine Schadensersatzpflicht des Arztes gegenüber dem Kind wegen Schädigungen, die diesem bei einem nicht kunstgerecht ausgeführten, mißlungenen Schwangerschaftsabbruch zugefügt worden sind (vgl. BGHZ 58, 48 [49 ff.]; BGH, NJW 1989, S. 1538 [1539]).
VI.
Die staatliche Schutzpflicht für das ungeborene Leben umfaßt auch den Schutz vor Gefahren, die von Dritten ausgehen, nicht zuletzt von Personen aus dem familiären oder dem weiteren sozialen Umfeld der Schwangeren (siehe oben I.2. und III.1.b). Eine erhöhte Bedeutung wächst dieser Verpflichtung beim Übergang auf ein Schutzkonzept zu, das in der Frühphase der Schwangerschaft im Schwangerschaftskonflikt primär auf eine Beratung der Frau setzt, um sie für das Kind zu gewinnen.
1. Die Wirksamkeit dieses Schutzkonzepts erfordert in besonderem Maß, die Frau vor Zumutungen zu schützen, die sie wegen der Schwangerschaft in Bedrängnis bringen oder einen Druck auf sie ausüben, die Schwangerschaft abzubrechen. Solche Einwirkungen sind auch geeignet, den Erfolg der Beratung zunichte zu machen, wenn die Personen ihres Umfeldes einer Frau, die sich durch die Beratung zur Fortsetzung der Schwangerschaft ermutigt sieht, nun um so härter zusetzen, um sie unter Hinweis auf die Straflosigkeit und ihre Letztverantwortung zum Schwangerschaftsabbruch zu bringen und sich damit zugleich der eigenen (Mit-)Verantwortung zu entziehen.
Wie Berichte aus der Beratungspraxis, Befragungen und wissenschaftliche Untersuchungen aufweisen, haben Schwangerschaftskonflikte, die schließlich zum Schwangerschaftsabbruch führen, ihre Ursache zu einem erheblichen Teil nicht primär in wirtschaftlich-sozialen Notlagen, sondern in gestörten Partnerschaftsbeziehungen, in der Ablehnung des Kindes durch den Vater oder die Eltern der Frau sowie in einem Druck, der von diesen ausgeübt wird (vgl. Renate Köcher, Schwangerschaftsabbruch - betroffene Frauen berichten, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 14/90, S. 37 f.; Deutscher Caritasverband, 13. Erhebung: Werdende Mütter in Not- und Konfliktsituationen, Zeitraum 1989, S. 45 ff.; Roeder/Sellschopp/Henrich, Die Rolle des Mannes bei Schwangerschaftskonflikten, Abschlußbericht Oktober 1992). Dies zeigt, wie groß die Bedrängnis - bis hin zur Ausweglosigkeit - für eine Frau werden kann, wenn die Personen, die ihr nahestehen und von denen sie gerade auch bei einer ungewollten Schwangerschaft mit Grund Beistand und Hilfe erwarten darf, dies verweigern.
2. Dem muß die Rechtsordnung entgegentreten; sie muß der Frau um der Wirkungschancen der Beratung willen einen Raum eigener, nicht durch Druck von außen determinierter Verantwortlichkeit sichern. Daher sind Personen des familiären Umfeldes in das Schutzkonzept einzubeziehen, die für eine Schwangerschaft ebenfalls Verantwortung tragen, wie die Väter, oder für die durch die Schwangerschaft eine besondere Verantwortung entsteht, wie bei den Eltern noch minderjähriger Schwangerer. In Betracht kommen aber auch Personen des weiteren sozialen Umfeldes, wie etwa Vermieter oder Arbeitgeber.
a) Es wäre daher nicht zureichend, in einem Beratungskonzept, das auf den Schutz des ungeborenen Lebens ausgerichtet ist, lediglich an das Verantwortungsbewußtsein dieser Personen zu appellieren. Vielmehr ist darauf hinzuwirken, daß durch gesetzliche Regelungen oder durch die Anwendung bereits bestehender rechtlicher Vorschriften Bedingungen dafür geschaffen werden, daß die familiäre Verantwortung wie auch die im weiteren sozialen Umfeld gebotene Rücksicht eingefordert werden können (vgl. auch oben I.3.a).
b) Darüber hinaus sind für Personen des familiären Umfeldes in bestimmtem Umfang strafbewehrte Verhaltensgebote und -verbote unerläßlich. Sie müssen sich zum einen darauf richten, daß die betreffenden Personen der Frau den ihnen zuzumutenden Beistand, dessen sie wegen der Schwangerschaft bedarf, nicht in verwerflicher Weise vorenthalten, zum anderen darauf, daß sie es unterlassen, die Frau zum Schwangerschaftsabbruch zu drängen. Dabei kann die Strafbarkeit davon abhängig gemacht werden, daß es zum Abbruch der Schwangerschaft gekommen ist. Vorschriften dieser Art würden an Überlegungen anknüpfen, wie sie der Strafrechtsreformentwurf 1962 in § 201 erwogen hat (vgl. BRDrucks. 200/62 S. 45).
Zu prüfen ist, ob vergleichbare Sanktionen auch gegenüber Personen des weiteren sozialen Umfeldes vorzusehen sind, wenn diese die Frau zum Abbruch der Schwangerschaft drängen oder sie in Kenntnis der Schwangerschaft in verwerflicher Weise in eine Notlage bringen, die die Gefahr eines Schwangerschaftsabbruchs herbeiführt.
 
E.
Prüft man nach diesen Maßstäben die angegriffenen Regelungen des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes, so ergibt sich, daß das Gesetz bei dem an sich zulässigen Übergang zu einem Beratungskonzept für die ersten zwölf Schwangerschaftswochen der Verpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, das ungeborene Leben wirksam zu schützen,nicht in dem gebotenen Umfang gerecht geworden ist. Die gegen einzelne Vorschriften erhobenen kompetenzrechtlichen Bedenken greifen dagegen nur bezüglich des Art. 4 des 5. StrRG n.F. teilweise durch.
I.
§ 218a Abs. 1 StGB n.F., wonach Schwangerschaftsabbrüche, die innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen nach Beratung gemäß § 219 StGB n.F. auf Verlangen der schwangeren Frau durch einen Arzt vorgenommen werden, "nicht rechtswidrig" sind, ist mit der Schutzpflicht für das ungeborene menschliche Leben (Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) unvereinbar und nichtig.
1. Diese Vorschrift normiert einen Rechtfertigungsgrund, der in seinen Wirkungen den in § 218a Abs. 2 und 3 StGB n.F. bezeichneten Rechtfertigungsgründen (medizinische und embryopathische Indikation) gleichsteht. Dies war, wie sich aus den Beratungen des Sonderausschusses "Schutz des ungeborenen Lebens" ergibt, auch beabsichtigt (vgl. die Äußerungen der Abgeordneten Baum und Pflüger im Protokoll der 17. Sitzung des Sonderausschusses, S. 11, 12). Die Wirkungen dieses Rechtfertigungsgrundes beschränken sich wegen der Durchschlagskraft, die im Bereich des Schutzes elementarer Rechtsgüter einem strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund für die gesamte Rechtsordnung zukommt, nicht auf einen Ausschluß der Strafbarkeit (vgl. oben D.III.2.a).
2. Begründet § 218a Abs. 1 StGB n.F. einen allgemeinen Rechtfertigungsgrund für Schwangerschaftsabbrüche, so genügen seine inhaltlichen Voraussetzungen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. oben D.I.2.c)bb). Eine Rechtfertigung des Schwangerschaftsabbruchs kann nur in Betracht kommen, wenn eine - festzustellende - tatbestandlich näher umschriebene Notlage gegeben ist, die - vergleichbar den Fällen der medizinischen, embryopathischen oder kriminologischen Indikation - so schwer wiegt, daß der schwangeren Frau die Austragung der Schwangerschaft nicht zugemutet werden kann. Eine solche Notlage wird in § 218a Abs. 1 StGB n.F. nicht vorausgesetzt.
Der Tatbestand des § 218a Abs. 1 StGB n.F. handelt in seinen Voraussetzungen nicht von dieser Unzumutbarkeit: Seit der Empfängnis dürfen nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sein; der Schwangerschaftsabbruch muß von einem Arzt vorgenommen werden; die schwangere Frau muß ihn verlangen; sie muß dem Arzt durch eine Bescheinigung nachweisen, daß mindestens drei Tage vor dem Eingriff eine Beratung nach § 219 StGB n.F. stattgefunden hat. Der Hinweis in § 218a Abs. 1 Nr. 1 StGB n.F. auf die Überschrift des § 219 StGB n.F. ("Beratung der Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage") zeigt zwar, daß das Gesetz vom Vorliegen einer Not- und Konfliktlage ausgeht; diese ist jedoch nicht näher qualifiziert; zudem wird die Rechtfertigung nicht von deren Feststellung abhängig gemacht.
Ein Beratungskonzept, wie es § 218a Abs. 1 StGB n.F. zugrundeliegt, kann nach den oben dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht zu einer Rechtfertigung des Schwangerschaftsabbruchs führen (vgl. D.I.2.c) und III.2.). Im Rahmen eines Beratungskonzepts ist es nur zulässig, die Rechtswirkungen des grundsätzlichen Verbots des Schwangerschaftsabbruchs unter bestimmten Voraussetzungen in einzelnen Bereichen der Rechtsordnung einzuschränken, wenn das Schutzkonzept zu seiner Wirksamkeit eine solche Ausnahme fordert; danach können insbesondere im Strafrecht die nach dem Beratungskonzept durchgeführten Schwangerschaftsabbrüche durch einen Tatbestandsausschluß von der Strafdrohung ausgenommen werden.
3. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 218a Abs. 1 StGB n.F. im Sinne eines Tatbestandsausschlusses, wie er - jedenfalls dem Wortlaut nach - im Gesetzentwurf der Abgeordneten Wettig-Danielmeier, Würfel und weiterer Abgeordneter (BTDrucks. 12/2605 [neu]) zunächst als § 218 Abs. 5 StGB vorgesehen war, ist nicht möglich. Der Wortlaut, der Normzusammenhang und das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel stehen dem entgegen. Der Gesetzgeber hat die Regelung nicht auf die bloße Zurücknahme eines strafrechtlichen Verbots beschränken wollen. Er hat vielmehr die über das Strafrecht hinausreichende Wirkung - insbesondere im Blick auf § 24b SGB V - gewollt, wie sich aus den Äußerungen von an der Formulierung des § 218a Abs. 1 StGB n.F. unmittelbar beteiligten Bundestagsabgeordneten in der mündlichen Verhandlung ergibt. Die Fassung des § 218a Abs. 1 StGB n.F. nimmt deshalb entsprechende Formulierungen in außerstrafrechtlichen Vorschriften auf, die rechtliche Vergünstigungen in Fällen eines "nicht rechtswidrigen Abbruchs der Schwangerschaft" vorsehen (vgl. § 616 Abs. 2 Satz 3 BGB, § 1 Abs. 2 Lohnfortzahlungsgesetz [LFZG], § 133c Satz 4 Gewerbeordnung [GewO], § 63 Abs. 1 Satz 2 HGB, § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b Satz 2 Berufsbildungsgesetz [BBiG], § 24b SGB V, § 37a BSHG). Die im beschlossenen Gesetz enthaltenen Worte "nicht rechtswidrig" können danach - nicht anders als die Indikationstatbestände des § 218a Abs. 2 und 3 StGB n.F. - nur als allgemeiner Rechtfertigungsgrund ausgelegt werden.
4. § 218a Abs. 1 StGB n.F. ist darüber hinaus auch deshalb mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar und nichtig, weil die Vorschrift eine Beratung voraussetzt, deren Regelung in § 219 StGB n.F. ihrerseits nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (siehe dazu unten II.).
II.
§ 219 StGB n.F. genügt in seiner derzeitigen Fassung den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) nicht; er ist daher mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig.
Die Beratung hat innerhalb des dem Gesetz zugrundeliegenden Schutzkonzepts eine zentrale Bedeutung. Der Gesetzgeber muß diese Beratung als staatliche Aufgabe so gestalten, daß der Staat seine Verantwortung für ihre Durchführung voll wahrnehmen kann (vgl. oben D.IV.3.). Er muß dabei Ziel und Inhalt der Beratungsaufgabe sowie das zu beachtende Verfahren in Übereinstimmung mit den aus der Verfassung entwickelten Grundsätzen regeln (vgl. oben D.IV.1. und 2.). Bei dem Rang des hier zu schützenden Rechtsguts und dem hohen Grad seiner Gefährdung gerade zu dem Zeitpunkt, zu dem die schwangere Frau einen Abbruch ihrer Schwangerschaft erwägt und deshalb eine Beratungsstelle aufsucht, muß der Gesetzgeber Aufgabe und Durchführung der Beratung so eindeutig und allgemein verständlich regeln, daß das Gesetz auch ohne Zuhilfenahme von Erläuterungen angewandt werden kann.
1. Die Regelung der Beratung der Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage (§ 219 StGB n.F.) ist schon deshalb verfassungsrechtlich nicht zureichend, weil die nach dem Schutzkonzept erforderliche, auf den Lebensschutz ausgerichtete Beratung nicht durch ausreichende staatliche Befugnisse und Pflichten zur Organisation und Beaufsichtigung der Beratungseinrichtungen sichergestellt ist; der Staat kann auf der Grundlage dieser Regelung nicht seiner Verantwortung für ein Angebot solcher Beratungseinrichtungen genügen, die nach Ziel und Inhalt der Beratung eine dem Schutzkonzept entsprechende Wirksamkeit erwarten lassen.
a) § 219 Abs. 2 StGB n.F. bestimmt in organisatorischer Hinsicht, daß die Beratung durch eine aufgrund Gesetzes anerkannte Beratungsstelle zu erfolgen habe und ein Arzt, der einen Schwangerschaftsabbruch vornimmt, als Berater ausgeschlossen sei.
aa) Damit ist nicht gesichert, daß der Staat nur solchen Beratungseinrichtungen die Aufgabe der Beratung Schwangerer in einer Not- und Konfliktlage anvertraut, die nach ihrer Organisation, nach ihrer Grundeinstellung zum Schutz des ungeborenen Lebens und nach dem bei ihnen tätigen Personal die Gewähr dafür bieten, daß die Beratung im Sinne der verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben erfolgt (oben D.IV.3.a). Nicht gewährleistet ist auch, daß nur Beratungsstellen mit hinreichender personeller Ausstattung anerkannt werden, bei denen Beratungsgespräche nicht unter Zeitdruck stehen (vgl. oben D.IV.3.b). Schließlich fehlt es an ausreichenden normativen Vorkehrungen dafür, daß nicht Einrichtungen als Beratungsstellen anerkannt werden, die mit Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, derart organisatorisch oder durch wirtschaftliche Interessen verbunden sind, daß hiernach ein materielles Interesse der Beratungseinrichtung an der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen nicht auszuschließen ist (vgl. oben D.IV.3.c).
Die Lücken lassen sich auch nicht durch Rückgriff auf das Gesetz über Aufklärung, Verhütung, Familienplanung und Beratung (Art. 1 SFHG) schließen. § 3 Abs. 3 dieses Gesetzes sieht als materielle Voraussetzungen der Anerkennung nur vor, daß die Stelle über hinreichend qualifiziertes Personal verfügt, bestimmte Fachkräfte erforderlichenfalls heranziehen kann, mit Stellen zusammenarbeitet, die Hilfe für Mutter und Kind gewähren und zu der in § 2 des Gesetzes vorgesehenen - vor allem der Information dienenden - Beratung in der Lage ist. Damit bleiben die materiellen Voraussetzungen, die das Gesetz für die Anerkennung von allgemeinen Beratungsstellen verlangt, jedenfalls für die Gewährleistung einer auf den Lebensschutz ausgerichteten Beratung, die auf die Aufarbeitung des Konflikts im Sinne einer Ermutigung zur Fortsetzung der Schwangerschaft angelegt ist, deutlich hinter den Anforderungen zurück, die von Verfassungs wegen an Einrichtungen der Beratung im Sinne des § 219 StGB n.F. zu stellen sind. Auch aus § 4 des Gesetzes läßt sich in dieser Hinsicht nichts entnehmen; die Vorschrift enthält allerdings einen kapazitätsbezogenen Sicherstellungsauftrag, regelt aber keine Anerkennungsvoraussetzung für die einzelne Beratungsstelle.
bb) Lückenhaft ist die gesetzliche Regelung der Organisation der Konfliktberatung auch deshalb, weil § 219 Abs. 2 Satz 1 StGB n.F. nicht zum Ausdruck bringt, daß die dort geforderte Anerkennung "auf Grund Gesetzes" gerade auf die hier gebotene Art der Beratung bezogen sein muß: Der Staat ist es, der jenen Stellen, die die Voraussetzungen für diese Beratung erfüllen, die Beratung als Aufgabe durch staatliche Anerkennung anvertraut, und ihnen durch Rücknahme der Anerkennung die Aufgabe entziehen muß, wenn sie die Voraussetzungen hierfür nicht mehr erfüllen (vgl. oben D.IV.3.d). Auch in dem Gesetz über Aufklärung, Verhütung, Familienplanung und Beratung (Art. 1 SFHG) findet sich eine solche Regelung nicht. Die Anerkennung nach § 3 Abs. 2 des Gesetzes wird von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts erteilt. Das Gesetz knüpft hiermit an die Bestimmung in § 218b Abs. 2 StGB a.F. an. Wie bisher geht es von einem pluralistischen Angebot anerkannter Beratungsstellen aus (vgl. BTDrucks. 12/551 und 12/2605 [neu], jeweils Begründung zu Art. 1 § 3); die nähere Regelung der Anerkennung wird damit wie bisher dem Landesrecht überlassen (vgl. zum bisherigen Recht Dreher/Tröndle, 46. Aufl. Rdnr. 5 zu § 218b StGB a.F.). In einzelnen Ländern ist unter der Geltung des § 218b StGB a.F. auch bestimmt worden, daß Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts, zu deren gesetzlichen oder satzungsmäßigen Aufgaben die Beratung von Schwangeren gehört, eigene Einrichtungen oder solche ihnen zugehöriger Träger als Beratungsstellen anerkennen können (§ 2 Abs. 3 des Hessischen Gesetzes zur Ausführung der §§ 218b und 219 des Strafgesetzbuches und des Art. 3 des Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechts vom 2. Mai 1978, GVBl. S. 273; § 1 Abs. 2 des entsprechenden Berliner Gesetzes vom 22. Dezember 1978, GVBl. S. 2514). In Nordrhein-Westfalen ist vorgesehen, daß für die Anerkennung von in kirchlicher Trägerschaft stehenden Beratungsstellen die Kirchen zuständig sind, wenn sie den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts haben (§ 1 der Verordnung über Zuständigkeiten bei Schwangerschaftsberatung und -abbruch vom 12. Dezember 1978, GVBl. S. 632).
Für die in Art. 1 SFHG geregelte Beratung mag dies nicht zu beanstanden sein. Die Organisation der im Rahmen der Beratungsregelung gebotenen Beratung ist jedoch wesentlicher Teil des vom Bundesgesetzgeber auf dem Boden seiner Zuständigkeit für das Strafrecht (Art. 74 Nr. 1 GG) zu entwickelnden, insoweit gegebenenfalls unter Zuhilfenahme der Kompetenz aus Art. 84 Abs. 1 GG normativ zu gestaltenden und insgesamt am Untermaßverbot zu messenden Schutzkonzepts. Würde es der Bundesgesetzgeber den Ländern überlassen, die organisationsrechtlichen Bestimmungen des Schutzkonzepts zu treffen, so müßte er das Inkrafttreten der Gesamtregelung davon abhängig machen, daß in allen Ländern die erforderlichen gesetzlichen Vorschriften ergangen sind. Diesen letztgenannten Weg hat der Gesetzgeber ersichtlich nicht beschritten.
b) Es fehlt auch an Bestimmungen, die eine ausreichende staatliche Beaufsichtigung der Beratungsstellen gewährleisten. Der Staat muß auf gesetzlicher Grundlage die Anerkennung dieser Beratungsstellen regelmäßig und in nicht zu langen Zeitabständen überprüfen und sich dabei vergewissern, ob die Anforderungen an die Beratung beachtet werden; nur unter diesen Voraussetzungen darf die Anerkennung weiter fortbestehen oder neu bestätigt werden (vgl. D.IV.3.d). Eine solche Überwachung setzt voraus, daß das Gesetz auch Informations- und Kontrollbefugnisse zur Verfügung stellt (vgl. oben D.IV.3.e). Da der Gesetzgeber hierüber nichts bestimmt hat, obwohl dies im Rahmen des Beratungskonzepts nicht ungeregelt bleiben durfte, ist die getroffene Beratungsregelung mangelhaft.
c) Die dargelegten Mängel der organisatorischen und verfahrensrechtlichen Einbindung der Beratungsstellen in die dem Staat obliegende Verantwortung für die verfassungsrechtlich gebotene Wirksamkeit des Schutzkonzepts ergreifen die in § 219 StGB n.F. getroffene Beratungsregelung insgesamt. Aussagen über Ziel und Inhalt der Beratung ermangeln ohne die organisatorischen und aufsichtlichen Vorkehrungen, die ihre Umsetzung sichern, der vom Schutzkonzept gebotenen Wirksamkeit; sie hängen sozusagen in der Luft.
2. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich eine abschließende Entscheidung darüber, ob die Bestimmungen des § 219 StGB n.F. über Ziel, Inhalt und Durchführung der Beratung verfassungsrechtlicher Prüfung standhalten. Indessen ist diese Vorschrift bei der ohnehin erforderlichen neuen gesetzlichen Regelung jedenfalls so zu fassen, daß sie aus sich heraus eindeutig und allgemein verständlich ist und daher auch ohne Zuhilfenahme von Erläuterungen so angewandt werden kann, daß allen unter D.IV.1. und 2. dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen aus der staatlichen Schutzpflicht in der Praxis entsprochen wird.
a) Nach § 219 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 StGB n.F. dient die Beratung dem Lebensschutz durch Rat und Hilfe für die Schwangere unter Anerkennung des hohen Wertes des vorgeburtlichen Lebens und der Eigenverantwortlichkeit der Frau; sie soll dazu beitragen, die im Zusammenhang mit der Schwangerschaft bestehende Not- und Konfliktlage zu bewältigen und die Schwangere in die Lage versetzen, eine verantwortungsbewußte eigene Gewissensentscheidung zu treffen.
Damit kommen das verfassungsrechtlich vorgegebene Ziel der Beratung und deren wesentlicher Inhalt (vgl. oben D.IV.1.) nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck. Die Beratung ist zwar ergebnisoffen zu führen, weil dann am ehesten erwartet werden kann, daß sich die Frau an der Suche nach einer Konfliktlösung beteiligt. Doch darf die Beratung nicht ergebnis- und zieloffen, sondern muß auf den Schutz des ungeborenen Lebens hin orientiert sein. Die Beraterinnen und Berater haben sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Schwangere zur Fortsetzung ihrer Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen. Dazu müssen sie auch vorhandenen Fehlvorstellungen über den grundsätzlichen Vorrang des eigenen Lebensrechts des Ungeborenen und über das notwendige Gewicht der einen Schwangerschaftsabbruch ausnahmsweise erlaubenden Ausnahmelagen entgegentreten.
Die Begründung des Gesetzentwurfs verweist zwar auf den Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens als Ziel der Beratung (vgl. BTDrucks. 12/2605 [neu], S. 22 [Einzelbegründung zu § 219]). Der für die Anwendung der Vorschrift maßgebliche objektive Wortsinn läßt dies aber nicht mit der gebotenen Klarheit und Eindeutigkeit erkennen. § 219 Abs. 1 StGB n.F. enthält auch keinen ausdrücklichen Auftrag, die schwangere Frau zum Austragen des Kindes zu ermutigen. Nicht hinreichend deutlich wird im Gesetz schließlich, daß der Frau bewußt sein muß, dem Schutz des ungeborenen Lebens gebühre grundsätzlich der Vorrang, sofern nicht eine schwerwiegende Notlage im Sinne der eingangs dargelegten verfassungsrechtlichen Maßstäbe gegeben ist.
Das Beratungsziel muß deshalb in einer Neufassung des § 219 StGB deutlicheren Niederschlag finden.
b) In § 219 Abs. 1 Sätze 4 und 5 StGB n.F. wird als Aufgabe der Beratung die umfassende medizinische, soziale und juristische Information der Schwangeren genannt; die Beratung umfaßt danach die Darlegung der Rechtsansprüche von Mutter und Kind und der möglichen praktischen Hilfen. Gemäß § 219 Abs. 3 Satz 2 StGB n.F. ist über die Durchführung einer Beratung gemäß Absatz 1 und der der Frau "damit" gegebenen Informationen für ihre Entscheidungsfindung "sofort" eine Bescheinigung auszustellen.
Hiermit wird - unbeschadet der Tatsache, daß die Gesetzesinitiatoren mehr wollten als bloße Information (vgl. Protokoll der 17. Sitzung des Sonderausschusses "Schutz des ungeborenen Lebens" vom 17. Juni 1992, S. 12) - der Eindruck erweckt, als liege der Schwerpunkt der Beratung nach § 219 Abs. 1 StGB n.F. in der Information. Dem muß der Gesetzgeber entgegentreten, weil dies den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Beratung nach § 219 StGB n.F. nicht entspräche. Eine bloß informierende Beratung, die den konkreten Schwangerschaftskonflikt nicht aufnimmt und zum Thema eines Gesprächs zu machen sucht, müßte nämlich die der Beratung im Rahmen des Schutzkonzepts zukommende Funktion, durch Ermutigung der Frau wesentlich zum Lebensschutz beizutragen, verfehlen. Für die Aufnahme einer Konfliktberatung ist es zudem erforderlich, daß die Beraterin oder der Berater von der Frau die Mitteilung der Gründe zu erreichen sucht, die sie den Schwangerschaftsabbruch erwägen lassen. Solange der Beraterin oder dem Berater die Möglichkeiten einer Konfliktlösung - gegebenenfalls unter Einbeziehung dritter Personen - nicht ausgeschöpft erscheinen, darf die Beratungsbescheinigung, die den Abschluß der Beratung dokumentiert, nicht ausgestellt werden.
In einer Neufassung des Gesetzes ist deshalb klar zum Ausdruck zu bringen, daß die Beratung über Information hinaus eine dem Lebensschutz dienende Konfliktberatung jedenfalls anzustreben und die dafür gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen hat
c) Unabhängig von der Regelung des Art. l § 2 Abs. 2 Satz 2 SFHG bedarf es ferner der Verdeutlichung, daß die Beratungsstellen im Rahmen der Beratung nach § 219 StGB n.F. die Frau über öffentliche Hilfen nicht nur zu informieren, sondern ihr auch verfügbare Hilfsangebote zu unterbreiten oder sie bei der Erlangung von Hilfen zu unterstützen haben.
d) § 219 Abs. 1 Satz 3 StGB n.F. bezeichnet die von der Frau nach der Beratung getroffene Entscheidung als "Gewissensentscheidung". Der Gesetzgeber will damit offenbar an eine Formulierung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 39, 1 [48]) anknüpfen, wonach die Entscheidung zum Abbruch der Schwangerschaft den Rang einer achtenswerten Gewissensentscheidung haben kann. Indes kann die Frau, die sich nach Beratung zum Abbruch entschließt, für die damit einhergehende Tötung des Ungeborenen nicht etwa eine grundrechtlich in Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition in Anspruch nehmen. Verfassungsrechtlich zulässig kann das Gesetz nur eine gewissenhaft zustandegekommene und in diesem Sinne achtenswerte Entscheidung meinen. Dies wird in geeigneter Weise klarzustellen sein.
III.
Unabhängig von den zu § 218a Abs. 1 und § 219 StGB n.F. festgestellten verfassungsrechtlichen Mängeln genügt die Regelung des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes über Schwangerschaftsabbrüche nach dem Beratungskonzept auch deshalb nicht der Schutzpflicht für das ungeborene menschliche Leben, weil der Gesetzgeber in dem oben näher bezeichneten Umfang die besonderen Pflichten des Arztes, von dem die Frau den Schwangerschaftsabbruch verlangt (vgl. dazu D.V.1. und 2.), sowie der Personen des familiären Umfeldes der schwangeren Frau (vgl. dazu D.VI.2.) nicht festgelegt und bestimmte Pflichtverletzungen nicht mit Strafe bedroht hat. Die fehlenden Bestimmungen hat der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der durch die Nichtigerklärung der § 218a Abs. 1, 219 StGB n.F. gebotenen Neuregelung nachzuholen.
IV.
Art. 15 Nr. 2 SFHG ist mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar und nichtig, soweit dadurch die bisher in Art. 4 des 5. StrRG enthaltene Vorschrift betreffend die Bundesstatistik über Schwangerschaftsabbrüche aufgehoben wird.
1. a) Der Gesetzgeber erfüllt seine Pflicht, das ungeborene menschliche Leben zu schützen, nicht ein für allemal dadurch, daß er ein Gesetz zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs erläßt, welches diesen Schutz bezweckt und nach seiner - verfassungsrechtlich unbedenklichen - Einschätzung auch geeignet erscheint, das vom Grundgesetz geforderte Maß an Schutz zu gewährleisten. Er bleibt vielmehr aufgrund seiner Schutzpflicht weiterhin dafür verantwortlich, daß das Gesetz tatsächlich einen - unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechtsgüter - angemessenen und als solchen wirksamen Schutz vor Schwangerschaftsabbrüchen bewirkt. Stellt sich nach hinreichender Beobachtungszeit heraus, daß das Gesetz das von der Verfassung geforderte Maß an Schutz nicht zu gewährleisten vermag, so ist der Gesetzgeber verpflichtet, durch Änderung oder Ergänzung der bestehenden Vorschriften auf die Beseitigung der Mängel und die Sicherstellung eines dem Untermaßverbot genügenden Schutzes hinzuwirken (Korrektur- oder Nachbesserungspflicht).
Diese Verpflichtung folgt auch daraus, daß der Gesetzgeber von Verfassungs wegen grundsätzlich gehalten ist, die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes sobald als möglich zu beseitigen (vgl. BVerfGE 15, 337 [351]). Sie ist vor allem dann von Bedeutung, wenn ein bei Erlaß verfassungsmäßiges Gesetz nachträglich verfassungswidrig wird, weil sich die tatsächlichen Verhältnisse, auf die es einwirkt, grundlegend gewandelt haben oder sich die beim Erlaß des Gesetzes verfassungsrechtlich unbedenkliche Einschätzung seiner künftigen Wirkungen später als ganz oder teilweise falsch erweist (vgl. BVerfGE 50, 290 [335, 352]; 56, 54 [78 f.]; 73, 40 [94]). Die Bindung des Gesetzgebers an die verfassungsmäßige Ordnung (Art. 20 Abs. 3 GG) erschöpft sich nämlich nicht in der Verpflichtung, bei Erlaß eines Gesetzes die verfassungsrechtlichen Grenzen einzuhalten; sie umfaßt auch die Verantwortung dafür, daß die erlassenen Gesetze in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz bleiben (vgl. BVerfGE 15, 337 [350]).
b) Die Nachbesserungspflicht schließt nicht generell eine fortlaufende Kontrolle der Gesetze durch den Gesetzgeber ein. Vielfach aktualisiert sie sich erst dann, wenn die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes erkannt oder doch jedenfalls deutlich erkennbar wird (vgl. BVerfGE 16, 130 [142]). Aus der Schutzpflicht für das Leben, die eine dauernde Verpflichtung für alle Staatsorgane darstellt, ergeben sich jedoch besondere Anforderungen (vgl. BVerfGE 49, 89 [130, 132]). Der hohe Rang des geschützten Rechtsgutes, die Art der Gefährdung ungeborenen Lebens und der in diesem Bereich festzustellende Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse und Anschauungen erfordern es, daß der Gesetzgeber beobachtet, wie sich sein gesetzliches Schutzkonzept in der gesellschaftlichen Wirklichkeit auswirkt (Beobachtungspflicht). Er muß sich in angemessenen zeitlichen Abständen in geeigneter Weise - etwa durch periodisch zu erstattende Berichte der Regierung - vergewissern, ob das Gesetz die erwarteten Schutzwirkungen tatsächlich entfaltet oder ob sich Mängel des Konzepts oder seiner praktischen Durchführung offenbaren, die eine Verletzung des Untermaßverbots begründen (vgl. BVerfGE 56, 54 [82 ff.]). Diese Beobachtungspflicht besteht auch und gerade nach einem Wechsel des Schutzkonzepts.
c) Die Beobachtungspflicht schließt ein, daß der Gesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz dafür sorgt, daß die für die Beurteilung der Wirkungen des Gesetzes notwendigen Daten planmäßig erhoben, gesammelt und ausgewertet werden. Verläßliche Statistiken mit hinreichender Aussagekraft, wie über die absolute Zahl der Schwangerschaftsabbrüche, über die relativen Quoten, die sich aus dem Verhältnis der Abbruchszahl zur Gesamtbevölkerung, zur Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter, zur Zahl der Schwangerschaften oder der Lebend- und Totgeburten insgesamt errechnen, sowie über die Verteilung der nicht mit Strafe bedrohten Abbrüche auf die verschiedenen gesetzlichen Grundlagen, sind dazu unerläßlich. Auf welche relevanten Tatsachen der Gesetzgeber im übrigen die statistische Erhebung erstrecken will (etwa Mehrfachabbrüche, Alter der Frau, Familienstand, Kinderzahl) und wie er die Erfassung und Auswertung der Daten im einzelnen regelt, obliegt seiner Entscheidung. Mit der Schutzpflicht nicht mehr zu vereinbaren ist es aber jedenfalls, auf jede staatliche Statistik über Schwangerschaftsabbrüche zu verzichten. Der Gesetzgeber beraubt sich damit des Erfahrungsmaterials, dessen er für die Beobachtung der Auswirkungen seines Schutzkonzepts bedarf. Dagegen kann nicht eingewandt werden, die bisherigen statistischen Unterlagen hätten sich als nicht zuverlässig erwiesen. Soweit dies zutrifft, besteht Veranlassung, die Erhebungen zu verbessern. Vorschläge hierzu wurden im Anhörungsverfahren vor dem Bundestagssonderausschuß "Schutz des ungeborenen Lebens" gemacht.
2. Nach diesem verfassungsrechtlichen Maßstab ist die Aufhebung der bisherigen Vorschrift über die Bundesstatistik in Art. 4 des 5. StrRG mit der Schutzpflicht für das ungeborene menschliche Leben nicht vereinbar.
Der mit dem Schwangeren- und Familienhilfegesetz vollzogene Wechsel des gesetzlichen Schutzkonzepts ist - wie oben ausgeführt - mit Unsicherheiten über die künftigen Auswirkungen der neuen Regelung verbunden. Der Konzeptwechsel stellt einen Versuch des Gesetzgebers dar, nach den als unbefriedigend angesehenen Erfahrungen mit der Indikationenregelung auf anderem Wege einen besseren Schutz des ungeborenen Lebens zu gewährleisten. Dies verpflichtet den Gesetzgeber zu sorgfältiger Beobachtung der tatsächlichen Auswirkungen des neuen Rechts und zu einer möglichst zuverlässigen Ermittlung der Daten, die für eine empirische Beurteilung der unter dem neuen Recht durchgeführten Schwangerschaftsabbrüche notwendig sind.
Art. 4 des 5. StrRG sieht eine Bundesstatistik über die unter den Voraussetzungen des § 218a StGB vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüche vor. Die Vorschrift bezog sich ursprünglich auf die in § 218a StGB a.F. enthaltene Indikationenregelung. Sie kann aber Aufschluß auch über Abbrüche nach dem Beratungs konzept in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen und damit über die wesentlichen Wirkungen des neuen Schutzkonzepts geben; solche Kenntnis ist nicht verzichtbar. Der Gesetzgeber war zwar von Verfassungs wegen nicht gehalten, die bisherige Vorschrift über die Bundesstatistik unverändert beizubehalten. Verwehrt war ihm aber deren ersatzlose Streichung. Diese ist nichtig. Eine Neuregelung ist zur Erfüllung der Schutzpflicht schon deshalb erforderlich, weil sich der Geltungsbereich der Vorschrift nicht auf die neuen Bundesländer erstreckt, in denen sie bisher nur aufgrund der einstweiligen Anordnung des Senats (BVerfGE 86, 390 ff.) entsprechend gilt.
V.
Die Vorschrift des § 24b SGB V ist mit dem Grundgesetz vereinbar (1. und 2. a). Mit dem Grundgesetz wäre es jedoch nicht vereinbar, für die Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs, dessen Rechtmäßigkeit nicht in einer den zuvor entwickelten verfassungsrechtlichen Maßstäben entsprechenden Weise festgestellt wird, einen Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren (2. b). Die Gewährung von Sozialhilfe für nicht mit Strafe bedrohte Schwangerschaftsabbrüche nach der Beratungsregelung in Fällen wirtschaftlicher Bedürftigkeit ist demgegenüber ebensowenig verfassungsrechtlich zu beanstanden wie die Fortzahlung des Arbeitsentgelts (3. und 4.). Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht für das ungeborene Leben steht Leistungen der sozialen Krankenversicherung für einen Abbruch der Schwangerschaft aufgrund der allgemeinen Notlagenindikation nach bisher geltendem Recht nicht entgegen. Ob es unter anderen Gesichtspunkten mit dem Grundgesetz vereinbar war, Leistungen der Sozialversicherung auch dann zu erbringen, wenn der Abbruch der Schwangerschaft auf der Grundlage des § 218a Abs. 2 Nr. 3 StGB a.F. erfolgte, bedarf keiner Entscheidung (5.).
1. Die Vorschriften des § 24b SGB V sind formell verfassungsgemäß zustande gekommen. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Art. 74 Nr. 12 GG ("Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung"); das gilt auch, soweit Schwangerschaftsabbrüche aufgrund der allgemeinen Notlagenindikation (§ 218a Abs. 2 Nr. 3 StGB a.F.) betroffen sind.
a) Wie das Bundesverfassungsgericht mehrfach (zuletzt BVerfGE 75, 108 [146 f.]) entschieden hat, ist der Begriff "Sozialversicherung" in Art. 74 Nr. 12 GG als weitgefaßter "verfassungsrechtlicher Gattungsbegriff" zu verstehen. Er umfaßt alles, was sich der Sache nach als Sozialversicherung darstellt. Neue Lebenssachverhalte können in das Gesamtsystem "Sozialversicherung" einbezogen werden, wenn die neuen Sozialleistungen in ihren wesentlichen Strukturelementen, insbesondere in der organisatorischen Durchführung und hinsichtlich der abzudeckenden Risiken, dem Bild entsprechen, das durch die "klassische" Sozialversicherung geprägt ist. Zur Sozialversicherung gehört jedenfalls die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit (vgl. BSGE 6, 213 [218, 227 f.]). Die Beschränkung auf Arbeitnehmer und auf eine Notlage gehört nicht zum Wesen der Sozialversicherung. Außer dem sozialen Bedürfnis nach Ausgleich besonderer Lasten ist die Art und Weise kennzeichnend, wie die Aufgabe organisatorisch bewältigt wird: Träger der Sozialversicherung sind selbständige Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, die ihre Mittel durch Beiträge der "Beteiligten" aufbringen.
b) In das kompetenzrechtliche Bild der Sozialversicherung läßt sich die durch das Strafrechtsreform-Ergänzungsgesetz erstmals vorgenommene und in das Schwangeren- und Familienhilfegesetz übernommene Erstreckung der Krankenversicherungsleistungen auf den "nicht rechtswidrigen Abbruch der Schwangerschaft" durch einen Arzt einordnen. Dabei kommt es für die kompetenzrechtliche Zuordnung nicht darauf an, ob die Kompetenz für eine inhaltlich rechtmäßige oder rechtswidrige Regelung in Anspruch genommen wird; entscheidend ist, ob die Regelung gegenständlich in den Kompetenzbereich fällt.
aa) Zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung gehören seit jeher Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge. Der Schwangerschaftsabbruch mit Ausnahme des medizinisch indizierten ist jedoch, auch wenn er von einem Arzt vorgenommen wird, weder eine Maßnahme der Gesundheitsvorsorge noch ein Heileingriff (vgl. BVerfGE 39, 1 [44, 46]; vgl. auch BSGE 39, 167 [169]). Er kann daher der Mutterschaftshilfe, den Vorsorgeuntersuchungen und den vorbeugenden Maßnahmen zur Verhütung von Erbkrankheiten nicht gleichgesetzt werden. Diese Leistungen dienen der Verbesserung der Gesundheit oder der Abwehr gesundheitlicher Gefahren (vgl. Gitter/Wendling in: Eser/Hirsch, Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch, 1980, S. 215). Hieran fehlt es typischerweise bei den Schwangerschaftsabbrüchen nach § 218a Abs. 2 Nr. 3 StGB a.F. sowie nach § 218a Abs. 1 StGB n.F. Ein in irgendeiner Weise behandlungsbedürftiger Zustand der Schwangeren entsteht hier in der Regel erst durch den Eingriff, dessen finanzielle Absicherung durch die Solidargemeinschaft in Rede steht.
