BVerfGE 92, 203 - EG-Fernsehrichtlinie
1. Beansprucht die Europäische Gemeinschaft eine Rechtsetzungskompetenz, so ist es Sache des Bundes, die Rechte der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Gemeinschaft und ihren Organen zu vertreten. Behält das Grundgesetz die Regelung des von der Gemeinschaft beanspruchten Gegenstandes innerstaatlich dem Landesgesetzgeber vor, so vertritt der Bund gegenüber der Gemeinschaft als Sachwalter der Länder auch deren verfassungsmäßige Rechte.
Der Bundesregierung erwachsen aus dieser Verantwortlichkeit als Sachwalter der Länderrechte prozedurale Pflichten zu bundesstaatlicher Zusammenarbeit und Rücksichtnahme.
2. Im Bund-Länder-Streit bedarf es für den Beitritt von Ländern dann nicht der Einhaltung der Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG, wenn die Beigetretenen sich dem - fristgemäßen - Antrag anschließen und lediglich zusätzlich die Verletzung auch ihrer eigenen Rechte festgestellt haben wollen.
 
Urteil
des Zweiten Senats vom 22. März 1995 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. November 1994
-- 2 BvG 1/89 --
in dem Verfahren über die Anträge 1. festzustellen, daß die Bundesregierung durch Kabinettsbeschluß vom 8. März 1989 dahingehend, der von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften dem Rat vorgeschlagenen "Richtlinie des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Rundfunktätigkeit" grundsätzlich zuzustimmen, den Freistaat Bayern in seinen Rechten aus Artikel 30 Grundgesetz verletzt hat, 2. festzustellen, daß der Bund durch die am 3. Oktober 1989 erfolgte Zustimmung der Bundesregierung zur "Richtlinie (89/552/EWG) des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit" (EWG-Fernsehrichtlinie) den Freistaat Bayern in seinen Rechten aus Artikel 30 Grundgesetz verletzt hat, 3. a) festzustellen, daß der Bund die EWG-Fernsehrichtlinie wegen Verstoßes gegen Artikel 30 Grundgesetz in Verbindung mit den föderalen Schranken des Artikel 24 Absatz 1 Grundgesetz als im Bereich der Bundesrepublik Deutschland und damit im Bereich des Freistaates Bayern nicht anwendbares Recht zu behandeln hat, b) hilfsweise den Bund, handelnd durch die Bundesregierung, zu verpflichten, gegenüber dem Freistaat Bayern anzuerkennen, daß die EWG-Fernsehrichtlinie wegen Verstoßes gegen Artikel 30 Grundgesetz in Verbindung mit den föderalen Schranken des Artikel 24 Absatz 1 Grundgesetz im Bereich der Bundesrepublik Deutschland und damit im Freistaat Bayern nicht anwendbar ist. Antragstellerin: Bayerische Staatsregierung, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Franz-Josef-Strauß-Ring 1, München, - Bevollmächtigter: Professor Dr. Peter Lerche, Junkersstraße 13, Gauting -, Antragsgegnerin: Bundesregierung, vertreten durch den Bundeskanzler, Adenauerallee 139/141, Bonn, - Bevollmächtigte: a) Rechtsanwalt Professor Dr. Reinhart Ricker, Schumannstraße 8, Frankfurt am Main, b) Professor Dr. Dr. Georg Ress, Am Botanischen Garten 6, Saarbrücken - beigetreten auf Seiten der Antragstellerin: 1. für das Land Nordrhein-Westfalen die Landesregierung, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Mannesmannufer 1a, Düsseldorf, 2. für die Freie Hansestadt Bremen der Senat, vertreten durch den Präsidenten, Rathaus, Bremen, 3. für die Freie und Hansestadt Hamburg der Senat, vertreten durch den Präsidenten, Rathausmarkt 1, Hamburg, 4. für das Land Hessen die Landesregierung, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Peter-Altmeier-Allee 1, Mainz, 6. für das Saarland die Regierung, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Am Ludwigsplatz 14, Saarbrücken, 7. für das Land Schleswig-Holstein die Landesregierung, vertreten durch die Ministerpräsidentin, Düsternbrooker Weg 70 (Landeshaus), Kiel, - Bevollmächtigter: Professor Dr. Herbert Bethge, Innstraße 40, Passau -, 8. für das Land Niedersachsen die Landesregierung, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Planckstraße 2, Hannover - 2 BvG 1/89 -.
Entscheidungsformel:
1. Der Bund hat durch die Art, in der die Bundesregierung nach ihrem Beschluß vom 8. März 1989 beim Zustandekommen der Quotenregelung in Kapitel III der Richtlinie (98/552/EWG) des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit die Mitgliedschaftsrechte der Bundesrepublik Deutschland wahrgenommen hat, die Rechte des Freistaates Bayern und der dem Verfahren beigetretenen Länder aus Artikel 70 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 24 Absatz 1 des Grundgesetzes und dem Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens verletzt.
2. Im übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
 
Gründe:
 
A.
Der aus Anlaß der Beratung und Verabschiedung der Fernsehrichtlinie des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) entstandene Bund-Länder-Streit betrifft im wesentlichen die Frage nach den Handlungspflichten der Bundesregierung, wenn die EWG eine Rechtsetzungskompetenz für einen Gegenstand beansprucht, dessen Regelung innerstaatlich in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt, das Bestehen oder die Reichweite der Rechtsetzungskompetenz der EWG aber zwischen Bund und Ländern streitig ist.
I.
1. Die Bemühungen der EWG um eine Harmonisierung der Rundfunkordnungen in Europa reichen bis in die frühen achtziger Jahre zurück. Bereits mit Entschließung vom 12. März 1982 zu "Rundfunk und Fernsehen in der Europäischen Gemeinschaft" (ABl. EG Nr. C 87/1 [110 ff.]) forderte die Versammlung (heute Europäisches Parlament) die Kommission auf, "eine europäische Rundfunk- und Fernsehrahmenordnung unter anderem mit dem Ziel des Jugendschutzes und der Regelung des Einsatzes von Werbung auf Gemeinschaftsebene" zu erarbeiten.
Entsprechend dieser Aufforderung legte die Kommission am 14. Juni 1984 ein "Grünbuch" über die Errichtung des gemeinsamen Marktes für den Rundfunk, insbesondere über Satellit und Kabel ("Fernsehen ohne Grenzen") vor (Dokument KOM [84] 300 endg.). Ziel einer Richtlinie solle sein, "die Einwohner eines jeden Mitgliedstaates in die Lage zu versetzen, dieselben Sendungen empfangen zu können, wie sie in anderen Mitgliedstaaten jeweils ausgestrahlt werden". Es solle so sein, "als versorgte jeder Sender den ganzen Gemeinsamen Markt mit seinen Sendungen" (Dokument KOM [84] 300 endg. [330]).
Am 29. April 1986 legte die Kommission den "Vorschlag einer Richtlinie des Rates über die Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Rundfunktätigkeit" vor (Dokument KOM [86] 146 endg.). Der Richtlinienvorschlag enthielt Regelungen zur Vereinheitlichung von Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, insbesondere über die freie grenzüberschreitende Verbreitung von Rundfunksendungen und ihren freien Empfang sowie über die Anteile an Fernsehproduktionen aus der Gemeinschaft in den Programmen der Fernsehveranstalter (sog. Programmquoten, Art. 2), über die Anteile der Fernsehproduktionen freier Produzenten aus der Gemeinschaft (sog. Produktionsquoten, Art. 3), über Art und Inhalt der Werbung und die Zulassung von Sponsoring bei inländischen Rundfunksendungen (Art. 5 ff.), über die von den Mitgliedstaaten zu tolerierende Dauer der Werbung bei grenzüberschreitenden Fernsehsendungen (Art. 14) sowie über den Minderjährigenschutz (Art. 15) und das Urheberrecht (Art. 17 ff.) bei inländischen Rundfunksendungen.
2. Zeitgleich mit der Vorbereitung der EG-Richtlinie entstand im Europarat aufgrund eines Beschlusses der Ersten Europäischen Ministerkonferenz über Massenmedienpolitik vom 9./10. Dezember 1986 in Wien das "Europäische Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen" (veröffentlicht in BGBl. 1994 II S. 639 ff.). Es wurde am 5. Mai 1989 zur Zeichnung aufgelegt und ist für die Bundesrepublik Deutschland am 1. November 1994 in Kraft getreten.
Das Übereinkommen enthält in Kapitel II u.a. Vorschriften über das Recht auf Gegendarstellung (Art. 8) und über Programmquoten (Art. 10) für europäische Werke (vgl. Art. 2 Buchstabe e); Kapitel III regelt die Werbung, Kapitel IV das Sponsoring.
3. Zu dem Richtlinienvorschlag äußerten sich die Ministerpräsidenten der Länder auf ihrer Konferenz in Hamburg vom 1. bis 3. Oktober 1986 wie folgt:
    "1. Die Regierungschefs der Länder treten dafür ein, den freien Informationsfluß über die nationalen Grenzen hinweg in Europa zu fördern. Sie halten auch bei Bedarf im Rahmen der gegebenen Zuständigkeiten zwischenstaatliche Vereinbarungen für grenzüberschreitende Rundfunksendungen - etwa im Europarat - für sinnvoll. Sie lehnen jedoch den Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine "Richtlinie des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Rundfunktätigkeit" als einen für die Länder nicht hinnehmbaren Eingriff in den Kernbereich ihrer Rundfunkhoheit ab.
    2. Nach Auffassung der Regierungschefs der Länder findet der Richtlinienvorschlag im Gemeinschaftsrecht keine ausreichende rechtliche Grundlage. Jede Rechtsetzungsbefugnis der EG setzt eine konkrete Ermächtigung im EWG-Vertrag voraus.
    Die von der EG-Kommission geltend gemachte Kompetenz zur Harmonisierung des Dienstleistungsverkehrs vermag den Richtlinien-Entwurf nicht zu legitimieren. Ohnehin liegt in der Regel eine grenzüberschreitende Dienstleistung bei Rundfunksendungen nicht vor. Darüber hinaus rechtfertigen weder die neuen technischen Möglichkeiten des Satelliten- und Kabelrundfunks mit seinem vermehrten Programmangebot noch die damit verbundene Zunahme der wirtschaftlichen Bedeutung des Rundfunks einen Regelungsanspruch der Europäischen Gemeinschaften für die Rundfunkordnung der Mitgliedstaaten.
    3. Die Regierungschefs der Länder verweisen auf den Beschluß des Bundesrates vom 1. März 1985 zum Grünbuch "Fernsehen ohne Grenzen" der EG-Kommission. Der Bundesrat hat dort ausdrücklich die kulturelle und gesellschaftspolitische Funktion des Rundfunks hervorgehoben und betont, daß diese Funktion eine einseitige oder auch nur überwiegend wirtschaftliche Betrachtungsweise des Rundfunks verbietet.
    Der EG sind nach dem EWG-Vertrag keine ausdrücklichen Rechtsetzungsbefugnisse im Bereich der Kulturpolitik zugewiesen worden. Die Mitgliedstaaten sind eigenverantwortliche Träger ihres politischen und gesellschaftlichen Systems geblieben. Dies schließt auch ihre Befugnisse ein, den Rundfunkbereich, vor allem die Anforderungen an die Programminhalte und die finanziellen Rahmenbedingungen in einer Weise zu regeln, die dem innerstaatlichen Verständnis der Funktion des Rundfunks entspricht. Wird aus diesem Gebiet isoliert ein wirtschaftlicher Ansatzpunkt herausgegriffen, so würde die darauf basierende Regelung letztlich die innerstaatliche, von der Verfassung vorgegebene Rundfunkordnung aufheben. Eine Aufspaltung der Kompetenzen für den Bereich des Rundfunks ist deshalb nicht möglich.
    Eine Zuordnung nach Schwerpunkten, wie sie z.B. in Bundesstaaten bei konkurrierenden Kompetenzansprüchen üblich ist, müßte im Verhältnis zur EG dazu führen, daß der Rundfunk als Kulturträger ersten Ranges und als eine öffentliche Aufgabe mit konstitutiver Bedeutung für die Demokratie aus den wirtschaftsrechtlichen Regelungszuständigkeiten der Europäischen Gemeinschaften herausfällt. Eine andere Betrachtungsweise würde die wesentlichen Funktionen des Rundfunks verkennen und im übrigen dazu führen, daß es nahezu keinen Bereich mehr gäbe, der nicht dem Gemeinschaftsrecht unterfiele. Denn letztlich sind fast alle Lebenssachverhalte auch von wirtschaftlichem Belang. Daher berechtigt auch die Kompetenz zur Regelung von Wirtschaftsfragen die EG nicht, den Rundfunk zum unmittelbaren Gegenstand ihrer Rechtsetzung zu machen.
