BVerfGE 89, 266 - Unabhängige Arbeiterpartei
Zum Maßstab der Entscheidung über die Feststellung der Parteieigenschaft gemäß § 18 Abs. 4 Nr. 2 BWahlG.
 
Beschluß
des Zweiten Senats vom 21. Oktober 1993
-- 2 BvC 7, 8, 9, 10, 11, 12/91 --
in den Verfahren über die Wahlprüfungsbeschwerden 1. der Frau B..., 2. des Herrn F..., 3. des Herrn K..., 4 des Herrn K..., 5. des Herrn V..., 6. des Herrn W... gegen den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 19. September 1991 - WP 57/90, WP 58/90, WP 59/90, WP 60/90, WP 61/90, WP 62/90 - (BTDrucks. 12/1002, Anlage 54).
Entscheidungsformel:
Die Wahlprüfungsbeschwerden werden zurückgewiesen.
 
Gründe:
 
A.
Die zu gemeinsamer Beratung und Entscheidung verbundenen Wahlprüfungsbeschwerden rügen Fehler bei der Entscheidung des Bundeswahlausschusses über die Parteieigenschaft des Trägers von Kreiswahlvorschlägen (§ 18 Abs. 2 und 4 BWahlG).
I.
Die Unabhängige Arbeiterpartei (Deutsche Sozialisten), U.A.P., reichte zur Wahl zum 12. Deutschen Bundestag in den Wahlbezirken 88, 89, 90, 109, 110 und 111 Kreiswahlvorschläge ein, mit denen sie jeweils einen der Beschwerdeführer als Bewerber benannte.
In der ihm gemäß § 18 Abs. 4 Nr. 2 BWahlG obliegenden Entscheidung erkannte der Bundeswahlausschuß die U.A.P. für die Wahl nicht als Partei an, weil sie "nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, keine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit ihrer politischen Zielsetzung" biete. Ihre Kreiswahlvorschläge wurden von den jeweiligen Kreiswahlausschüssen nicht zugelassen, weil die erforderliche Feststellung der Parteieigenschaft abgelehnt sei (§ 26 BWahlG i.V.m. § 18 Abs. 4 1. Halbsatz BWahlG).
Die U.A.P. besteht seit 1962, sie ist in einem Bundesverband und zwei Landesverbänden organisiert und zählte im August 1990 1.887 Mitglieder. Nach unregelmäßiger Teilnahme an insgesamt 10 Bundes- und Landtagswahlen war sie noch 1987 für die Wahl zum 11. Deutschen Bundestag zugelassen worden. Ihre Wahlteilnahme hatte sich seit 1976 auf Kreiswahlvorschläge in einigen Wahlkreisen beschränkt.
Die Beschwerdeführer haben Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 12. Deutschen Bundestag eingelegt. Sie haben sich dagegen gewandt, daß der Bundeswahlausschuß die U.A.P. nicht als Partei anerkannt habe. Diese sei aufgrund ihres langen Bestandes, ihrer Organisation und ihrer Wahlteilnahme eine politische Partei. Die Beschwerdeführer meinen, ihre Bewerbungen hätten zumindest im Wege der Umdeutung als "andere Kreiswahlvorschläge" nach § 20 Abs. 3 BWahlG zugelassen werden müssen, weil die dort genannten formellen Voraussetzungen erfüllt seien.
II.
Der Deutsche Bundestag hat den Einspruch durch Beschluß vom 19. September 1991 als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen. Er hat sich dabei auf seine Ausführungen in dem die U.A.P. betreffenden Beschluß zur Wahlprüfungsbeschwerde 63/90 (BTDrucks. 12/1002, Anl. 55) bezogen. Danach habe der Bundeswahlausschuß zu Recht als ein entscheidendes Kriterium für die Nichtanerkennung der U.A.P. als Partei deren lückenhafte Teilnahme an Bundestags- und Landtagswahlen angesehen. Die U.A.P. habe nämlich weder an der Bundestagswahl 1983 noch an den letzten beiden Landtagswahlen in Nordrhein- Westfalen teilgenommen. Außerdem sei ihr Stimmenanteil bei Wahlen seit 1969/70 stark gesunken. Während sie bei der Bundestagswahl 1969 noch 5.309 Zweitstimmen (= 0,1%) erhalten habe, seien ihr bei den Bundestagswahlen 1976, 1980 und 1987 nur noch dreistellige Erststimmen (jeweils 0,0%) zugefallen. Bei den nordrhein-westfälischen Landtagswahlen habe sie durchweg nur 0,0% der Stimmen erzielt, zuletzt bei der Wahl 1980 nur noch 180 Stimmen.
