BVerfGE 96, 264 - Fraktions- und Gruppenstatus |
Zur Rechtsstellung eines Zusammenschlusses von Abgeordneten, deren Partei die Sperrklausel unter Anwendung der Grundmandatsklausel überwunden hat. |
Beschluß |
des Zweiten Senats vom 17. September 1997 |
-- 2 BvE 4/95 -- |
in dem Verfahren über die Anträge festzustellen 1. Der 13. Deutsche Bundestag hat dadurch gegen die Rechte der Antragstellerin aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 GG verstoßen, ... ... Antragstellerin: Gruppe der Abgeordneten der Partei des Demokratischen Sozialismus im 13. Deutschen Bundestag -- Bevollmächtigte: 1) Rechtsanwalt Michael Schöer, Heisstraße 18, Münster, 2) Rechtsanwalt Sigurd Warschkow, Hochstraße 39, Gladbeck, 3) Rechtsanwalt Gregor Gysi, Kleine Alexanderstraße 28a, Berlin -- Antragsgegner: 1) Deutscher Bundestag, vertreten durch die Präsidentin, Bundeshaus, Bonn, 2) Präsidentin des Deutschen Bundestages, ebenda, -- Bevollmächtigte: Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Knut Ipsen, Nevelstraße 59, Bochum --. |
Entscheidungsformel: |
Soweit sich die Anträge gegen die Präsidentin des Deutschen Bundestages richten, werden sie verworfen. Die Anträge zu 3 b) und k) werden auch insoweit verworfen, als sie sich gegen den Deutschen Bundestag richten. |
Im übrigen werden die Anträge zurückgewiesen. |
Gründe: |
A. |
Der Organstreit betrifft das von einer Gruppe von Abgeordneten des 13. Deutschen Bundestages in Anspruch genommene Recht auf Anerkennung als Fraktion sowie die Ausgestaltung ihres Status als Gruppe.
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I. |
1. Die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) erzielte bei der Wahl zum 13. Bundestag am 16. Oktober 1994 unter Anwendung der Grundmandatsklausel gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1, 2. Halbsatz des Bundeswahlgesetzes (BWG) 30 Sitze.
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2. a) In seiner ersten Sitzung am 10. November 1994 beschloß der 13. Deutsche Bundestag, die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages in der Fassung der Änderungsbekanntmachung vom 12. November 1990 (BGBl. I S. 2555) zu übernehmen (vgl. BTDrucks 13/1).
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b) In der 6. Sitzung am 24. November 1994 beschloß der Bundestag, bei der Berechnung der Stellenanteile für seine ständigen Ausschüsse das Verfahren der mathematischen Proportion nach Sainte Lague/Schepers anzuwenden und über die Entsendung der Abgeordneten der PDS in den Ältestenrat und andere Gremien noch gesondert Beschluß zu fassen (BTDrucks 13/34).
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In der 15. Sitzung am 26. Januar 1995 wählte der Bundestag die 18 Vertreter der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (zugleich Vertreter in der Versammlung der Westeuropäischen Union - WEU). Der Bundestag lehnte den Antrag der Abgeordneten der PDS ab, bei der Wahl das Zählverfahren nach Ste. Lague/Schepers anzuwenden (BTDrucks 13/322), und entschied sich stattdessen für das Höchstzahlverfahren nach d'Hondt (vgl. Plenarprotokoll 13/15 S. 860). Die deutsche Delegation ist wie folgt zusammengesetzt (in Klammern die Zahlen, die sich bei der Anwendung des Systems Ste. Lague/Schepers ergeben hätten):
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In der 21. Sitzung am 16. Februar 1995 beschloß der Bundestag auf Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. (BTDrucks 13/542):
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Für die noch durchzuführenden Wahlen und Benennungen zur Besetzung von Gremien wird das Zählverfahren Ste. Lague/Schepers angewandt.
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Führt dies nicht zu einer Wiedergabe der parlamentarischen Mehrheiten, errechnet sich die Verteilung nach d'Hondt. Dies gilt für den Vermittlungsausschuß, den Regulierungsrat beim Bundesminister für Post und Telekommunikation und die OSZE.