    4. Auch die im Sinne der Integration im begrenzten Umfang praktizierte dynamische Auslegung der europäischen Verträge kann nach Überzeugung der Regierungschefs der Länder nicht dazu führen, daß Kompetenzen der Gemeinschaftsorgane außerhalb ihres originären Funktionsbereichs neu begründet werden. Eine solche qualitative und substantielle Änderung der bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen, wie sie der Richtlinienvorschlag der Kommission voraussetzt, könnte nur im Wege einer förmlichen Vertragsänderung vorgenommen werden.
    5. Unabhängig von der Kompetenzfrage halten die Regierungschefs der Länder den Vorschlag der Kommission nicht für ein geeignetes Mittel, den freien Informationsfluß innerhalb Europas für den Bereich des Rundfunks zu gewährleisten. Zum einen wird durch die vorgeschlagene Richtlinie eine wirkliche Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Rundfunkordnungen nicht erreicht. Zum anderen führt die Schaffung eines an wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteten EG- Rundfunkbinnenmarktes zu einer kulturellen Abschottung gegenüber europäischen Ländern, die nicht Mitglied der Europäischen Gemeinschaften sind. Dies würde sich besonders im deutschen Sprachraum nachteilig auswirken. Ein "Fernsehen ohne Grenzen" innerhalb der Grenzen der EG liegt nicht im wohlverstandenen Interesse Europas. Für den Rundfunk als Kulturgut in Europa sind die Außengrenzen der Gemeinschaft ohne jeden Belang. Darüber hinaus würde die vorgeschlagene Richtlinie den Bemühungen, dem freien Informationsfluß möglichst weltweit Geltung zu verschaffen, in hohem Maße entgegenwirken.
    6. Die EG-Kommission hat nach Auffassung der Regierungschefs der Länder auch nicht überzeugend dargetan, daß ein Bedürfnis für die von ihr vorgeschlagene Regelung besteht. Demgegenüber haben Vertreter der deutschen Rundfunkveranstalter - abgesehen von erheblicher Kritik an den Bestimmungen des Richtlinienvorschlages im einzelnen - den Ländern erklärt, aus ihrer Sicht bestehe keine Notwendigkeit für eine EG-Richtlinie wie sie die Kommission vorgeschlagen hat. Sie haben in diesem Zusammenhang auf die besondere Rolle der Europäischen Rundfunkunion (UER) hingewiesen, in deren Rahmen seit 1950 ein "europäischer Rundfunk" mit einem intensiven Programmaustausch und weitgehender Abstimmung in vielen anderen Fragen bewirkt werde. Eine solche Zusammenarbeit streben auch die privaten Rundfunkanbieter an.
    7. Die Vorbehalte der Regierungschefs der Länder gegen den Richtlinienvorschlag der EG-Kommission sind grundsätzlicher Natur. Sie lassen sich nicht durch Änderungen oder Verbesserungen einzelner Bestimmungen des Entwurfs ausräumen. Die Regierungschefs treten im Interesse Europas stattdessen dafür ein, bei Bedarf Vereinbarungen für grenzüberschreitende Rundfunksendungen im Rahmen des Europarates zu treffen.
    8. Die Regierungschefs der Länder erwarten von der Bundesregierung, daß sie entsprechend der Zusage des Bundeskanzlers vom 19.9.1979 den Standpunkt der Länder den weiteren Beratungen des Richtlinienvorschlages in den zuständigen EG-Gremien zugrunde legt.
    Protokollnotiz:
    Niedersachsen bestreitet nicht die Kompetenz der Europäischen Gemeinschaften zur Herstellung des freien Dienstleistungsverkehrs, auch soweit es den Rundfunk betrifft. Es ist allerdings der Auffassung, daß bei dem Richtlinienvorschlag der EG-Kommission von dieser Kompetenz ein zu weitgehender Gebrauch gemacht wird."
Die Bundesregierung teilte zunächst die Bedenken der Länder. Sie ließ nach einem mit den Ländern abgestimmten Statement vom 17. Oktober 1986 in der Sitzung der Ad-hoc-Gruppe des Rates "Wirtschaftsfragen-Rundfunk" vom 30./31. Oktober 1986 in Brüssel durch die deutsche Delegation erklären, "daß die politisch gewichtigen Fragen der EG-Kompetenz und des EG-RL- Regelungsbedarfs im Rundfunkbereich" einer späteren Beratung u.a. im EG-Rat vorbehalten bleiben müßten, ihre Beantwortung also durch die Erörterung der RL-Einzelbestimmungen nicht präjudiziert werde. Der Grund für diesen Vorbehalt sei, daß die für den Rundfunk primär zuständigen Bundesländer nach eingehender Beratung ihrer Ministerpräsidenten die vorerwähnten Fragen verneint hätten. Auf den in dieser Weise erklärten Vorbehalt kam der Vertreter der Bundesregierung mehrfach - in den Sitzungen des Rates (Binnenmarkt) und im Ausschuß der Ständigen Vertreter - zurück.
Mit Beschluß vom 20. Februar 1987 (BRDrucks. 259/86) sprach sich auch der Bundesrat gegen den Richtlinienvorschlag aus. Er übernahm die Gründe der Ministerpräsidenten der Länder, ergänzte sie aber unter anderem um folgenden Hinweis:
    "Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stellt eine Kompetenzausübungsschranke für die EWG dar, wenn sich eine ihrer Maßnahmen als ein Eingriff in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten auswirkt. Da der Richtlinienvorschlag kein geeignetes Mittel für den angestrebten Zweck darstellt und auch kein Bedürfnis für die in dem Vorschlag vorgesehenen Regelungen dargetan ist, bestehen gegen die Rechtsgrundlage für den Richtlinienvorschlag auch unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durchgreifende Bedenken. Dies gilt auch, soweit der Regelungsbereich des Richtlinienvorschlags nicht auf grenzüberschreitende Rundfunksendungen beschränkt ist."
4. Die Kommission legte am 21. März 1988 einen geänderten Richtlinienvorschlag vor (Dokument KOM [88] 154 endg.). Dieser enthielt zusätzlich Bestimmungen zum Recht der Gegendarstellung (Art. 20a); die Vorschriften zum Urheberrecht waren entfallen. In die "Erwägungen" der Richtlinie wurde u.a. eingefügt, daß diese nur ein erster Schritt in Richtung auf die von der Versammlung in ihrer Entschließung vom 10. Oktober 1985 geforderte notwendige schrittweise Entwicklung einer europäischen Medienpolitik sei.
5. a) Mit Schreiben vom 8. März 1989 übermittelte der Bundesminister des Innern die am selben Tag von der Bundesregierung beschlossene Stellungnahme dem Bundesrat zu dessen Beschluß vom 20. Februar 1987 gemäß Art. 2 Abs. 3 und 4 des Gesetzes vom 19. Dezember 1986 (BGBl. II S. 1102) zur Einheitlichen Europäischen Akte vom 28. Februar 1986 (EEAG). Sie lautet:
    "I. Die Bundesregierung stellt fest:
    - Mit Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte am 1. Juli 1987 hat sich die Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft verpflichtet, den Binnenmarkt bis Ende 1992 auf dem Gebiet der gemeinschaftlichen Grundfreiheiten einschließlich der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs zu verwirklichen.
    - Rundfunk ist in der Bundesrepublik Deutschland eine öffentliche Aufgabe. Er ist eine Institution zur Gewährleistung der öffentlichen Meinungsbildung und -vielfalt. Er hat eine wichtige kulturelle Funktion; Rundfunk schließt aber auch wirtschaftliche Betätigung ein.
    - Nach der eindeutigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Urteil vom 30. April 1974, RS 195/73 - Sacchi -, Slg. 74, 411; Urteil vom 18. März 1980, RS 52/70 - Debauve - Slg. 80, 833; Urteil vom 18. März 1980, RS 60/79 - Coditel - Slg. 80, 881; Urteil vom 26. April 1988, RS 352/85 - Kabelregeling - noch nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlicht) hat die Bundesregierung der Tatsache Rechnung zu tragen, daß Rundfunksendungen Dienstleistungen im Sinne des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art. 59 ff. EWG-Vertrag sind.
    - Die EG-Kommission sieht in unterschiedlichen Regelungen zur Förderung der Verbreitung und Herstellung von Fernsehprogrammen (Quotenregelung), Werbung und Jugendschutz rechtliche Barrieren im Sinne der Art. 59, 60 EWG-Vertrag, die grenzüberschreitenden Rundfunksendungen entgegenstehen können. Die Bundesregierung teilt diese Auffassung der Kommission im Hinblick auf die Regeln zur Werbung und zum Jugendschutz. Die hier bestehenden unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Mitgliedstaaten können bei einem ungeregelten grenzüberschreitenden Rundfunk zu einer Verletzung der Rechtsordnung in dem Empfangsstaat führen. Hierbei ist insbesondere auch die schnell wachsende Zahl der privaten Rundfunkanbieter zu berücksichtigen, die im scharfen Wettbewerb um Werbeeinnahmen stehen.
    - Die Bundesregierung teilt nicht die bisherige Auffassung der Kommission in bezug auf eine verbindliche Quotenregelung in Kapitel II des Richtlinienentwurfs. Eine verbindliche Quotenregelung schreibt die Zusammensetzung von Programmen vor und stellt somit eine inhaltliche Regelung des Rundfunks dar. Dies ist jedoch von dem Auftrag des Art. 60 EWG-Vertrag nicht mehr gedeckt. Die inhaltliche Gestaltung von Rundfunksendungen selbst betrifft den Rundfunk als eine überwiegend kulturelle und gesellschaftspolitische Angelegenheit. Dafür hat die EG jedoch keine Regelungskompetenz.
    - Einen Text, der Quoten für die Mitgliedstaaten bzw. für die Rundfunkveranstalter verbindlich vorschreibt, kann die Bundesregierung mangels Regelungskompetenz nicht akzeptieren.
    - Außerdem sieht die Bundesregierung in der Festlegung einer Quote auch kein geeignetes Mittel, das auch von ihr angestrebte Ziel, die Förderung und Verbreitung europäischer audiovisueller Produktionen, zu erreichen.
    - Für den Fall, daß die Quotenregelung nur als eine politische Zielvorstellung formuliert wird, stimmt die Bundesregierung bei einer befriedigenden Gesamtlösung der Richtlinie zu.
    II. Im Verhältnis der EG-Richtlinie zum vorgesehenen Entwurf eines Übereinkommens des Europarats über grenzüberschreitendes Fernsehen räumt die Bundesregierung in Übereinstimmung mit den Bundesländern diesem Übereinkommen des Europarats weiterhin politische Priorität ein, um auch weitere europäische Staaten in eine europäische Regelung einzubeziehen.
    Allerdings kann im Hinblick auf die einheitliche Rechtsprechung ein Übereinkommen des Europarats die Richtlinie nicht voll ersetzen, weil für den Europarat eine dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vergleichbare Institution fehlt.
    Um auch in diesem Zusammenhang den Erfordernissen des Europäischen Binnenmarktes zu entsprechen, muß die EG dem Übereinkommen des Europarats als Vertragspartner beitreten. Das setzt voraus, daß das Übereinkommen der EG verbindlich die Möglichkeit eröffnet, als Signatar Vertragspartei zu werden."
b) Ein Antrag der Bayerischen Staatsregierung, der Bundesregierung im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, den Kabinettsbeschluß vom 8. März 1989 einstweilen nicht zu vollziehen, ist vom Senat durch Urteil vom 11. April 1989 aufgrund einer Abwägung der Folgen zurückgewiesen worden (vgl. BVerfGE 80, 74 ff.).