Eine Umdeutung der demnach unzulässigen Parteiwahlvorschläge in andere Kreiswahlvorschläge sei nicht in Betracht zu ziehen gewesen. Die von der U.A.P. eingereichten Wahlbewerbungen seien durch die Feststellung des Bundeswahlausschusses, daß die U.A.P. keine Partei sei, irreparabel mangelhaft geworden (§ 25 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 3 BWahlG). Aus Gründen der Formenstrenge könnten im übrigen die für den Parteiwahlvorschlag beigebrachten Unterstützungsunterschriften nicht dem Kandidaten persönlich zugerechnet werden.
Schließlich habe ein etwaiger Wahlfehler bei der Zurückweisung der sechs Kreiswahlvorschläge keinen Einfluß auf die konkrete Mandatsverteilung. In den Wahlkreisen 88, 89, 109, 110 und 111 habe der jeweils obsiegende Wahlbewerber eine so deutliche Mehrheit erringen können, daß das Wahlergebnis auch bei Zulassung der U.A.P. nicht gefährdet gewesen wäre. Der Wahlsieg im Wahlkreis 90 sei mit einem Vorsprung von 386 Erststimmen zwar nur knapp erzielt worden. Ein möglicher Wahlgewinn des nächst erfolgreichen Konkurrenten bei Zulassung des Kreiswahlvorschlags des Beschwerdeführers zu 3) hätte indes die Sitzverteilung im Parlament nicht verändert, weil die beiden erfolgreichsten Wahlkreisbewerber bei Unterliegen in der Direktwahl jeweils über die Landeslisten in den Deutschen Bundestag gewählt worden wären.
III.
Gegen diesen Beschluß hat jeder der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben und jeweils mehr als 100 Unterstützungsunterschriften beigefügt. Die Beschwerdeführer halten die Nichtanerkennung der U.A.P. als Partei für rechtswidrig und verweisen auf ihre Zulassung bei früheren Wahlen und auf verschiedene die U.A.P. betreffende Veröffentlichungen in der politologischen Literatur, Erwähnungen in regionalen Zeitschriften und auf ihre frühere Werbung.
Die Feststellungen des Bundestages zu den bislang erzielten Stimmenanteilen der U.A.P. seien allerdings zutreffend. Bei nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen habe die U.A.P. sich in einzelnen Bezirken beteiligt, auch insoweit mit geringfügigem und abnehmendem Erfolg. Die Kreiswahlausschüsse hätten ihre Bewerbungen als Kandidaten der U.A.P. jedenfalls in andere Kreiswahlvorschläge umdeuten müssen, die gemäß § 20 Abs. 3 BWahlG von Wahlberechtigten eingereicht werden können.
Der Bundestag habe ihre Wahleinsprüche zu Unrecht wegen fehlender Mandatsrelevanz zurückgewiesen. Unter den veränderten Bedingungen eines wiedervereinigten Deutschlands habe die U.A.P. mit einem Erfolg rechnen können. Wie die Wahl bei Zulassung der sechs Kreiswahlvorschläge ausgegangen wäre, könne nicht vorhergesagt werden.
 
B.
Die zulässigen Wahlprüfungsbeschwerden sind unbegründet. Die getroffenen Feststellungen vermögen zwar die Nichtzulassung der Kreiswahlvorschläge der U.A.P. nicht zu tragen (I.); es kann jedoch ausgeschlossen werden, daß die Nichtzulassung auf die Mandatszuteilung von Einfluß gewesen ist (II.).
I.
