BVerfGE 89, 381 - Volljährigenadoption II |
1. § 95 Abs. 2 BVerfGG steht einer Beschränkung des Rechtsfolgenausspruchs nicht entgegen, wenn die Aufhebung einer Entscheidung Rechte Dritter oder überwiegende öffentliche Interessen beeinträchtigen würde. Eine Beschränkung auf die Feststellung der Grundrechtsverletzung kommt aber, wenn diese noch fortwirkt, nur ausnahmsweise in Betracht. |
2. Wurde eine Volljährigenadoption unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ausgesprochen, so ist nur die Beseitigung der Rechtskraft auszusprechen, damit das Fachgericht das rechtliche Gehör nachholen und anschließend darüber entscheiden kann, ob der Adoptionsbeschluß rückwirkend aufzuheben oder aufrechtzuerhalten ist. |
Beschluß |
des Ersten Senats vom 8. Februar 1994 |
-- 1 BvR 765, 766/89 -- |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden der Frau B... - Bevollmächtigte: Rechtswanwälte Dr. Volker Lemke und Michael Rathje, Lübeck - 1. gegen a) den Beschluß des Amtsgerichts Flensburg vom 22. Mai 1989 - 7 XVI W 415 - 1 BvR 765/89 -, b) den Beschluß des Amtsgerichts Flensburg vom 22. Mai 1989 - 7 XVI U 419 - 1 BvR 766/89 -, 2. mittelbar gegen § 56e Satz 3 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit danach der Beschluß, mit dem die Annahme als Kind ausgesprochen wird, unanfechtbar ist. |
Entscheidungsformel: |
Die Beschlüsse des Amtsgerichts Flensburg vom 22. Mai 1989 - 7 XVI W 415 und 7 XVI U 419 - verletzen Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Ihre Rechtskraft wird insoweit aufgehoben, als sie einer erneuten Prüfung und Entscheidung entgegensteht. Die Sachen werden zur Entscheidung darüber, ob der Ausspruch der Adoptionen aufrechtzuerhalten oder aufzuheben ist, an das Amtsgericht zurückverwiesen. |
Das Land Schleswig-Holstein hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten. |
Gründe: |
A. |
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Gewährung rechtlichen Gehörs bei der Adoption Volljähriger und die Rechtsfolgen einer Verletzung dieses Prozeßgrundrechts. Sie richten sich außerdem gegen die Unanfechtbarkeit von Adoptionsbeschlüssen nach § 56 e Satz 3 FGG.
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I. |
1. Das Adoptionsrecht ist durch das Gesetz über die Annahme als Kind und zur Änderung anderer Vorschriften - Adoptionsgesetz - vom 2. Juli 1976 (BGBl. I S. 1749) neu geregelt worden. Hierbei trat an die Stelle der Annahme durch Vertrag der Ausspruch der Annahme durch das Vormundschaftsgericht (§§ 1752 Abs. 1, 1768 Abs. 1 Satz 1 BGB).
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Im Mittelpunkt der Reform stand die Annahme Minderjähriger, die ganz am Wohl des Kindes ausgerichtet wurde. Ein Volljähriger kann nach der Neuregelung als Kind angenommen werden, wenn die Annahme dem Wohl des Anzunehmenden dient (§ 1767 Abs. 2 i.V.m. § 1741 Abs. 1 BGB, vgl. BTDrucks. 7/3061, S. 52) und sittlich gerechtfertigt ist; letzteres ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist (§ 1767 Abs. 1 BGB). Die Annahme darf nicht ausgesprochen werden, wenn ihr überwiegende Interessen der Kinder des Annehmenden oder des Anzunehmenden entgegenstehen (§ 1769 BGB).
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Mit der Annahme als Kind erwirbt ein Volljähriger die Stellung eines ehelichen Kindes des Annehmenden (§ 1767 Abs. 2 i.V.m. § 1754 BGB); er erhält als Geburtsnamen dessen Familiennamen (§ 1767 Abs. 2 i.V.m. § 1757 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Wirkungen der Annahme erstrecken sich - im Unterschied zur Minderjährigenadoption - nicht auf die Verwandten des Annehmenden; auch die Rechte und Pflichten aus dem Verwandtschaftsverhältnis des Angenommenen zu seinen Verwandten werden grundsätzlich nicht berührt (§ 1770 Abs. 1 und 2 BGB). Etwas anderes gilt nur, wenn das Vormundschaftsgericht unter den in § 1772 Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen bestimmt, daß sich die Wirkungen der Adoption nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen richten.
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2. Der Beschluß, mit dem das Vormundschaftsgericht die Annahme ausspricht, ist unanfechtbar; auch das Vormundschaftsgericht darf ihn nicht ändern (§ 56 e Satz 3 FGG). Er wird mit der Zustellung an den Annehmenden wirksam (§ 56 e Satz 2 FGG). Eine Aufhebung des Annahmeverhältnisses ist nur unter engen Voraussetzungen möglich (vgl. für die Volljährigenadoption § 1771 BGB).