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Die aus jeweils 16 Mitgliedern bestehende Bundestagsbank im Vermittlungsausschuß und im Regulierungsrat beim Bundesministerium für Post und Telekommunikation ist wie folgt zusammengesetzt (in Klammern die Zahlen, die sich bei der Anwendung des Systems Ste. Lague/Schepers ergeben hätten):
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CDU/CSU: 8 (7) SPD: 6 (6) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 1 (1) F.D.P.: 1 (1) Antragstellerin: - (1) |
Für dieselbe Sitzung war auch die Wahl der vom Bundestag zu bestimmenden 32 Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses nach Art. 53a GG vorgesehen. Die Bundestagsbank setzt sich ohne Berücksichtigung der Antragstellerin sowohl nach Ste. Lague/Schepers als auch nach d'Hondt wie folgt zusammen (in Klammern die Zahlen, die sich bei Einbeziehung der Antragstellerin ergeben würden):
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CDU/CSU: 15 (15) SPD: 13 (12) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 2 (2) F.D.P.: 2 (2) Antragstellerin: - (1) |
CDU/CSU (BTDrucks 13/558): 15 SPD (BTDrucks 13/559): 12 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (BTDrucks 13/560): 2 F.D.P. (BTDrucks 13/561): 2 Abgeordnete der PDS (BTDrucks 13/571): 1 |
Die Wahlvorschläge der Fraktionen wurden angenommen, der Wahlvorschlag der Abgeordneten der PDS abgelehnt.
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c) In der 24. Sitzung am 9. März 1995 lehnte der Bundestag einen Antrag der Abgeordneten der PDS ab, sie als Fraktion gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 GOBT anzuerkennen (vgl. BTDrucks 13/724), und faßte auf Empfehlung des Ältestenrates (vgl. BTDrucks 13/684) den nachstehenden Beschluß über die Rechtsstellung der Abgeordneten der PDS im 13. Deutschen Bundestag (im folgenden: Statusbeschluß):
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1. Der Zusammenschluß von Abgeordneten der PDS wird gemäß § 10 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GOBT) als Gruppe anerkannt.
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2. Die Gruppe erhält für die 13. Wahlperiode folgende Rechte:
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a) Die Gruppe ist berechtigt, entsprechend § 12 Satz 1 GOBT ordentliche und stellvertretende Mitglieder in die Fachausschüsse zu entsenden. Die von der Gruppe entsandten Mitglieder haben die gleichen Rechte wie die von den Fraktionen entsandten Mitglieder. Ihnen stehen die einer "Fraktion im Ausschuß" in den Bestimmungen des VII. Abschnitts der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages eingeräumten Rechte zu. Soweit die Gruppe in Fachausschüssen vertreten ist, muß sie auf Verlangen entsprechend § 55 Abs. 3 GOBT in Unterausschüssen vertreten sein.
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b) Für die Berechtigung der Gruppe, Mitglieder in Untersuchungsausschüsse zu entsenden, gilt § 12 Satz 1 GOBT entsprechend; das gleiche gilt für die Berechtigung, Mitglieder in Enquete-Kommissionen zu entsenden. Soweit die Gruppe mit einem Mitglied in Enquete-Kommissionen vertreten ist, findet § 56 Abs. 2 GOBT entsprechend Anwendung.
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c) Die Gruppe kann ein Mitglied in den Ältestenrat entsenden. Das von der Gruppe entsandte Mitglied tritt zu den in § 6 Abs. 1 GOBT vorgesehenen Mitgliedern des Ältestenrates hinzu. Es hat Stimmrecht, soweit der Ältestenrat über die inneren Angelegenheiten des Bundestages beschließt. Soweit der Ältestenrat kein Beschlußorgan ist, kann Einvernehmen durch Konsens der Fraktionen hergestellt werden.
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d) Die Gruppe erhält das Recht, Gesetzentwürfe, Anträge, Entschließungsanträge sowie Große und Kleine Anfragen einzubringen. Für das Verlangen auf Beratung ihrer Gesetzentwürfe stehen der Gruppe die den Fraktionen zustehenden geschäftsordnungsrechtlichen Befugnisse zu. Die Gruppe kann die Aufsetzung ihrer Vorlagen auf die Tagesordnung gemäß § 20 Abs. 4 GOBT und die Erstattung von Zwischenberichten zu eigenen Vorlagen entsprechend § 62 Abs. 2 GOBT verlangen. Sie kann der Ausschußüberweisung ihrer Entschließungsanträge gemäß § 88 Abs. 2 Satz 1 GOBT widersprechen. Für eigene Große Anfragen hat sie die Rechte gem. §§ 101 Satz 3 und 102 Satz 2 GOBT.
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e) Der Gruppe wird das Recht zugestanden, pro Jahr eine noch festzulegende Zahl von Aktuellen Stunden zu verlangen.