Fehlerhaft sind die Entscheidungen des Bundeswahlausschusses, die U.A.P. nicht als Partei anzuerkennen, und die Rechtfertigung dieser Maßnahme durch die angegriffene Wahlprüfungsentscheidung des Deutschen Bundestages (1.). Indes liegt kein weiterer Wahlfehler darin, daß die Kreiswahlausschüsse die Kreiswahlvorschläge der U.A.P. nicht in andere Kreiswahlvorschläge umgedeutet haben (2.).
1. a) Eine Vereinigung, die parlamentarisch nicht vertreten ist, kann nur dann einen Parteiwahlvorschlag einreichen, wenn der Bundeswahlausschuß sie gemäß § 18 Abs. 4 Nr. 2 i.V.m. § 18 Abs. 2 BWahlG als Partei anerkannt hat. Im Rahmen dieses -- für alle Wahlorgane verbindlichen (§ 18 Abs. 4, 1. Halbsatz BWahlG) Feststellungsverfahrens ist die Legaldefinition des § 2 PartG maßgeblich, durch die der Gesetzgeber den Parteienbegriff des Art. 21 Abs. 1 GG in verfassungsmäßiger Weise konkretisiert hat (vgl. BVerfGE 24, 260 [263 f.]; 79, 379 [384]). Das Bundeswahlgesetz stellt damit für parlamentarisch nicht vertretene politische Vereinigungen, die Parteiwahlvorschläge einreichen wollen, Anforderungen an die Wahlzulassung, die § 18 Abs. 4 Nr. 1 BWahlG an parlamentarisch bereits vertretene Parteien nicht stellt. Diese Differenzierung ist trotz der Grundsätze der formalen Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien (vgl. dazu zuletzt BVerfGE 82, 322 [337 f.]) zulässig, weil sie durch einen zwingenden Grund gerechtfertigt ist. Sie soll gewährleisten, daß sich nur ernsthafte politische Vereinigungen und keine Zufallsbildungen von kurzer Lebensdauer um Wähler bewerben (vgl. auch BVerfGE 3, 19 [27]; 12, 10 [27]). Versagt der Bundeswahlausschuß einer Gruppierung die Anerkennung als Partei mit der Folge, daß sie nicht an der Wahl teilnehmen kann, so beeinträchtigt dies den Grundsatz der Offenheit der Wahl; nach Art. 21 Abs. 1 GG wirken die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit, ihre Gründung ist frei. Die Entscheidung über den Wert des Programms einer politischen Partei und über ihre Möglichkeit, an der Bildung des Staatswillens mitzuwirken, ist den Wählern vorbehalten (vgl. BVerfGE 3, 19 [26]; 14, 121 [133]). Im Lichte dieses Grundsatzes sind die in § 2 PartG nicht trennscharf umschriebenen Merkmale einer politischen Partei auszulegen und die -- nicht erschöpfend genannten -- Indizien für die Ernsthaftigkeit der politischen Zielsetzung heranzuziehen.
b) Die Nichtzulassung der U.A.P. zur Wahl verstößt gegen diese Grundsätze.
b 1) Die Begründung des Bundeswahlausschusses für ihre Nichtanerkennung als Partei beschränkt sich auf eine formelhafte Wiedergabe eines Teils des Wortlauts des § 2 Abs. 1 PartG und läßt nicht erkennen, auf welche Tatsachen diese Entscheidung gestützt ist. Solche Tatsachen liegen bei der U.A.P. auch nicht etwa auf der Hand; es spricht mehr für die Ernsthaftigkeit der politischen Zielsetzung dieser seit 1962 bestehenden und -- wenn auch nicht bundesweit -- organisierten politischen Vereinigung, die immer wieder -- allerdings nur mit Kreiswahlvorschlägen -- an Bundestags- und Landtagswahlen teilgenommen hat und über einen nicht völlig unbedeutenden Mitgliederbestand verfügt.
b 2) Die von § 2 Abs. 1 PartG vorausgesetzte Ernsthaftigkeit der politischen Zielsetzung durfte im vorliegenden Fall auch nicht mit den die Entscheidung des Deutschen Bundestages tragenden Erwägungen verneint werden, die U.A.P. habe an einzelnen Wahlen nicht teilgenommen und ihr ohnehin geringer Stimmenanteil bei Wahlen sei stark gesunken.