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II. |
1. Die 1942 geborene Beschwerdeführerin, deren Vater nicht aus dem Krieg zurückgekehrt war, wurde 1987 von dem 1911 geborenen Arzt Dr. Hans L. adoptiert. Dieser war seit 1948 mit der Mutter der Beschwerdeführerin eng befreundet gewesen und hatte von 1969 bis zu deren Tod im Jahre 1988 mit ihr zusammengelebt.
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a) In den Ausgangsverfahren strebte Dr. L. die Annahme der 1941 nichtehelich geborenen Zwillinge (Sohn und Tochter) seiner Schwester an. Das Amtsgericht gab der Beschwerdeführerin Gelegenheit, zu den Annahmeanträgen Stellung zu nehmen; dabei wies es auf § 1769 BGB hin. Die Beschwerdeführerin teilte durch Schriftsatz ihres Bevollmächtigten mit, daß sie zu den Anträgen Stellung nehmen werde; eine weitere Äußerung erfolgte jedoch zunächst nicht. Die Richterin bestimmte Termin zur Anhörung auf den 9. Mai 1989 und lud hierzu den Annehmenden und die Anzunehmenden. Ausweislich der Sitzungsniederschrift schilderten diese ihre persönliche Geschichte, die Entwicklung ihrer Beziehungen zueinander und zu der Mutter der Beschwerdeführerin, die auf Vermittlung von Dr. L. die Anzunehmenden jahrelang zusammen mit der Beschwerdeführerin betreut hatte. Dr. L. ging außerdem auf die Entwicklung seiner Beziehungen zur Beschwerdeführerin und auf die Schwierigkeiten ein, die nach dem Tod der Mutter im Zusammenhang mit deren Testament entstanden waren. Er erklärte ferner, finanzielle Erwägungen spielten bei der Annahme keine Rolle, da die Anzunehmenden in sicheren wirtschaftlichen Verhältnissen lebten und er im übrigen auch ohne Adoption finanzielle Hilfe leisten würde, wenn dies notwendig werden sollte.
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b) Mit den angegriffenen Beschlüssen sprach das Amtsgericht die Annahme der Anzunehmenden als Kinder des Dr. L. aus. Es stellte ferner fest, daß die verheiratete Tochter, die einen Ehenamen trägt, als Geburtsnamen den Namen L. erhielt. Auf Antrag des Sohnes wurde dessen früherer Name gemäß § 1757 Abs. 2 Satz 2 BGB dem Namen L. vorangestellt.
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Zur Begründung der im wesentlichen gleichlautenden Entscheidungen ist ausgeführt, Zweifel an der sittlichen Rechtfertigung der Annahme als Kind, die angesichts des hohen Alters des Annehmenden naheliegen könnten, seien durch die persönliche Anhörung der Beteiligten völlig ausgeräumt worden. Die Richterin habe die Überzeugung gewonnen, daß zwischen dem Annehmenden und den Anzunehmenden ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis entstanden sei. Das ergebe sich vor allem aus der engen Beziehung zwischen ihnen, von deren Bestehen das Gericht sich aufgrund des persönlichen Eindrucks und der Schilderungen habe überzeugen können. Danach habe der Annehmende für die Anzunehmenden, die ohne Vater aufgewachsen seien, die Vaterrolle übernommen.
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2. Die Beschwerdeführerin rügt mit ihren Verfassungsbeschwerden eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 103 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG.
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a) Es widerspreche dem Rechtsstaatsprinzip, daß der Adoptionsbeschluß gemäß § 56 e Satz 3 FGG selbst dann unanfechtbar sei, wenn er auf einem Gehörsverstoß zu Lasten einer Person beruhe, deren Interessen nach § 1769 BGB berücksichtigt werden müßten. Zugleich verstoße die Unanfechtbarkeit des Adoptionsbeschlusses gegen Art. 19 Abs. 4 GG; denn angesichts der Tragweite dieser Entscheidung für die Rechtsstellung vorhandener Abkömmlinge müsse diesen gegen einen Beschluß, der ohne ihre Anhörung ergangen sei, der Rechtsweg offenstehen.
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b) Zur Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör trägt sie vor, ihr Verfahrensbevollmächtigter habe im Februar 1989 anläßlich der Anforderung weiterer Unterlagen in einem Telefongespräch mit der zuständigen Richterin deutlich gemacht, daß die Beschwerdeführerin der Annahme widerspreche und Wert auf eine persönliche Anhörung lege. In einem Telefongespräch am 8. Mai 1989 habe er die Richterin darauf hingewiesen und sie an ihre frühere Zusage erinnert, die Beschwerdeführerin auf jeden Fall anzuhören. Er habe ferner angeboten, bis zum Termin am nächsten Tag noch eine Stellungnahme per Telefax zu übermitteln, und darum gebeten, ihm eine Abschrift des Protokolls zu übersenden. Die Richterin habe erklärt, sie wolle zunächst abwarten, was der Termin ergebe; der Verfahrensbevollmächtigte könne sich mit der Stellungnahme Zeit lassen, sie habe nicht vor, sofort zu entscheiden. Zur Glaubhaftmachung dieses Vorbringens hat die Beschwerdeführerin eine anwaltliche Versicherung vorgelegt.