6. a) Bei der Vorbereitung der Verabschiedung eines Gemeinsamen Standpunktes im Hinblick auf die Annahme der Richtlinie verweigerte der Vertreter der Bundesregierung auf der Ratstagung (Binnenmarkt) am 13. März 1989 seine Zustimmung vor allem deshalb, weil eine befriedigende Lösung zur Definition der "europäischen Werke" (Art. 4) nicht gefunden und dem Wunsch der Bundesrepublik, die Richtlinie durchweg auf Fernsehsendungen zu beschränken, nicht entsprochen war. Im übrigen machte er, wie schon früher, geltend, daß jede vom Rat in Aussicht genommene Lösung der Abstimmung mit den Bundesländern bedürfe.
b) Am 13. April 1989 verabschiedete der Rat mit qualifizierter Mehrheit den Gemeinsamen Standpunkt (erste Lesung der Richtlinie). Auf Drängen der Bundesregierung wurden der Hörfunk aus der Richtlinie herausgenommen und bei der Quotenregelung für deutsche Veranstalter alle Produktionen aus der DDR als europäische Werke einbezogen; der Erwägungsgrund Nr. 53 "Diese Richtlinie ist nur ein erster Schritt ..." wurde gestrichen. Die Regelung der Programmquoten und damit übereinstimmend die der Produktionsquoten wurde weitgehend dem Wortlaut des Art. 10 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens angeglichen (vgl. Art. 4 und 5 der Richtlinie). Der Versuch der Bundesregierung, durch eine gemeinsame Protokollerklärung zu erreichen, daß die Einhaltung der Quoten nach der Richtlinie ebensowenig wie nach dem Europäischen Übereinkommen einklagbar ist, blieb ohne Erfolg. Wegen der vorgesehenen Quotenregelung und der damaligen Definition der "europäischen Werke" stimmte die Bundesregierung gegen den Gemeinsamen Standpunkt.
c) In der Sitzung vom 24. Mai 1989 billigte die Versammlung die Richtlinie mit einer Reihe von Änderungsvorschlägen, die insbesondere auf die Verschärfung der Quotenregelungen (Art. 4, 5) und auf Änderungen hinsichtlich der Werbung und Werbedauer gerichtet waren. Die Kommission legte dem Rat schließlich am 29. Mai 1989 einen überprüften Vorschlag für die Richtlinie zur Beschlußfassung vor; dieser enthielt zwar Änderungen gegenüber dem Gemeinsamen Standpunkt vom 13. April 1989, verzichtete jedoch darauf, die Regelungen über Quoten, Werbung und Werbedauer zu verschärfen.
d) Vor der zweiten Lesung am 3. Oktober 1989 versuchte die Bundesregierung zunächst, im Richtlinientext selbst klarzustellen, daß die Quotenregelung unverbindlich sei; dies erwies sich aber nicht als mehrheitsfähig. Sie erreichte lediglich folgende Protokollerklärungen von Rat und Kommission:
    - Protokollerklärung Nr. 15:
    "Erklärung des Rates und der Kommission zu den Art. 4 und 5:
    Rat und Kommission stimmen überein, daß sich die Mitgliedstaaten durch Art. 4 und 5 politisch auf die dort vereinbarten Ziele verpflichten."
    - Protokollerklärung Nr. 7:
    "Erklärung des Rates und der Kommission zu Art. 4:
    Der Rat und die Kommission sind der Auffassung, daß sich die Bestimmungen des Art. 4 an den vom Europäischen Rat in Rhodos und Madrid anerkannten Zielen, insbesondere an der Notwendigkeit, 'die Bemühungen um eine Stärkung der audiovisuellen Kapazitäten Europas' zu vertiefen, orientieren. Sie bestätigen, daß es in diesen Bestimmungen den einzelstaatlichen Stellen überlassen wird, im Rahmen ihrer jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften die Form und die Mittel festzulegen, um diese Ziele zu erreichen. Der Rat und die Kommission kommen überein, daß diese Bestimmungen, die auf den derzeitigen Stand des audiovisuellen Marktes in Europa abgestellt sind, nach Maßgabe der Entwicklung dieses Marktes angepaßt werden können."
    - Protokollerklärung Nr. 16:
    "Erklärung der Kommission zu den Art. 4 und 5:
    Die Kommission bestätigt, daß sie die Art. 4 und 5 im Lichte der gemeinsamen Erklärung von Rat und Kommission auslegen wird, wonach sich die Mitgliedstaaten durch Art. 4 und 5 politisch auf die dort vereinbarten Ziele verpflichten, und daß der in Art. 4 festgelegte Anteil jeden Fernsehveranstalter betrifft, auf den die Richtlinie Anwendung findet."
Daraufhin stimmte die Bundesrepublik der Richtlinie zu. Sie wurde mit breiter Mehrheit - gegen die Stimmen Belgiens und Dänemarks - angenommen.
7. Über die Quoten europäischer Werke enthält die endgültige Fassung der Richtlinie (ABl. EG, Nr. L 298/23 f.) in Kapitel III (Förderung der Verbreitung und Herstellung von Fernsehprogrammen) u.a. folgende Regelungen:
    "Art. 4
    (1) Die Mitgliedstaaten tragen im Rahmen des praktisch Durchführbaren und mit angemessenen Mitteln dafür Sorge, daß die Fernsehveranstalter den Hauptanteil ihrer Sendezeit, die nicht aus Nachrichten, Sportberichten, Spielshows oder Werbe- und Videotextleistungen besteht, der Sendung von europäischen Werken im Sinne des Art. 6 vorbehalten ...
    (2) ...
    (3) Ab dem 3. Oktober 1991 übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission alle zwei Jahre einen Bericht über die Durchführung des vorliegenden Artikels und des Artikels 5.
    Dieser Bericht enthält insbesondere eine statistische Übersicht, aus der hervorgeht, inwieweit jedes der Rechtshoheit des betreffenden Mitgliedstaats unterworfene Fernsehprogramm den im vorliegenden Artikel und in Artikel 5 genannten Anteil erreicht hat, aus welchen Gründen dieser Anteil in jedem einzelnen Fall nicht erzielt werden konnte und welche Maßnahmen zur Erreichung dieses Anteils getroffen oder vorgesehen sind.
    Die Kommission bringt diese Berichte - gegebenenfalls zusammen mit einer Stellungnahme - den übrigen Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament zur Kenntnis. Sie trägt dafür Sorge, daß der vorliegende Artikel und Artikel 5 gemäß den Bestimmungen des Vertrages durchgeführt werden. In ihrer Stellungnahme kann die Kommission insbesondere den gegenüber den Vorjahren erzielten Fortschritten, dem Anteil von Erstausstrahlungen bei der Programmgestaltung, den besonderen Gegebenheiten bei den neuen Fernsehveranstaltern sowie der besonderen Lage der Länder mit niedriger audiovisueller Produktionskapazität oder begrenztem Sprachraum Rechnung tragen.
    (4) ...
    Art. 5
    Die Mitgliedstaaten tragen im Rahmen des praktisch Durchführbaren und mit angemessenen Mitteln dafür Sorge, daß Fernsehveranstalter mindestens 10 v.H. ihrer Sendezeit, die nicht aus Nachrichten, Sportberichten, Spielshows oder Werbe- und Videotextleistungen besteht, oder alternativ nach Wahl des Mitgliedstaats 10 v.H. ihrer Haushaltsmittel für die Programmgestaltung der Sendung europäischer Werke von Herstellern vorbehalten, die von den Fernsehveranstaltern unabhängig sind ..."
Des weiteren enthält die Richtlinie in Art. 6 eine Definition des Begriffs "europäische Werke", in Art. 7 eine sogenannte Karenzfrist für die Ausstrahlung von Kinospielfilmen, ferner Vorschriften über Fernsehwerbung und Sponsoring (Kapitel IV), über den Schutz von Minderjährigen (Kapitel V) und schließlich Vorschriften bezüglich des Rechts auf Gegendarstellung (Kapitel VI).
8. Die Regelungen des Europäischen Übereinkommens und der Fernsehrichtlinie haben zwischenzeitlich Eingang gefunden in den Staatsvertrag der Länder über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31. August 1991, der am 1. Januar 1992 in Kraft getreten ist (u.a. BayGVBl. 1991, S. 451).
II.
1. Die Bayerische Staatsregierung beantragt festzustellen, daß die Bundesregierung durch den Kabinettsbeschluß vom 8. März 1989, der EWG-Rundfunkrichtlinie grundsätzlich zuzustimmen, den Freistaat Bayern in seinen Rechten aus Art. 30 GG verletzt habe (Antrag Nr. 1). Später hat sie ihren Feststellungsantrag auf die von der Bundesregierung am 3. Oktober 1989 erklärte Zustimmung zum Vorschlag der EWG-Fernsehrichtlinie (Antrag Nr. 2) erweitert. Sie begehrt auch festzustellen, daß die Richtlinie wegen Verstoßes gegen Art. 30 GG in Verbindung mit den föderalen Schranken des Art. 24 Abs. 1 GG als im Bereich der Bundesrepublik Deutschland und damit im Bereich des Freistaates Bayern nicht anwendbares Recht zu behandeln sei (Antrag Nr. 3a). Hilfsweise beantragt sie, den Bund zu verpflichten, gegenüber dem Freistaat Bayern anzuerkennen, daß die Richtlinie wegen Verstoßes gegen Art. 30 GG in Verbindung mit den föderalen Schranken des Art. 24 Abs. 1 GG im Bereich der Bundesrepublik Deutschland und damit im Bereich des Freistaates Bayern nicht anwendbar sei (Antrag Nr. 3b). Zugleich regt sie hilfsweise an, in der Entscheidungsformel über die Anträge Nr. 1 oder 2 gemäß § 69 in Verbindung mit § 67 Satz 3 BVerfGG auszusprechen, daß Art. 24 Abs. 1 GG nicht einen Inhalt des Gemeinschaftsrechts decke, wie er der Fernsehrichtlinie innewohne. Im einzelnen führt die Bayerische Staatsregierung aus:
a) Als Klageart komme ein Bund-Länder-Streit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 oder Nr. 4 GG in Betracht.
aa) Der Kabinettsbeschluß vom 8. März 1989 stelle eine angreifbare Maßnahme im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG i.V.m. §§ 64, 69 BVerfGG dar. Mit ihm habe sich die Bundesregierung dafür entschieden, dem Richtlinienvorschlag unter den genannten Voraussetzungen zuzustimmen, wobei sie in ihrem verfassungsrechtlichen Verhältnis zu den Ländern für sich eine Kompetenz beansprucht habe, die ihr nicht zukomme. Durch die spätere Zustimmung zu der Richtlinie sei das Rechtsschutzinteresse nicht entfallen.
bb) Ebenso sei der Antrag Nr. 2 im Bund-Länder-Streit zulässig. Auch wenn sich das Zustimmungsverhalten der Bundesregierung verfahrensmäßig auf supranationales Recht stütze, enthebe sie dies nicht der Pflicht, innerstaatlich die verfassungsmäßigen Rechte der Länder zu wahren.
cc) Die Anträge Nr. 3 a) und b) seien gemäß der ersten Alternative des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG zulässig. Auch wenn sich der Antrag Nr. 3 a) noch nicht auf eine "Maßnahme" beziehe, sei dieser Rechtsweg gegeben, da Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG einen umfassenden Auffangtatbestand für alle öffentlich- rechtlichen Streitigkeiten im Bund-Länder-Verhältnis enthalte, das Feststellungsbegehren unzweifelhaft verfassungsrechtlichen Charakter trage, es jedoch in Ermangelung einer Maßnahme an der Verfügbarkeit eines anderen Rechtsweges fehle. Mit dem Hilfsantrag Nr. 3 b) werde auf die Schwierigkeit reagiert, daß § 72 BVerfGG an sich ein nicht auf eine Maßnahme bezogenes Feststellungsbegehren nicht vorsehe. Die begehrte Anerkennungserklärung sei indessen eine Leistung im Sinne des § 72 Abs. 1 Nr. 3 BVerfGG.
dd) Die Anregung werde nur hilfsweise vorgebracht, falls den Anträgen Nr. 3 a) und b) nicht entsprochen werde. Die Feststellungsanträge Nr. 1 und Nr. 2 implizierten die Verfassungswidrigkeit der Richtlinie, so daß eine vorgreifliche Rechtsfrage im Sinne des § 67 Satz 3 BVerfGG vorliege.
b) Die Bundesregierung habe schon durch den angegriffenen Kabinettsbeschluß ihre dem antragstellenden Land gegenüber bestehende Verfassungspflicht verletzt, die innerstaatliche Kompetenzordnung zu achten und gegenüber drohenden externen Beeinträchtigungen zu schützen.
aa) Ihr sei nicht über Art. 24 Abs. 1 GG die Kompetenz zugewachsen, der Rundfunkrichtlinie zuzustimmen. Die dem Bund über den EWG-Vertrag zugeflossenen zusätzlichen Kompetenzen könnten nicht über das hinausgehen, was der EWG-Vertrag in dieser Richtung selbst vorsehe und gemäß Art. 24 Abs. 1 GG vorsehen dürfe. Die Vorschrift gestatte keine Änderung der Identität der geltenden Verfassung durch Einbruch in deren konstituierende Strukturen. In jedem Fall müsse gewährleistet sein, daß den Ländern der Bundesrepublik ein Kern eigener staatlicher Aufgaben und Kompetenzen verbleibe (Art. 79 Abs. 3 GG). Würde ein Kompetenzentzug auf die Begründung gestützt, daß ein Lebensbereich "auch" eine wirtschaftliche Dimension aufweise, so wäre die Regelungskompetenz des Landesgesetzgebers dem nahezu beliebigen Zugriff Europäischer Organe geöffnet.