(1) Nach § 2 Abs. 2 PartG verliert eine Vereinigung ihre Rechtsstellung als Partei, wenn sie sechs Jahre weder an einer Bundestags- noch an einer Landtagswahl mit eigenen Wahlvorschlägen teilgenommen hat. Der Gesetzgeber hat hiermit die Zeitspanne konkretisiert, während derer eine Partei sich einer Wahlteilnahme enthalten kann, ohne allein dadurch Rechtsnachteile zu erleiden (vgl. BVerfGE 24, 260 [265 f.]); dies ist auch für die Anwendung und Auslegung des § 18 Abs. 4 BWahlG maßgeblich. Allein auf eine noch nicht sechs Jahre zurückliegende Nichtteilnahme an Parlamentswahlen darf daher die Verneinung der Parteieigenschaft nicht gegründet werden. Dies schließt es nicht aus, daß die lückenhafte Wahlteilnahme im Zusammenhang etwa mit dem Zerfall der Organisation oder einem existenzgefährdenden Mitgliederschwund die Ernsthaftigkeit der Zielsetzung als Partei in Frage stellen kann.
Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 PartG treffen bei der U.A.P. nicht zu, weil sie bei der unmittelbar vorangegangenen Bundestagswahl 1987 als Partei zugelassen war und mit eigenen Wahlvorschlägen teilgenommen hat. Es sind auch keine Tatsachen dafür festgestellt worden, daß seit der letzten Wahlzulassung die Organisationsstärke oder der Mitgliederbestand zerfallen wären. Dem Bundeswahlausschuß war es daher verwehrt, die lückenlose Teilnahme an Bundestags- und Landtagswahlen als wesentliches Kriterium der Parteieigenschaft vorauszusetzen.
(2) Eine Anwendung des § 18 Abs. 2 und 4 BWahlG i.V.m. § 2 Abs. 1 PartG, die maßgeblich einen bestimmten Wahlerfolg zur Voraussetzung der Anerkennung einer Vereinigung als Partei macht, ist mit dem Grundsatz der Offenheit der Wahl nicht vereinbar. Dieser Grundsatz steht einer Vorwegnahme der Wählerentscheidung durch die Wahlorgane entgegen. Er schließt es aus, daß der Bundeswahlausschuß im Rückblick auf frühere Wahlergebnisse einer Partei ihr einen Mißerfolg bei der bevorstehenden Wahl voraussagt und diese Einschätzung zur Grundlage einer Entscheidung macht, die sie von der Teilnahme an der Wahl fernhält. Im übrigen läßt auch der Wortlaut des § 2 Abs. 1 PartG nichts dafür erkennen, daß ein bisheriger oder zu erwartender Mißerfolg bei der Wahl ohne weiteres die Einschätzung ausschlösse, eine politische Vereinigung sei Partei. Allenfalls mittelbar, insofern ausbleibender Erfolg bei Wahlen Rückwirkungen etwa auf Umfang und Festigkeit der Organisation oder auf das Hervortreten in der Öffentlichkeit hat, kann diesem Umstand Bedeutung für die Frage zukommen, ob es sich bei einer bestimmten Vereinigung um eine Partei handelt.
2. Die Entscheidung der Kreiswahlausschüsse, die sechs Kreiswahlvorschläge der U.A.P. wegen festgestellten Fehlens der Parteieigenschaft abzulehnen, statt sie in andere Kreiswahlvorschläge gemäß § 20 Abs. 3 BWahlG umzudeuten, ist nicht zu beanstanden. Ob und inwieweit in dem von strenger Förmlichkeit geprägten Wahlrecht der allgemeine Rechtsgrundsatz der Umdeutung angewandt werden kann (vgl. hierzu Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Aufl. 1976, § 26 Rdnr. 6 und 14; ders. § 24 Rdnr. 3; Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, 4. Aufl. 1990, § 25 Rdnr. 7) muß hier nicht entschieden werden. Eine Umdeutung kam hier schon darum nicht in Betracht, weil sie zu einer Auswechslung des Wahlvorschlagsträgers geführt hätte.