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Sie ist der Auffassung, Art. 103 Abs. 1 GG sei schon deshalb verletzt, weil sie nicht persönlich angehört wurde, obwohl dies nach § 12 FGG und den analog anwendbaren Vorschriften der §§ 55 c und 50 b FGG geboten gewesen wäre. Darüber hinaus habe die Richterin die von ihrem Verfahrensbevollmächtigten fernmündlich gegebenen Informationen nicht berücksichtigt, die Beschwerdeführerin nicht über das Ergebnis der Anhörung der übrigen Beteiligten informiert, ihr für ihre Stellungnahme keine abschließende Frist gesetzt und die angekündigte Stellungnahme nicht abgewartet.
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Bei Gewährung rechtlichen Gehörs hätte sie vorgetragen, daß zu keiner Zeit ein Eltern-Kind-Verhältnis zwischen ihrem (Adoptiv-)Vater und den Anzunehmenden bestanden habe. Während der Zeit, in der ihre Mutter diese betreut habe, sei eine besondere Beziehung zwischen Dr. L. und den Kindern nicht entstanden. Auch später habe sich ein Eltern-Kind-Verhältnis zwischen dem Annehmenden und den Anzunehmenden nicht entwickelt. Dies könne die frühere Haushälterin bestätigen.
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Durch die Adoptionsbeschlüsse würden geschützte Interessen der Beschwerdeführerin in starkem Maße beeinträchtigt, insbesondere ihre erbrechtliche Stellung. Ihre Mutter habe den Erlös aus dem Verkauf ihres Eigenheims sowie ihre beträchtliche Witwenpension vollständig in die gemeinsame Haushaltskasse mit Dr. L. eingebracht und diesem zwei Jahrzehnte wie eine Ehefrau zur Seite gestanden. Mit der Adoption der Beschwerdeführerin sei die Vorstellung verbunden gewesen, daß das von ihrer Mutter und Dr. L. gemeinsam Geschaffene allein der Beschwerdeführerin zugute kommen solle. Damit sei es nicht vereinbar, daß Dr. L. die Kinder seiner Schwester adoptiere, zumal diese zur Mutter der Beschwerdeführerin stets ein gespanntes Verhältnis gehabt und sich nach dem Tod der Mutter zwischen die Beschwerdeführerin und ihren Adoptivvater gedrängt habe.
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Die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG müsse zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen führen. § 95 Abs. 2 BVerfGG enthalte eine abschließende Regelung, die unabhängig von der Art der angegriffenen Entscheidung gelte und sich auch auf Gestaltungsurteile beziehe. Eine Rechtskraftdurchbrechung bei Gestaltungsurteilen habe im übrigen auch die Rechtsprechung der Fachgerichte in vielen Fällen zugelassen. Für die Rechtsfolgen einer Verfassungsbeschwerde könne angesichts des klaren Wortlauts von § 95 Abs. 2 BVerfGG nichts anderes gelten. Das materielle Adoptionsrecht stehe der Anwendung dieser Vorschrift ebenfalls nicht entgegen. Eine erhebliche Grundrechtsverletzung, wie sie hier vorliege, sei geeignet, die Dauerhaftigkeit des Adoptionsverhältnisses zu erschüttern. Außerdem würde § 1769 BGB praktisch leerlaufen, wenn die Kinder des Annehmenden bei Gehörsverstößen schutzlos blieben.
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III. |
1. Das Bundesministerium der Justiz hat namens der Bundesregierung lediglich allgemein zu den mit den Verfassungsbeschwerden aufgeworfenen Rechtsfragen Stellung genommen.
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a) Es könne nicht zweifelhaft sein, daß die Adoption weiterer Kinder die rechtliche Stellung der vorhandenen Kinder des Annehmenden berühre. Der Gesetzgeber habe diesen zwar keine förmliche Beteiligtenstellung eingeräumt, ihrer materiellen Betroffenheit aber durch § 1769 BGB Rechnung getragen. Dieser Interessenlage entspreche es, daß den Kindern im Adoptionsverfahren rechtliches Gehör gewährt werde, auch wenn die Beteiligten volljährig seien.
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Eine vorbehaltlose analoge Anwendung des § 55 c in Verbindung mit § 50 b FGG sei im Verfahren der Volljährigenadoption allerdings verfassungsrechtlich nicht geboten. Im Vordergrund stünden hier die Vermögensinteressen der vorhandenen Kinder. Für deren Darstellung genüge in der Regel eine schriftsätzliche Stellungnahme.