Gleichwohl fehlt diesen von einem Arzt vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüchen nicht ein Bezug zu dem - kompetenzbegründenden - Thema der Gesundheitsvorsorge. Auch der nicht medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbruch stellt sich notwendigerweise als medizinischer Eingriff an der Frau dar und ist von daher mit gesundheitlichen Risiken für sie verbunden. Um der daraus entstehenden Gesundheitsgefahr vorzubeugen, schreiben sowohl § 218a Abs. 1 StGB a.F. wie § 218a Abs. 1 StGB n.F. vor, daß der Schwangerschaftsabbruch, wenn er denn - unter den dort festgelegten Voraussetzungen - geschieht, nur von einem Arzt vorgenommen werden darf, damit er nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt.
bb) Die Krankenversicherungsleistung wird organisatorisch entsprechend dem Bild erbracht, das durch die "klassische" Sozialversicherung geprägt ist, nämlich durch die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung in der gleichen Weise wie in den Fällen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit. Die dazu erforderlichen Mittel werden im Umlageverfahren von den Versicherten und ihren Arbeitgebern über die Krankenversicherungsbeiträge aufgebracht.
2. a) Die Regelung des § 24b SGB V, die Versicherten "bei einem nicht rechtswidrigen Abbruch der Schwangerschaft" Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt, knüpft an die Vorschrift des § 218a Abs. 1 bis 3 StGB n.F. an, in der bestimmt wird, unter welchen Voraussetzungen ein Schwangerschaftsabbruch nicht rechtswidrig ist. Ein Anspruch auf Leistungen soll mithin auch in den von § 218a Abs. 1 StGB n.F. erfaßten Fällen bestehen. Diese Vorschrift hält indessen, wie dargelegt, verfassungsrechtlicher Nachprüfung nicht stand; sie ist verfassungswidrig und nichtig. Ist es aber dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich verwehrt, einen Schwangerschaftsabbruch unter den hier geregelten Voraussetzungen als gerechtfertigt zu behandeln, so folgt schon aus dem Wortlaut des § 24b SGB V, daß Leistungen der Krankenversicherung insoweit nicht in Betracht kommen. Mit diesem eingeschränkten Anwendungsbereich ist die Vorschrift mit dem Grundgesetz vereinbar.
b) Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht für das Leben verwehrt eine Auslegung des 24b SGB V dahin, daß Leistungen der Sozialversicherung in gleicher Weise wie bei nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbrüchen dann gewährt werden können, wenn die Rechtmäßigkeit des Schwangerschaftsabbruchs nicht festgestellt werden kann. Der Rechtsstaat darf eine Tötungshandlung nur zum Gegenstand seiner Finanzierung machen, wenn sie rechtmäßig ist und der Staat sich der Rechtmäßigkeit mit rechtsstaatlicher Verläßlichkeit vergewissert hat.
aa) Ohne den von der Frau verlangten Eingriff, der das Leben des Ungeborenen zerstört und nur deshalb die Gesundheit der Frau gefährdet, bestünde für die Gewährung von Ansprüchen gegen die soziale Krankenversicherung kein Anlaß. Macht der Staat einen solchen medizinischen Vorgang zum Gegenstand eines gegen die gesetzliche Krankenversicherung gerichteten Leistungsanspruchs, so dient dies nicht ausschließlich - wie alle anderen Leistungen der sozialen Krankenversicherung - dem Schutz von Leben und Gesundheit. Die Übernahme der Arztkosten und die sozialversicherungsrechtlich vorgesehene Organisation und Gewährleistung der ärztlichen Leistungen für die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sind zwar nicht unmittelbar ursächlich für die Tötung des ungeborenen Lebens; sie stellen sich aber als eine Beteiligung des Staates an diesem Vorgang dar. Eine solche Beteiligung ist dem Staat nur gestattet, wenn der Tatbestand einer rechtfertigenden Ausnahme vom prinzipiellen Verbot des Schwangerschaftsabbruchs erfüllt und dies mit rechtsstaatlicher Verläßlichkeit festgestellt worden ist. Der Staat darf sich an der Tötung ungeborenen Lebens nicht beteiligen, solange er von der Rechtmäßigkeit dieses Vorgangs nicht überzeugt sein kann. Die Schutzkonzeption der Beratungsregelung läßt indes keinen Raum, dem Staat eine solche Überzeugung zu vermitteln (vgl. oben D.III.1.c).
Kann bei den unter den Bedingungen einer Beratungsregelung im Frühstadium der Schwangerschaft vorgenommenen Abbrüchen nicht festgestellt werden, ob sie wegen des Vorliegens einer allgemeinen Notlage als erlaubt angesehen werden dürfen, so darf sich der Rechtsstaat mithin an ihnen - auch finanziell oder durch die Verpflichtung Dritter wie der sozialversicherungsrechtlichen Solidargemeinschaften - grundsätzlich nicht beteiligen. Durch eine solche Beteiligung übernähme der Staat Mitverantwortung für Vorgänge, deren Rechtmäßigkeit er einerseits schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht als gegeben ansehen darf und andererseits im Rahmen seines Schutzkonzepts festzustellen gehindert ist.
bb) Auch die Wirksamkeitsbedingungen des Schutzkonzepts (vgl. oben D.III.3.) fordern keine Ausnahme.
(1) Das Beratungskonzept schließt es ein, daß ein Abbruch der Schwangerschaft unter medizinisch unbedenklichen Bedingungen und unter Umständen erfolgen kann, die das Persönlichkeitsrecht der Frau wahren. Diesen Anforderungen ist nur genügt, wenn keine Frau aus finanziellen Gründen an der Inanspruchnahme eines Arztes gehindert ist. Fehlt es an den dafür erforderlichen Mitteln nicht, entspricht es gesicherter Lebenserfahrung, daß Frauen einen Arzt in Anspruch nehmen, um die bei einem nicht fachgerecht durchgeführten Abbruch drohenden Gefährdungen ihrer eigenen Gesundheit zu vermeiden. Nicht von Ärzten durchgeführte illegale Schwangerschaftsabbrüche sind schon vor Inkrafttreten der §§ 218 ff. StGB a.F. nicht sehr häufig gewesen (vgl. dazu den Ersten Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BTDrucks. 7/1981 [neu], S. 5 f.). Soweit die Frauen allerdings nicht über hinreichendes eigenes Einkommen oder Vermögen verfügen, kann der Staat nach den Grundsätzen des Sozialhilferechts auch hier ihren Bedarf decken (vgl. dazu unten 3.). Für die Beurteilung der Bedürftigkeit kommt es dabei auf das zum Zeitpunkt des Abbruchs für die Frau schon verfügbare Einkommen und Vermögen an; weder darf sie insoweit auf etwaige Unterhaltsansprüche gegen die Eltern oder den Ehemann verwiesen noch darf bei diesen Rückgriff genommen werden, sofern die Frau nicht damit einverstanden ist.
(2) Private Krankenversicherungen decken im allgemeinen nur "medizinisch notwendige Behandlung wegen Schwangerschaft" (§ 1 Abs. 2 Satz 4 Buchst. a, Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung [Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherung 1976], abgedruckt bei Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 24. Aufl. 1988, S. 1222). Hierunter werden nur medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbrüche zur Beseitigung eines pathologischen Befundes oder zur Abwendung einer physischen oder psychischen Gefahr für die Schwangere verstanden (vgl. Wriede in Bruck/Möller, Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, 8. Aufl., Band VI 2, 1990, G 43; vgl. auch LG Berlin, VersR 1983, S. 1180 f.; LG Detmold, VersR 1986, S. 336). Versicherungsverträge, die darüber hinaus auf die Erbringung von Leistungen für Schwangerschaftsabbrüche gerichtet sind, deren Rechtmäßigkeit nicht festgestellt ist, würden sich in Widerspruch zu dem grundsätzlichen Verbot des Schwangerschaftsabbruchs setzen. Verträge dieses Inhalts wären unwirksam (vgl. D.III.3.).
Nach alledem sind Frauen, die keine oder nur eine private Krankenversicherung haben, ohnehin darauf angewiesen, die ärztlichen Leistungen für den nach der Beratungsregelung nicht mit Strafe bedrohten Schwangerschaftsabbruch aus eigenen Mitteln zu bezahlen. Es ist nicht ersichtlich, daß es die Wirksamkeit des Schutzkonzepts der Beratungsregelung erforderte, demgegenüber Frauen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, anders zu behandeln.
cc) Nach dem Schutzkonzept der Beratungsregelung hat es die sozial und ärztlich beratene Frau zu verantworten, ob es zu einem - dann nicht mit Strafe bedrohten - Schwangerschaftsabbruch kommt oder nicht. Aus dem Beratungskonzept ergibt sich jedoch keine Notwendigkeit, diese Verantwortung sozialrechtlich anzuerkennen. Es erfordert nicht, den Frauen, die einen nicht mit Strafe bedrohten Abbruch unter den Bedingungen der Beratungsregelung durchführen, dieselben sozialrechtlichen Leistungen zuteil werden zu lassen wie denen, bei denen eine medizinische, eine embryopathische oder auch eine kriminologische Indikation, mithin ein Rechtfertigungsgrund, festgestellt ist.
(1) Die Verantwortung der Frau bei der Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch unter den Bedingungen der Beratungsregelung ist nicht als "Selbstindikation" zu verstehen, durch die das Vorliegen einer rechtfertigenden Notlage von ihr selbst verbindlich festgestellt wird (siehe oben D.III.2.b)aa). Das Beratungskonzept beruht auf der Einschätzung, daß in der Frühphase einer Schwangerschaft das ungeborene Leben besser mit der Mutter geschützt werden kann. Deshalb sollen, um die in der Beratung liegenden Möglichkeiten einer Ermutigung zum Austragen des Kindes auszuschöpfen, einer Entscheidung, den Abbruch doch durchzuführen, keine der Schutzwirkung entgegenstehenden rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse in den Weg gelegt werden. Einer darüber hinausgehenden Anerkennung der Entscheidung der Frau bedarf es zur Verwirklichung des Schutzes durch beratende Einflußnahme nicht.
(2) Auch das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) gestattet es dem Staat nicht, die im Rahmen der Beratungsregelung nicht mit Strafe bedrohten Abbrüche mit Rücksicht darauf, daß eine Bewertung ihrer Rechtmäßigkeit im Einzelfall nicht stattfindet, so zu behandeln, als seien sie alle erlaubt. Der Sozialstaat kann auf dem Boden des Grundgesetzes nur mit den Mitteln des Rechtsstaats verwirklicht werden. Der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit wäre auch nicht etwa nur am Rande berührt, sondern vielmehr im Kern verletzt, übernähme der Staat allgemein - also ohne eine dem Gedanken des Sozialstaats Rechnung tragende Differenzierung - mittelbar oder unmittelbar (Mit-)Verantwortung für Vorgänge, von deren Rechtmäßigkeit er nicht überzeugt sein kann.
dd) Die Gewährung sozialversicherungsrechtlicher Leistungen für Schwangerschaftsabbrüche, die zwar nicht mit Strafe bedroht werden, deren Rechtmäßigkeit aber nicht feststeht, ist auch deshalb mit der staatlichen Schutzpflicht für das ungeborene menschliche Leben nicht vereinbar, weil dadurch das allgemeine Bewußtsein in der Bevölkerung, daß das Ungeborene auch gegenüber der Mutter ein Recht auf Leben hat und daher der Abbruch der Schwangerschaft grundsätzlich Unrecht ist, erheblich beschädigt würde.
Die Nichtgewährung von Sozialleistungen ist zwar nur begrenzt geeignet, ein rechtliches Unwerturteil über einen Sachverhalt zu verdeutlichen, zumal wenn sie sich auf Leistungen - wie Schwangerschaftsabbrüche - bezieht, die außerhalb des eigentlichen Aufgabenbereichs der Versicherungen liegen. Jedoch muß umgekehrt, wie auch der Sachverständige Prof. Dr. Schulin (Gutachten S. 97) ausführt, die Gewährung solcher Leistungen für Sachverhalte, die nicht dem normalen Versicherungsrisiko zuzuordnen sind, in der Bevölkerung den Eindruck erwecken, als handele es sich dabei um einen dem üblichen Risiko gleichkommenden und in diesem Sinne alltäglichen, also der Normalität entsprechenden Vorgang.
Hierbei kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Leistungstatbestände der Sozialversicherung für etwa 90 vom Hundert der Bevölkerung Bedeutung erlangen (vgl. Schulin, a.a.O., S. 2). Wegen ihrer Auswirkungen auf den persönlichen Lebensbereich werden sie von der Solidargemeinschaft der Versicherten mit besonderem Interesse wahrgenommen und sind damit durchaus geeignet, mit Wertungen, die in ihnen zum Ausdruck kommen, die Vorstellungen der Bevölkerung zu prägen.
Das Konzept der Beratungsregelung kann die Mindestanforderungen an die staatliche Schutzpflicht nur dann erfüllen, wenn es auf die Erhaltung und Stärkung des Rechtsbewußtseins besonderen Bedacht nimmt. Nur wenn das Bewußtsein von dem Recht des Ungeborenen auf Leben wach erhalten wird, kann die unter den Bedingungen der Beratungsregelung von der Frau zu tragende Verantwortung an diesem Recht ausgerichtet und prinzipiell geeignet sein, das Leben des ungeborenen Kindes zu schützen. Diesem Schutz liefe es zuwider, wenn der Staat durch die allgemeine Gewährung von sozialversicherungsrechtlichen Leistungsansprüchen den Abbruch unterstützte und damit unvermeidlich den Eindruck erweckte, der Schwangerschaftsabbruch würde von der Rechtsordnung am Ende doch gutgeheißen. Auch die der schwangeren Frau nahestehenden, für sie und das Ungeborene mitverantwortlichen Personen könnten sich entlastet fühlen, weil sie als normal und rechtmäßig empfinden werden, wofür Leistungen der Sozialversicherung gewährt werden.
c) Die Verfassung schließt nach allem die Gewährung sozialversicherungsrechtlicher Leistungen für die ärztliche Vornahme des nicht rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruchs und die medizinische Nachsorge bei komplikationslosem Verlauf aus. Insoweit lassen es die dargelegten Grundsätze auch nicht zu, der infolge des Schwangerschaftsabbruchs arbeitsunfähig gewordenen Frau einen Anspruch auf Gewährung von Krankengeld nach § 24b Abs. 2 Satz 2 SGB V einzuräumen; auch insoweit kann diese Vorschrift daher nicht über ihre ausdrückliche Voraussetzung (nicht rechtswidrig) hinaus bei nicht mit Strafe bedrohten Schwangerschaftsabbrüchen Grundlage für die Gewährung von Leistungen sein; die Frage, ob sich für diese Fälle ein Anspruch im Rahmen der §§ 44, 52 SGB V ergeben kann, ist damit nicht entschieden.
Die übrigen nach § 24b Abs. 2 Satz 1 SGB V zu erbringenden Leistungen sind von dem Verbot nicht betroffen; sie sind geeignet und bestimmt, die Gesundheit der Frau, soweit sie durch eine Schwangerschaft berührt wird, zu erhalten. Die ärztlichen Leistungen, die der versicherten Frau im Vorfeld eines Schwangerschaftsabbruchs erbracht werden, sind ebenso wie Nachbehandlungen, die durch komplikationsbedingte Folgeerscheinungen des Abbruchs veranlaßt sind, Leistungen, die der Gesundheit der Frau unmittelbar dienen und überdies, wenn es nicht zum Schwangerschaftsabbruch kommt, auch dem Leben des Kindes zugute kommen. Nur soweit es sich um den Abbruch selber handelt, steht die Tötung des ungeborenen Lebens so sehr im Vordergrund, daß die Inanspruchnahme der Sozialversicherung aus den zuvor genannten Gründen nicht in Betracht kommt, wenn die Rechtmäßigkeit des Schwangerschaftsabbruchs nicht feststeht.
3. a) Nach alledem ist es dem Staat verfassungsrechtlich grundsätzlich untersagt, durch die Gewährung von Leistungen oder durch die normative Begründung von Leistungspflichten Dritter Schwangerschaftsabbrüche zu fördern, deren Rechtmäßigkeit nicht verbindlich festgestellt worden ist. Diesen Grundsatz zu durchbrechen ist dem Staat verfassungsrechtlich, wie dargelegt, nur erlaubt, soweit dies das Konzept zum Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens um seiner Wirksamkeit willen gerade erfordert, wenn es also darum geht, daß die Frau einen etwaigen Abbruch nur durch einen Arzt vornehmen läßt. Verlangt die Rechtsordnung nun einerseits zum Schutze der Gesundheit der schwangeren Frau, andererseits aber auch um des Schutzes des Ungeborenen willen die Inanspruchnahme eines Arztes, so darf dies nicht daran scheitern, daß die Frau nicht über die dafür erforderlichen finanziellen Mittel verfügt. In diesem Fall darf es dem Staat nicht verwehrt sein, diese Mittel selbst bereitzustellen.
b) Sache des Gesetzgebers ist es zu regeln, auf welchem Wege und unter welchen Voraussetzungen in den Fällen, in denen das Schutzkonzept der Beratungsregelung dies erfordert, bei Bedürftigkeit der Frau eine Kostenübernahme durch den Staat erfolgen soll. Es liegt nahe, daß dazu die derzeitige Regelung des § 37a BSHG den sich aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Beratungsregelung ergebenden Folgen angepaßt wird. Mit der Gewährung dieser Sozialleistung setzt der Staat sich nicht in Widerspruch zu den Anforderungen seiner Schutzpflicht. Er verhindert damit von vornherein, daß Frauen den Weg in die Illegalität suchen und damit nicht nur sich selbst gesundheitlichen Schaden zufügen, sondern auch dem Ungeborenen die Chance einer Rettung durch ärztliche Beratung nehmen.
Bei der Ausgestaltung des Sozialhilfeanspruchs hat der Gesetzgeber das Persönlichkeitsrecht der Leistungsberechtigten zu schützen. Soweit es der Schutzpflicht für das ungeborene Leben nicht zuwiderläuft, hat er im vorliegenden Zusammenhang insbesondere Regelungen zu treffen, die der Frau möglichst eine wiederholte Darlegung ihrer Lage ersparen. Dies steht einem Rückgriff bei Familienangehörigen gemäß §§ 91 f. BSHG entgegen. Es liegt außerdem nahe, alle Verfahren zur staatlichen Gewährung von Schutz und Hilfe möglichst bei einer Behörde, etwa bei der gesetzlichen Krankenversicherung, zusammenzufassen und so zugleich sicherzustellen, daß die Frau nur einmal ihre Situation darlegen muß.