Träger eines Parteiwahlvorschlags nach § 20 Abs. 2 BWahlG ist die vorschlagende Partei, während ein anderer Kreiswahlvorschlag nach § 20 Abs. 3 BWahlG von der Gesamtheit seiner Unterzeichner eingebracht wird. Selbst wenn hinter dem Wählergruppenvorschlag nach Absatz 3 eine Organisation oder Partei steht,ist nicht diese, sondern die Wählergruppe Wahlvorschlagsträger. Wäre es dem Kreiswahlausschuß gestattet, einen ungültigen Parteiwahlvorschlag in einen anderen Wahlvorschlag umzudeuten, so überstiege die damit verbundene Auswechslung des Erklärungssubjekts die der Umdeutung gezogenen Grenzen. Die Umdeutung soll dem Willen des Erklärenden dann zum Erfolg verhelfen, wenn das gewählte Mittel unzulässig ist und ein anderes zulässiges Mittel dem hypothetischen Willen des Erklärenden entspricht. Sie ist auf eine Änderung des Erklärungsinhalts gerichtet, nicht aber auf eine Veränderung der Person des Erklärenden.
II.
1. Das Wahlprüfungsverfahren ist dazu bestimmt, die ordnungsgemäße Zusammensetzung des Bundestages zu gewährleisten. Die Beschwerde nach § 48 BVerfGG kann daher nur auf solche Wahlfehler gestützt werden, die auf die Sitzverteilung von Einfluß sind oder sein können (vgl. BVerfGE 4, 370 [Leitsatz]; 85, 148 [158 f.]). Die Möglichkeit, daß eine erwiesene Unregelmäßigkeit im Rahmen der Wahlvorbereitung oder -durchführung auf das Wahlergebnis von Einfluß sein kann, darf keine theoretische, sondern muß eine nach der allgemeinen Lebenserfahrung konkrete und nicht ganz fernliegende sein (vgl. BVerfGE 29, 154 [164]; 40, 11 [39, 41]; 48, 271 [280 f.]; 85, 148 [158 f.]).
2. Es kann ausgeschlossen werden, daß die auf unzureichender Tatsachenermittlung beruhende Nichtzulassung der sechs Kreiswahlvorschläge der U.A.P. einen Einfluß auf die Zusammensetzung des 12. Deutschen Bundestages gehabt hat; der Deutsche Bundestag hat somit die Einsprüche im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
Angesichts der Stimmenverhältnisse in den sechs Wahlbezirken, in denen die U.A.P. Kreiswahlvorschläge einreichen wollte, konnte die Zurückweisung ihrer Wahlbewerbungen die Mandatsverteilung nicht beeinflussen. Die U.A.P. ist eine Splitterpartei, deren Stimmenergebnis seit 1969 bei 0,0% liegt. Sie tritt nicht im gesamten Bundesgebiet in Erscheinung, sondern hat ihren Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen. Seit 1976 reicht sie auch für dieses Bundesland keine Landesliste mehr ein, sondern beteiligt sich nur an Wahlen in einzelnen Bezirken.
Ihr letztes Landtagswahlergebnis 1980 machte 180 Stimmen aus. Das beste Wahlergebnis seit ihrem Bestehen erzielte die U.A.P. bei der Wahl zum 6. Deutschen Bundestag am 28. September 1969 (1.395 Erst- und 5.309 Zweitstimmen).
    Dabei entfielen im Wahlkreis 87 (Essen 1) auf ihren Kandidaten 171 Erststimmen, im Wahlkreis 88 (Essen 2) 131 Erststimmen, im Wahlkreis 89 (Essen 3) 116 Erststimmen, im Wahlkreis 112 (Ennepe-Ruhrkreis) 168 Erststimmen, im Wahlkreis 117 (Bochum) 126 Erststimmen und im Wahlkreis 118 (Bochum 2, Ennepe- Ruhrkreis 2, vormals Bochum-Witten) 154 Erststimmen (vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie A Bevölkerung und Kultur Reihe 8, Wahl zum 6. Deutschen Bundestag am 28. September 1969, 6. Allgemeine Wahlergebnisse nach Wahlkreisen, Sitzverteilung und Abgeordnete, Nr. 7, S. 37 ff.).