(1) Wenn die Bundesregierung aus den wirtschaftlichen Gehalten der Rundfunkbetätigung grundsätzlich eine umfassende Gemeinschaftskompetenz ableite, ohne diese durch eine Schwerpunktgewichtung einzuschränken, schaffe sie einen Präzedenzfall von großer Reichweite. Mit der Bekundung dieser Auffassung gebe es kein Halten mehr für die Beanspruchung auch aller weiteren, der bisherigen Länderkompetenz unterfallenden Materien durch die Gemeinschaft, wenn und soweit diese Materien nur eine ökonomische Seite aufwiesen. Dies aber sei nahezu überall der Fall. Den föderalen Strukturen des Grundgesetzes könne es indes nicht genügen, wenn eine Rechtsauffassung bestätigt werde, die allenfalls das Polizeirecht der Länder u.ä. ungeschoren lasse. Jedenfalls aufgrund dieser Wirkung stelle das Verhalten der Bundesregierung eine Mißachtung der föderalen Schranken des Art. 24 Abs. 1 GG dar. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß die additive Vorgehensweise der EG- Rechtsetzung nur in ihrer Summierung zutreffend gewertet werden könne. Schon die bisherige europarechtliche Rechtsentwicklung habe eine außerordentliche Fülle an Kompetenzeinbrüchen im Länderbereich mit sich gebracht.
(2) Auch der Ansatz der Bundesregierung, die wirtschaftliche Dimension des Rundfunks von seiner inhaltlichen Gestaltung scharf zu trennen, sei nicht angängig. Ein solches "Schubfächerdenken" eröffne praktisch jeden Lebensbereich der supranationalen Hoheitsgewalt, ohne auf die immanenten Schranken des Art. 24 Abs. 1 GG zu achten. Alle Regelungen der Richtlinie hätten vor allem rundfunkspezifischen Charakter; sie stellten eine kulturelle und gesellschaftspolitische Angelegenheit dar, die in den Bereich der Landeskompetenz falle.
(3) Die wirtschaftliche Dimension des Rundfunks möge zwar übernationale Abstimmungen erfordern, hieraus könne aber nicht geschlossen werden, daß spezifisch rundfunkrechtliche Regelungen zu Wirtschaftsrecht denaturiert werden dürften. Soweit überregional abgestimmte Normierungen nötig seien, erfordere dies keine Richtlinie; der richtige Standort sei vielmehr die Konvention des Europarates, die die Länderkompetenz wahre.
bb) Die Bundesregierung treffe aus Art. 30 GG, gegebenenfalls unter ergänzender Heranziehung des Prinzips des bundesfreundlichen Verhaltens, die Verpflichtung, dem Entstehen der die Kompetenz der Länder unmittelbar berührenden Richtlinie wirksam und nach Kräften entgegenzutreten, jedenfalls aber nicht positiv an ihr mitzuwirken. Diese Verpflichtung habe die Bundesregierung verletzt.
cc) Hilfsweise ist die Bayerische Staatsregierung der Auffassung, daß die Bundesregierung den Erfordernissen des sogenannten Bundesratsverfahrens (Art. 2 EEAG) als Konkretisierung des Prinzips des bundesfreundlichen Verhaltens nicht genügt habe. Da das Rundfunkwesen zur ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit der Länder gehöre, hätte die Bundesregierung die in der Stellungnahme des Bundesrats geltend gemachten Länderbelange nur aus unabweisbaren außen- und integrationspolitischen Gründen übergehen dürfen. Derartige unabweisbare Gründe fehlten offenkundig. Den im wesentlichen inhaltsgleichen Regelungen der Konvention des Europarats ermangele es zwar an der Möglichkeit gerichtlicher Durchsetzung; doch folge daraus nicht die Unabweisbarkeit außen- und integrationspolitischer Gründe für die Anerkennung des Regelungsbedarfs auf Gemeinschaftsebene.
dd) Bezüglich des Antrags Nr. 2 verweist die Bayerische Staatsregierung ergänzend darauf, daß die Bundesregierung der Richtlinie insgesamt, also unter Einschluß der Quotenregelungen, zugestimmt habe. Diese seien entgegen der Auffassung der Bundesregierung auch unter Einbezug der einschlägigen Protokollerklärungen nicht rechtlich unverbindlich, geschweige denn ohne jeden rechtlichen Gehalt. Selbst bei einem unterstellten Fehlen der Rechtsverbindlichkeit griffe die Gemeinschaft in die Substanz der kulturpolitischen Materie des Landes ein, weil ihr auch für solche Erklärungen die Kompetenz fehle.
Wegen des Kompetenzmangels, der auch den anderen Regelungen der Richtlinie anhafte, habe die Bundesregierung der Richtlinie nicht zustimmen dürfen. Dagegen könne sie nicht einwenden, daß sie ein gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag besseres Ergebnis erreicht habe, das näher am Grundgesetz liege. Die Bundesregierung hätte dem unzulässigen Kompetenzeinbruch der Gemeinschaftsorgane mit allen ihr zu Gebote stehenden Instrumenten begegnen müssen.
2. Auf seiten der Antragstellerin sind dem Verfahren acht weitere Bundesländer beigetreten. Sieben von ihnen beantragen mit Schriftsatz vom 31. August 1989 gleichlautend zu dem Antrag Nr. 1 und mit Schriftsatz vom 1. Juli 1990 gleichlautend zu dem Antrag Nr. 2 der Bayerischen Staatsregierung festzustellen, daß der Bund durch die gerügten Handlungen auch sie in ihren Rechten verletzt habe. Zugleich haben sie mit Schriftsatz vom 1. Juli 1990 angeregt, gemäß §§ 69, 67 Satz 3 BVerfGG auszusprechen, daß sie nicht verpflichtet seien, die EWG- Fernsehrichtlinie in innerstaatliches Recht umzusetzen. Dazu tragen die beigetretenen Länder vor:
a) Der Antrag Nr. 1 sei zulässig. In dem Kabinettsbeschluß nehme die Bundesregierung den grundsätzlichen Rechtsstandpunkt ein, bei der Setzung sekundären Gemeinschaftsrechts auch hinsichtlich rundfunkrechtlich relevanter Sachverhalte positiv mitwirken zu dürfen, obwohl solche Angelegenheiten allein der originären, für den Bund indisponiblen Rundfunkkompetenz der Länder zugewiesen seien. Auch soweit das Bundesratsverfahren nach Art. 2 EEAG in Rede stehe, liege eine Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art vor. Diese Regelung konkretisiere das grundgesetzlich vorgegebene kompetenz- und statusrechtliche Beziehungsgeflecht zwischen Bund und Ländern bei der Wahrnehmung europarechtlicher Zuständigkeiten des Bundes, die zugleich den innerstaatlichen Kompetenzbereich der Länder berührten. Sie sei aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Bundestreue abzuleiten. Der Bundesrat handele gleichsam als Treuhänder der Länder, so daß diese neben ihm ihre Rechte geltend machen könnten.
Die Zustimmung des Vertreters der Bundesregierung im Rat unterliege als Ausübung der deutschen auswärtigen Gewalt der Bindungswirkung des Art. 20 Abs. 3 GG. Hinsichtlich der Einbeziehung der Zustimmung in das vorliegende Verfahren handele es sich um eine zulässige Ergänzung der Klage. Für die Einhaltung der Sechs-Monats-Frist sei ausreichend, daß die Bayerische Staatsregierung den entsprechenden Antrag fristgerecht gestellt habe.
b) In der Sache tragen die beigetretenen Länder vor, die Bundesregierung verletze die ausschließliche Kompetenz der Länder auf dem Felde des Rundfunks (Art. 30, 70 Abs. 1 GG), wenn sie sich des Rechts berühme, positiv an Entscheidungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über eine rundfunkrechtliche Materie mitzuwirken. Entscheidend sei nicht der Inhalt der EWG-Richtlinie, sondern die Tatsache, daß der Bund förmlich das Recht in Anspruch nehme, unter Ignorierung der ausschließlichen Kompetenz der Länder sich positiv an der Setzung von sekundärem Gemeinschaftsrecht im Bereich des Rundfunks zu beteiligen. Die in Rede stehenden Maßnahmen seien nach der innerstaatlichen Kompetenzverteilung allein Sache der Länder und auch nicht über Art. 24 Abs. 1 GG dem Bund zugewachsen.
c) Hilfsweise machen die beigetretenen Länder einen Verstoß gegen das Gesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte geltend. Die Bundesregierung habe von der Stellungnahme des Bundesrats nur aus unabweisbaren außen- und integrationspolitischen Gründen abweichen dürfen. Dafür sei die Bundesregierung auf dem Hintergrund der spezifisch kulturellen Dimension des Rundfunks und angesichts des fehlenden Regelungsbedarfs beweisfällig geblieben.
3. Die Bundesregierung beantragt, die gleichlautenden Anträge der Bayerischen Staatsregierung und der beigetretenen Länder zu Nr. 1 als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen, und festzustellen, daß sie durch den Kabinettsbeschluß vom 8. März 1989 bezüglich der EWG- Rundfunkrichtlinie den Freistaat Bayern und die beigetretenen Länder in deren Rechten aus Art. 30 GG nicht verletzt habe. Weiterhin beantragt sie, den Antrag der Bayerischen Staatsregierung zu Nr. 2 als unbegründet zurückzuweisen und die gleichlautenden Anträge der beigetretenen Länder als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen, und festzustellen, daß sie durch ihr Abstimmungsverhalten am 3. Oktober 1989 im Rat der EG bezüglich des Vorschlages einer Fernsehrichtlinie den Freistaat Bayern und die beigetretenen Länder in ihren Rechten aus Art. 30 GG nicht verletzt habe. Schließlich beantragt die Bundesregierung, die Anträge der Bayerischen Staatsregierung zu Nr. 3 a) und b) als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
a) Die Anträge der Bayerischen Staatsregierung seien unzulässig.
aa) Es sei schon zweifelhaft, ob das Feststellungsbegehren nach dem Antrag zu Nr. 1 Gegenstand eines Bund-Länder-Streits sein könne oder im Organstreit, in dem die Länder allerdings nicht antragsberechtigt seien, verfolgt werden müsse. Der Kabinettsbeschluß führe wohl noch nicht zu einer Rechtsbeeinträchtigung. Außerdem stelle er mangels Außenwirkung keine Maßnahme dar. Auf eine Verletzung des Gesetzes zur Einheitlichen Europäischen Akte könnten sich die Länder nicht berufen. Fraglich sei, ob durch das Bundesratsverfahren eine unmittelbar gegenüber den Ländern bestehende Verfassungspflicht des Bundes konkretisiert werde.
bb) Der Antrag zu Nr. 2 sei aus den gleichen Gründen unzulässig. Bezüglich der beigetretenen Länder komme hinzu, daß deren Antrag nicht innerhalb der Sechs-Monats-Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG gestellt worden sei. Es gebe vorliegend keinen Grund, auf die Einhaltung der Frist zu verzichten. Die Länder seien nicht dem Antrag Bayerns beigetreten, sondern hätten eigene Anträge gestellt, in denen es um die Verletzung ihrer eigenen Rechte gehe. Auch handele es sich nicht um den gleichen Verfahrensgegenstand wie in dem Antrag zu Nr. 1.
cc) Die Anträge zu Nr. 3 a) und b) der Bayerischen Staatsregierung stellten eine Klageerweiterung dar, der widersprochen werde. Sie seien nicht sachdienlich und verletzten legitime Interessen der Bundesregierung.
b) Die Bundesregierung hält die Anträge zu Nr. 1 und Nr. 2 auch für unbegründet.
aa) Der Kabinettsbeschluß vom 8. März 1989 und das Abstimmungsverhalten am 3. Oktober 1989 im Rat der EG verletzten die Länder nicht in deren Rechten aus Art. 30 GG; sie fänden ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 32 Abs. 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 GG.
(1) Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft habe durch die Richtlinie nur in solchen Bereichen verbindliches Recht gesetzt, in denen sie nach dem EWG-Vertrag die Kompetenz habe. Bezüglich der Regelungen über Werbung (einschließlich Sponsoring), Jugendschutz und Gegendarstellungsrecht beruhe die Kompetenz der Gemeinschaft - auch nach der eindeutigen und hier maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs - auf Art. 59 ff. EWG-Vertrag. Der Inhalt der Richtlinie sei insoweit auf Harmonisierung ausgerichtet. Der EWG-Vertrag enthalte zwar keine ausdrückliche Zuweisung einer Kompetenz zur Regelung des Lebenssachverhaltes "grenzüberschreitendes Fernsehen". Er sei jedoch funktional auf die Beseitigung von Beschränkungen des innergemeinschaftlichen Verkehrs bezogen. Die Richtlinie diene der Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 59 ff. des Vertrages. Die Einordnung der Fernsehsendungen als Dienstleistungen sei möglich, weil es sich um entgeltliche Leistungen handele. Auch sei ein Regelungsbedarf für die Richtlinie vorhanden. Die nationalen Regelungen in den zu koordinierenden Bereichen seien nicht kompatibel. Im übrigen stimmten die Regelungen inhaltlich mit denjenigen der Europarats-Konvention überein, der die Länder zugestimmt hätten.