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b) Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß der Beschluß, durch den das Gericht die Annahme als Kind ausspreche, gemäß § 56 e Satz 3 FGG unanfechtbar ist und auch von den Gerichten nicht geändert werden kann. Eine Überprüfung der Adoptionsentscheidung durch eine höhere Instanz werde weder von Art. 6 Abs. 1 GG gefordert noch sei sie nach Art. 103 Abs. 1 GG oder dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip geboten.
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c) Habe ein Fachgericht Verfassungsrecht verletzt, so müsse an sich auf eine Verfassungsbeschwerde hin die angegriffene Entscheidung nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufgehoben werden. Das gelte grundsätzlich auch für Gestaltungsurteile. Es erscheine aber fraglich, ob § 95 Abs. 2 BVerfGG eine abschließende Regelung enthalte. Gerade in Fällen, in denen in eine gestaltete Rechtslage eingegriffen und die Gestaltung ex tunc beseitigt würde, könnte es angezeigt sein, die verfassungsgerichtliche Entscheidung auf die bloße Feststellung der Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Entscheidung zu beschränken und den Verfassungsverstoß nicht darüber hinaus durch deren Aufhebung zu sanktionieren. Mit einer solchen Beschränkung könne im Einzelfall verhindert werden, daß wegen der sonst rückwirkend eintretenden Beseitigung der bereits gestalteten Rechtslage Rechtsunsicherheit entstehe.
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Bei Verfassungsbeschwerden gegen Adoptionsbeschlüsse sei zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber sich mit guten Gründen für die grundsätzliche Unanfechtbarkeit und Unabänderlichkeit des Adoptionsbeschlusses ausgesprochen und eine Aufhebung der Annahmeentscheidung nur in eng umgrenzten, im einzelnen aufgezählten Ausnahmefällen zugelassen habe. Im Vordergrund stehe das Interesse des Kindes an der Stabilität des einmal begründeten Annahmeverhältnisses. Allen Beteiligten solle bewußt sein, daß das neue Familienverhältnis auf Dauer begründet werde. Bei einer Volljährigenadoption stelle sich das Problem, daß das Kind nach der Aufhebung des Adoptionsbeschlusses ohne familiäre Bindung bleibe, allerdings nicht in gleichem Maße wie bei einer Minderjährigenadoption. Auch für einen Volljährigen sei aber die Zugehörigkeit zu einem Familienverband von erheblicher Bedeutung.
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Die bloße Feststellung der Verfassungswidrigkeit sei freilich weder allgemein bei Gestaltungsurteilen noch bei jedem Adoptionsbeschluß angezeigt. In Betracht komme vielmehr eine Abwägung im Einzelfall zwischen dem Interesse an dem Bestand des Adoptionsbeschlusses einerseits und dem Interesse an der Beseitigung des festgestellten Grundrechtsverstoßes andererseits. Nur wenn diese Abwägung ergebe, daß das Interesse des Anhörungsberechtigten die Belange des mit dem Adoptionsbeschluß Angenommenen überwiege, sei die Adoptionsentscheidung aufzuheben. Im Regelfall werde bei Minderjährigenadoptionen das Interesse am Bestandsschutz überwiegen, bei der Volljährigenadoption hingegen das Interesse an der Beseitigung des Grundrechtsverstoßes.
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2. Der Justizminister des Landes Schleswig-Holstein hat eine dienstliche Äußerung der Richterin vorgelegt, in der diese mitteilt, sie könne sich an den Inhalt des ersten Telefongesprächs mit dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin nur noch wenig erinnern, sie sei sich aber ziemlich sicher, daß sie nicht zugesagt habe, die Beschwerdeführerin persönlich anzuhören. In dem Gespräch vom 8. Mai 1989 habe sie dem Bevollmächtigten auf seine Anfrage mitgeteilt, sie habe die Beschwerdeführerin deshalb nicht zum Anhörungstermin geladen, weil sie davon ausgegangen sei, diese habe gegen die Adoption keine Einwände. An den weiteren Verlauf dieses Gesprächs könne sie sich kaum noch erinnern. Sie meine, dem Bevollmächtigten gesagt zu haben, daß die Übermittlung einer Stellungnahme per Telefax nicht erforderlich sei, sondern daß die baldige Übersendung einer schriftlichen Stellungnahme ausreiche. Sie könne aber nicht ausschließen, daß das Gespräch im zweiten Teil den vom Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin geschilderten Inhalt gehabt habe. Wegen der Möglichkeit, daß noch eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin eingehen könnte, habe sie mit dem Ausspruch der Adoption bis zum 22. Mai 1989 gewartet.
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3. Der Annehmende und die Anzunehmenden halten die Verfassungsbeschwerden für unbegründet. Sie sind der Auffassung, die Beschwerdeführerin habe ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt und diese nicht wahrgenommen. Im übrigen seien die Einwände der Beschwerdeführerin gegen die Adoption auch in der Sache nicht gerechtfertigt.