4. Auch im Lohnfortzahlungsrecht erweist es sich im Blick auf seine besondere arbeitsrechtliche Konzeption und die Erfordernisse des Schutzkonzepts entsprechend den oben (D.III.3.) dargestellten Grundsätzen nicht als geboten, die lediglich vom Straftatbestand des § 218 StGB n.F. ausgenommenen Schwangerschaftsabbrüche aus der Leistungspflicht auszuschließen.
a) aa) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 LFZG verliert ein Arbeiter, der nach Beginn der Beschäftigung durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, dadurch nicht den Anspruch auf Arbeitsentgelt für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Diese Vorschrift gilt entsprechend, wenn die Arbeitsunfähigkeit infolge des Abbruchs einer Schwangerschaft durch einen Arzt eintritt; bei einem nicht rechtswidrigen Abbruch durch einen Arzt gilt die dadurch bedingte Arbeitsunfähigkeit als unverschuldet (§ 1 Abs. 2 LFZG). Andere arbeitsrechtliche Vorschriften enthalten ähnliche Bestimmungen (vgl. § 616 BGB, § 63 HGB, § 133c GewO, §§ 52a, 78 Seemannsgesetz, § 12 BBiG). In dem in Art. 3 EV genannten Gebiet gilt § 115a des Arbeitsgesetzbuches der DDR fort (Art. 9 Abs. 2 EV in Verbindung mit Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1a), der durch Gesetz vom 22. Juni 1990 (GBl. I Nr. 35 S. 371) in das Arbeitsgesetzbuch eingefügt worden war. Die Vorschrift lehnt sich eng an die Regelungen des Lohnfortzahlungsgesetzes an, enthält indessen keine dem § 1 Abs. 2 LFZG entsprechende Regelung und gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmer. Daneben bestimmt § 4 des Gesetzes über die Unterbrechung der Schwangerschaft vom 9. März 1972 (GBl. I Nr. 5 S. 89), daß die Vorbereitung, Durchführung und Nachbehandlung einer nach diesem Gesetz zulässigen Unterbrechung der Schwangerschaft arbeits- und versicherungsrechtlich dem Erkrankungsfall gleichgestellt sind. Diese Vorschrift wird mit dem Wirksamwerden des Art. 16 SFHG außer Kraft treten.
bb) Das Lohnfortzahlungsrecht sieht vor, daß der Arzt einem Arbeitnehmer zur Vorlage gegenüber dem Arbeitgeber eine Bescheinigung über das Vorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit erteilt, in der grundsätzlich weder die Art der Erkrankung noch ihre Ursache mitgeteilt werden (vgl. § 3 LFZG). Der Arbeitgeber kann somit nicht ohne weiteres feststellen, ob die Voraussetzungen für die Entgeltfortzahlung möglicherweise wegen eines Verschuldens des Arbeitnehmers nicht gegeben sind. Er kann die Lohnfortzahlung nur verweigern, wenn er konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines einen Schuldvorwurf rechtfertigenden Sachverhalts hat, oder der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich verpflichtet ist, entsprechende Angaben von sich aus zu machen.
b) Die Ursache einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit wird nur dann in den Blick genommen, wenn die Krankheit auf einem gröblichen Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten beruht und es - in Ausnahmefällen - unbillig wäre, die Folgen eines zu einer Krankheit führenden Verhaltens auf den Arbeitgeber abzuwälzen (vgl. BAG, Urteil vom 28. Februar 1979, AP Nr. 44 zu § 1 LFZG, Urteil vom 7. August 1991, AP Nr. 94 zu § 1 LFZG; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Bd. I, 1963, § 44 III 1 a cc; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, 4. Aufl., 1992, § 18 II 2 e; Schmitt, Lohnfortzahlungsgesetz, 1992, § 1 LFZG, Rdnrn. 60 ff. m.w.N.).
Der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht für das ungeborene menschliche Leben widerspricht es nicht, wenn diese arbeitsrechtlichen Grundsätze dahin ausgelegt und angewendet werden, daß eine Verpflichtung zur Lohnfortzahlung auch dann besteht, wenn die Arbeitsunfähigkeit die Folge eines auf der Grundlage der Beratungsregelung erfolgten Schwangerschaftsabbruchs ist; es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, auch in diesen Fällen entsprechend § 1 Abs. 2 LFZG die Arbeitsunfähigkeit als unverschuldet anzusehen.
Ein Ausschluß des Anspruchs der Arbeitnehmerin auf Lohnfortzahlung in dem hier in Rede stehenden Fall erforderte nicht nur eine gesetzliche Regelung, die es ausschließt, eine durch einen nicht rechtmäßigen Abbruch der Schwangerschaft eingetretene Arbeitsunfähigkeit als krankheitsbedingt anzusehen. Es müßte um der Wirksamkeit einer solchen Regelung willen entweder dem behandelnden Arzt untersagt werden, der Arbeitnehmerin Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen, oder es müßte die Arbeitnehmerin selbst verpflichtet werden, dem Arbeitgeber den Grund ihrer Arbeitsunfähigkeit offenzulegen. Dies wiederum ließe sich nur vermeiden, wenn die schwangere Frau für die Vornahme des Abbruchs Urlaub nähme, was nicht immer möglich sein wird. Andere Möglichkeiten, die Offenlegung zu vermeiden, stehen nach geltendem Recht nicht zur Verfügung. Eine Offenlegungspflicht der Frau bestünde auch dann, wenn man annehmen wollte, daß der Schwangerschaftsabbruch nach Beratung ein gröblicher Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten, also im Sinne der hier einschlägigen arbeitsrechtlichen Regelung verschuldet sein kann. Das Schutzkonzept der Beratungsregelung erfordert es jedoch gerade, daß die schwangere Frau, um dem Anliegen der Beratung, das Leben des Ungeborenen zu erhalten, aufgeschlossen zu begegnen, der Notwendigkeit enthoben wird, die Gründe ihrer Entscheidung für den Abbruch außerhalb der Beratung und des ärztlichen Gesprächs gegenüber Dritten darzulegen. Diese Aufgeschlossenheit würde jedenfalls gefährdet, wenn das Arbeitsrecht auf die eine oder andere Weise eine Verpflichtung der Arbeitnehmerin begründete, dem Arbeitgeber offenzulegen, daß ihre Arbeitsunfähigkeit auf einen nicht gerechtfertigten Schwangerschaftsabbruch zurückzuführen ist. Unter diesen Umständen ist es auch nicht unbillig, die abbruchbedingte Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin dem Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen.
5. a) Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht für das Leben hindert den Gesetzgeber nicht, Leistungen der sozialen Krankenversicherung bei einem nicht rechtswidrigen Abbruch der Schwangerschaft vorzusehen, wie dies in § 24b SGB V im Anschluß an § 200f RVO bestimmt ist. Dies gilt auch mit Bezug auf die Regelungen der §§ 218a ff. StGB a.F., die bis zum 15. Juni 1993 anzuwenden sind (vgl. II.1. der Entscheidungsformel).
aa) § 24b SGB V begründet in weitgehender Übereinstimmung mit der Vorgängervorschrift des § 200f RVO Ansprüche auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung "bei einem nicht rechtswidrigen Abbruch der Schwangerschaft durch einen Arzt", wenn der Abbruch in einem Krankenhaus oder einer sonstigen hierfür vorgesehenen Einrichtung im Sinne des neugefaßten Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des 5. StrRG vorgenommen wird. "Nicht rechtswidrig" in diesem Sinne ist auch ein Schwangerschaftsabbruch bei - festgestelltem - Vorliegen der allgemeinen Notlagenindikation. Zwar bezeichnet § 218a StGB a.F. einen solchen Abbruch lediglich als "nicht nach § 218 strafbar". Der Bundesgerichtshof hat jedoch sowohl in seiner zivilrechtlichen als auch in seiner strafrechtlichen Judikatur den Tatbestand der allgemeinen Notlagenindikation ebenso wie die anderen in § 218a StGB a.F. normierten Indikationstatbestände als Rechtfertigungsgrund ausgelegt (vgl. BGHZ 86, 240 [245]; 95, 199 [204 ff.]; BGHR StGB § 218a Abs. 1 Indikation 1). Das Bundessozialgericht (vgl. NJW 1985, S. 2215 [2216]) und die sozialrechtliche Praxis sind - ohne zu der strafrechtsdogmatischen Einordnung der Indikationstatbestände näher Stellung zu nehmen - davon ausgegangen, daß als "nicht rechtswidrige" Schwangerschaftsabbrüche im Sinne des § 200f RVO alle nach § 218a StGB a.F. nicht strafbaren Abbrüche anzusehen seien; für die inhaltsgleiche Vorschrift des § 24b SGB V, soweit sie infolge der einstweiligen Anordnung vom 4. August 1992 im Rahmen des § 218a StGB a.F. Anwendung gefunden hat, wird dieselbe Auslegung zu gelten haben.
bb) Von Verfassungs wegen ist diese fachgerichtliche Auslegung grundsätzlich nicht zu beanstanden, auch soweit der Tatbestand der allgemeinen Notlagenindikation betroffen ist. Bedenken dagegen, daß § 218a Abs. 2 Nr. 3 StGB a.F. die in Betracht kommenden Notlagen tatbestandlich nicht näher konkretisiere, greifen im Ergebnis nicht durch. Die Notlagen sind so vielfältig, ihr Gewicht unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit einer Fortsetzung der Schwangerschaft ist so sehr von den Umständen des Einzelfalls abhängig, daß eine bestimmtere Fassung des Indikationstatbestandes nur um den Preis erreichbar gewesen wäre, untypische Fallgestaltungen möglicherweise nicht mehr zu erfassen. Im Blick darauf durfte sich der Gesetzgeber mit einer allgemein gehaltenen Umschreibung des Tatbestandes unter Verwendung wertungsbedürftiger Begriffe begnügen und die Konkretisierung der Rechtsprechung überlassen. Auch das Erfordernis, daß die in Betracht kommenden Notlagen unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit einer Fortsetzung der Schwangerschaft vergleichbar schwer wiegen müssen wie die übrigen Indikationsfälle, läßt sich unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, zu der auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar 1975 gehört, sowie des Normzusammenhangs im Wege der Interpretation aus der Formulierung erschließen, die Gefahr einer Notlage müsse so schwer wiegen, "daß von der Schwangeren die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt werden kann".
cc) Allerdings kann als sicher gelten, daß der Tatbestand der allgemeinen Notlagenindikation in der Vergangenheit vielfach zur Rechtfertigung von Schwangerschaftsabbrüchen und damit zur Begründung von Ansprüchen auf Krankenversicherungsleistungen herangezogen worden ist, ohne daß der hier vorauszusetzende soziale Konflikt unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit das Gewicht der anderen Indikationen erreichte. Auch die Begründung des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes sieht in der ausufernden praktischen Handhabung einen Grund für die Neuregelung (vgl. BTDrucks. 12/2605 [neu], S. 3).
Mit der Schutzpflicht für das ungeborene Leben ist es nicht vereinbar, daß die Krankenversicherungsträger auch bei einer derart ausufernden Auslegung und Anwendung des Tatbestandes der allgemeinen Notlage die Rechtmäßigkeit des ärztlichen Eingriffs ohne weiteres unterstellen und diesen als Leistung gewähren. Sie haben sich zu vergewissern, daß die Annahme einer allgemeinen Notlage nach ärztlicher Erkenntnis nicht unvertretbar war - insoweit können sie sich an den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen (vgl. BGHR StGB § 218a Abs. 2 Erkenntnis 1; BGHZ 95, 199 [204 ff.]) orientieren - und die Vorschriften über die Beratung (§ 218b StGB a.F.) und das Indikationsfeststellungsverfahren (§ 219 StGB a.F.) nicht mißachtet wurden. Verfassungsrechtliche Mängel des Vollzugs greifen indes nicht auf die Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts über, nach denen Versicherten bei einem nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch Leistungen gewährt werden. Ebenso bleiben diese Bestimmungen unberührt von strukturellen Mängeln, die den Vorschriften der §§ 218b und 219 StGB a.F. anhaften und sie in ihrer lebensschützenden Wirkung beeinträchtigen; solche Mängel geben dem Gesetzgeber grundsätzlich nur Anlaß zur Nachbesserung.
b) Die Antragstellerin zu 1) hat sich allerdings auch unter anderen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten dagegen gewandt, daß - vor dem Inkrafttreten des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes aufgrund des § 200f Satz 1 RVO, danach aufgrund des § 24b Abs. 1 SGB V - Ansprüche auf Leistungen der sozialen Krankenversicherung auch bei Schwangerschaftsabbrüchen aufgrund der allgemeinen Notlagenindikation (§ 218a Abs. 2 Nr. 3 StGB a.F.) gewährt wurden. Sie macht geltend, diese Aufgabe habe der Sozialversicherung als einem öffentlich-rechtlichen Zwangsverband mit Rücksicht auf die Grundrechte ihrer Mitglieder nicht aufgebürdet werden dürfen; es handele sich um eine versicherungsfremde Last. Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, Nachteile für schwangere Frauen zu vermeiden, die sich einerseits in einer gesetzlich anerkannten Konfliktlage, andererseits in einer wirtschaftlichen Notlage befinden, hätte mit gleicher Wirkung auch auf andere, die Grundrechte der Versicherungsmitglieder unberührt lassende Weise erreicht werden können.
Ob diesen Bedenken zu folgen ist, kann offenbleiben. Es bestünde jedenfalls keine Möglichkeit, den aufgrund der früheren Rechtslage erbrachten Leistungen rückwirkend die Rechtsgrundlage zu entziehen; angesichts der Intention des Antrags der Bayerischen Staatsregierung ist es auch nicht erforderlich, für die Zeit der Aufrechterhaltung des bisher geltenden Rechts nach Maßgabe der Nummer 1 der Anordnung gemäß § 35 BVerfGG diese Frage eigens zu entscheiden.
VI.
Die in Art. 4 des 5. StrRG in der Fassung des Art. 15 Nr. 2 SFHG enthaltene Verpflichtung, ein ausreichendes und flächendeckendes Angebot sowohl ambulanter als auch stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicherzustellen, ist bei restriktiver Auslegung mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes vereinbar. Die Regelung verstößt aber gegen das bundesstaatliche Prinzip und ist nichtig, soweit sie die zuständige oberste Landesbehörde als Träger der Verpflichtung benennt.
1. Sieht der Bundesgesetzgeber vor, daß von staatlicher Seite ein ausreichendes und flächendeckendes Angebot sowohl ambulanter als auch stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicherzustellen ist, so begründet er eine Staatsaufgabe.
Wie den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens zu entnehmen ist, sollen vor allem Ambulatorien entstehen, in denen beim Schwangerschaftsabbruch die für die Schwangere schonendere Absaugmethode zum Einsatz kommt und den Frauen mehrtägiger stationärer Aufenthalt erspart bleibt (vgl. Begründungen zu den im wesentlichen inhaltsgleichen Vorschriften in den Gesetzentwürfen BTDrucks. 12/696 [S. 11 f.] unter Bezugnahme auf Renate Sadrozinsky, Die ungleiche Praxis des § 218, Köln 1990, S. 43, BTDrucks. 12/889 [S. 12]). Der Schwangerschaftsabbruch ist, wie auch die Neufassung des Art. 3 des 5. StrRG durch Art. 15 Nr. 1 SFHG ausweist, nicht mehr grundsätzlich in das Krankenhaus verwiesen. Das Bundesrecht läßt jede Einrichtung zu, die die notwendige Nachbehandlung gewährleistet. Im Zusammenhalt mit dieser Rechtsänderung legt der Wortlaut des neuen Art. 4 des 5. StrRG die Auslegung nahe, daß es Aufgabe des Staates sei, für ein ausreichendes Angebot an Abbrucheinrichtungen auch in der Fläche des Landes im Sinne einer Auswahlmöglichkeit zwischen stationären und ambulanten Einrichtungen zu sorgen.
Eine so verstandene Sicherstellung verlangt ein umfassendes Konzept jeweils für das ganze Land. Gefordert sein können flächenbezogene Erhebungen des voraussichtlichen Bedarfs und der bereits vorhandenen Einrichtungen sowie - ähnlich wie bei der Krankenhausplanung - eine landesweite infrastrukturelle Planung, in welche die Einrichtungen privater, frei gemeinnütziger, kommunaler oder staatlicher Träger aufzunehmen und aufeinander abzustimmen sind. Sollen Einrichtungen zum Schwangerschaftsabbruch privaten oder kommunalen Krankenhausträgern zur Pflicht gemacht werden, so bedarf es hierzu gesetzlicher Regelungen, durch die in einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Bestimmtheit Maßstäbe und Befugnisse für die erforderlichen behördlichen Anordnungen festgelegt werden.
2. a) Die bundesgesetzliche Begründung einer solchen Staatsaufgabe mit der im Gesetz vorgesehenen weitreichenden Zielsetzung ist durch einen Kompetenztitel des Grundgesetzes nicht gedeckt. Art. 74 Nr. 7 GG, der die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes für "die öffentliche Fürsorge" eröffnet, bietet eine kompetenzielle Grundlage für die Vorschrift nur bei deren restriktiver Auslegung.
aa) Der Begriff der öffentlichen Fürsorge im Sinne des Grundgesetzes ist selbst nicht eng auszulegen. Er umfaßt auch präventive Maßnahmen zum Ausgleich von Notlagen und besonderen Belastungen sowie Vorkehrungen gegen die Gefahr der Hilfsbedürftigkeit (Maunz in: Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, Art. 74 Rdnr. 106; Rengeling in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 1990, § 100 Rdnr. 155). Eingrenzungen ergeben sich insbesondere bei überwiegendem Sachzusammenhang einer Regelung mit anderen Sachkompetenzen; aus der Kompetenz nach Art. 74 Nr. 7 GG scheiden vor allem Gesetze aus, die der Krankenversorgung, der Seuchenbekämpfung oder in sonstiger Weise in erster Linie dem Gesundheitswesen dienen. Die Entscheidung der Verfassung (Art. 74 Nr. 19 und 19a GG), dem Bund für das Gesundheitswesen nur in eingeschränktem Maße Gesetzgebungskompetenzen zuzuweisen, darf nicht durch eine erweiternde Auslegung der Gesetzgebungskompetenz für die öffentliche Fürsorge unterlaufen werden.
In der dargestellten weiten Auslegung werden mit Art. 4 des 5. StrRG n.F. Ziele der strukturellen Veränderung des Gesundheitswesens in den Ländern verfolgt. Dafür steht dem Bund keine Gesetzgebungsbefugnis zu.
bb) Unter dem Gesichtspunkt der Hilfe in einer schwangerschaftsbedingten Notlage kann die Kompetenz aus Art. 74 Nr. 7 GG für die angegriffene Regelung allerdings eine begrenzte Tragfähigkeit gewinnen.
Es dient zum einen dem Lebensschutz, wenn sich der Arzt nicht wegen einer weiten Anreise der schwangeren Frau gedrängt sieht, den Schwangerschaftsabbruch an dem Tage, an dem sie sich bei ihm zum ersten Mal einfindet, vorzunehmen. Bei einer unklaren Lage wird sich der Arzt dann eher darauf beschränken, zunächst das ärztliche Gespräch mit der Frau zu führen und sie in Übereinstimmung mit der auf Lebensschutz gerichteten ärztlichen Berufspflicht zu beraten, einen etwaigen Eingriff aber auf einen späteren Tag verschieben. Damit wird noch einmal die Chance für eine Entscheidung der Frau zugunsten des Ungeborenen eröffnet.
Zum anderen kann es in einer solchen Situation auch der Schwangeren eine Hilfe in der Not sein, wenn sie für einen ersten Arztbesuch die An- und Rückreise - auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln - an einem Tag bewältigen kann. Es wird ihr leichter, die Betreuung eigener Kinder während ihrer Abwesenheit zu regeln; der Arbeit braucht sie nur für eine relativ kurze Zeit fernzubleiben.
In diesen Abmaßen kann es der Bundesgesetzgeber zum Inhalt der öffentlichen Fürsorge im Sinn des Art. 74 Nr. 7 GG machen, daß - über das Land verteilt - Einrichtungen zum Schwangerschaftsabbruch geschaffen werden. Eine weitergehende Sicherstellung kann er jedoch nicht vorschreiben, ohne die Kompetenzgrenzen des Art. 74 Nr. 7 GG zu überschreiten.
Dafür hat der Bundesgesetzgeber auch keine Annexkompetenz unter dem Gesichtspunkt der Verwirklichung eines von ihm für erforderlich erachteten organisatorischen Folgekonzepts (vgl. BVerfGE 22, 180 [209 ff.]; 77, 288 [301]). Die Zuständigkeit zur Gesetzgebung aus Art. 74 Nr. 1 GG vermag ein bundesgesetzliches, auf Schutz des Ungeborenen und der Frau zugeschnittenes, im Strafrecht wurzelndes Schutzkonzept zu tragen; sie ermöglicht dem Bundesgesetzgeber so, seiner verfassungsrechtlichen Schutzpflicht für das Leben zu genügen. Demgegenüber läßt sich die Sicherstellung eines über den bereits dargestellten Rahmen hinausgehenden Angebots an Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, nicht als notwendiges Folgekonzept verstehen.
cc) Art. 4 des 5. StrRG n.F. kann, soweit diese Vorschrift eine Aufgabe der öffentlichen Fürsorge begründet, nicht wegen Verfassungswidrigkeit für nichtig erklärt werden, da sie einer verfassungskonformen - engen - Auslegung zugänglich ist.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, daß ein Gesetz nicht verfassungswidrig ist, wenn eine Auslegung möglich ist, die im Einklang mit dem Grundgesetz steht, und das Gesetz bei dieser Auslegung sinnvoll bleibt (vgl. BVerfGE 2, 266 [278]; 69, 1 [55]; st. Rspr.).