(2) Die Bundesregierung sei in Übereinstimmung mit den Ländern der Ansicht, daß die EG zur Festsetzung von verbindlichen Quoten keine Kompetenz habe. Die jetzigen Regelungen seien jedoch unter Berücksichtigung der Protokollerklärungen für die Mitgliedstaaten rechtlich nicht verbindlich und auch nicht justitiabel; sie entfalteten lediglich politische Wirkung. Eine lediglich politische Verpflichtung auf die Quotenregelung sei der Bundesregierung nicht verwehrt gewesen.
(3) Die Richtlinie regele nicht die Struktur der innerstaatlichen Rundfunkordnung und nicht die Anforderungen an Programme. Die Vorschriften über die Werbezeiten beeinflußten zwar die Finanzierung der Fernsehtätigkeit, berührten aber die in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Regelungen nur marginal. Bei einer so gestalteten Richtlinie könne der Bundesregierung nicht der Vorwurf gemacht werden, sie habe die Grenzen der auf die EWG übertragenen Kompetenzen verkannt.
(4) Verbindliches Recht sei nur in solchen Bereichen gesetzt worden, in denen die Länder nach der innerstaatlichen Kompetenzverteilung nicht die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit hätten. Das Rundfunkwesen könne nicht als einheitlicher unteilbarer Block begriffen werden, der ausschließlich und ohne jede Einschränkung der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterstehe. Zwar falle unstreitig der Kernbereich rundfunkrechtlicher Regelungen in die Zuständigkeit der Länder. Daneben könne aber der Bund in Randbereichen im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz Bestimmungen erlassen. Die Regelungen über Werbung (einschließlich Sponsoring), Jugendschutz und Gegendarstellungsrecht berührten nicht den Kernbereich des Rundfunkwesens und damit nicht den Bereich ausschließlicher Gesetzgebungskompetenz der Länder. Die Vorschriften über die Werbung dienten nicht der Finanzierung des Rundfunks, sondern nur der Vermeidung von Werbeexzessen, wie sie etwa durch die Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb allgemein verbindlich festgelegt worden seien.
Außerdem ergebe sich aus der internationalen Verbreitung von Rundfunk ein von den nationalen Rechtsordnungen nicht abgedeckter und auch nicht abdeckbarer Regelungsbedarf. Dieser könne nicht durch Rechtsetzungsakte der Länder befriedigt werden, sondern bedürfe einer Regelung auf supra- oder internationaler Ebene. Für das Erreichen dieses Ziels sei nach Art. 32 Abs. 1 GG ausschließlich der Bund zuständig.
bb) Hilfsweise trägt die Bundesregierung vor, daß auch im Falle einer ausschließlichen Kompetenz der Länder ihr Handeln nach Art. 32 Abs. 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 GG gerechtfertigt sei.
Art. 24 Abs. 1 GG ermächtige dazu, Hoheitsrechte - auch solche der Länder - auf zwischenstaatliche Einrichtungen zu übertragen. Dem Gemeinschaftsrecht komme Geltungs- und Anwendungsvorrang vor deutschem Recht zu. Grenze einer Übertragung von Hoheitsrechten sei zwar, daß die Identität der geltenden Verfassungsordnung in der Bundesrepublik Deutschland nicht durch Einbruch in ihr Grundgefüge, in die sie konstituierenden Strukturen aufgegeben werde. Unter Berücksichtigung der Marginalität der Regelungen für den Bereich Rundfunk könne aber nicht davon ausgegangen werden, daß die Bundesstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland ernsthaft gefährdet werde.
Selbst wenn man annähme, daß die Regelungen nicht in die Gemeinschaftskompetenz, sondern in die ausschließliche Kompetenz der Länder fielen, sei das Verhalten der Bundesregierung nicht verfassungswidrig. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft habe eine Richtlinie verabschieden wollen, die nach den Verfahrensregeln der EWG nicht der Einstimmigkeit, sondern lediglich qualifizierter Mehrheit bedurft habe. Die Bundesregierung habe durch ihr Verhandeln auf der Grundlage des angegriffenen Kabinettsbeschlusses insbesondere bei der Quotenregelung und der Definition der europäischen Werke Verbesserungen erzielt, so daß der verabschiedete Text näher am Grundgesetz liege als die vorausliegenden Fassungen.
Eine Verletzung von Pflichten des Bundes nach dem Gesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte komme nur in Betracht, wenn die Regelungen innerhalb der Gemeinschaftskompetenz lägen und zugleich in die ausschließliche Länderkompetenz fielen. Für diesen Fall sei aber das Handeln der Bundesregierung wiederum berechtigt gewesen, weil dadurch gegenüber dem ursprünglichen Entwurf verfassungsnähere Vorschriften erreicht worden seien. Die Bundesregierung habe sich über die Vorstellungen des Bundesrats hinwegsetzen dürfen, um die Rechte der Länder besser zu wahren. Im Rahmen ihrer Beurteilungsprärogative habe sie über die geeignetste Form der möglichst umfassenden Wahrung und Durchsetzung der Länderinteressen zu entscheiden.
III.
1. Zu den Anträgen haben sich der Bundesrat, der Landtag Rheinland-Pfalz, der Landtag Nordrhein-Westfalen, der Bayerische Landtag und der Bayerische Senat geäußert und sie unterstützt.
2. In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre Anträge dargestellt und ihr schriftliches Vorbringen vertieft und ergänzt.
Auf Bitte des Senats hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaft den Leiter ihres Juristischen Dienstes, Generaldirektor Jean Louis Dewost, zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung entsandt. Er hat sich insbesondere zur Kompetenz der EG für eine Quotenregelung und zur Verbindlichkeit der Quotenregelungen in der Richtlinie sowie zu den Plänen der Kommission hinsichtlich einer Revision der Richtlinie geäußert.
Außerdem hat der Senat den Sachverhalt vor und nach der mündlichen Verhandlung durch schriftliche Fragen an die Beteiligten weiter aufgeklärt.
 
B. -- I.
Die Anträge der Bayerischen Staatsregierung zu Nr. 1 und Nr. 2 sind zulässig. Ihre übrigen Anträge sind unzulässig.
1. Im Bund-Länder-Streit verfassungsrechtlicher Art (Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG) kann ein Land nach §§ 69, 64 Abs. 1 BVerfGG das Bundesverfassungsgericht anrufen, wenn es geltend macht, es sei durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Bundes in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet. Für die Zulässigkeit des Antrags genügt es, daß sich aus dem Sachvortrag des Antragstellers die Verletzung oder Gefährdung eines Rechts aus einem Bund und Land umschließenden materiellen Verfassungsrechtsverhältnis als mögliche Rechtsfolge ergibt (vgl. BVerfGE 81, 310 [329]).
2. Geht es um die Setzung von Rechtsakten der EWG, die durch ihren Anwendungsvorrang die Ausübung der innerstaatlichen Kompetenzen der Länder beschränken, so ist es nicht der europäische Rechtsakt, der als Maßnahme im Sinne der §§ 64, 69 BVerfGG dem Bund zugerechnet werden kann. Diesen zu erlassen oder nicht zu erlassen steht nicht in der Rechtsmacht des Bundes sondern in der der EWG. Die Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland in der EWG vermittelt allerdings dem Bund Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte innerhalb der Gemeinschaft und ihrer Organe. Sie stehen dem Bund auch dann zu, wenn der Rechtsakt Kompetenzen der Länder berührt. Die Wahrnehmung dieser Mitwirkungsrechte durch die Bundesregierung kann eine im Organstreit angreifbare Maßnahme sein.
3. Die Antragstellerin macht bezüglich des Rundfunks kompetentielle Rechte aus Art. 30 GG in Verbindung mit Art. 70 Abs. 1 GG geltend, denen der Bund nach den Grundsätzen bundesfreundlichen Verhaltens Rechnung zu tragen habe. Die verfahrensrechtliche Regelung des Art. 2 EEAG, die bei Regelungsvorhaben der Europäischen Gemeinschaft den Bundesrat einschaltet und die Bundesregierung nach näherer Maßgabe des Absatzes 3 verpflichtet, die Stellungnahme des Bundesrats bei den Verhandlungen zu berücksichtigen, schließt es - jedenfalls angesichts der bisher verfassungsgerichtlich ungeklärten Rechtslage - nicht aus, daß die Antragstellerin die Verletzung eigener Rechte im Bund-Länder-Streit geltend machen kann.
4. a) Danach ist der Antrag der Bayerischen Staatsregierung zu Nr. 1 zulässig. Die Bundesregierung legte sich in ihrem Beschluß vom 8. März 1989 darauf fest, der Fernsehrichtlinie bei einer "befriedigenden Gesamtlösung" zuzustimmen, falls die Quotenregelung nur als eine politische Zielvorstellung formuliert werde. Damit hat sie dem Vertreter der Bundesrepublik Deutschland im Rat eine Abstimmungsweisung erteilt. In dieser Bedeutung ist der dem Bund zuzurechnende Beschluß für das Land rechtserheblich und stellt sich deshalb als Maßnahme dar (vgl. BVerfGE 3, 12 [17]). Es erscheint auch möglich, daß der Bund damit seine ihm aus dem verfassungsrechtlichen Gebot bundesfreundlichen Verhaltens erwachsende Pflicht gegenüber dem Land verletzt hat, dessen Regelungskompetenz zu achten.
b) Auch der Antrag zu Nr. 2 ist zulässig. Er richtet sich nach seinem Wortlaut gegen die Zustimmung der Bundesregierung im Rat, sinngemäß aber gegen die Art der Wahrnehmung der Mitgliedschaftsrechte des Bundes in der EWG. Diese Art der Wahrnehmung stellt eine eigenständige rechtserhebliche Maßnahme dar, weil sie eigene, vor allem die Umsetzung des Kabinettsbeschlusses betreffende Entscheidungselemente enthält. Auch insoweit erscheint die Verletzung der Rechte des Landes möglich.
5. Der Antrag der Bayerischen Staatsregierung zu Nr. 3 a) und ihr Hilfsantrag zu Nr. 3 b) sind unzulässig. Der Bund-Länder- Streit ist durch §§ 69, 64 BVerfGG nur bei schlüssiger Darlegung eröffnet, daß das Land durch eine getroffene Maßnahme oder ein aktuelles Unterlassen bereits in seinen Rechten oder Pflichten unmittelbar gefährdet ist.
a) Die Bayerische Staatsregierung begehrt mit ihrem Antrag zu Nr. 3 a), gegenüber dem Bund die Unanwendbarkeit der Fernsehrichtlinie festzustellen, obwohl eine Maßnahme der Bundesregierung mit dem Ziel, das Land zur Umsetzung der Richtlinie zu veranlassen, weder getroffen noch überhaupt absehbar ist. Damit liegt der Antrag außerhalb des Rahmens, in dem der Bund-Länder-Streit durch §§ 69, 64 BVerfGG zugelassen ist.
b) Auch der hilfsweise gestellte Antrag, den Bund, handelnd durch die Bundesregierung, zur Anerkennung zu verpflichten, daß die Fernsehrichtlinie nicht anwendbares Recht sei, ist nicht zulässig. Es ist schon nicht erkennbar, inwiefern die Bundesregierung insoweit Rechte des Landes bereits verletzt oder unmittelbar gefährdet haben könnte.
c) Die Antragstellerin vermag den Anträgen zu Nr. 3 a) und zu Nr. 3 b) auch nicht dadurch zur Zulässigkeit zu verhelfen, daß sie sie hilfsweise auf Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG stützt. Abgesehen davon, daß auch ein Verfahren "in anderen öffentlich- rechtlichen Streitigkeiten" (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG) nach den dafür anwendbaren Vorschriften nur zulässig ist, wenn eine Maßnahme oder ein Unterlassen gegeben ist und dadurch eine Rechtsverletzung oder eine unmittelbare Rechtsgefährdung bewirkt werden kann, steht der Zulässigkeit bereits entgegen, daß das die Streitteile verbindende Rechtsverhältnis dem Verfassungsrecht angehört. Mithin ist ein Fall des Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG gegeben, der es ausschließt, dem Rechtsstreit die prozessuale Regelung des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG zu unterlegen.
II.