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B. |
Die zulässigen Verfassungsbeschwerden sind begründet.
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I. |
Unbegründet ist allerdings die Rüge der Beschwerdeführerin, sie werde durch die Unanfechtbarkeit der Adoptionsbeschlüsse in ihrem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz verletzt. Ein Recht auf einen Instanzenzug gegen gerichtliche Entscheidungen gewährleistet weder Art. 19 Abs. 4 GG noch das Rechtsstaatsprinzip (vgl. BVerfGE 87, 48 [61] m.w.N.). Auch Art. 103 Abs. 1 GG gebietet nicht, ein Rechtsmittel zu einem Gericht höherer Instanz vorzusehen, damit eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht werden kann (vgl. BVerfGE 42, 243 [248]); dem Betroffenen bleibt insoweit der Weg der Verfassungsbeschwerde.
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Ob § 56 e Satz 3 FGG, der die Unanfechtbarkeit des Adoptionsbeschlusses ausnahmslos anordnet, auch insoweit verfassungsrechtlich unbedenklich ist, als er eine fachgerichtliche Überprüfung des Adoptionsbeschlusses selbst in den Fällen ausschließt, in denen ein materiell Betroffener im Adoptionsverfahren überhaupt nicht beteiligt wurde und deshalb von vornherein keine Möglichkeit hatte, auf die gerichtliche Entscheidung Einfluß zu nehmen, kann hier offenbleiben. Denn die Beschwerdeführerin ist im Ausgangsverfahren beteiligt worden.
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II. |
Die angegriffenen Beschlüsse verletzen aber den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör.
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1. Art. 103 Abs. 1 GG ist auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu beachten (vgl. BVerfGE 19, 49 [51]). Das gilt - unabhängig davon, ob die Anhörung im Gesetz vorgesehen ist - auch für Verfahren, die vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht werden (vgl. BVerfGE 75, 201 [215]). Auf eine förmliche Beteiligtenstellung kommt es nicht an. Der Anspruch auf rechtliches Gehör steht vielmehr jedem zu, dem gegenüber die gerichtliche Entscheidung materiellrechtlich wirkt und der deshalb von dem Verfahren rechtlich unmittelbar betroffen wird (vgl. BVerfGE 60, 7 [13]; 75, 201 [215]).
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Zu den materiell Betroffenen in diesem Sinne gehören bei einer Adoption die Abkömmlinge des Annehmenden und des Anzunehmenden, deren rechtliche Interessen bei der Volljährigenadoption in § 1769 BGB anerkannt werden. Darf danach die Annahme nicht ausgesprochen werden, wenn ihr überwiegende Interessen der Kinder des Annehmenden oder des Anzunehmenden entgegenstehen, müssen diese Kinder auch die Möglichkeit haben, ihre Interessen im Verfahren darzulegen. Dementsprechend wird in der Literatur allgemein die Auffassung vertreten, daß die Kinder des Annehmenden im Adoptionsverfahren zu hören sind (vgl. Lüderitz, in: MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1992, § 1769 Rdnr. 7; Staudinger-Frank, BGB, 12. Aufl. 1991, § 1769 Rdnr. 12 und § 1745 Rdnr. 22). Davon ist auch das Vormundschaftsgericht ausgegangen.
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2. a) Daß das Gericht die Beschwerdeführerin nicht persönlich angehört hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich grundsätzlich kein Anspruch auf mündliche Verhandlung oder persönliche Anhörung; es ist vielmehr Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, in welcher Weise das rechtliche Gehör gewährt werden soll (vgl. BVerfGE 60, 175 [210 f.] m.w.N.). Soweit das Gesetz keine verbindliche Entscheidung trifft, liegt die Form der Anhörung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts.
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Ob eine analoge Anwendung des § 55 c in Verbindung mit § 50 b FGG in Fällen, in denen sowohl die Anzunehmenden als auch die Kinder des Annehmenden volljährig sind, einfachrechtlich geboten sein könnte, hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden. Die Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften verstößt nicht schon als solche gegen Art. 103 Abs. 1 GG, es sei denn, das Gericht habe bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften die Bedeutung und Tragweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör verkannt (vgl. BVerfGE 74, 228 [233]). Anhaltspunkte für eine solche Verkennung liegen hier nicht vor. Aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ergeben sich keine Gründe für die Annahme, daß sie die Beeinträchtigung ihrer vermögensrechtlichen Interessen durch die Adoptionen und ihre Bedenken gegen deren sittliche Rechtfertigung nicht ausreichend in einer schriftlichen Stellungnahme hätte deutlich machen können.