Mit dem Wortlaut des Art. 4 des 5. StrRG n.F. ist es vereinbar, die Vorschrift dahin auszulegen, daß der Staat zur Verwirklichung des Schutzkonzepts für das Bereitstehen ärztlicher Hilfe zum Abbruch der Schwangerschaft in einer Entfernung zu sorgen hat, die von der Frau nicht die Abwesenheit über einen Tag hinaus verlangt. Bei dieser Auslegung bleibt das Gesetz sinnvoll, weil es dem Lebensschutz dienen kann. Auch die Grenzen, die der klar erkennbare Wille des Gesetzgebers einer verfassungskonformen Auslegung zieht (vgl. BVerfGE 18, 97 [111]; 71, 81 [105]; st. Rspr.), sind nicht überschritten, weil das Gesetz auch in den Abmaßen der einschränkenden Auslegung diesem Willen jedenfalls entgegenkommt.
3. Beauftragt der Bundesgesetzgeber die zuständige oberste Landesbehörde mit der Ausführung einer von ihm begründeten Staatsaufgabe, so greift er in die Organisationsgewalt der Länder und damit in deren verfassungsmäßige Ordnung ein. Erschließt damit die nach Landesverfassungsrecht zuständigen Organe aus und hindert die Länder damit, die Ausführung der Staatsaufgabe - etwa im kommunalen Bereich - nach eigenem, auf sinnvolle Gestaltung der Vollzugsorganisation ausgerichtetem Ermessen zu regeln.
a) Dem bundesstaatlichen Prinzip entsprechend ist ein Eingriff der Bundesgewalt in die Verfassungsordnung der Länder nur zulässig, soweit es das Grundgesetz ausdrücklich bestimmt oder zuläßt. Vor allem dort, wo das Grundgesetz die Grenze zwischen den Kompetenzen des Bundes und denen der Länder zieht, verzichtet es grundsätzlich darauf, die Verfassungsorgane der Länder zu bestimmen, die die Landeskompetenz wahrzunehmen haben (vgl. BVerfGE 11, 77 [85 f.]).
So ist es, wenn Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausgeführt werden (Art. 83 GG): Die Länder - nicht die Landesregierungen oder einzelne Landesministerien - sind es, die die Einrichtung der Behörden und das Verfahren zu regeln haben, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen (Art. 84 Abs. 1 GG). Der Grundsatz der Organisationsgewalt der Länder gilt uneingeschränkt, wenn eine bundesgesetzliche Regelung lediglich eine von den Ländern zu erfüllende Staatsaufgabe vorsieht, nicht jedoch Einzelregelungen trifft, die behördlich-administrativ vollzogen werden könnten.
Auch als Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung könnte der Bundesgesetzgeber nach der ausdrücklichen Anordnung des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG die Aufgabe nur den "Landesregierungen", nicht aber den Landesministern oder den zuständigen obersten Landesbehörden zuweisen (vgl. BVerfGE 11, 77 [86]).
b) Art. 4 des 5. StrRG n.F. wird diesem Maßstab nicht gerecht. Er begründet eine Sicherstellungsaufgabe, die für das Land lediglich ein Handlungsziel vorschreibt, nicht aber behördlich-administrativ vollziehbare Einzelregelungen zur Verwirklichung dieses Ziels enthält. Die bundesgesetzlich bestimmte Sicherstellungsaufgabe ist nicht den Ländern als solchen zugewiesen, sondern den zuständigen obersten Landesbehörden und damit den Landesministern. Eine solche Regelung ist durch das Grundgesetz weder ausdrücklich bestimmt noch zugelassen.
c) Insoweit ist die Vorschrift gemäß § 78 BVerfGG für nichtig zu erklären. Art. 4 des 5. StrRG n.F. ist einer verfassungskonformen Auslegung nicht zugänglich, soweit dadurch die zuständige oberste Landesbehörde mit der Wahrnehmung der Staatsaufgabe beauftragt wird. Das Gebot verfassungskonformer Auslegung legitimiert nicht dazu, Wortlaut und Sinn des Gesetzes beiseite zu schieben oder zu verändern (vgl. BVerfGE 8, 28 [34]; 72, 278 [295]). Die Bestimmung hat einen präzise formulierten, normativen Gehalt, der es nicht zuläßt, ihr im Wege der Auslegung den Sinn zuzumessen, daß jeweils das Land, nicht die Behörde mit der Wahrnehmung der Aufgabe betraut sei.
4. Die Nichtigkeit der Benennung der zuständigen obersten Landesbehörden als Aufgabenträger ergreift nicht den - verfassungskonform interpretierten - Sicherstellungsauftrag. Nach dem schon in § 139 BGB enthaltenen Rechtsgedanken kann sich das Bundesverfassungsgericht auf die Feststellung der Nichtigkeit eines Teils der Norm beschränken, wenn es keinem Zweifel unterliegt, daß der Gesetzgeber die sonstige gesetzliche Regelung auch ohne den verfassungswidrigen Teil aufrechterhalten hätte (vgl. BVerfGE 4, 219 [250]). Dies ist angesichts der Bedeutung, die dem - in ärztlicher Verantwortung beratenden und gegebenenfalls den Abbruch vornehmenden - Arzt zukommt, der Fall. Die Regelung ist auch vollziehbar, weil nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes ohnehin die Länder für die Umsetzung und Ausführung der Bundesgesetze zuständig sind (Art. 30, 70, 83 GG) und es insofern einer besonderen Zuständigkeitsregelung nicht bedarf.
5. Mithin obliegt es den Ländern, im Rahmen der durch das ärztliche Weigerungsrecht (Art. 2 des 5. StrRG) eingeschränkten Möglichkeiten und der durch die verfassungskonforme Begrenzung des Sicherstellungsauftrags gesetzten Schranken für die notwendige ärztliche Betreuung der Schwangeren zu sorgen. Andererseits sind sie bei Inanspruchnahme ihrer Kompetenz für das Gesundheitswesen durch die Verpflichtung, ungeborenes menschliches Leben zu schützen, verfassungsrechtlich gebunden; sie haben zusätzliche Maßnahmen zu unterlassen, wenn sich diese als aktive Förderung des Schwangerschaftsabbruchs auswirken.
 
F.
1. Soweit sich der Normenkontrollantrag der Bayerischen Staatsregierung im Verfahren 2 BvF 2/90 gegen die Vorschriften des § 218b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und des § 219 Abs. 1 Satz 1 StGB in der Fassung des Fünfzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes richtet, ist er durch die Entscheidung über die Normenkontrollanträge gegen die Vorschriften des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes erledigt. Ein Antrag auf abstrakte Normenkontrolle ist nur zulässig bei Vorliegen eines besonderen objektiven Interesses an der Klarstellung der Geltung der Norm (vgl. BVerfGE 6, 104 [110]; 52, 63 [80]). Dieses Interesse ist hier entfallen.
Die Antragstellerin hat die bezeichneten Vorschriften über die Schwangerschaftsberatung und über die Indikationsfeststellung nur insoweit angegriffen, als diese die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für einen Schwangerschaftsabbruch aufgrund der allgemeinen Notlagenindikation (§ 218a Abs. 2 Nr. 3 StGB in der Fassung des Fünfzehnten Strafrechtsänderungsgesetzes) regeln; das ergibt sich aus der Antragsbegründung vom 28. Februar 1990. Der Tatbestand der allgemeinen Notlagenindikation wird indes durch die insoweit verfassungsrechtlich nicht beanstandete Vorschrift des Art. 13 Nr. 1 SFHG aufgehoben. Zwar ist die Vorschrift des § 218a Abs. 1 StGB n.F., die die allgemeine Notlagenindikation ersetzen soll, verfassungswidrig und nichtig. Das ändert aber nichts an der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer auf einem Beratungskonzept beruhenden gesetzlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs. Der Senat hat für die Zeit bis zu einer verfassungskonformen Neuregelung durch den Gesetzgeber eine Übergangsregelung nach § 35 BVerfGG in der Einschätzung angeordnet, daß der Gesetzgeber aus den Erwägungen, die ihn zu der Gesetzesänderung veranlaßt haben, nicht zu einer Notlagenindikation zurückkehren wird. Die Vorschriften darüber bleiben nur noch für eine kurze Übergangsfrist bis 15. Juni 1993 anwendbar. Damit entfällt für die Zukunft der Gegenstand des verfassungsrechtlichen Angriffs der Antragstellerin.
Für die Zeit bis 15. Juni 1993 könnte die beantragte Feststellung der Verfassungswidrigkeit ebenfalls keine rechtlichen Wirkungen mehr äußern. Die Antragstellerin hat zutreffend dargelegt, daß die von ihr erhobenen Beanstandungen - ihre Begründetheit unterstellt - nicht dazu führen können, die angegriffenen Vorschriften, soweit sie sich auf Schwangerschaftsabbrüche aufgrund der Notlagenindikation beziehen, rückwirkend für nichtig zu erklären. Denn dies hätte die Unanwendbarkeit der Vorschriften bei Notlagenindikationen und damit einen Rechtszustand zur Folge, der sich in seiner Schutzwirkung noch weiter vom Grundgesetz entfernte als die angegriffene Regelung. Mithin käme nur eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Nachbesserung in Betracht, bis zu der die angegriffenen Vorschriften unverändert fortgelten müßten (vgl. BVerfGE 61, 319 [356]); eine solche in die Zukunft wirkende Nachbesserung aber scheidet wegen des kurzfristig bevorstehenden Auslaufens der alten Notlagenregelung aus.
2. Anders verhält es sich mit dem Antrag, die §§ 200f, 200gRVO für nichtig zu erklären, soweit diese den Versicherten einen Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung auch bei Schwangerschaftsabbrüchen aufgrund der allgemeinen Notlagenindikation gewähren. Zwar sind die genannten Vorschriften durch Art. 3 SFHG mit Wirkung vom 5. August 1992 aufgehoben und durch § 24b SGB V in der Fassung des Art. 2 SFHG ersetzt worden. Die Antragstellerin hat indessen dargelegt, daß noch Krankenversicherungsleistungen für Altfälle, in denen Schwangerschaftsabbrüche aufgrund der Notlagenindikation vorgenommen wurden, nach den angegriffenen Vorschriften der Reichsversicherungsordnung abzurechnen und darüber auch Rechtsstreitigkeiten anhängig sind, für deren Entscheidung es auf die Gültigkeit der Vorschriften ankommen kann. Damit besteht das erforderliche objektive Interesse an einer Sachentscheidung fort (vgl. BVerfGE 5, 25 [28]; 79, 311 [327]).
In der Sache gilt hier das gleiche wie für § 24b SGB V, soweit diese Vorschrift Schwangerschaftsabbrüche erfaßt, die seit dem 5. August 1992 aufgrund der allgemeinen Notlagenindikation durchgeführt worden sind (vgl. dazu oben E.V.1. und 5.).
 
G.
Im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle erklärt das Bundesverfassungsgericht nach § 78 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG das zu prüfende Gesetz, wenn es mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist, für nichtig. Damit wird ausgesprochen, daß das Gesetz nicht seine gewollten Wirkungen haben kann. Demgemäß bewirkt die Nichtigerklärung des § 218a Abs. 1 StGB n.F., daß die Vorschrift ihre Wirkung als Rechtfertigungsgrund nicht entfaltet. Der für nichtig erklärte § 219 StGB n.F. kann nicht als Maßstab für Inhalt und Durchführung der Beratung dienen.
Die Vorschriften der §§ 218a Abs. 1 StGB n.F. und des § 219 StGB n.F. stehen insofern mit dem Straftatbestand des § 218 StGB n.F. in engem sachlichen Zusammenhang, als der Gesetzgeber in Ausführung des Art. 31 Abs. 4 EV für die Zeit der ersten zwölf Wochen einer Schwangerschaft den Lebensschutz auf die Wirksamkeit eines Beratungskonzepts gründen und den Schwangerschaftsabbruch unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 StGB n.F. jedenfalls von der Strafbarkeit (Art. 103 Abs. 2 GG) ausnehmen wollte. Um zu vermeiden, daß das Schutzkonzept infolge der Nichtigerklärung des § 218a Abs. 1 StGB n.F. und des § 219 StGB n.F. auch jene vom Gesetzgeber auch für das in Art. 3 EV genannte Gebiet gewollten Wirkungen verfehlt, die die verfassungsrechtliche Schutzpflicht zuläßt oder - im Hinblick auf einen tatsächlich wirksamen Lebensschutz - sogar verlangt, ist es geboten, im Wege einer Anordnung nach § 35 BVerfGG übergangsweise eine verfassungsrechtlich ausreichende Beratungsregelung zu treffen, die unter den übrigen - vom Gesetzgeber in § 218a Abs. 1 StGB n.F. bestimmten - Voraussetzungen den Ausschluß des Straftatbestandes des § 218 StGB n.F. bewirkt. Art. 103 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 1 GG stehen dem nicht entgegen. In den strafrechtlichen Vorschriften des Art. 13 Nr. 1 SFHG sind die mit Strafe bedrohten Fälle des Schwangerschaftsabbruchs tatbestandlich umschrieben und damit Voraussetzungen und Grenzen der Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs gesetzlich festgelegt. Die Nichtigerklärung des in § 218a Abs. 1 StGB n.F. normierten Rechtfertigungsgrundes läßt die auf der Anordnung des Gesetzgebers beruhende Strafbarkeit derjenigen Schwangerschaftsabbrüche unberührt, die nicht von § 218a Abs. 1 StGB n.F. oder einer sonstigen die Strafbarkeit ausschließenden Vorschrift tatbestandlich erfaßt werden. Die Entscheidung des Senats dehnt die Strafbarkeit nicht über die vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen hinaus aus. Die unter Nr. II.2. der Urteilsformel getroffene Anordnung nach § 35 BVerfGG stellt im Gegenteil sicher, daß die in § 218a Abs. 1 StGB n.F. tatbestandlich erfaßten Schwangerschaftsabbrüche ungeachtet der Nichtigerklärung der Vorschrift bis zu einer gesetzlichen Neuregelung von der Strafdrohung des § 218 StGB n.F. ausgenommen bleiben; die Bedeutung dieser gerichtlichen Anordnung erschöpft sich in strafrechtlicher Hinsicht darin, daß der Ausschluß der Strafbarkeit nicht mehr durch einen Rechtfertigungsgrund, sondern mittels eines Tatbestandsausschlusses erfolgt. Für die nicht nach der Beratungsregelung vorgenommenen, gemäß Art. 13 Nr. 1 SFHG mit Strafe bedrohten Schwangerschaftsabbrüche ist Grundlage der künftigen Strafbarkeit das Gesetz, nicht etwa die auf § 35 BVerfGG beruhende Anordnung des Senats. Dem speziellen Gesetzesvorbehalt der Art. 103 Abs. 2, 104 Abs. 1 GG ist damit genügt, auch soweit das nunmehr in seinem strafrechtlichen Teil in Kraft tretende Schwangeren- und Familienhilfegesetz weitergehende Strafvorschriften enthält als das bisher in den neuen Ländern fortgeltende Recht der Deutschen Demokratischen Republik.
Mahrenholz, Böckenförde, Klein, Graßhof, Kruis, Kirchhof, Winter, Sommer
 
Abweichende Meinung der Richter Vizepräsident Mahrenholz und Sommer zum Urteil des Zweiten Senats vom 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90 und 4, 5/92 -
Rechtliche Regelungen des Schwangerschaftsabbruchs ergreifen den innersten Bereich menschlichen Lebens und berühren grundlegende Fragen menschlicher Existenz. Zu den spezifischen Grundbedingungen menschlichen Seins gehört, daß Sexualität und Kinderwunsch nicht übereinstimmen. Die Folgen dieser Divergenz haben die Frauen zu tragen. Zu allen Zeiten und in allen, von verschiedenen moralischen und religiösen Wertvorstellungen geprägten Kulturen haben sie Auswege aus der Not ungewollter Schwangerschaften gesucht und gefunden und sich dabei durch Androhung auch schwerster und grausamer Strafen nicht davon abhalten lassen, selbst bei Gefahr für das eigene Leben das ungeborene Leben abzutöten, wenn sie ein Kind nicht wollten. Entsprechend ihrer gewandelten gesellschaftlichen Stellung lösen Frauen heute diesen fundamentalen Lebenskonflikt vornehmlich danach, ob sie nach eigener Einschätzung in ihrer konkreten Lebenssituation die Möglichkeit erkennen, die Aufgaben einer Mutter verantwortlich zu erfüllen.
Jede Regelung des Schwangerschaftsabbruchs wirft die Frage nach dem Bereich unantastbarer Autonomie des Menschen einerseits und dem Recht des Staates zu Regelungen andererseits auf; der Gesetzgeber befindet sich hier an der Grenze der Regelungsfähigkeit eines Lebensbereichs überhaupt. Er kann sich der Problematik des Schwangerschaftsabbruchs mit einer besseren oder mit einer schlechteren Regelung nähern; "lösen" kann er sie nicht; dem Staat ist hier die Selbstgewißheit zur "richtigen" Gesetzgebung verlorengegangen. Dies zeigt die Länge des Gesetzgebungsprozesses, der wenig mehr als eineinhalb Jahrzehnte nach der letzten grundlegenden Reform begann, und spiegelt sich wider in der Dauer der Beratungen des Senats, der die vom Gesetzgeber aus der Schutzpflicht zu ziehenden Folgerungen anders beurteilt als der Erste Senat im Urteil vom 25. Februar 1975 (BVerfGE 39, 1 ff.). Die Maßgaben des Urteils machen es möglich, daß der Gesetzgeber auf dem Weg der Beratungslösung fortschreiten kann, den er mit dem Schwangeren- und Familienhilfegesetz eingeschlagen hat.
Wie für den Senat, so steht auch für uns die verfassungsrechtliche Schutzpflicht des Staates für das ungeborene menschliche Leben von dessen Beginn an außer Frage. Wir sind mit dem Senat der Auffassung, daß die Schutzpflicht es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, zu einem Schutzkonzept überzugehen, das den Schwerpunkt auf die Beratung der schwangeren Frau legt und auf eine indikationsbestimmte Strafdrohung und die Feststellung von Indikationstatbeständen verzichtet. Wir sind aber der Meinung, daß die vom Senat - als gesetzgeberische Möglichkeit - anerkannte faktische Letztverantwortung der Frau für den Abbruch in der Frühphase, nachdem sie sich hat beraten lassen, vom Grundrechtsstatus der Frau geboten und die Schutzpflicht insoweit begrenzt ist (I.). Unseres Erachtens gebietet daneben ein wirksamer Schutz für das ungeborene Leben in der Beratungsregelung gerade eine normative Verdeutlichung über das Erlaubte und Unerlaubte eines Schwangerschaftsabbruchs; dabei läßt das Grundgesetz eine Rechtfertigung des Schwangerschaftsabbruchs nach Beratung jedenfalls zu (II.). Daraus folgt, daß § 218a Abs. 1 StGB n.F. verfassungsmäßig ist und daß Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für Abbrüche nach Beratung aus § 24b SGB V nicht auszunehmen sind (III.).
I.
Nach Auffassung des Senats trifft die Frau während der gesamten Dauer einer Schwangerschaft eine Rechtspflicht zum Austragen des Kindes, die auch nach einer Beratung nur endet, wenn ein gesetzlicher, das Kriterium der Unzumutbarkeit ausformender Ausnahmetatbestand gegeben ist (vgl. Urteil, D.I.2.c). Dem stimmen wir nicht zu. Innerhalb des verfassungsrechtlich vorgegebenen Dreiecks zwischen der Frau, dem ungeborenen Leben und dem Staat nimmt die aus dem Grundgesetz abzuleitende Schutzpflicht für das ungeborene Leben allein den Staat in Anspruch, nicht unmittelbar schon die Frau. Pflichten, die der Staat im Wege der Gesetzgebung der Frau zum Schutz des ungeborenen Lebens auferlegt, müssen zugleich ihre Grundrechtspositionen berücksichtigen.