Entsprechend dem zu I. Dargelegten sind auch die Anträge der beigetretenen Länder zu Nr. 1 und Nr. 2 zulässig. In einem Bund-Länder-Streit sind Länder in jeder Lage des Verfahrens gemäß §§ 69, 65 Abs. 1 BVerfGG beitrittsberechtigt. Stellen sie eigene Anträge, so bemißt sich deren Zulässigkeit nach den §§ 69, 64 BVerfGG. Die Sechs-Monats-Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG findet für den Beitritt unter den hier gegebenen Bedingungen keine Anwendung. Durch die Frist soll im Verhältnis von Bund und Ländern nach Ablauf einer angemessenen Zeit Rechtsfrieden hergestellt werden. Ist jedoch ein Bund-Länder-Streit bereits anhängig, so besteht kein Anlaß, eine Beteiligung weiterer Länder an diesem Streit zu unterbinden; vielmehr besteht ein verfassungsrechtliches Interesse an einer möglichst umfassenden Darlegung und rechtlichen Bewertung des Streitstoffes. Deshalb bedarf es für den Beitritt dann nicht der Einhaltung der Sechs- Monats-Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG, wenn - wie vorliegend - die Beigetretenen sich dem - fristgemäßen - Antrag der Antragstellerin anschließen und lediglich zusätzlich die Verletzung auch ihrer eigenen Rechte festgestellt haben wollen.
III.
Den Gegenanträgen der Bundesregierung, über die Abweisung der Anträge hinaus festzustellen, daß der Bund den Freistaat Bayern und die beigetretenen Länder nicht in deren Rechten verletzt habe, kommt keine selbständige Bedeutung zu.
 
C.
Der Bund hat durch die Art, in der die Bundesregierung nach ihrem Beschluß vom 8. März 1989 beim Zustandekommen der Quotenregelung in Kapitel III der Richtlinie (89/552/EWG) des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit vom 3. Oktober 1989 (ABl EG Nr. L 298/23 vom 17. Oktober 1989) die Mitgliedschaftsrechte der Bundesrepublik Deutschland wahrgenommen hat, die Rechte des Freistaates Bayern und der beigetretenen Länder aus Art. 70 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 GG und dem Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens verletzt. Im übrigen sind die Anträge - soweit zulässig - unbegründet.
I.
Beansprucht die Europäische Gemeinschaft eine Rechtsetzungskompetenz, so ist es Sache des Bundes, die Rechte der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Gemeinschaft und ihren Organen zu vertreten. Behält das Grundgesetz die Regelung des von der Gemeinschaft beanspruchten Gegenstandes innerstaatlich dem Landesgesetzgeber vor, so vertritt der Bund gegenüber der Gemeinschaft als Sachwalter der Länder auch deren verfassungsmäßige Rechte. Geht es um das Bestehen und die Reichweite einer solchen Gemeinschaftskompetenz, so verpflichtet das Bundesstaatsprinzip den Bund, den Rechtsstandpunkt der Länder zu berücksichtigen. Beurteilungsmaßstab ist in der Zeit vor dem Inkrafttreten des Art. 23 in der Fassung des 38. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2086) Art. 70 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 GG und dem Verfassungsgrundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens.
1. Der Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens (vgl. BVerfGE 81, 310 [337 f.]) fordert, daß sowohl der Bund als auch die Länder bei der Wahrnehmung ihrer Kompetenzen die gebotene und ihnen zumutbare Rücksicht auf das Gesamtinteresse des Bundesstaates und auf die Belange der Länder nehmen. Bei der Vorbereitung von Rechtsetzungsakten der Gemeinschaft, welche die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder betreffen, folgt daraus, daß Bund und Länder eng miteinander zusammenarbeiten.
Form und Verfahren dieser Zusammenarbeit sind jedoch im Grundgesetz nur ansatzweise vorgezeichnet: Beansprucht die Europäische Gemeinschaft eine Rechtsetzungskompetenz, so ist es Sache der Bundesregierung, etwaige entgegenstehende Rechte der Bundesrepublik Deutschland zu wahren und gegenüber der Gemeinschaft sowie - im Rahmen ihrer organschaftlichen Mitwirkungsbefugnisse - innerhalb der Gemeinschaftseinrichtungen wirksam zu vertreten. Die Länder hingegen können die ihnen verfassungsrechtlich zugewiesenen Kompetenzen gegenüber den Gemeinschaftsorganen nicht selbst wahrnehmen. Wenn das Bestehen oder die Reichweite einer Gemeinschaftskompetenz zur Setzung von sekundärem Gemeinschaftsrecht streitig ist, sind sie darauf angewiesen, daß die Bundesregierung als ihr Sachwalter die ihnen durch das Grundgesetz zugewiesenen und nach dem Gemeinschaftsvertrag verbliebenen Gesetzgebungskompetenzen wirksam vertritt.
2. Um in Angelegenheiten der Gemeinschaft die Rechte der Länder gegenüber der Bundesregierung als deren Sachwalter wirksam zu wahren, haben Bund und Länder praktische Formen der Kooperation entwickelt und um der Rechtssicherheit und gegenseitigen Verläßlichkeit willen formalisiert. Dabei sind die Länder darauf bedacht, ihren Standpunkt gegenüber der Bundesregierung mit einer Stimme zu vertreten; auch der Bundesregierung ist daran gelegen, nur einem Vertreter der Länderinteressen gegenüberzustehen. Diese Anliegen führten in verschiedenen Stufen zu einem Verfahren, das es ermöglicht, den Rechtsstandpunkt der Länder im Bundesrat zu klären und durch ihn zu vertreten.
a) Soweit die Länder für die Gesetzgebung zuständig sind und Art. 32 Abs. 3 GG ihnen deswegen eine Vertragsschlußkompetenz einräumt, war von Anfang an streitig, ob diese Landeszuständigkeit eine ausschließliche ist oder dem Bund eine konkurrierende Vertragsschlußkompetenz zusteht (vgl. Grewe, Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 1988, § 77 Rn. 84 f.). Ungeachtet dessen haben Bund und Länder im sog. "Lindauer Abkommen" (abgedruckt in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 32 Rn. 45) eine Absprache getroffen, nach der vor Abschluß eines Vertrages auf Gebieten der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder "das Einverständnis der Länder herbeigeführt werden" soll, bevor die Verpflichtung völkerrechtlich verbindlich wird. Die Länder sollen "an den Vorbereitungen für den Abschluß möglichst frühzeitig, in jedem Falle rechtzeitig vor der endgültigen Festlegung des Vertragstextes beteiligt werden". Zur Wahrnehmung dieser Beteiligungsrechte ist eine Ständige Vertragskommission der Länder errichtet worden, die seit 1958 tätig ist.
b) Für Vorhaben der Gemeinschaft hat bereits das Ratifikationsgesetz zu den Römischen Verträgen vom 25. März 1957 (BGBl. II S. 753) in Art. 2 vorgesehen, daß die Bundesregierung auch den Bundesrat über die Entwicklung im Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft laufend unterrichtet. Dieses Bundesrats-Verfahren wurde nach langjährigen Verhandlungen durch das sogenannte Länderbeteiligungsverfahren ergänzt. In einem Briefwechsel zwischen dem Bundeskanzler und dem Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz (abgedruckt als Dok. 5 im Anhang bei Hrbek/Thaysen [Hrsg.], Die Deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften, 1986, S. 237) wurde festgehalten, daß bei EG-Vorhaben, soweit sie ganz oder in einzelnen Teilen in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen oder ihre wesentlichen Interessen berühren, Bund und Länder aufgrund des wechselseitigen Treueverhältnisses zu einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet seien. Der Bund erwarte, daß die Länder eine einheitliche Haltung anstreben und sich bemühen, ihren Beitrag in die außen- und integrationspolitischen Zielsetzungen und Notwendigkeiten des Bundes einzuordnen. Der Bund bemühe sich, mit den Ländern zu einem einvernehmlichen Standpunkt zu gelangen und diesen im Laufe der Verhandlungen soweit wie möglich einzubringen und durchzusetzen. Der Bund werde vom Standpunkt der Länder nur aus zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen abweichen und den Ländern die für seine abweichende Entscheidung maßgeblichen Gründe mitteilen. Betreffe die beabsichtigte Maßnahme eine ausschließliche Landeskompetenz, so werde der Bund auf Verlangen zu den Verhandlungen in den Beratungsgremien der Kommission und des Rates zwei Vertreter der Länder hinzuziehen, soweit ihm dies möglich sei.
Dieses Verfahren war auf ein jeweiliges Einvernehmen zwischen allen Ländern angelegt, begründete einen außerordentlichen Koordinationsbedarf und nutzte die institutionellen und organisatorischen Möglichkeiten des Bundesrats nicht unmittelbar. Deshalb gab es Bestrebungen der Länder, das Verfahren ihrer gegenseitigen Abstimmung in den Rahmen des Bundesrats zu verlegen (vgl. die Debatte des Bundesrats in der 564. Sitzung am 16. Mai 1986, Sten. Prot. S. 299 ff.). Sie führten zu der Regelung der Mitwirkungsrechte der Länder in einem Bundesrats-Verfahren und der Pflichten der Bundesregierung in Art. 2 EEAG:
    "(1) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundesrat unbeschadet des Artikels 2 des Gesetzes zu den Verträgen vom 25. März 1957 zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft vom 27. Juli 1957 (BGBl. II S. 753) umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft, die für die Länder von Interesse sein könnten.
    (2) Die Bundesregierung gibt vor ihrer Zustimmung bei Beschlüssen der Europäischen Gemeinschaften, die ganz oder in einzelnen Bestimmungen ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betreffen oder deren wesentliche Interessen berühren, dem Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme binnen angemessener Frist.
    (3) Die Bundesregierung berücksichtigt diese Stellungnahme bei den Verhandlungen. Soweit eine Stellungnahme ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betrifft, darf die Bundesregierung hiervon nur aus unabweisbaren außen- und integrationspolitischen Gründen abweichen. Im übrigen bezieht sie die vom Bundesrat vorgetragenen Länderbelange in ihre Abwägung ein.
    (4) Im Falle einer Abweichung von der Stellungnahme des Bundesrates zu einer ausschließlichen Gesetzgebungsmaterie der Länder und im übrigen auf Verlangen teilt die Bundesregierung dem Bundesrat die dafür maßgeblichen Gründe mit.
    (5) Ist dem Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, sind, unbeschadet der bereits bestehenden Regelungen, auf Verlangen Vertreter der Länder zu den Verhandlungen in den Beratungsgremien der Kommission und des Rates hinzuzuziehen, soweit der Bundesregierung dies möglich ist.
    (6) Einzelheiten der Unterrichtung und Beteiligung bleiben einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern vorbehalten."
Nähere Einzelheiten über die "Unterrichtung und Beteiligung des Bundesrats und der Länder" wurden in einer Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Länder vom 17. Dezember 1987 (GMBl. 1989 S. 697 [698]) festgelegt, in der sich die Vertragsparteien eingangs "zur Europäischen Einigung auf der Grundlage der Verträge über die Gründung der Europäischen Gemeinschaften einschließlich deren Folgerecht sowie zu den sich daraus ergebenden Informations- und Handlungspflichten in wechselseitigem Treueverhältnis" bekennen und deshalb eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit bei Vorhaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften vorsehen.
3. Das in Art. 2 EEAG vorgesehene Verfahren formt die Pflicht von Bund und Ländern, sich im kooperativen Bundesstaat gegenseitig zu verständigen (vgl. BVerfGE 1, 299 [315]), in bestimmter Weise aus. Wenngleich dieses Verfahren nur gesetzlich abgestützt ist und daher verfassungsrechtliche Positionen von Bund und Ländern nicht verändern kann, gewinnt es für die Ausgestaltung und Auslegung der aus dem Prinzip der Bundestreue abzuleitenden Bindung von Bund und Ländern Bedeutung. Bund und Länder sind danach gesetzlich zu einem Verfahren verpflichtet, das an allen Vorhaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft, die für die Länder von Interesse sein könnten, den Bundesrat beteiligt und diesem im Rahmen des Verfahrens die Aufgabe zuspricht, die grundgesetzlich gewährleisteten Rechte der Länder gegenüber der Bundesregierung zu wahren. Ob dadurch weitergehende Rechte einzelner Länder dem Bund gegenüber ausgeschlossen sind, vor allem wenn Länder von der im Bundesrat mehrheitlich beschlossenen Rechtsauffassung abweichen, kann hier offen bleiben. Jedenfalls hat jedes Land, soweit es um die Wahrung seiner grundgesetzlich gewährleisteten Rechte geht, einen Anspruch darauf, daß die Bundesregierung das Verfahren des Art. 2 EEAG einhält und nach den Grundsätzen der Bundestreue handhabt. Soweit Art. 2 EEAG weitergehende Rechte enthält, stehen diese nur dem Bundesrat zu.