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b) Das Vormundschaftsgericht hätte der Beschwerdeführerin aber Gelegenheit geben müssen, zu dem Ergebnis der Anhörung des Annehmenden und der Anzunehmenden Stellung zu nehmen. Art. 103 Abs. 1 GG gibt den Verfahrensbeteiligten einen Anspruch darauf, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor deren Erlaß zu äußern (vgl. BVerfGE 67, 39 [41]; 69, 145 [148]). Gelegenheit zur Äußerung muß daher grundsätzlich zu jedem dem Gericht unterbreiteten Vortrag gegeben werden, soweit er für die Entscheidung erheblich ist (vgl. BVerfGE 49, 325 [328]). Dementsprechend darf das Gericht nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse verwerten, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten vorher äußern konnten (vgl. BVerfGE 70, 180 [189]).
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Aus der Begründung des Annahmebeschlusses ergibt sich, daß das Ergebnis der Anhörung für die positive Entscheidung über die Annahmeanträge ausschlaggebend war. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Unterrichtung der Beschwerdeführerin zum Schutz des Persönlichkeitsrechts der Angehörten unterblieben ist oder unterbleiben durfte. Ebensowenig durfte die Unterrichtung der Beschwerdeführerin aus der Erwägung unterbleiben, daß sie ihre wirtschaftlichen Interessen ohne Kenntnis des Anhörungsergebnisses hätte darlegen können. Denn darauf beschränkte sich ihr Anhörungsrecht nicht. Nach § 1769 BGB konnte sie der Annahme nur dann mit Aussicht auf Erfolg entgegentreten, wenn sie darlegte, daß ihre Interessen gegenüber den mit den Annahmeanträgen verfolgten Belangen des Annehmenden und der Anzunehmenden überwogen. Sie mußte deshalb zu deren Vorbringen auch insoweit Stellung nehmen können, als es sich auf die Frage bezog, ob die Annahme sittlich gerechtfertigt war, insbesondere ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits bestand. Hierzu hatten sich der Annehmende und die Anzunehmenden bei ihrer Anhörung ausführlich geäußert.
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3. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf dem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß das Vormundschaftsgericht bei Berücksichtigung des Vorbringens, das die Beschwerdeführerin in der Verfassungsbeschwerde dargelegt hat, zu ihr günstigeren Entscheidungen gelangt wäre. Denn ihre Ausführungen erscheinen nicht von vornherein ungeeignet, die sittliche Rechtfertigung für die Adoptionen in Frage zu stellen oder ihr relatives Gewicht im Verhältnis zu den Interessen der Beschwerdeführerin zu vermindern.
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C. |
Der festgestellte Verstoß führt jedoch nicht dazu, daß die angegriffenen Beschlüsse hinsichtlich ihrer materiellen Rechtswirkungen aufzuheben sind. Der Rechtsfolgenausspruch ist vielmehr auf die Beseitigung der Rechtskraft der Adoptionsbeschlüsse und die Zurückverweisung an das Vormundschaftsgericht zu beschränken. Dieses ist verpflichtet, der Beschwerdeführerin das rechtliche Gehör zu gewähren und unter Berücksichtigung ihres Vorbringens darüber zu entscheiden, ob die Adoptionsbeschlüsse aufzuheben oder aufrechtzuerhalten sind. Bis zu seiner Entscheidung bleiben die Wirkungen der Adoptionsbeschlüsse bestehen.
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I. |
1. Verletzt eine gerichtliche Entscheidung den Beschwerdeführer in einem Grundrecht oder grundrechtsgleichen Recht, so hat das Bundesverfassungsgericht nicht nur diese Verletzung festzustellen (§ 95 Abs. 1 BVerfGG), sondern auch die angegriffene Entscheidung aufzuheben und die Sache an ein zuständiges Gericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Mit diesem Ausspruch wird die angegriffene Entscheidung rückwirkend beseitigt und das Ausgangsverfahren in den Stand vor ihrem Erlaß zurückversetzt. Die Regelung soll gewährleisten, daß die durch den Grundrechtsverstoß verursachte Beschwer des Beschwerdeführers behoben wird.
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§ 95 Abs. 2 BVerfGG regelt abschließend die Rechtsfolgen einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung, mit der einer Verfassungsbeschwerde gegen ein gerichtliches Erkenntnis oder eine Verwaltungsentscheidung stattgegeben wird (vgl. BVerfGE 6, 386 [388]). Ausnahmen sieht die Vorschrift nicht vor; sie gilt unabhängig davon, ob die Entscheidung, deren Verfassungswidrigkeit festgestellt wird, gestaltende Wirkung entfaltet hat. Dem Bundesverfassungsgericht ist es damit aber nicht verwehrt, die Rechtsfolgen seiner Entscheidung im Einzelfall einzuschränken, wenn hierfür zwingende Gründe bestehen. Auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes nach § 95 Abs. 1 BVerfGG darf es sich jedoch grundsätzlich nur dann beschränken, wenn ein für eine Aufhebung geeigneter Akt nicht oder nicht mehr vorliegt, die angegriffene Entscheidung eine den Beschwerdeführer belastende Wirkung nicht mehr entfaltet oder die festgestellte Grundrechtsverletzung den sachlichen Inhalt der Entscheidung nicht berührt (vgl. BVerfGE 6, 386 [388 f.]; 10, 302 [330]; 38, 32 [34 f.]; 53, 152 [163]).