Jede gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs muß deshalb nicht nur mit der Schutzpflicht für das ungeborene Leben aus Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, sondern auch mit dem Anspruch der Frau auf Schutz und Achtung ihrer Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) und ihrem Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) vereinbar sein (vgl. Urteil, D.I.2.b). Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, seine Schutzpflicht gegenüber dem nasciturus und die Grundrechtsposition der Frau einander verhältnismäßig zuzuordnen. Die Verfassung gibt diese Zuordnung nicht vor. Deshalb hat der Gesetzgeber einen Abwägungs- und Gestaltungsspielraum, der auf der einen Seite durch ein Untermaßverbot gegenüber dem ungeborenen Leben, auf der anderen Seite aber durch das Übermaßverbot gegenüber der Frau, letztlich also durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beschränkt wird. Wenn der Gesetzgeber der Frau in der Frühphase der Schwangerschaft ermöglicht, nach Beratung, die ihr unter Strafandrohung zur Pflicht gemacht wird, eine eigenverantwortliche Entscheidung über die Fortsetzung der Schwangerschaft zu treffen, und insoweit von dem Verbot des Schwangerschaftsabbruchs und der Rechtspflicht zum Austragen der Schwangerschaft absieht, überschreitet er den ihm zustehenden Abwägungs- und Gestaltungsspielraum nicht. Soweit eine Rechtspflicht der Frau nicht besteht, ist ihr Handeln als Ausübung ihrer Grundrechte erlaubt.
1. Der Schwangerschaftskonflikt unterscheidet sich von allen anderen Gefährdungen menschlichen Lebens. Frau und nasciturus stehen sich nicht als mögliche "Täterin" und mögliches "Opfer" gegenüber, sondern bilden in der Person der Schwangeren eine einzigartige Einheit, eine - wie es im Urteil heißt - "Zweiheit in Einheit". In den ersten Wochen der Schwangerschaft - so der Senat - gehöre das neue Leben noch ganz der Mutter zu und sei von ihr in allem abhängig. Diese Unentdecktheit, Hilflosigkeit und Abhängigkeit des auf einzigartige Weise mit der Mutter verbundenen Ungeborenen ließen die Einschätzung berechtigt erscheinen, daß der Staat eine bessere Chance zu seinem Schutz habe, wenn er mit der Mutter zusammen wirke (vgl. Urteil, D.II.3.).
Dies ist der Ausgangspunkt im Tatsächlichen für die Beschreibung der Grundrechtsposition der Frau in der Frühphase der Schwangerschaft. Weitere Annäherungen erbringen die Aussagen im Urteil, wonach die Beratungsregelung auf der Letztverantwortung der schwangeren Frau für die Entscheidung über Fortgang und Abbruch der Schwangerschaft gründet und gründen darf. Verfassungsrechtlich unbedenklich sei die Einschätzung des Gesetzgebers, daß ein wirksamer Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens nur mit der Mutter, nicht aber gegen sie möglich ist (vgl. Urteil, D. II. 2., 3. und 4.; so schon der Alternativ-Entwurf zum Besonderen Teil des Strafgesetzbuches von 1970, vgl. BVerfGE 39, 1 [10 f.] und das Sondervotum Rupp-von Brünneck/Simon, a.a.0., S. 79).
Hiervon ausgehend ist die Beratungsregelung, wie auch das Urteil deutlich erkennen läßt, nicht das frustrierte Ausweichen vor einem frustrierenden Mißerfolg der Indikationenlösung. Die neue Regelung ist vielmehr die Konsequenz aus einem gewandelten Verständnis von der Personalität und Würde der Frau. Die Aussage des Urteils, die Frau sei zu eigenverantwortlicher Entscheidung über Fortsetzung oder Abbruch der Schwangerschaft fähig, muß aber zu Folgerungen bei der Verfassungsauslegung führen. Sie zwingt nach unserer Auffassung dazu, die Kollision von Menschenwürde des ungeborenen Lebens einerseits und Menschenwürde der schwangeren Frau andererseits, anders als im Urteil geschehen, durch verhältnismäßige Zuordnung aufzulösen: Das einzigartige Zuordnungsproblem der "Zweiheit in Einheit" kann grundrechtlich auch nicht annähernd in einer bloßen Gegenüberstellung von Embryo und Frau eingefangen werden. Ihre eigene grundrechtliche Lage ist vielmehr ihrem Wesen nach durch die Verantwortung für das andere Leben mit-bestimmt, weil sie dieses Leben in sich trägt. Damit wird nicht ausgeklammert, daß der Frau dieses andere Leben mit eigener menschlicher Würde auch "gegenübersteht". Doch kommt erst in diesen beiden Aussagen das Spezifische des Ausgleichs zwischen der Grundrechtsposition der schwangeren Frau und der Schutzpflicht zum Ausdruck.
Die "Zweiheit in Einheit" unterliegt mit dem Fortschreiten der Schwangerschaft Veränderungen. Während in den ersten Wochen Frau und nasciturus - wie soeben aus dem Urteil referiert - noch ganz als Einheit erscheinen, tritt mit dem Wachsen des Embryos die "Zweiheit" stärker hervor. Dieser Entwicklungsprozeß hat auch rechtliche Bedeutung. Zwar bleibt die Eigenverantwortung der Frau, diese verliert aber den Charakter als Letztverantwortung. Die gesetzliche Positivierung des Ausgleichs zwischen Grundrechtsposition der schwangeren Frau und Schutzpflicht für das ungeborene Leben muß ein prozeßhaftes Element im Grundrechtsstatus der schwangeren Frau berücksichtigen, weil die Schwangerschaft selbst einen Prozeß darstellt. Mit dem Fortschreiten der Schwangerschaft und dem Heranwachsen des nasciturus verschieben sich die Gewichte in der Zuordnung; der Inhalt der Grundrechtsposition der Frau und die Rolle des Staates in der Wahrnehmung seiner Schutzpflicht sind in der Frühphase anders zu beurteilen als im fortgeschrittenen Stadium.
2. Dieser Prozeß erfordert eine Antwort des Gesetzgebers in der unterschiedlichen Ausgestaltung der staatlichen Schutzpflicht in der Frühphase der Schwangerschaft einerseits und in deren weiterem Verlauf andererseits. Der Staat nimmt die Schutzpflicht in der Frühphase dadurch wahr, daß er die Frau im Konfliktfall unter der Strafandrohung des § 218 StGB zu einer Beratung verpflichtet, in deren Mittelpunkt das ungeborene Leben steht; mit deren Abschluß gibt er aber der Eigenverantwortlichkeit und der Fähigkeit der Frau zu einer letztverantwortlichen Entscheidung Raum. Die Frau ist hier Ansprechpartnerin, nicht Anspruchsgegnerin. Der Staat nimmt in der Ausübung dieser so bestimmten Schutzpflicht die "Zweiheit in Einheit" ernst in der Weise, daß die Frau nicht mehr nur als Gefäß des Embryos erscheint. Im späteren Zeitraum der Schwangerschaft verteidigt die Schutzpflicht nunmehr durch die Androhung von Strafe das Recht des Embryos auf Leben. Sie geht grundsätzlich - wie bei anderen Kollisionen - von einander gegenüberstehenden Rechtsgütern aus, wobei es Sache des Gesetzgebers ist, im einzelnen zu bestimmen, von welcher Woche an dies gelten soll.
Ob die Ausübung der staatlichen Schutzpflicht im Modus der Beratung stärker wirkt oder nicht, kann nur empirisch beurteilt werden. Maßgebend ist, daß der Staat nicht auf inadäquate Weise schützt; dies ist der Vorwurf gegenüber der Indikationenregelung, der zu der Konzeption des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes geführt hat. Der Schutz muß nach der vertretbaren Einschätzung des Gesetzgebers in einem realen Sinne wirksam sein (vgl. Urteil, D.I.2.b). Mit dem Senat sind wir der Meinung, daß die Einschätzung des Gesetzgebers, in der Frühphase besser durch die Beratung, in der darauffolgenden besser durch das Strafrecht schützen zu können, vertretbar ist.
Allerdings ist mit der Letztverantwortung der Frau nach Beratung ihr Vorrang in der Entscheidung über Abbruch oder Fortsetzung der Schwangerschaft verbunden. Das ist, folgt man dem Urteil, für den Senat im tatsächlichen Sinne nicht anders, während wir dies für grundrechtlich fundiert halten. Das Bild von der "Zweiheit in Einheit" ist für uns nicht nur die Beschreibung eines tatsächlichen Zustandes sondern gibt in Wahrheit den grundrechtlichen Status der Frau wieder. Dabei geht es hier aber nicht einfach um "das Persönlichkeitsrecht der Frau" (vgl. Urteil, D.I.2.c.bb), auch nicht um eine Variante des "Selbstbestimmungsrechts"; damit wäre die Frau erneut nur das "Gegenüber" zum Embryo und dieser nicht auch Teil ihrer selbst. Auch kommt, geht man von einem Vorrang der Rechtsstellung der Frau in dieser Frühphase aus, nicht - wie der Senat (vgl. Urteil, a.a.O.) meint - das Lebensrecht des Ungeborenen nur dann zur Geltung, wenn die Mutter die Schwangerschaft nicht abbricht. Hier muß sich der Senat fragen lassen, wie er dem Lebensrecht des Ungeborenen im Urteil auf wirksamere Weise als eben durch die Beratung Geltung verschafft.
Die Rechtsordnung hat dem beschriebenen Prozeß seit dem Fünften Gesetz zur Reform des Strafrechts (5. StrRG) vom 18. Juni 1974 (BGBl. I S. 1297), das erstmals die Zwölf-Wochen- Frist in das Strafrecht des Schwangerschaftsabbruchs einführte, Rechnung getragen; die dadurch charakterisierte Frühphase ist durch das Urteil des Ersten Senats über die unterschiedlichen Ausprägungen des Strafrechts hinweg erhalten geblieben - stets mit wesentlichen Konsequenzen für die Begrenzung der staatlichen Schutzpflicht. Auch alle Gesetzentwürfe, die der Beschlußfassung über das Schwangeren- und Familienhilfegesetz vorangingen und von Fraktionen oder Teilen der Fraktionen des Deutschen Bundestages eingebracht wurden, sind von dieser Frühphase ausgegangen.
Der Gesetzgeber des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes hat den Grundrechtsstatus der schwangeren Frau darin berücksichtigt, daß er der Frau während eines begrenzten Zeitraums zu Beginn der Schwangerschaft die Möglichkeit zur Entscheidung ihres Konflikts einräumt. Dabei nimmt er seine Schutzpflicht wahr, indem er der Frau vor einem Abbruch der Schwangerschaft die Beratung zur Pflicht macht. Erst nach Ablauf eines solchen Zeitraumes begründet er die volle Einstandspflicht der Frau für das ungeborene Leben. Damit schafft er im Grundsatz den je verhältnismäßigen Ausgleich zwischen den im Schwangerschafts konflikt betroffenen Grundrechtspositionen.
3. Der Begriff "Zweiheit in Einheit" läßt sich demnach als eine begriffliche Annäherung an die richtige Erfassung einer einzigartigen grundrechtlichen Lage verstehen. Die in ihm mitgedachte natürliche Prozeßhaftigkeit der Schwangerschaft ist dabei im grundrechtsdogmatischen Sinne aufzufassen, nämlich als Entwicklung von einer Letztverantwortung der Frau für das ungeborene Leben, die in der Achtung ihrer Personalität wurzelt (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG), zu einer Übernahme der Letztverantwortung für das ungeborene Kind durch den Staat. Das niederländische Strafgesetzbuch hat folgerichtig den Tatbestand des Schwangerschaftsabbruchs mit (etwa) der 24. Schwangerschaftswoche enden lassen und bestraft von diesem Zeitpunkt an den Abbruch als Totschlag, wenn "redlicherweise erwartet werden darf, daß sie (die Leibesfrucht) imstande ist, außerhalb des Mutterleibes am Leben zu bleiben" (Art. 82a StGB, zit. nach Eser/Koch, Schwangerschaftsabbruch im internationalen Vergleich, Teil 1 Europa, 1988, S. 1073). Dieses Strafrecht läßt also das ungeborene Leben in der letzten Schwangerschaftsphase zu einer Person im vollen strafrechtlichen Sinne werden.
4. Demgegenüber wird der Maßstab der Unzumutbarkeit (Urteil, D.I.2.c.bb) der Einzigartigkeit der Situation nicht gerecht. Der Senat hält an ihm auch im Rahmen der Beratungsregelung fest; auch ohne den Rechtfertigungsgrund einer allgemeinen Notlagenindikation müsse die Rechtsordnung zum Ausdruck bringen, daß ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen einer Belastung zulässig sei, die für die Frau die zumutbare Opfergrenze übersteige, um so im konkreten Schwangerschaftskonflikt und für das allgemeine Rechtsbewußtsein die notwendige Orientierung über die Rechtspflicht zum Austragen des Kindes und deren Grenzen zu geben (vgl. Urteil, D.III.1.c).
Als eine solche orientierende Leitlinie der Rechtsordnung halten wir das Kriterium der Unzumutbarkeit für ungeeignet. Ein eigenes Subsumieren der Konfliktlage unter das Kriterium einer an den beiden gesetzlichen Indikationen orientierten zumutbaren Opfergrenze (vgl. Urteil, D.I.2.c.bb) muß die Frau überfordern. Denn die mit einer ungewollten Schwangerschaft verbundene Konfliktlage stellt sich für jede Frau je nach ihrer physischen und psychischen Situation unterschiedlich dar. In dieser Situation wird sie die "zumutbare Opfergrenze" nur dort zu sehen vermögen, wo sie über das Gebären des Kindes hinaus Chancen und Perspektiven für eine verantwortungsvolle eigene Mutterschaft (vgl. Art. 6 Abs. 2 GG) sieht.
Rechtlich gesehen führt - und verführt - das Kriterium der Unzumutbarkeit zu Subsumierungen, deren Maßstäbe um so vager sind, je mehr die jeweilige Konfliktlage der Subjektivität der Frau verhaftet ist. Diese Subsumierungen sind normativ nur begrenzt zu steuern; unausweichlich sind sie stark soziologisch bestimmt (Konfessionsgefälle, Stadt-Land-Gefälle usw.). Dies hat die allgemeine Notlagenindikation des bisherigen Rechts auch unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgrundsatzes des Art. 103 Abs. 2 GG zweifelhaft gemacht (vgl. dazu auch das Sondervotum Rupp-von Brünneck/Simon, BVerfGE 39, 68 [91]). Daß bei einer "Eigensubsumierung" durch die Frau in und nach der Beratung die Schwierigkeiten noch größer werden, bedarf keiner besonderen Begründung.
Abwägungen nach dem Maßstab der Zumutbarkeit gehen von sich gegenüberstehenden Rechtsgütern aus, deren eines zerstört wird. Bei diesem Ausgangspunkt dürfte die Schutzpflicht des Staates aber folgerichtig nur durch den rechtfertigenden Notstand des § 34 StGB begrenzt werden. Geschieht dies nicht, läuft die Handhabung des Zumutbarkeitskriteriums auf eben den "Vorrang" für die Frau hinaus, den der Senat ablehnt (vgl. Urteil, D.II.3.). Von den Initiatoren der im Bundestag eingebrachten Gesetzentwürfe war offenbar nur denen des sog. Werner-Entwurfs (BTDrucks. 12/1179), der sich auf die medizinische Indikation beschränkte, das Problem bewußt. Die rechtliche Umsetzung des Zumutbarkeitsgedankens in und seit der Entscheidung des Ersten Senats in BVerfGE 39, 1 ff. - insbesondere in der Formulierung der allgemeinen Notlagenindikation in der Entscheidungsformel dieses Urteils - entsprach deshalb so lange nicht dem Rang des Rechtsguts des ungeborenen menschlichen Lebens, als nicht dessen verhältnismäßige Zuordnung zur Grundrechtsposition der Frau mit in den Blick genommen wurde.
Im Rückblick erweisen sich deshalb aus unserer Sicht schon die Begrenzungen der staatlichen Schutzpflicht in den Indikationstatbeständen, insbesondere in dem der allgemeinen Notlage, als Ausdruck der verhältnismäßigen Zuordnung der in einzigartiger Weise miteinander verknüpften Grundrechtspositionen und der Anerkennung einer den Schutz des Embryos grundsätzlich umschließenden Letztverantwortung der Frau in der Frühphase - wenn auch bislang beschränkt auf die Umstände, die sich nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts und des Gesetzgebers objektivieren ließen.
Der Senat verwendet den Zumutbarkeitsgedanken nicht so wie der Erste Senat, also im Sinne einer praktizierten und auf tatsächlich wirksam werdenden Lebensschutz gerichteten Scheidung der gerechtfertigten von den verwerflichen Abbrüchen (vgl. BVerfGE 39, 1 [58]). Um der Offenheit der Beratung willen steht der Unzumutbarkeit nicht mehr der Gegenbegriff zumutbarer Fortsetzung der Schwangerschaft und deshalb strafbaren Abbruchs gegenüber. Dadurch verändert das Zumutbarkeitskriterium seine rechtliche Bedeutung. Indem es in der allgemeinen Notlagenindikation nur noch der - rechtlich folgenlosen - Orientierung der schwangeren Frau für ihre Entscheidung dient, der Abbruch aber in jedem Fall rechtswidrig ist, wurzelt das Kriterium letztlich nur noch im sittlichen und kaum noch im rechtlichen Bereich. Maßstäbliche Schutzpflicht und praktische Schutzpflicht lassen sich nicht mehr miteinander verbinden. Insofern steht die Beratungsregelung zum Indikationsmodell des Senats quer.
5. Diese Erwägungen können dem Schwangerschaftskonflikt in tatsächlicher Hinsicht nichts von seiner Schärfe nehmen. Sie zeigen aber auf, warum das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar 1975 (BVerfGE 39, 1 ff.) erstmals zu einer differenzierenden Betrachtung gelangte, und vor allem, warum überhaupt der Schritt zur Beratungslösung verantwortet werden konnte. Das vorliegende Urteil selbst veranschaulicht diesen Wandel. Es sieht die Positionen der Frau und des nasciturus je in ihrer Menschenwürde verwurzelt (vgl. Urteil, D.I.2.b), während noch der Erste Senat dies zwar für das ungeborene Leben für zutreffend hielt (vgl. BVerfGE 39, 1 [41]), die Grundrechtsposition der Frau hingegen nur als ihr Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) beschrieb, so daß bei der dann folgenden Orientierung am Art. 1 Abs. 1 GG die Entscheidung für den Vorrang des Schutzes für das ungeborene Leben vor dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren vorgezeichnet war (vgl. a.a.O., S. 43).
II.
Unbeschadet der Ausführungen unter I. gebietet nach unserer Auffassung das Grundgesetz nicht, Schwangerschaftsabbrüchen, die in der Frühphase nach Beratung durch einen Arzt erfolgen und von der Strafdrohung ausgenommen sind, die (strafrechtliche) Rechtfertigung dann zu versagen, wenn nicht ein Dritter festgestellt hat, daß die Fortsetzung der Schwangerschaft unzumutbar ist.
Die Rechtfertigung der nach Beratung erfolgenden Abbrüche ist der unentbehrliche Schlußstein der Beratungsregelung. Die Annahme einer den Abbruch rechtfertigenden Ausnahmelage ist auch ohne Feststellung ihrer Voraussetzungen durch Dritte mit dem Grundgesetz vereinbar (1.). Ein Rechtswidrigkeitsurteil außerhalb des Strafrechts vermag nach unserer Auffassung zur Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht für das ungeborene Leben nichts beizutragen (2.).