4. Geht es um das Bestehen oder die Reichweite einer Rechtsetzungskompetenz der Europäischen Gemeinschaft für einen Gegenstand, dessen Regelung das Grundgesetz ausschließlich dem Landesgesetzgeber vorbehält, so erwachsen auf dieser Grundlage der Bundesregierung als demjenigen Staatsorgan, das die Bundesrepublik Deutschland in den jeweils zuständigen Organen der Europäischen Gemeinschaft vertritt, aus ihrer Verantwortlichkeit als Sachwalter der Länderrechte vor allem die nachstehenden prozeduralen Pflichten zu bundesstaatlicher Zusammenarbeit und Rücksichtnahme.
a) Sobald den zuständigen deutschen Stellen zuverlässige und hinreichend bestimmte Informationen über ein Regelungsvorhaben der Gemeinschaft vorliegen, wird die Bundesregierung eingehend prüfen müssen, ob die Belange des Gesamtstaates es nahelegen, daß die Bundesrepublik Deutschland das Vorhaben unterstützt, es hinnehmen kann oder ablehnen muß. Bei dieser Prüfung sind sowohl die Frage nach der innerstaatlichen Gesetzgebungskompetenz als auch nach Bestehen und Reichweite einer Gemeinschaftskompetenz zu beantworten. Der Standpunkt der Bundesregierung zur Kompetenzfrage ist je nach dem Stand der Konkretisierung des gemeinschaftsrechtlichen Regelungsvorhabens für die jeweilige Verhandlungsphase klarzustellen.
b) Die Bundesregierung hat ihren so entwickelten Rechtsstandpunkt darzulegen. Diese Darlegungspflicht bringt es mit sich, daß die Bundesregierung sich der Landeskompetenzen zu vergewissern hat. Sie begründet ihren Standpunkt und versetzt die Länder im Bundesrat dadurch in die Lage, sich mit diesem auseinanderzusetzen und die Bundesregierung durch etwaige Einwendungen und Bedenken zur Überprüfung ihrer Rechtsauffassung zu veranlassen. Dabei haben freilich auch die Länder die Bindung der Bundesrepublik Deutschland an das europäische Recht, das durch den Europäischen Gerichtshof verbindlich ausgelegt wird (vgl. BVerfGE 75, 223 [242 f.]), zu beachten.
c) Der Rechtsstandpunkt der Bundesregierung ist mit dem Bundesrat zu erörtern. Art. 2 Abs. 2 EEAG sieht ein Verfahren im Bundesrat vor, in dem jedes einzelne Land seine Rechtsauffassung darstellen und begründen kann, in dem dann aber der Rechtsstandpunkt der Länder mehrheitlich entwickelt und vertreten wird.
d) Ergibt sich aus den Erörterungen als gemeinsamer Rechtsstandpunkt von Bundesregierung und Bundesrat, daß eine Gemeinschaftskompetenz nicht besteht, so hat die Bundesregierung diesen Standpunkt bei ihrer Mitwirkung am Zustandekommen eines Rechtsaktes konsequent zu verfolgen.
aa) Es ist ihr nicht erlaubt, sich über die gemeinsame Auffassung von Bund und Ländern, daß es für die beabsichtigte Regelung ganz oder teilweise an einer Gemeinschaftskompetenz fehle, hinwegzusetzen, wenn sie glaubt, in Sachverhandlungen auf Gemeinschaftsebene einen gemeinschaftsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder immerhin mildern zu können; es hat ihr vielmehr darum zu gehen, ihn zu vermeiden. Auch die tatsächliche Möglichkeit, in Sachverhandlungen auf Gemeinschaftsebene einen Kompromiß über den Inhalt des Gemeinschaftsrechts zu erzielen, der den Vorstellungen der Länder über den sachlichen Gehalt einer Regelung der betreffenden Materie entgegenkommt, rechtfertigt es noch nicht, sich über die gemeinsame Auffassung vom Fehlen einer Gemeinschaftskompetenz hinwegzusetzen. Ebensowenig genügt die Bundesregierung ihrer Pflicht als Sachwalterin der Länderinteressen dann, wenn sie einem Rechtsakt in einer der Handlungsformen des Art. 189 EWGV in der Erwartung zustimmt, dessen rechtliche Verbindlichkeit werde durch begleitende Protokollerklärungen, einseitige Vorbehalte oder ähnliches abgeschwächt. Denn auch bei einem solchen Vorgehen wird - zumindest dem äußeren Anschein nach - eine Regelungskompetenz der Gemeinschaft zu Lasten der verfassungsrechtlichen Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder prinzipiell zugestanden und damit ein Präjudiz geschaffen, das künftig nur schwer zu entkräften ist.
Soweit ausnahmsweise zwingende außen- und integrationspolitische Gründe es der Bundesregierung bei den Verhandlungen auf Gemeinschaftsebene angezeigt erscheinen lassen, den gemeinsamen Standpunkt von Bund und Ländern zum Nachteil der Länder zu revidieren, hat sie rechtzeitig die Verständigung mit dem Bundesrat zu suchen.
bb) Andererseits ergibt sich aus Art. 2 EEAG nicht, daß die Bundesregierung sich im Falle eines von Bund und Ländern übereinstimmend angenommenen Fehlens einer Gemeinschaftskompetenz der Beteiligung an den Beratungen auf Gemeinschaftsebene gänzlich enthalten müßte oder sich in diesen Beratungen darauf zu beschränken hätte, die Verbandskompetenz der Gemeinschaft zu bestreiten. Vielmehr wird sie sich mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln für ein kompetenzgemäßes Verhalten der EWG-Organe einzusetzen und hierbei ihren Rechtsstandpunkt unmißverständlich zu vertreten haben. Äußerstenfalls wird sie - wo das Gemeinschaftsrecht eine Mehrheitsentscheidung zwar an sich zuläßt, einer solchen jedoch das Verfassungsprinzip der Bundesstaatlichkeit (Art. 79 Abs. 3 GG) entgegensteht - das aus der Gemeinschaftstreue folgende Gebot wechselseitiger Rücksichtnahme zur Geltung zu bringen haben (vgl. BVerfGE 89, 155 [184]). Kommt dennoch - gegen die Stimme der Bundesrepublik Deutschland - eine aus ihrer Sicht kompetenzrechtlich nicht gedeckte, die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder verkürzende Regelung zustande, so besteht die Pflicht der Bundesregierung fort, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln auf Gemeinschaftsebene für eine Aufhebung oder Änderung des Rechtsaktes einzutreten. Sie darf durch ihr Verhalten die Chance, durch eine Anrufung des Europäischen Gerichtshofs den eigenen Rechtsstandpunkt durchzusetzen, nicht rechtlich oder faktisch schmälern.
e) Ist das Bestehen oder die Reichweite der Gemeinschaftskompetenz streitig, so hat die Bundesregierung die gegenläufige Rechtsauffassung des Bundesrats bei der Wahrnehmung ihrer Befugnisse in und gegenüber der Gemeinschaft ernstlich zu erwägen. Kann gleichwohl ein einvernehmlicher Rechtsstandpunkt zwischen Bundesregierung und Bundesrat nicht erreicht werden, so darf die Bundesregierung - ungeachtet der Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 3 Satz 2 EEAG - von dem Rechtsstandpunkt des Bundesrats abweichen, wenn sie sich für ihre Rechtsauffassung auf eine gefestigte Vertragsauslegung des Europäischen Gerichtshofs berufen kann. Die für ihre Abweichung maßgeblichen Gründe hat sie, soweit irgend möglich, vor ihrer endgültigen Entscheidung dem Bundesrat darzulegen und mit ihm zu erörtern.
II.
Den dargelegten Anforderungen genügt der Beschluß der Bundesregierung vom 8. März 1989, nicht hingegen die Art, in der sie danach die Mitgliedschaftsrechte der Bundesrepublik Deutschland im Rat wahrgenommen hat.
1. Die gesetzliche Regelung von Leitgrundsätzen zur Sicherung der Rundfunkfreiheit fällt in die Gesetzgebungskompetenz der Länder. Rundfunk ist jedenfalls auch ein kulturelles Phänomen. Soweit kulturelle Angelegenheiten überhaupt staatlich geregelt werden können, steht die Regelungskompetenz nach Art. 70 ff. GG den Ländern zu, wenn nicht besondere Bestimmungen des Grundgesetzes Begrenzungen oder Ausnahmen zugunsten des Bundes vorsehen (vgl. BVerfGE 12, 205 [229]). Ob solche für einzelne von der Fernsehrichtlinie geregelte Materien bestehen, kann hier offen bleiben, da die Richtlinie jedenfalls in ihren Schwerpunkten Rahmenbedingungen für den Rundfunk setzt und insoweit die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder berührt.
2. Durch ihren Beschluß vom 8. März 1989 hat die Bundesregierung Rechte der Länder nicht verletzt.
a) Die Rüge der Antragsteller, die Bundesregierung lasse mit einer ausdehnenden Handhabung der Richtlinienermächtigung der Art. 66, 57 EWGV eine ins Grenzenlose weisende Regelungskompetenz für die Europäische Gemeinschaft zu, die letztlich jede grenzüberschreitende entgeltliche Leistung dem Tatbestand des "freien Dienstleistungsverkehrs" zuordne und damit auch die Regelungsmaterie "Kultur" (vgl. nunmehr Art. 128 EGV) uneingeschränkt den Ermächtigungen der Art. 59 ff. EWGV zuweise, ist im Ergebnis unbegründet.
Zwar hat die Bundesregierung darauf hinzuwirken, daß die bestimmbar festgelegten Gemeinschaftskompetenzen (vgl. BVerfGE 89, 155 [187 f., 191 ff.]) durch ihre Handhabung nicht an Voraussehbarkeit verlieren und ihre Begrenzungsfunktion einbüßen. Dabei darf die Bundesregierung im allgemeinen darauf bauen, daß der Gemeinschaftsvertrag vom Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung bestimmt ist, das nicht jede Betätigung mit wirtschaftlichem Gehalt den Regelungen des Vertrages unterwirft, vielmehr eine tatbestandlich umgrenzte Zuweisung von Aufgaben, Kompetenzen und Befugnissen voraussetzt, und daß dies grundsätzlich beachtet wird. Allerdings verpflichtet das bundesstaatliche Prinzip der Bundestreue die Bundesorgane auch, einer langfristigen Entwicklung entgegenzuwirken, bei der durch eine schrittweise ausdehnende Inanspruchnahme der Gemeinschaftskompetenzen, vor allem der sogenannten Querschnittskompetenzen, verbliebene Sachkompetenzen der Mitgliedstaaten und damit auch Länderrechte beeinträchtigt werden können.
Dem hat die Bundesregierung Rechnung getragen. Sie hat das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung im Grundsatz auch bei ihrer Mitwirkung an der Fernsehrichtlinie verfochten und insbesondere eine Regelungskompetenz der Europäischen Gemeinschaft für das Kapitel II (jetzt III) - Programmquoten - verneint (vgl. u.a. Auszug aus dem Protokoll der Ad-hoc-Gruppe vom 30./31.10.1986 [Ratsdok. Nr. 10785/86]; Note der deutschen Delegation vom 17.12.1987 an das Generalsekretariat). Sie hat die Gemeinschaftskompetenz zur Regelung von Werbung und Sponsoring in Würdigung unternehmerischer Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten deutscher Medienunternehmen gewichtet (vgl. Bericht des Bundesministers des Innern zur Haltung des Bundes vom 26.02.1988), auf eine Beschränkung der Richtlinie auf das Fernsehen - unter Ausnahme des Hörfunks - hingewirkt und sich dafür eingesetzt, daß die Qualifikation der Fernsehrichtlinie als "erster Schritt" zu einer umfassenden europäischen Medienpolitik unterblieb.
aa) Die Bundesregierung hatte im Rahmen der Verhandlungen um die Fernsehrichtlinie grundsätzlich keinen Anlaß hervorzuheben, daß sich aus der im EWG-Vertrag bezweckten Dienstleistungsfreiheit nicht eine allein mit diesem Handlungsziel zu begründende, beliebig ausdehnbare Kompetenzzuweisung für die EWG ableiten lasse. Es ist allgemein anerkannt, daß die Rechtsetzungsorgane der EWG einer ausdrücklichen Kompetenzzuweisung in den Gründungsverträgen bedürfen und nicht - wie die Legislativorgane eines Staates - aufgrund umfassender Verbands- und Organkompetenz grundsätzlich jede Materie gesetzlich regeln und auch die Regelungsform eigenverantwortlich wählen dürfen. Die Bundesregierung durfte davon ausgehen, daß die EWG die ihr "zugewiesenen" Aufgaben "nach Maßgabe des Vertrages" erfüllt (vgl. Art. 3, 4, 145, 155, 189 EWGV). Dieses Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeit bedeutet, daß die Gemeinschaftsorgane nur dort tätig werden dürfen, wo der Vertrag die Verbandskompetenz der Gemeinschaft begründet, und daß sie die jeweils vorgeschriebene Form des Rechtsaktes verwenden müssen, es sei denn, der Vertrag stellt ihnen insoweit die Wahl frei (vgl. Oppermann, Europarecht, 1991, § 6, Rn. 433; Streinz, Europarecht, 2. Aufl. 1995, Rn. 436 f.; nunmehr auch Art. E EUV und Art. 3b Abs. 1 EGV sowie BVerfGE 89, 155 [191 ff.]).