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Im übrigen kann die Gruppe Geschäftsordnungsanträge sowie geschäftsordnungsrechtliche Verlangen und Widerspruchsrechte, deren Geltendmachung den Fraktionen oder fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages vorbehalten ist, dann einbringen, wenn der Antrag, das Verlangen oder der Widerspruch von mindesten 34 Mitgliedern des Bundestages unterstützt wird.
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f) Die Gruppe erhält Redezeit entsprechend ihrer Stärke im Verhältnis zu den Fraktionen des Deutschen Bundestages und nach näherer Vereinbarung im Ältestenrat.
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h) Die Gruppe erhält die für ihre parlamentarische Arbeit erforderliche finanzielle, technische und personelle Unterstützung. Hierfür werden ihr der hälftige Grundbetrag sowie der Zuschlag entsprechend ihrer Stärke einschließlich der besonderen Zuschläge für die Opposition gewährt; sie erhält für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 1994 einen ihrer Stärke entsprechenden Sondergrundbetrag und einen Anteil an den Zuschüssen für internationale Zusammenarbeit.
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Zuvor hatte der Bundestag einen Änderungsantrag der Abgeordneten der PDS (BTDrucks 13/724 Buchst. B) abgelehnt, mit dem diese die Zuerkennung verschiedener weiterer Gruppenrechte begehrt hatten.
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d) In der 35. Sitzung am 11. Mai 1995 beschloß der Bundestag die Einsetzung eines aus 11 Abgeordneten der Fraktionen bestehenden 1. Untersuchungsausschusses (BTDrucks 13/1323). In der 41. Sitzung am 1. Juni 1995 und der 44. Sitzung am 22. Juni 1995 beschloß der Bundestag die Einsetzung verschiedener Enquete-Kommissionen (BTDrucks 13/1533, 13/1532, 13/1535, 13/1762). Die Enquete-Kommissionen sind jeweils aus 11 Abgeordneten der Fraktionen und 11 Sachverständigen zusammengesetzt. Die Einsetzungsbeschlüsse sehen in allen Fällen vor, daß die Antragstellerin zusätzlich durch ein nicht stimmberechtigtes Mitglied, in den Enquete-Kommissionen auch durch einen nicht stimmberechtigten Sachverständigen mitwirken kann.
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3. Nach § 17 Abs. 1 des Abgeordnetengesetzes - AbgG - bedürfen Dienstreisen der vorherigen Zustimmung der Präsidentin. Der Ältestenrat erließ hierzu auf der Grundlage des § 17 Abs. 5 AbgG die Ausführungsrichtlinien für Reisen von Mitgliedern des Deutschen Bundestages in der Fassung vom 24. März 1977, zuletzt geändert durch Beschluß des Ältestenrates vom 5. Dezember 1991. Bei einer Entscheidung über Delegationsreisen ist nach Nr. 13 der Richtlinien das Präsidium zu beteiligen. Das Präsidium verständigte sich in seiner Sitzung am 13. Dezember 1994 auf einen Schlüssel für die Beteiligung der Fraktionen an Delegationsreisen der Ausschüsse. In einem Schreiben an die Ausschußvorsitzenden vom 20. Januar 1995 erklärte die Präsidentin des Deutschen Bundestages:
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Nach den Erfahrungen der 12. Wahlperiode, in der die Ausschüsse und Kommissionen die Zusammensetzung ihrer Delegationen bei Auslandsreisen in aller Regel einvernehmlich beschlossen haben, kann davon ausgegangen werden, daß auch in der 13. Legislaturperiode eine angemessene Beteiligung der Gruppe der PDS im Rahmen des neuen Schlüssels erreicht werden kann. Sollte sich diese Erwartung nicht bestätigen, bin ich nach Beteiligung des Präsidiums bereit, der Gruppe in Relation zur Gesamtzahl der Mitglieder des Deutschen Bundestages sowie zu den verfügbaren Mitteln von Fall zu Fall einen achten Delegationsplatz zuzugestehen.