1. Die Beratungsregelung setzt auf die letztverantwortliche Entscheidung der Frau nach dem Beratungsgespräch. Das Verlangen nach Abbruch der Schwangerschaft, an dem die Frau selbst nach vorangegangener Beratung und ärztlichem Gespräch festhält, stellt sich grundsätzlich als verantwortungsvolle Entscheidung dar. Diese Entscheidung muß von der Rechtsordnung anerkannt sein, wenn die Beratung die ihr zugedachte lebensschützende Wirkung entfalten soll. Die Beratung kann nicht gelingen, wenn die Entscheidung der Frau gegen eine Fortsetzung der Schwangerschaft zwar von Strafe ausgenommen, aber - außerhalb des Strafrechts - als nicht gerechtfertigt behandelt wird und hieran rechtliche Nachteile geknüpft werden. Der Gesetzgeber darf bei der für ihn maßgeblichen, vom Regelfall ausgehenden Betrachtungsweise an die Entscheidung der Frau ohne Verfassungsverstoß die Rechtfertigung knüpfen. Auf eine Tatsachenfeststellung durch Dritte, die mit den Wirkungsbedingungen der Beratungsregelung unvereinbar wäre, darf er hierfür verzichten. Ist eine so gestaltete und folgerichtig zu Ende geführte Beratungsregelung geeignet, generell effektiveren Schutz für das ungeborene Leben zu gewährleisten als das bisher geltende Recht, so bedeutet dies zugleich auch wirksameren Schutz für jedes einzelne Ungeborene.
a) Der Staat kann in der Frühphase der Schwangerschaft Schutz für das ungeborene Leben nur dadurch bewirken, daß er die Frau als seine Verbündete bei der Erfüllung seiner Schutzaufgabe gewinnt. Das kann nur gelingen, wenn er sie in ihrer Fähigkeit zu verantwortungsvoller Entscheidung sowie in ihrer besonderen Befindlichkeit am Beginn einer Schwangerschaft ernst nimmt. Die in der mündlichen Verhandlung zur Praxis der Beratung gehörten Beraterinnen haben übereinstimmend bekundet, daß Frauen - ausgehend von ihrer natürlichen Schutzbereitschaft für das in ihnen heranwachsende ungeborene Leben - ihre Schwangerschaftskonflikte als Not empfinden und in dieser Situation verantwortlich und gewissenhaft handeln wollen. Sie erleben ihren Konflikt als höchstpersönlichen und wehren sich deshalb gegen dessen Beurteilung nach einem von dritter Seite an sie herangetragenen Maßstab der Zumutbarkeit. Mithin muß die Rechtsordnung, wenn sie dem ungeborenen Leben Schutz geben will, der Frau Raum für eine verantwortliche Entscheidung lassen, ihr also Verantwortung nicht nur auferlegen sondern auch anvertrauen. Aus diesem Grunde sehen wir allerdings - anders als der Senat (vgl. Urteil, D.IV.1.b) - auch in der Möglichkeit, daß eine Frau in der Beratung auch schweigen darf, ein wichtiges Element der völligen Offenheit des Beratungsgesprächs. Und wenn sie verantwortlich entscheiden soll, muß ihre Entscheidung - ohne rechtliche Vorbehalte - anerkannt werden. Nur dann kann sie in der Beratung wirklich offen sein.
b) Ausgangspunkt für eine gesetzliche Regelung muß sein, daß die schwangere Frau - selbstverständlich - zu einer verantwortlichen, für eine Rechtfertigung tragfähigen Entscheidung generell fähig ist. Spätestens nach der obligatorischen Beratung ist ihr auch der mit einem Schwangerschaftsabbruch verbundene Konflikt bewußt. Sie weiß, um welch hohes Gut es sich bei dem in ihr heranwachsenden Ungeborenen handelt. Frauen entschließen sich nicht leichten Herzens und ohne Grund zu einem solchen Eingriff (vgl. Sondervotum Rupp-von Brünneck/Simon, BVerfGE 39, 68 [88]). Die schwangere Frau ist- was sich ebenfalls von selbst versteht - bei der Entscheidung über Fortsetzung oder Abbruch einer Schwangerschaft nicht gleichgültig gegenüber Recht und Unrecht. In ihrem Schwangerschaftskonflikt treffen - gerade für sie erfahrbar - fundamentale Rechtsgüter aufeinander. Sie will sich hier auch mit einer gegen das Austragen des Kindes getroffenen Entscheidung nicht ausgegrenzt sondern akzeptiert sehen. Sie beansprucht mit dem Abbruch auch nicht etwa nur Vorteile für sich; vielmehr bedeutet für sie die Abwendung von der Erwartung, ein Kind zu bekommen und dem Wunsch, es eigentlich auch haben zu wollen, in jedem Falle eine schwerwiegende Selbstverletzung und einen sie existentiell berührenden Eingriff; das haben auch die in der mündlichen Verhandlung gehörten Beraterinnen aus ihrer Praxis so mitgeteilt.
Aus alledem darf der Gesetzgeber mit dem Gewicht eines tragenden Indizes und ohne die Notwendigkeit weiterer Verifizierung schließen, daß dem Abbruchverlangen eine Konfliktsituation zugrundeliegt, in der sich schutzwürdige Interessen der Frau mit solcher Dringlichkeit geltend machen, daß die staatliche Rechtsordnung nicht verlangen kann, die Schwangere müsse dem Recht des Ungeborenen dennoch den Vorrang einräumen (vgl. BVerfGE 39, 1 [50]). Darin liegt nicht die Anerkennung eines ungebundenen "Selbstbestimmungsrechts" der Frau und auch nicht die Aufgabe des rechtlichen Schutzes des ungeborenen Lebens, wie sich schon aus der Strafdrohung des § 218 StGB n.F. gegen Abbrüche ohne Beratung ergibt. Die gegenteilige Auffassung des Senats (vgl. Urteil, D.III.2.b), aus dem auch nach Beratung fortbestehenden Abbruchverlangen dürfe der Gesetzgeber nicht auf eine Notlage schließen, führt in ein Dilemma: Entweder traut man der Beratung keinen wirklichen Einfluß oder der schwangeren Frau keine verantwortliche Entscheidung zu. Beides hat der Senat aber zugestanden. Ein dritter Grund bleibt nicht.
Die Gefahr von Mißbräuchen steht dem nicht entgegen. Jede Freiheit zu verantwortlicher Entscheidung, ohne die ein Lebensschutz durch Beratung nicht denkbar ist, schließt die Möglichkeit des Mißbrauchs mit ein; lückenlose Mißbrauchsabwehr müßte diese Freiheit in ihren lebensschützenden Möglichkeiten wieder aufheben. Abgesehen davon haben sich auch Indikationstatbestände mißbrauchen lassen.
c) Bei der Regelung des Schwangerschaftsabbruchs steht das Grundgesetz einer besonderen Rechtfertigung auf der Grundlage tragender Indizien auch deshalb nicht entgegen, weil der Schwangerschaftsabbruch in der Frühphase sich von vornherein der herkömmlichen Unterscheidung von Tun oder Unterlassen (vgl. § 13 StGB) entzieht; er ist mit einer Wertung als Rechtsgutverletzung durch aktives Tun allein nicht hinreichend erfaßt, vielmehr lehnt die Frau, in deren Person Rechtsgüter in singulärer Weise einander widerstreiten und sich zugleich vereinen, unter Berufung auf die Grenzen der Aufopferung eigener Rechte vornehmlich die Übernahme einer mit besonders schwerwiegenden Einstands- und Sorgfaltspflichten verbundenen Garantenstellung ab.
2. Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht verlangt wirksamen Schutz für das ungeborene Leben (vgl. Urteil, D.I.4.). Wird der Schutz auf eine Beratungsregelung gestellt, so kann dadurch, daß der Frau die Rechtfertigung für ihr Handeln versagt bleibt, solcher Schutz nicht bewirkt werden. Das gilt sowohl für den unmittelbaren Schutz des je einzelnen Embryos (a) als auch für einen mittelbaren Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens durch Aufrechterhaltung und Stärkung des allgemeinen Rechtsbewußtseins (b).
a) Die Erfüllung verfassungsrechtlicher Schutzpflichten erfolgt wie die Auflösung von Grundrechtskollisionen durch Gesetzesrecht. Ohne Ausprägung in Gesetzesrecht läuft leer, was sich aus der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht ergeben soll. Die Beratungsregelung des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes stellt in der Frühphase der Schwangerschaft nur den Abbruch ohne Beratung unter Strafe. Damit gewährleistet der Gesetzgeber rechtlichen Schutz für das ungeborene Leben - auch mit den Mitteln des Strafrechts -, wenn auch auf andere Weise als mit der Indikationenregelung. Der Senat hält es dennoch auch im Rahmen der Beratungsregelung für erforderlich, daß als orientierende Leitlinie für die Beratung und für das allgemeine Rechtsbewußtsein die Grenze der Rechtspflicht der Frau zum Austragen des Kindes gemäß dem Kriterium der Unzumutbarkeit normativ formuliert wird (vgl. Urteil, D.III.1.c). Das Urteil beruft sich dafür (vgl. Urteil, D.I.2.c.bb) auf die Entscheidung des Ersten Senats (vgl. BVerfGE 39, 1[48 ff.]), läßt dabei aber außer acht, daß dort die Unterscheidung zwischen erlaubten und verbotenen Schwangerschaftsabbrüchen ihre folgerichtige Umsetzung in der Formulierung von Indikationstatbeständen gefunden hatte. Diese Funktion des Unzumutbarkeitsurteils entfällt - soweit es um die allgemeine Notlage geht - bei der Beratungsregelung. Insoweit hat für die rechtliche Beurteilung des Abbruchs, den die Frau in der Frühphase der Schwangerschaft nach Beratung verlangt und durchführen läßt, der gesetzliche Maßstab nach der Auffassung des Senats folgenlos zu bleiben; der Frau wird die Rechtfertigung für ihr Handeln - wegen vermeintlich zwingender Erfordernisse des Schutzkonzepts - in jedem Falle vorenthalten (vgl. oben I.4.). Der Senat verlagert die von ihm geforderten Rechtsfolgen (vgl. Urteil, D.III.2.a) in die Interpretation des § 24b SGB V (vgl. Urteil, E.V.2.b). Unabhängig davon, daß sich die Versagung von Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung als Kennzeichnung der rechtlichen Mißbilligung nicht eignet, kann hierdurch aber - so auch der Senat - das einzelne ungeborene Leben nicht unmittelbar geschützt werden.
Eine unmittelbare Schutzwirkung für das ungeborene Leben kann auch von der "normativen Orientierung" der schwangeren Frau auf den Schutz dieses Lebens hin nicht ausgehen. Der Senat sieht es - wie hervorgehoben - als Bestandteil des Schutzkonzepts der Beratungslösung an, der einzelnen Frau die Gewißheit zu verweigern, daß der Abbruch, für den sie sich nach Abschluß des Beratungsverfahrens entscheidet, von der Rechtsordnung gebilligt ist (vgl. Urteil, D.III.2.b.cc). Das halten wir für einen Rückschritt gegenüber der bisherigen Rechtslage nach der Indikationenregelung. Die Frau zahlt mit der Versagung der Rechtfertigung gleichsam den Preis für das neue Schutzkonzept. An die Stelle der rechtlichen Klarheit einer Norm tritt für sie eine Lage, in der ihr Handeln in jedem Falle - trotz einer womöglich gegebenen schweren Notlage - als nicht erlaubt behandelt wird. Das steht nach unserer Überzeugung mit dem Grundgedanken der Beratungsregelung in einem unvereinbaren Widerspruch, der die Wirksamkeit des Schutzkonzepts insgesamt in Frage stellt (vgl. oben unter 1.). Wir halten es aber auch für nicht angängig, daß der Senat den Staat bei der Erfüllung seiner Schutzpflicht gegenüber dem ungeborenen Leben in verfassungsrechtliche Grenzen verweist, zu deren Wirkungen es gehören soll, der schwangeren Frau die Antwort darauf zu verweigern, ob sie mit einem Abbruch recht handelt. Das stellt sie in die Nähe der Rolle eines unmündigen Objekts im Gefüge des staatlichen Lebensschutzkonzepts. Das Rechtsbewußtsein der Frau kann unseres Erachtens kaum einschneidender geschwächt werden als dadurch, daß sie im Rechtssinne nicht weiß, was sie tut; eben dies ist aber die Folge, wenn ihre verantwortlich getroffene Entscheidung trotz der im Gesetz formulierten normativen Leitlinie, an der sie sich orientieren soll, nicht als gerechtfertigt anerkannt wird. Hieran lassen sich auch rechtsstaatliche Bedenken knüpfen, denen wir aber nicht weiter nachgehen.
b) Nach der Auffassung des Senats ist die Versagung der Rechtfertigung auch deshalb erforderlich, damit nicht im allgemeinen Rechtsbewußtsein der Eindruck entsteht, der nach Beratung vorgenommene Abbruch sei erlaubt (vgl. Urteil, D.III.2.a). Wir meinen dagegen, daß rechtliche Mißbilligungen außerhalb des Strafrechts im Bereich des Lebensschutzes die Rechtsüberzeugungen der Bevölkerung nicht eigenständig prägen.
Unseres Erachtens speist sich das Rechtsbewußtsein gerade im Bereich des Schwangerschaftsabbruchs aus den individuellen sittlichen Überzeugungen, die durch Erziehung, eigenes Schicksal und gesellschaftliche Wertvorstellungen mitgeprägt sind. Ein Unwerturteil, wie es dem Senat vorschwebt, bewirkt hier nichts. Schon die Strafverfolgungen und Verurteilungen wegen Abtreibung nach §§ 218 ff. StGB bisheriger Fassung tendierten gegen Null. Der Deutsche Bundestag hat vorgetragen, nach Befragungen des Allensbach-Instituts in den Jahren 1983, 1987 und 1988 hielten zwei Drittel der Deutschen den Schwangerschaftsabbruch für erlaubt. Das Strafrecht hat nach dem neuen Konzept einen akzentuierten repressiven und einen entsprechend genau konturierten präventiven Bereich (vgl. § 218 StGB n.F. einerseits, §§ 218a, 219 StGB n.F. andererseits). Wo das Recht prägende Kraft entfalten soll, kommt es auf solche Markierungen an und nicht auf Auslegungen im Sozialversicherungsrecht; von diesen geht keine prägende Kraft aus. Im Gegenteil: Wenn der Gesetzgeber im Rahmen eines auf Beratung und Letztverantwortung der Frau setzenden Schutzkonzepts die Strafdrohung zurücknimmt, weil sie sich zum Schutz des ungeborenen Lebens als stumpfes Schwert erwiesen hat, so muß es das Rechtsbewußtsein der Allgemeinheit verunsichern, wenn an die Stelle einer Strafdrohung, die ein Rechtsgut von höchstem Rang schützen soll, nun Rechtsnachteile im Sozialversicherungsrecht als einem bloßen Folgerecht treten, die nach Auffassung des Senats jetzt die Last des verfassungsrechtlichen Unwerturteils tragen sollen.
Schon grundrechtsdogmatisch halten wir es für eine Überdehnung der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht für das ungeborene Leben, wenn man ihr abverlangt, sie solle das allgemeine Rechtsbewußtsein formen. Es ist zudem eine rechtstatsächliche Frage, ob und bejahendenfalls in welcher Weise praktisch sanktionslose Verfassungsnormen das Rechtsbewußtsein prägen. Gesicherte Erkenntnisse darüber fehlen; bloße Überzeugungen der Interpreten können nicht maßgebend sein. Die Annahme des Senats halten wir nicht einmal für plausibel. Mit dem gleichen Recht ließe sich behaupten, es müsse die allgemeine Rechtsüberzeugung verwirren, wenn Handlungen gegen das Rechtsgut des ungeborenen menschlichen Lebens zwar von Verfassungs wegen in bestimmten Umfang verboten sind, die Grenzen der Reichweite des Verbots für die betroffene Frau aber aus der Natur des Schutzkonzepts heraus nicht zu einer Rechtfertigung ihres Handelns führen dürfen und wegen dieser Unklarheit - ohne Ansehung einer im Einzelfall gegebenen Notlage - Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung verweigert werden.
Auch der Erste Senat hat lediglich von der rechtsbewußtseinsbildenden Kraft der Strafnormen gesprochen und zwar im Blick auf den "Versuch", durch eine differenzierte strafrechtliche Regelung einen besseren Lebensschutz zu erreichen (vgl. BVerfGE 39, 1 [65 f.]). Er traute auch der bloßen Existenz von Strafandrohungen Einfluß auf die Wertvorstellungen und Verhaltensweisen der Bevölkerung zu (vgl. BVerfGE a.a.O., S. 57;vgl. auch BVerfGE 45, 187 [254 ff.]). Darum geht es bei dem hier zu prüfenden Gesetz jedoch nicht; der Gesetzgeber hat diesen "Versuch" mit dem Strafrecht aufgegeben; das billigt auch der Senat.
In der mündlichen Verhandlung über die hier zu beurteilenden Anträge hat Prof. Dr. Eser darauf hingewiesen, daß im Gegensatz zur Kennzeichnung einer Handlung als "nicht rechtswidrig" die tatbestandliche Ausnahme von einem sonst mit Strafe bedrohten Verhalten als eine Freigabe des Schutzgutes in diesem Bereich verstanden werden müsse (vgl. auch Lenckner in: Schönke/Schröder, StGB, 24. Aufl., 1991, Vorbem. zu §§ 13 ff. Rdnr. 17). Der Erste Senat hat es als für das Rechtsbewußtsein unerheblich angesehen, ob der damalige § 218a StGB den Tatbestand des § 218 StGB einengte oder ob er einen Rechtfertigungsgrund setzte oder nur einen Schuld- oder Strafausschließungsgrund zum Inhalt hatte; in jedem Falle müsse der Eindruck entstehen, der Abbruch sei "rechtlich erlaubt" (vgl.BVerfGE 39, 1 [53]). Der Zweite Senat sieht das anders. Auch hieran zeigt sich, wie wenig Sicherheit in der Handhabung der Mittel zur Prägung des Rechtsbewußtseins besteht. Es kann angesichts dessen nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts sein, über die Alternative, Handlungen aus dem Tatbestand auszunehmen oder sie für nicht rechtswidrig zu erklären - und damit über spezifisch strafrechtsdogmatische Fragen - kategorial im Hinblick auf die Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht zu entscheiden. Dies ist Sache des Gesetzgebers und der zuständigen Gerichte.
III.
1. Der Senat ist der Auffassung, daß die Vorschrift des § 218a Abs. 1 StGB n.F. als Rechtfertigungsgrund verfassungswidrig sei, weil sie eine Not- und Konfliktlage, in der der schwangeren Frau das Austragen des Kindes nicht zugemutet werden kann, weder voraussetze noch näher qualifiziere und die Rechtfertigung auch nicht von entsprechenden Feststellungen durch Dritte abhängig mache (vgl. Urteil, E.I.2.). Nach unseren Darlegungen zu I. und II. halten wir insoweit § 218a Abs. 1 StGB n.F. für verfassungsgemäß; soweit die Vorschrift für Schwangerschaftsabbrüche, die unter den dort näher geregelten Voraussetzungen erfolgen, einen allgemeinen Rechtfertigungsgrund schafft, verstößt sie nicht gegen die staatliche Schutzpflicht aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 GG. Soweit der Senat § 218a Abs. 1 StGB n.F. auch wegen des Zusammenhangs mit § 219 StGB n.F. im Hinblick auf die dem Absatz 2 jener Vorschrift anhaftenden Mängel der Regelung von Organisation und Beaufsichtigung der Beratungseinrichtungen für verfassungswidrig erklärt (vgl. Urteil, E.I.4. und II.1.), tragen wir die Entscheidung mit; auch die Regelung der vom Grundgesetz gebotenen Elemente für Inhalt und Ziel der Beratung mag in § 219 Abs. 1 StGB n.F. nicht mit der Klarheit und Eindeutigkeit zum Ausdruck gekommen sein, die für diese Regelung angezeigt ist (vgl. dazu Urteil, E.II.2.).
2. Leistungen der Sozialversicherung für Schwangerschaftsabbrüche, die in den ersten zwölf Wochen nach der Empfängnis nach Beratung von einem Arzt vorgenommen werden, stehen nach unserer Auffassung nicht im Widerspruch zum Grundgesetz. Wir halten es freilich nicht etwa für verfassungsrechtlich geboten, daß der Gesetzgeber über medizinisch indizierte Abbrüche hinaus allgemein die ärztliche Vornahme eines nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruchs in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufnimmt. Tut er es aber, wofür im Blick auf den Schutz der Gesundheit der Frau gute Gründe sprechen, so muß er die gesetzlich festgelegte Leistungspflicht der in den Krankenkassen organisierten Solidargemeinschaft frei von sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierungen ausgestalten. Die im Rahmen einer Beratungsregelung erfolgenden Schwangerschaftsabbrüche können dann nicht ausgenommen werden. § 24b SGB V unterliegt daher nicht der einschränkenden Auslegung, die der Senat (vgl. Urteil, E.V.2.b) als geboten erachtet. Das folgt für uns bereits daraus, daß Schwangerschaftsabbrüche nach Beratung insgesamt erlaubt sind und als gerechtfertigt zu behandeln sind oder doch so behandelt werden dürfen.