bb) Dem Beschluß der Bundesregierung liegt das Bemühen zugrunde, auch bei der Handhabung der Art. 57, 66 EWGV nicht vom Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung abzuweichen. Die Bundesregierung hat in Abstimmung mit den Ländern im EG-Rat zunächst unter Hinweis auf die Zuständigkeit der Bundesländer und deren Widerspruch gegen eine Gemeinschaftskompetenz für den Rundfunkbereich einen Vorbehalt angemeldet. Später hat sie sich eine Stellungnahme zu der Frage vorbehalten, ob sich die vorgeschlagene Rechtsgrundlage (Art. 57 Abs. 2 und Art. 66 EWGV) für die gesamte Richtlinie eigne und dies insbesondere für das Kapitel II (jetzt III) in Frage gestellt; als Alternative hat sie die Art. 100 und 235 EWGV als Ermächtigungsgrundlagen ins Gespräch gebracht, für die das Einstimmigkeitsprinzip gilt und die es der Bundesrepublik erlaubt hätten, die Länderrechte voll zur Geltung zu bringen. Außerdem hat die Bundesregierung im Laufe der weiteren Beratungen innerhalb des EG-Rates grundsätzliche Zweifel an der Zuständigkeit der Gemeinschaft für die Harmonisierung der den Rundfunk betreffenden nationalen Kulturpolitiken geäußert.
Diese Verhandlungspositionen der Bundesregierung zeigen, daß sie stets - und im Laufe der Verhandlungen mit zunehmender Verdeutlichung - auf Grenzen der aus Art. 57 Abs. 2 und 66 EWGV entnommenen Ermächtigung hingewiesen und sich um deren inhaltliche Präzisierung bemüht hat. Eine Handhabung der Dienstleistungskompetenz, die eine letztlich uferlose Regelungszuständigkeit der EWG für alle entgeltlichen grenzüberschreitenden Leistungen beansprucht, ist von der Bundesregierung niemals als Verhandlungs- oder Entscheidungsgrundlage behauptet oder anerkannt worden.
b) Die Bundesregierung konnte, ohne Rechte der Antragsteller zu verletzen, den Standpunkt einnehmen, daß eine Kompetenz der Gemeinschaft gleichermaßen für das Recht der Gegendarstellung wie zur Regelung von Werbung und Sponsoring und des Jugendschutzes bestehe; insoweit konnte sie von der Stellungnahme des Bundesrats abweichen. Für ihre rechtliche Beurteilung, daß die Verbreitung von Fernsehsendungen eine Dienstleistung sei, für die der EWG-Vertrag in Art. 59 ff. der Gemeinschaft grundsätzlich eine Regelungskompetenz einräume, konnte sich die Bundesregierung auf eine gefestigte Vertragsauslegung des Europäischen Gerichtshofs stützen. Davon ausgehend durfte sie der Auffassung sein, die grundlegende Vertragspflicht zur Schaffung eines freien Dienstleistungsverkehrs im Binnenmarkt schließe ein, daß die Gemeinschaft die Voraussetzungen für eine freie grenzüberschreitende Verbreitung von Fernsehsendungen und deren freien Empfang in allen Mitgliedstaaten herstelle und dazu eine Rechtsangleichung zumindest hinsichtlich der nationalen Vorschriften über Werbung und Sponsoring sowie über den Jugendschutz und das Recht der Gegendarstellung bei Fernsehveranstaltungen erforderlich sei. Dabei konnte die Bundesregierung berücksichtigen, daß die genannten Regelungen, obzwar für die Veranstalter von Fernsehsendungen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, den Kernbereich der Landeskompetenz zur Regelung der organisatorischen sowie politisch-kulturellen Materien des Rundfunkwesens nicht berührten.
c) Die Bundesregierung hat in ihrem Beschluß vom 8. März 1989 die Rechte der Länder auch insoweit nicht verletzt, als sie die Auffassung des Bundesrats zurückgewiesen hat, ein gemeinschaftsrechtlicher Rechtsakt sei im Rechtssinne nicht erforderlich, weil die anstehenden Regelungen vorrangig im Europaratsabkommen zu treffen seien und dieses dann auch hinreiche. Die Bundesregierung hat zwar anfangs auch die von den Ländern geäußerten Bedenken zur Erforderlichkeit einer Richtlinie aufgegriffen und auf Gemeinschaftsebene entsprechende Vorbehalte geäußert. Die Frage, ob eine rechtsverbindliche Regelung durch die Gemeinschaft neben der im Entstehen befindlichen Europaratskonvention rechtlich erforderlich ist, hat sie jedoch später - bezogen auf die Regelung von Werbung, Sponsoring, Jugendschutz und Gegendarstellung - bejaht. Dies ist im Blick auf die Rechte der Länder verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auf der Grundlage der von der Bundesregierung insoweit angenommenen grundsätzlichen Regelungskompetenz der Gemeinschaft, für die sie sich auf die Vertragsauslegung durch den Europäischen Gerichtshof berufen konnte, stellte es kein erneutes Abweichen von der Rechtsauffassung des Bundesrats dar, wenn die Bundesregierung nunmehr auch die rechtliche Erforderlichkeit einer Regelung bejahte. Vielmehr ergab sich dies angesichts des unstreitigen, auch von den Antragstellern eingeräumten Bedarfs für grenzüberschreitende Regelungen in diesem Bereich bereits aus der Erwägung, daß ein Übereinkommen des Europarats - auch wenn ihm politische Priorität eingeräumt werde, um weitere europäische Staaten einzubeziehen - eine Richtlinie schon darum nicht ersetzen könne, weil für den Europarat eine dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft vergleichbare Institution fehle, die ihre Durchsetzbarkeit sichere.
d) Hinsichtlich der Quotenregelung hielt die Bundesregierung im Beschluß vom 8. März 1989 an ihrer Auffassung fest, sie sei vom Auftrag des Art. 59, 60 EWGV nicht gedeckt. Die inhaltliche Gestaltung von Rundfunksendungen betreffe den Rundfunk als eine überwiegend kulturelle und gesellschaftspolitische Angelegenheit. Dafür habe die Europäische Gemeinschaft keine Regelungskompetenz; eine Regelung, die Quoten für Mitgliedstaaten und Rundfunkveranstalter verbindlich vorschreibe, könne sie daher nicht akzeptieren. Außerdem sehe sie in der Festlegung einer Quote auch kein geeignetes Mittel, um die auch von ihr angestrebte Förderung und Verbreitung europäischer audiovisueller Produktionen zu erreichen.
Zwar wies die Bundesregierung auch darauf hin, daß sie bei einer befriedigenden Gesamtlösung der Richtlinie zustimmen werde, falls die Quotenregelung nur als eine politische Zielvorstellung formuliert werde. Damit wich sie jedoch noch nicht in einer die Rechte der Länder verletzenden oder schon unmittelbar gefährdenden Weise von dem gemeinsamen Standpunkt in der Kompetenzfrage ab. Zum einen sah die Bundesregierung den bis dahin erarbeiteten Entwurfstext einer Quotenregelung - ungeachtet der darin zum Ausdruck kommenden abgeschwächten Verbindlichkeit der beabsichtigten Regelung - noch nicht als befriedigende Lösung an; ob sich eine solche Lösung würde erreichen lassen, war noch ungewiß. Darüber hinaus stand aber auch noch nicht fest, ob und in welcher Zuständigkeit sich die Forderung der Bundesregierung, die Quotenregelung nur als eine politische Zielvorstellung zu formulieren, verwirklichen lassen werde. Vorstellbar waren insoweit auch Lösungen, die von einer Regelung durch die EWG abgesehen und die Regelungskompetenz der Länder rechtlich unberührt gelassen hätten. Vorerst galt damit der übereinstimmende Standpunkt von Bund und Ländern in der Kompetenzfrage weiter. Der Hinweis, bei einem aus ihrer Sicht befriedigenden Verhandlungsergebnis auf Gemeinschaftsebene den gemeinsamen Standpunkt aufzugeben, konnte der Bundesregierung in diesem Stadium nur Anlaß geben, sich darauf einzustellen, aufgrund eines neuen Verhandlungsergebnisses eine neue Verständigung mit dem Bundesrat suchen zu müssen.
3. Hinsichtlich der Quotenregelung hat die Bundesregierung jedoch im weiteren durch die Art der Wahrnehmung der Mitgliedschaftsrechte der Bundesrepublik Deutschland im Rat die Rechte der Länder verletzt.
a) Die Bundesregierung hat ihren gemeinsam mit den Ländern entwickelten Rechtsstandpunkt, daß der Gemeinschaft eine Kompetenz gemäß Art. 57 Abs. 2, 66 EWGV fehle, nicht konsequent vertreten (vgl. oben I.4.d). Ihr gelang es zwar in den dem Kabinettsbeschluß folgenden Verhandlungen, die Quotenregelung teilweise zu entschärfen. So wurden auf ihr Drängen hin bei Verabschiedung des Gemeinsamen Standpunktes auf der Ratstagung am 13. April 1989 der Hörfunk aus der Richtlinie insgesamt herausgenommen und bei der Quotenregelung für deutsche Veranstalter alle Produktionen aus der DDR als europäische Werke einbezogen. Weiter wurde die Regelung der Programmquoten und damit übereinstimmend die der Produktionsquoten weitgehend dem Wortlaut des Art. 10 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens angeglichen. Eine gänzliche Streichung der Quotenregelung wurde von den Vertretern der Bundesregierung aber nicht mehr verfolgt. Nachdem die Unverbindlichkeit der Quotenregelung vor der zweiten Lesung der Richtlinie am 3. Oktober 1989 im Text nicht klargestellt werden konnte, begnügte sich der deutsche Vertreter schließlich mit bloßen Protokollerklärungen von Rat und Kommission, wonach sich die Mitgliedstaaten durch die entsprechende Regelung in der Richtlinie "politisch auf die dort vereinbarten Ziele verpflichteten".
Die Einschätzung der Bundesregierung, die Quotenregelung sei unverbindlich, ist nach Kenntnis aller Beteiligten jedenfalls fragwürdig. Für die Verbindlichkeit der Quotenregelung spricht, daß sie Teil einer Richtlinie ist, die nach Art. 189 Abs. 3 EWGV hinsichtlich des zu erreichenden Ziels stets Verbindlichkeit beansprucht und insoweit in ihrem Text keinerlei Einschränkungen enthält. Angesichts dessen erscheint es zumindest zweifelhaft, ob allein die - im Gegensatz zur Richtlinie nicht veröffentlichten - Protokollerklärungen der Richtlinie ihre Verbindlichkeit nehmen können. Für diese Zweifel spricht auch der von dem Leiter des Juristischen Dienstes der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Herrn Generaldirektor Dewost, in der mündlichen Verhandlung gegebene Hinweis, Protokollerklärungen hätten nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur eine eingeschränkte rechtliche Bedeutung und dürften insbesondere der Richtlinie nicht widersprechen. Des weiteren hat Generaldirektor Dewost ausgeführt, daß nach Auffassung der Kommission die Richtlinie selbstverständlich in allen ihren Teilen für die Mitgliedstaaten verbindlich sei und Art. 4 und 5 den Mitgliedstaaten lediglich einen großen Spielraum für die zur Erreichung der gesteckten Ziele durchzuführenden Maßnahmen lasse.
b) Nachdem die Bundesregierung trotz ihrer intensiven Verhandlungen in der Quotenfrage für ihren Standpunkt im Rat mit keinem mehrheitlichen Einvernehmen rechnen konnte und es sich konkret abzeichnete, daß allenfalls einschränkende Protokollerklärungen von Rat und Kommission zu erreichen waren, hat sie die Rechte der Länder dadurch verletzt, daß sie vor einer Entscheidung über ihr weiteres Vorgehen den Bundesrat nicht über das konkrete Verhandlungsergebnis unterrichtet und für das weitere Vorgehen nicht mit ihm eine Verständigung gesucht hat (vgl. oben I.4.d).
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