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II. |
1. Zur Begründung der Anträge trägt die Antragstellerin im wesentlichen vor:
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a) Dadurch, daß der Bundestag § 10 Abs. 1 Satz 1 GOBT in einer Fassung verabschiedet habe, nach der der Antragstellerin der Fraktionsstatus nicht zustehe, habe er gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Abgeordneten verstoßen, der sich sowohl aus dem Abgeordnetenstatus (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) als auch aus der Wahlrechtsgleichheit (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG) ergebe. Eine Differenzierung zwischen Fraktionen und Gruppen sei nur zulässig, wenn die Funktionsfähigkeit des Bundestages dies zwingend gebiete. Der Gesetzgeber habe mit der Grundmandatsklausel klargestellt, daß er die Funktionsfähigkeit der parlamentarischen Arbeit durch die über die Erringung von Direktmandaten in den Bundestag eingezogenen Abgeordneten ebenso für gewährleistet halte wie durch die Abgeordneten einer Partei, die die Sperrklausel überwunden habe. Die Antragstellerin habe mit ihren 30 Mitgliedern die gleichen Aufgaben zu erfüllen wie eine Fraktion mit 34 Mitgliedern. Da sie die Sperrklausel nur knapp verfehlt habe, habe sie jedenfalls nach § 10 Abs. 1 Satz 2 GOBT einen Anspruch auf Anerkennung als Fraktion.
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Die Differenzierung, die der Bundestag in verschiedenen Einzelpunkten (Antragsrechte, Ausschußvorsitz, Mitgliedschaft im Ältestenrat, finanzielle Ausstattung) zwischen Fraktions- und Gruppenrechten vornehme, sei nicht erforderlich und stelle eine unangemessene Benachteiligung dar, die die Antragstellerin in ihrer Arbeitsfähigkeit beeinträchtige.
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Die Anwendung des Systems d'Hondt an Stelle des Systems Ste. Lague/Schepers bei den Wahlen zur Parlamentarischen Versammlung des Europarates, zum Vermittlungsausschuß und zum Regulierungsrat beim Bundesministerium für Post und Telekommunikation sei willkürlich. Dadurch, daß die Antragstellerin nicht im Vermittlungsausschuß vertreten sei, werde sie von wichtigen Informationen und von der Teilnahme am parlamentarischen Willensbildungsprozeß ausgeschlossen.
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Die Antragstellerin habe einen Anspruch auf Gewährung von Grundmandaten in Untersuchungsausschüssen und Enquete-Kommissionen. In diesen Gremien müßten alle oppositionellen Kräfte vertreten sein.
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Es sei willkürlich, auf die der Antragstellerin zustehende Redezeit die Regelungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 und 3 sowie Abs. 2 GOBT nicht anzuwenden. Die Antragstellerin müsse gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GOBT das Recht haben, Redezeiten von bis zu 15 Minuten auf einen Hauptredner zu konzentrieren. Bei großen Debatten müßten ihr wegen der Wichtigkeit der Sache gemäß § 35 Abs. 1 Satz 3 GOBT Redezeiten auch von mehr als 15 Minuten für einen ihrer Redner zustehen. Diese Rechte könne die Antragstellerin jedoch nicht durchsetzen, da die Redezeiten durch Konsens der Fraktionen im Ältestenrat vereinbart würden. Dagegen seien die Fraktionen in der Lage, ihre eigenen Ansprüche, etwa auf Zusammenlegung von Redezeiten, im Ältestenrat zur Geltung zu bringen.
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c) Die Antragstellerin müsse schon wegen ihrer Stärke im Gemeinsamen Ausschuß gemäß Art. 53a GG vertreten sein (vgl. BVerfGE 84, 304 [337 ff.] - nichttragende Gründe -). Der Bundestag habe im übrigen beschlossen, ihr einen Sitz in diesem Gremium zuzubilligen.
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d) Durch die in den Anträgen zu 5) bezeichneten Einsetzungsbeschlüsse habe der Bundestag den Anspruch der Antragstellerin auf vollberechtigte Mitgliedschaft im 1. Untersuchungsausschuß und in den betreffenden Enquete-Kommissionen verletzt. Die Aufgabe des Untersuchungsausschusses fordere die Opposition in besonderem Maße. Es sei daher nicht zwingend, daß die Regierungsfraktionen im Untersuchungsausschuß die Mehrheit erhielten. Im übrigen könne die umfassende Beteiligung der Opposition durch eine Erhöhung der Mitgliederzahl gesichert werden. Dadurch werde die Funktionsfähigkeit des Ausschusses nicht geschwächt. Der Anspruch der Antragstellerin auf vollberechtigte Mitgliedschaft in den Enquete-Kommissionen ergebe sich daraus, daß jede Fraktion gemäß § 56 Abs. 3 GOBT mindestens ein Mitglied in die Kommissionen entsenden könne. Erst die Zahl der weiteren Mitglieder bestimme sich nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen.