Wir teilen auch nicht die von der Bayerischen Staatsregierung unter dem Gesichtspunkt, der Sozialversicherung dürften als öffentlich-rechtlichem Zwangsverband mit Rücksicht auf die Grundrechte ihrer Mitglieder keine versicherungsfremden Lasten aufgebürdet werden, vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken, über die der Senat in der Sache nicht zu entscheiden brauchte (vgl. Urteil, E.V.5.b). Leistungen der Krankenkassen für von der Rechtsordnung erlaubte Schwangerschaftsabbrüche können Grundrechte der beitragszahlenden Mitglieder - unbeschadet ihrer abweichenden ethischen oder moralischen Überzeugungen - nicht verletzen (vgl. dazu schon BVerfGE 78, 320 [331]).
Der Auffassung der Senatsmehrheit, daß § 24b SGB V auf Schwangerschaftsabbrüche nach Beratung nicht angewendet werden dürfe, wäre aber auch dann nicht zu folgen, wenn diese Abbrüche - entsprechend dem Urteil - nicht für gerechtfertigt (nicht rechtswidrig) erklärt werden dürften. Insofern schließen wir uns der abweichenden Meinung des Kollegen Böckenförde an.
IV.
Gegen die maßstäblichen Ausführungen des Senats zur Einbeziehung des Arztes in das Schutzkonzept der Beratungsregelung (vgl. Urteil, D.V.) haben wir in zwei Punkten Bedenken.
1. Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht fordert unseres Erachtens - abweichend von der Auffassung des Senats (vgl. Urteil, D.V.2.c) - nicht, daß die Verletzung ärztlicher Pflichten im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch und der ihm vorausgehenden Beratung und Aufklärung der Frau vom Gesetzgeber unter Strafsanktion gestellt wird.
2. Die Verfahrensgegenstände gaben keine Veranlassung zu den Ausführungen im Urteil, wonach die Unterhaltspflicht für ein Kind niemals ein Schaden sein könne (vgl. Urteil, D.V.6.). Sie sind ein obiter dictum und entbehren darüber hinaus der erforderlichen Auseinandersetzung mit den eingehenden Ausführungen, mit denen der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs begründet hat, unter welchen - dort eingegrenzten - Voraussetzungen die Möglichkeit eines Vermögensschadens bestehen kann (BGHZ 76, 249 [253 ff.]; BGH, NJW 1984, S. 2625 f.).
Mahrenholz, Sommer
 
Abweichende Meinung des Richters Böckenförde zum Urteil des Zweiten Senats vom 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90 und 4, 5/92 -
Ich stimme den wesentlichen maßstäblichen Ausführungen des Urteils zu, insbesondere auch der Aussage, daß nicht indizierte Schwangerschaftsabbrüche, die in den ersten zwölf Wochen nach Beratung von einem Arzt vorgenommenen werden, nicht als "nicht rechtswidrig", mithin erlaubt angesehen werden dürfen (vgl. D.III. vor 1.). Ich vermag jedoch den Ausführungen des Urteils (unter E.V.2.b), teilweise antizipiert in D.III.1.c), wonach Sozialversicherungsleistungen für solche Abbrüche (im folgenden: beratene Abbrüche) von Verfassungs wegen ausgeschlossen sind, nicht zuzustimmen. Hierüber zu befinden, ist Sache des Gesetzgebers.
Dabei geht es nicht darum, daß solche Leistungen etwa verfassungsrechtlich geboten seien - das sind sie sicher nicht -, sondern nur darum, ob solche Leistungen von vornherein verfassungsrechtlich untersagt sind.
1. Mit dem Senat bin ich aus den im Urteil dargelegten Gründen der Auffassung, daß die beratenen Abbrüche zwar von der Strafdrohung ausgenommen, nicht aber generell für gerechtfertigt (nicht rechtswidrig) erklärt werden können. Wie der Senat mit Recht sagt, können nur bestimmte Ausnahmelagen, die eine solche Belastung hervorrufen, daß sie eine rechtliche Pflicht zum Austragen des Kindes für die Frau als unzumutbar erscheinen lassen (vgl. D.I.2c.bb); konkretisierend aufgenommen in D.III.1.c), dazu führen, Schwangerschaftsabbrüche als gerechtfertigt anzusehen. Daß diese Voraussetzungen bei beratenen Abbrüchen generell vorliegen, läßt sich weder aufgrund eines allgemeinen Erfahrungssatzes annehmen noch typischerweise unterstellen. Das gleiche gilt aber auch umgekehrt: Eine Vermutung, beratene Abbrüche entsprächen diesen Voraussetzungen generell nicht, ist ebenso wenig begründet. Die beratenen Abbrüche stellen mithin eine ungeschiedene Gesamtheit von - materiell-rechtlich gesehen (unabhängig von der fehlenden Feststellung durch einen Dritten) - gerechtfertigten und nicht gerechtfertigten Abbrüchen dar.
2. Damit stellt sich für das Sozialversicherungsrecht, das insoweit Folgerecht ist, die Frage, wie mit dieser ungeschiedenen Gesamtheit der beratenen Abbrüche im Blick auf die Gewährung von Versicherungsleistungen zu verfahren ist. Das Schutzkonzept der Beratungsregelung beruht darauf, wie der Senat darlegt (vgl. D.III.1.c), daß generell und ausnahmslos von der Feststellung des Vorliegens der Indikation einer sozialen Notlage abgesehen wird. Die Gesamtheit der beratenen Abbrüche kann also nicht nach rechtswidrigen und nicht rechtswidrigen Abbrüchen aufgelöst werden; sie muß und kann nur einheitlich behandelt werden. Der Senat sieht es als Erfordernis der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht für das ungeborene menschliche Leben an, daß alle diese Abbrüche, weil deren Rechtmäßigkeit nicht festgestellt ist und konzeptbedingt nicht festgestellt werden kann, als nicht gerechtfertigte, mithin als Unrecht behandelt werden und demgemäß von Leistungen der Sozialversicherung ausgeschlossen bleiben müssen. Ein solcher Ausschluß mag ein mögliches Ergebnis gesetzgeberischer Regelung sein. Daß er jedoch verfassungsrechtlich zwingend vorgeschrieben ist und jede andere Lösung einen Verfassungsverstoß darstellt, läßt sich weder aus der Schutzpflicht für das ungeborene menschliche Leben noch sonst verfassungsrechtlich herleiten. Indem der Senat dies als notwendige Folge der gebotenen grundsätzlichen rechtlichen Mißbilligung des Schwangerschaftsabbruchs und des abstrakten Prinzips ansieht, daß der Staat sich grundsätzlich nicht an Vorgängen beteiligen darf, deren Rechtmäßigkeit nicht feststeht, negiert er Konsequenzen, die im Beratungskonzept selbst beschlossen liegen.
a) Die Gesamtheit beratener Abbrüche entzieht sich der bruchlosen Einordnung in die Alternative rechtswidrig - nicht rechtswidrig; sie stellt gegenüber dieser Alternative als unscheidbare Gesamtheit ein aliud dar. Gleichwohl hält der Senat es für verfassungsrechtlich geboten, daß sie einheitlich als Unrecht - mit den entsprechenden Folgen im Sozialversicherungsrecht - behandelt werden.
Eine Notwendigkeit hierfür ergibt sich nicht aus dem vom Senat formulierten - von mir geteilten - Grundsatz, daß die Beratungsregelung, weil sie auf ein Indikationsverfahren verzichtet, die Möglichkeit einer Rechtfertigung durch die allgemeine Notlagenindikation nicht verheißen kann. Dieser Grundsatz erklärt und begründet, daß der Frau, wie immer ihr Handeln nach materiell-rechtlichen Kriterien zu beurteilen sein mag, eine förmliche Rechtfertigung nicht zuteil werden kann. Er trägt aber nicht auch die zwingende Konsequenz, daß die beratenen Abbrüche über das Fehlen dieser Rechtfertigung hinaus unterschiedslos und unwiderleglich als materielles Unrecht auch und selbst dann zu qualifizieren sind, wenn sie den vom Senat selbst formulierten materiellen Rechtmäßigkeitskriterien genügen, zu denen - in Übereinstimmung mit dem Urteil des Ersten Senats von 1975 (vgl. BVerfGE 39, 1 [49 f.]) - nach dem Kriterium der Unzumutbarkeit bestimmte Ausnahmesituationen, einschließlich einer qualifizierten sozialen Notlage, gehören (vgl. D.I.2.c.bb; D.III.1.c).
Der Senat kommt zu dieser einheitlichen Behandlung der beratenen Abbrüche als Unrecht deshalb, weil er entscheidend nicht auf Konfliktsituation und materiell-rechtliche Lage, sondern allein auf das Fehlen eines formellen Rechtfertigungsverfahrens abstellt. Es kann aber weder ein Erfordernis der Schutzpflicht für das ungeborene Leben noch des Rechtsstaatsprinzips sein, Schwangerschaftsabbrüche, die mit den materiellen Anforderungen der Rechtsordnung in Einklang stehen, für alle Folgefragen des Beratungsmodells unaufhebbar als materielles Unrecht zu qualifizieren. Mit solchen "Konsequenzen" würde der Rechtsstaat sich gegen sich selbst wenden.
b) Die sozialversicherungsrechtlich einheitliche Behandlung der beratenen Abbrüche als rechtswidrig führt zur generellen Verweigerung von Leistungen der Sozialversicherung. Dies hält der Senat als Folge der erforderlichen grundsätzlichen rechtlichen Mißbilligung des Schwangerschaftsabbruches für geboten. Damit werden notwendig auch diejenigen Abbrüche, die nach den vom Senat dargelegten materiellen Maßstäben die Voraussetzung für eine Rechtfertigung erfüllen, in die rechtliche Mißbilligung mit einbezogen.
Die rechtliche Mißbilligung auch dieser Abbrüche ist um so fragwürdiger, als der Senat, worin ich ihm zustimme, auch im Blick auf die nähere Ausgestaltung des Beratungskonzepts am Indikationsgedanken festhält: Der Schwangerschaftsabbruch ist, weil Tötung menschlichen Lebens, grundsätzlich Unrecht und verboten und nur besondere, eng zu umgrenzende Ausnahmelagen können ihn - materiell gesehen - gerechtfertigt erscheinen lassen (vgl. D.III.1.c). Die Beratung wird dazu verpflichtet, sich zu vergewissern, daß der den Abbruch erwägenden Frau diese rechtlich-normative Orientierung - die Umfang und Grenzen der Rechtspflicht zum Austragen des Kindes aufzeigen soll - bewußt ist, und evtl. vorhandene Fehlvorstellungen zu korrigieren.
Wird die einen Schwangerschaftsabbruch erwägende Frau in dieser Weise in die Verantwortung gerufen und von ihr die Bereitschaft erwartet, im Rahmen der Anforderungen der Rechtsordnung zu handeln, ist es widersprüchlich, zugleich ein Verfassungsgebot zu postulieren, nach dem in allen Rechtsbereichen außerhalb der Strafbarkeit alle Frauen, die einen Abbruch vornehmen lassen, unterschiedslos als unrechtmäßig Handelnde zu behandeln sind, ohne daß sie sich dagegen wehren können. Die Frau soll sich an den Anforderungen der Rechtsordnung zum Schutz des ungeborenen Lebens orientieren, aber in jedem Fall, auch wenn sie das tut, ist und bleibt ihr Handeln - kraft Verfassungsgebots - Unrecht. Das ist nicht nur sachwidrig, es trifft auch die Frauen als Person, in ihrer Ehre und Rechtschaffenheit.
c) Ebensowenig ist dem Senat zu folgen, wenn er sich darauf beruft, daß das Beratungskonzept nach seinen Wirkungsbedingungen nicht erfordere, die der Frau überlassene Letztverantwortung für einen Schwangerschaftsabbruch sozialrechtlich anzuerkennen (vgl. E.V.2.b.cc). Entscheidend ist nicht, ob das Beratungskonzept zu seiner Wirksamkeit Versicherungsleistungen bei einem Abbruch als sinnvolle Schutzmaßnahme erfordert - dies läßt sich mit Grund in Abrede stellen -, sondern daß das Beratungskonzept es, wie der Senat darlegt, mit Notwendigkeit ausschließt, die Rechtmäßigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen - außerhalb der speziellen Indikationen - feststellen zu lassen. Ist dies aber ein Erfordernis des Beratungskonzepts (vgl. D.III.1.c), so kann daraus nicht zugleich das weitere Erfordernis hergeleitet werden, Frauen, die bei einem Abbruch nach den vom Senat dargelegten materiellen Kriterien nicht rechtswidrig handeln, dennoch ins Unrecht zu setzen, wenn der Senat den eigenen Prämissen (vgl. D.III.3.) treu bleibt. Denn es ist dann eine Situation gegeben, in der davon abgesehen werden darf, Schwangerschaftsabbrüche als Unrecht zu behandeln, obwohl nicht feststeht, daß sie gerechtfertigt sind, weil nämlich andernfalls eine erhebliche Beeinträchtigung von Frauen in ihrem Persönlichkeitsrecht zu besorgen ist. Der Senat anerkennt, daß die Frau davor geschützt sein müsse, den Abbruch und ihre Gründe hierfür außerhalb der Beratung und des ärztlichen Gesprächs weiteren Personen, etwa dem Arbeitgeber, unter Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts offenbaren zu müssen, und rechtfertigt aus diesem Grund die Lohnfortzahlung bei beratenen Abbrüchen (vgl. E.V.4.). Wird aber nicht das Persönlichkeitsrecht der Frau durch die unterschiedslose Behandlung der beratenen Abbrüche als Unrecht, die zu beseitigen oder auch nur infrage zu stellen ihr auch dann nicht möglich ist, wenn der Abbruch materiell mit den Anforderungen der Rechtsordnung in Einklang steht, zumindest in gleichem wenn nicht sogar höherem Maß beeinträchtigt?
d) Auch die notwendige Stützung und Stärkung des Rechtsbewußtseins im Blick auf das Lebensrecht der Ungeborenen vermag ein absolutes verfassungsrechtliches Verbot, für beratene Abbrüche Leistungen der Sozialversicherung zu gewähren, nicht zu tragen. Mit dem Senat stimme ich darin überein, daß die Stärkung und Lebendigerhaltung des Rechtsbewußtseins für den Schutz des ungeborenen Lebens von großer Bedeutung ist und verhindert werden muß, daß Schwangerschaftsabbrüche als soziale Normalität erscheinen und als rechtlich "freigegeben" eingestuft werden. Hiernach kommt es darauf an, ein Rechtsbewußtsein zu bilden und zu stützen, das - gemäß den dargelegten verfassungsrechtlichen Maßgaben - zwischen gerechtfertigten und unrechtmäßigen Schwangerschaftsabbrüchen zu unterscheiden weiß. Ein solches Rechtsbewußtsein wird aber nicht gefördert, sondern nimmt eher Schaden, wenn einerseits die hierauf bezogene rechtlich- normative Orientierung so stark betont wird wie es der Senat tut - ich halte dies für notwendig und richtig -, es dann aber konkret, noch dazu von Verfassungs wegen, auf Recht und Unrecht gar nicht ankommt: Auch die Frauen, die sich in einer Notlage befinden, die den Schwangerschaftsabbruch zu rechtfertigen vermag, werden unaufhebbar der rechtlichen Mißbilligung unterworfen und von Leistungen der Sozialversicherung ausgeschlossen. Unabhängig von ihrer konkreten Situation wird Frauen unterschiedslos die Hypothek und Last auferlegt, von Rechts wegen so behandelt zu werden, wie wenn sie unrechtmäßig gehandelt hätten; als Hauptsache erscheint, daß jedenfalls nichts gezahlt wird.
3. Die gegen die Auffassung des Senats erhobenen Einwände besagen allerdings nicht, daß die beratenen Abbrüche etwa von Verfassungs wegen zu finanzieren wären. Dem steht das vom Senat zu Recht gesehene Prinzip entgegen, daß rechtswidrige Schwangerschaftsabbrüche aus Gründen der Schutzwirkung für das ungeborene Leben und Erfordernissen der rechtsstaatlichen Ordnung nicht vom Staat - oder staatlich veranlaßt - finanziert werden dürfen. Damit wird allerdings das Dilemma deutlich, das durch die nicht auflösbare Gesamtheit beratener Abbrüche hervorgerufen wird. Dieses Dilemma ist eine notwendige Konsequenz des Beratungskonzepts und kann nicht bruchlos nach der einen oder anderen Seite aufgelöst werden. Läßt sich hinsichtlich der Gesamtheit der beratenen Abbrüche nicht zwischen rechtmäßig und rechtswidrig im Sinne der durch die Verfassung gesetzten Vorgaben unterscheiden, können diese Vorgaben auch nicht durch eine wie immer geartete Finanzierungsregelung verdeutlicht werden. Aus der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht ergeben sich Kriterien dafür, wann Schwangerschaftsabbrüche erlaubt sein können und wann sie verboten sind, über die Behandlung einer Gesamtheit, die gerade in Bezug hierauf unscheidbar ist, vermag sie nichts auszusagen. Dann aber kann es nicht ein Erfordernis dieser Schutzpflicht und mithin Verfassungsgebot sein, das dargelegte Dilemma gerade und nur in einer Richtung aufzulösen. Vielmehr ist der Gesetzgeber berufen, eine Regelung und Entscheidung zu finden.
4. Damit tritt der Kern der Schwierigkeit, der der Senat nach meiner Auffassung nicht gerecht geworden ist, hervor:
Der entscheidende Schritt des Senats liegt, verfassungsrechtlich gesehen, im Übergang zu einem Schutzkonzept der Beratungsregelung. Dieser Übergang erscheint im Sinne des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes für das ungeborene Leben deshalb grundsätzlich möglich, weil die staatliche Schutzpflicht darauf ausgerichtet ist, durch rechtliche Regelungen und tatsächliche Maßnahmen einen wirksamen Schutz des ungeborenen Lebens zu erreichen und ihr daher nicht genügt ist, wenn zwar auf der normativen Ebene eine in sich geschlossene, auf stringenten Schutz des ungeborenen Lebens ausgerichtete Regelung vorhanden ist, die sich aber - aus welchen Gründen immer - nicht in tatsächlich wirksamen Schutz auch für das einzelne menschliche Leben umsetzt oder umzusetzen vermag. Die Gründe dafür sind im Urteil im einzelnen dargelegt.
Wird dieser Schritt aber als ein Weg zur Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht für das ungeborene Leben für zulässig angesehen - ungeachtet der dabei notwendigen Anforderungen an seine nähere Ausgestaltung - so muß er einerseits in seinen Notwendigkeiten und Wirksamkeitsbedingungen akzeptiert werden, zugleich aber mit anderen rechtlichen Positionen und Gesichtspunkten ins Verhältnis gesetzt und "ausgemittelt" werden. Das erfordert an manchen Stellen Kompromisse, die - gemessen an einem in sich geschlossenen normativen Konzept - schmerzlich erscheinen, dennoch aber unvermeidlich sind. In diesem Sinne gibt es "Kosten" des Beratungskonzepts, die auch an späterer Stelle, etwa bei der Finanzierung, nicht wieder eingefangen werden können, ohne neue Verwerfungen hervorzurufen, die daraus entstehen, daß andere - als solche beachtliche - rechtliche Positionen übergangen werden.
Eine gesetzliche Regelung des Abtreibungsproblems wird stets ein Stück weit "Notordnung" sein und sein müssen, wenn es ihr nicht nur darum geht, in der normativen Sphäre ein stringent auf den Schutz des ungeborenen Lebens ausgerichtetes Regelwerk zu formulieren, dessen praktische Wirksamkeit dahinstehen mag, sondern auch und gerade darum, soweit möglich wirksamen Schutz für das einzelne, ungeborene menschliche Leben zu erreichen. Eine rechtlich normative Ordnung, die in der normativen Sphäre bei sich bleibt, sich nicht in tatsächlich wirksamen Schutz des ungeborenen Lebens umsetzt, trägt zum Schutz dieses Lebens nicht wirklich bei und erfüllt damit auch nicht die Aufgabe, die dem Recht obliegt. Eine rechtliche Regelung aber, die gemäß der sozialordnenden Aufgabe des Rechts auf tatsächliche Wirksamkeit abzielt und sie herbeiführen will, muß auch die eigenen Wirksamkeitsbedingungen mit in Rechnung stellen. Diese ergeben sich ebenso aus der conditio humana wie aus der konkreten Verfaßtheit einer Gesellschaft. Diese Wirksamkeitsbedingungen gegebenenfalls zu ändern, kann nicht allein oder primär die Aufgabe des Rechts sein; es vermag dazu zwar, aber nur in begrenztem Umfang, beizutragen.
Böckenförde