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2. Für die - ebenfalls abschließende - Regelung des § 95 Abs. 3 BVerfGG hat das Bundesverfassungsgericht allerdings schon bisher anerkannt, daß der Rechtsfolgenausspruch auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Norm beschränkt werden kann, wenn die Nichtigerklärung die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers einschränken oder zu schwer erträglichen Folgen führen würde (vgl. BVerfGE 37, 217 [260 f.]; 61, 319 [356]). Dieser Rechtsprechung liegt vor allem die Erwägung zugrunde, daß das Bundesverfassungsgericht mit seinen Entscheidungen nicht einen Zustand herbeiführen darf, der mit der Verfassung noch weniger vereinbar wäre als der im konkreten Fall beanstandete (vgl. BVerfGE 83, 130 [154]).
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Von diesem Grundsatz ist auch bei Auslegung und Anwendung des § 95 Abs. 2 BVerfGG auszugehen. Werden durch die Aufhebung einer gerichtlichen Entscheidung oder eines Verwaltungsaktes Rechte Dritter oder wesentliche öffentliche Interessen berührt, kann danach eine Beschränkung des Rechtsfolgenausspruchs zulässig und geboten sein (vgl. BVerfGE 84, 1 [5]). Dabei ist jedoch stets zu beachten, daß es Sinn der in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG verbürgten Verfassungsbeschwerde ist, die Beseitigung von Grundrechtsverletzungen zu ermöglichen, und daß ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung eines verfassungswidrigen Zustandes grundsätzlich nicht anerkannt werden kann. Eine Beschränkung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung auf die Feststellung der Grundrechtsverletzung trotz Fortbestehens ihrer Auswirkungen wird deshalb nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen. Eher kann es zulässig und geboten sein, die Aufhebung der angegriffenen Entscheidung in sachlicher, formeller oder zeitlicher Hinsicht zu begrenzen, um Rechtsfolgen zu vermeiden, die durch Sinn und Zweck der Verfassungsbeschwerde nicht zu rechtfertigen und weniger erträglich sind als die teilweise Aufrechterhaltung einer verfassungswidrigen Entscheidung.
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II. |
Die Verfassungsbeschwerden geben keinen Anlaß, allgemein die Rechtsfolgen verfassungsgerichtlicher Beanstandungen von Gestaltungsurteilen oder von Adoptionsbeschlüssen zu erörtern. Zu entscheiden ist hier nur über die Frage, ob und in welcher Weise die in § 95 Abs. 2 BVerfGG vorgesehene Rechtsfolge der rückwirkenden Aufhebung zu modifizieren ist, wenn einer Verfassungsbeschwerde gegen eine Volljährigenadoption wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs stattgegeben wird.
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1. In solchen Fällen steht einer Aufhebung der angegriffenen Entscheidung in der Regel nicht - wie bei der Adoption eines Minderjährigen - die Erwägung entgegen, daß dem angenommenen Kind die Familie genommen wird, in die es hineingewachsen ist und deren Fortbestand für seine weitere Entwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Das Interesse des Annehmenden und des Angenommenen an der Aufrechterhaltung einer Entscheidung, die unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ergangen ist, wird bei der Volljährigenadoption im allgemeinen auch weniger schutzwürdig sein als das Interesse des Beschwerdeführers an der Beseitigung der Rechtsverletzung und ihrer Folgen.
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Zu bedenken ist jedoch, daß das Bundesverfassungsgericht im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht abschließend prüfen kann, ob bei Gewährung rechtlichen Gehörs die Voraussetzungen für eine Adoption zu bejahen wären oder nicht. Diese einfachrechtliche Frage ist nach der vom Gesetz vorausgesetzten und in § 90 Abs. 2 BVerfGG bestätigten Aufgabenverteilung von den Fachgerichten zu beantworten. Deren Würdigung darf das Bundesverfassungsgericht nicht vorgreifen. Es kann daher nur feststellen, ob auszuschließen ist, daß das Fachgericht bei Gewährung rechtlichen Gehörs zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre (st. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 55, 95 [99]; 62, 392 [396]). Im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht demgemäß noch nicht fest, ob die Beseitigung der festgestellten Rechtsverletzung zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis führen wird.
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Unter diesen Umständen haben die am Annahmeverhältnis Beteiligten, insbesondere der Angenommene, ein schutzwürdiges Interesse daran, daß der Status, der durch den Adoptionsbeschluß begründet wurde, nicht verändert wird, solange noch nicht feststeht, ob das Vormundschaftsgericht nach Gewährung des rechtlichen Gehörs die Voraussetzungen für die Adoption verneinen oder weiterhin bejahen wird. Anderenfalls müßten die Betroffenen ihren Status mehrfach ändern, wenn dem Adoptionsantrag letztlich stattgegeben wird. Die damit verbundenen Folgen, etwa hinsichtlich des Namens, und die zwangsläufig eintretende Rechtsunsicherheit wären schwer erträglich (vgl. zu ähnlichen Erwägungen BVerfGE 37, 217 [261]; 84, 9 [21 f.]).