Die Aussichten der U.A.P., in der Bundestagswahl 1990 wegen veränderter Umstände grundlegend andere Stimmenanteile zu erlangen, waren gering. Nach ihren eigenen Angaben ist die Führungsmannschaft seit 1970 dieselbe; das Aktionsprogramm der Partei ist ausweislich der eingereichten Unterlagen seit 1962 sachlich unverändert. Ungeachtet eines gewissen Bekanntheitsgrads der Partei im Ruhrgebiet läßt sich aus dem Vortrag der Beschwerdeführer nicht entnehmen, daß ihre Partei vor der Wahl zum 12. Deutschen Bundestag in Nordrhein-Westfalen oder auch nur in den in Rede stehenden sechs Wahlkreisen durch Abhalten öffentlicher Versammlungen, Schriftenwerbung oder andere Wahlwerbung öffentlich hervorgetreten wäre.
Es kann deshalb ausgeschlossen werden, daß einer der Beschwerdeführer ein Erststimmenergebnis erzielt hätte, das ihm einen Sitz im Bundestag vermittelt hätte. Selbst bei Wiederholung ihres seit Bestehen besten Wahlergebnisses hätte die U.A.P. bei ihrer Wahlzulassung auch in keinem der sechs Wahlbezirke den Wahlsieg der jeweils von der SPD gestellten Kandidaten gefährden können.
Dies gilt selbst für den knappen Vorsprung von 386 Stimmen, der der Wahlbewerberin der SPD im Wahlkreis 90 (Essen 3) zum Mandat verhalf. Der in diesem Wahlkreis angetretene Beschwerdeführer zu 3) war -- anders als frühere Wahlbewerber seiner Partei -- vor der Wahl weder in Veröffentlichungen oder Mitteilungen der U.A.P. noch in den von ihr eingereichten Zeitungsberichten genannt. Im Wahlkreis war er nicht durch Öffentlichkeitsarbeit hervorgetreten und in seiner Partei wurde er erst nach der Entscheidung des Bundeswahlausschusses über die Nichtanerkennung der U.A.P. erstmals als einfaches Mitglied ins Zentralbüro gewählt. Bei lebensnaher Betrachtungsweise kann die Möglichkeit verneint werden, daß der unbekannte Kandidat einer Splitterpartei Stimmen in einer Höhe errungen hätte, daß dies den Wahlsieg der erfolgreichsten Bewerberin hätte verhindern können.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß der Vorsitzende der U.A.P. nach der Zurückweisung der Parteiwahlvorschläge die Anhänger der Partei aufgefordert hatte, ungültige Stimmen abzugeben, und daß im Wahlkreis Essen 3 1.396 ungültige Stimmen abgegeben wurden. Es liegt nahe anzunehmen, daß zumindest ein Teil der potentiellen U.A.P.-Wähler diesem Aufruf gefolgt ist, also keinem der Wahlbewerber die Stimme gegeben hat. Diese ungültigen Stimmen lassen den von der Wahlsiegerin erzielten Stimmenvorsprung unberührt und können bei der Beurteilung möglicher Wählerbewegungen, die aufgrund der Zurückweisung des Wahlvorschlags der U.A.P. eingetreten sein könnten, außer Betracht bleiben.
Auch soweit die Anhänger der U.A.P. nicht ungültige Stimmen abgegeben und überhaupt an der Wahl teilgenommen haben, wären im Blick auf die politischen Zielvorstellungen dieser Vereinigung Wählerbewegungen nicht nur zu Lasten der Wahlkreissiegerin sondern zu Lasten aller Wahlbewerber in Betracht gekommen. Damit hätte auch der nächst erfolgreiche Kandidat Stimmen verlieren können, womit der Stimmenabstand zugunsten der Wahlkreissiegerin größer geworden wäre.
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