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Im Verhältnis dazu ist das Interesse des Beschwerdeführers daran, daß die Statusentscheidung durch das Bundesverfassungsgericht sofort rückwirkend aufgehoben wird, regelmäßig von geringerem Gewicht. Seinem Begehren, die Rechtsverletzung und deren Folgen zu beseitigen, kann in solchen Fällen im allgemeinen hinreichend dadurch entsprochen werden, daß das Vormundschaftsgericht dazu verpflichtet wird, das rechtliche Gehör nachträglich zu gewähren, und in die Lage versetzt wird, über den Adoptionsantrag unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beschwerdeführers erneut zu entscheiden. Hierfür reicht es aus, daß das Bundesverfassungsgericht die Rechtskraft des Adoptionsbeschlusses - und damit dessen Unabänderbarkeit nach § 56 e Satz 3 FGG - beseitigt, ohne zunächst dessen Wirksamkeit im übrigen zu beeinträchtigen.
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Diese Beschränkung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat zur Folge, daß das Vormundschaftsgericht im anschließenden Verfahren nach Gewährung des rechtlichen Gehörs darüber zu entscheiden hat, ob der Adoptionsbeschluß aufzuheben oder aufrechtzuerhalten ist. Eine ähnliche Regelung enthält bereits § 33 a StPO für die Nachholung des rechtlichen Gehörs bei rechtskräftigen Beschlüssen im Strafverfahren.
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2. Führt die Nachholung des rechtlichen Gehörs zu dem Ergebnis, daß die Adoption nicht hätte ausgesprochen werden dürfen, weil ihr überwiegende Interessen des Kindes des Annehmenden entgegenstehen, so ist der Adoptionsbeschluß grundsätzlich rückwirkend aufzuheben. Die familienrechtliche Vorschrift des § 1764 BGB ist auf eine Aufhebung, die zur Beseitigung der Folgen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs erfolgt, nicht unmittelbar anwendbar. Einer analogen Anwendung steht entgegen, daß § 95 Abs. 2 BVerfGG nach Wortlaut und Zielsetzung eine rückwirkende Aufhebung verlangt, soweit nicht vorrangige Belange Dritter oder ein überwiegendes öffentliches Interesse eine Einschränkung fordern. Diese Voraussetzung liegt bei einer Volljährigenadoption im Regelfall nicht vor.
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Der Abkömmling, dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde, hat regelmäßig ein schutzwürdiges Interesse daran, daß der Adoptionsbeschluß rückwirkend aufgehoben wird, wenn sich herausstellt, daß er nicht hätte ergehen dürfen. Eine Aufhebung lediglich mit Wirkung für die Zukunft würde sich vor allem dann nachteilig auswirken, wenn der Annehmende in der Zwischenzeit gestorben ist. Besonders gravierend wäre das in den Fällen, in denen ein übergangener Abkömmling erst anläßlich des Erbfalls von der Adoption erfährt. Der Schutz des § 1769 BGB, der vor allem auch erbrechtlichen Interessen Rechnung tragen soll, würde den Betroffenen in solchen Fällen im Ergebnis versagt.
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Dem Interesse des Abkömmlings an der rückwirkenden Aufhebung der Entscheidung stehen regelmäßig keine überwiegenden Belange des Annehmenden und des Angenommenen gegenüber. Ihrem Interesse daran, daß der Adoptionsbeschluß wenigstens für die Vergangenheit aufrechterhalten bleibt, obwohl er auf einem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG beruht, kommt regelmäßig kein erhebliches Gewicht zu. Auch die mit der Rückabwicklung von Statusverhältnissen verbundenen Schwierigkeiten rechtfertigen es nicht, vom Grundsatz der rückwirkenden Aufhebung verfassungswidriger Entscheidungen abzuweichen, zumal die Rechtsordnung solche Schwierigkeiten auch in anderen Fällen in Kauf nimmt. Besondere Gründe, die im Falle der Beschwerdeführerin zu einer anderen Abwägung führen könnten, sind nicht ersichtlich.
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Einer analogen Anwendung der übrigen familienrechtlichen Vorschriften über die Rechtsfolgen der Aufhebung des Adoptionsbeschlusses steht § 95 Abs. 2 BVerfGG nicht von vornherein entgegen. Ob eine solche Anwendung in Betracht kommt, etwa eine Heranziehung des § 1765 Abs. 2 BGB für die Regelung der namensrechtlichen Folgen der Aufhebung, ist in erster Linie von den Fachgerichten zu beurteilen.
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Henschel, Seidl, Grimm, Söllner, Kühling, Seibert |