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2. Die Antragsgegner treten den Anträgen entgegen. Die Anträge seien unzulässig, soweit sie sich gegen die Antragsgegnerin zu 2) richteten. Die Antragstellerin habe lediglich Maßnahmen und Unterlassungen des Antragsgegners zu 1) angegriffen. Soweit sich die Anträge gegen den Antragsgegner zu 1) richteten, seien sie teils unzulässig, teils unbegründet. Die Antragsgegner beziehen sich insoweit im wesentlichen auf die Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 16. Juli 1991 (BVerfGE 84, 304).
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Soweit sich die Antragstellerin gegen die Versagung der Mitgliedschaft im Vermittlungsausschuß und im Regulierungsrat beim Bundesministerium für Post und Telekommunikation wende, seien die Anträge unbegründet. Ein bestimmtes Zählverfahren für die Besetzung der Bundestagsbank im Vermittlungsausschuß könne aus der Verfassung nicht abgeleitet werden. Es sei Sache des Parlaments, kraft seiner Selbstorganisationsbefugnis dasjenige Verfahren auszuwählen, das es für geeignet halte, die Spiegelbildlichkeit von Parlament und Ausschüssen zu gewährleisten. Durch das System Ste. Lague/Schepers werde die Spiegelbildlichkeit gerade nicht erreicht, weil es die Koalitionsmehrheit nicht wiedergebe. Für den Regulierungsrat gelte der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit ohnehin nicht, weil es sich hierbei um ein durch einfaches Bundesgesetz geschaffenes Organ der Exekutive handele, dessen Tätigkeit nicht in den durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten genuin parlamentarischen Bereich falle.
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Soweit sich die Antragstellerin gegen die Versagung der Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates wende, sei der Antrag unbegründet, da hier ebenfalls der - im übrigen eingehaltene - Grundsatz der Spiegelbildlichkeit nicht gelte.
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Für ein Recht auf Einräumung von Grundmandaten in Untersuchungsausschüssen und Enquete-Kommissionen fehle es an einer verfassungsrechtlichen Grundlage. Daher seien auch die Anträge zu 5) unbegründet.
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Soweit die Antragstellerin die Versagung der vollberechtigten Mitgliedschaft im Ältestenrat rüge, fehle ihr die Antragsbefugnis. Sofern der Ältestenrat nicht als Beschlußorgan tätig werde, habe er lediglich die Aufgabe, das Plenum zu entlasten. Der Umstand, daß Einvernehmen durch Konsens der Fraktionen hergestellt werden könne, berühre daher den Abgeordnetenstatus nicht.
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Soweit die Antragstellerin sich gegen die Versagung des Rechtes wende, gemäß § 35 GOBT Redezeiten für jeweils einen ihrer Redner zusammenzufassen, sei eine Verfassungsverletzung nicht schlüssig dargetan. § 35 GOBT enthalte eine solche Möglichkeit nicht; sie sei auch von Verfassungs wegen nicht geboten. Für die drei miteinander verknüpften Auffangregelungen in § 35 Abs. 1 Satz 2 - 4 GOBT bestehe ohnehin keine Anwendungsmöglichkeit, wenn - was ständig geschehe - Gestaltung und Dauer der Aussprache durch einen Bundestagsbeschluß entsprechend einer Ältestenratsvereinbarung oder unabhängig davon festgelegt würden. Für die Anwendung des § 35 Abs. 2 GOBT sei ebenfalls kein Raum, wenn - was seit vielen Wahlperioden der Fall sei - die Regierung sich an die parlamentarisch vereinbarten Redezeiten halte mit der Folge, daß ihre Reden bei den Mehrheitsfraktionen angerechnet würden.
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Soweit die Antragstellerin eine Verfassungsverletzung geltend mache, weil ihr versagt sei, an sämtlichen Reisen der Fachausschüsse des Bundestages und deren Unterausschüsse teilzunehmen, sei ihr Begehren nicht schlüssig. Die Entscheidung, die Antragstellerin bei Delegationsreisen "angemessen" zu beteiligen, stelle keine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes dar.
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Die Versagung der Mitgliedschaft im Gemeinsamen Ausschuß verletze keine Rechte der Antragstellerin. Nach Wortlaut und Sinn des Art. 53a GG setze sich die Bundestagsbank im Gemeinsamen Ausschuß nur aus Vertretern der Fraktionen zusammen. Allein der Umstand, daß der Bundestag den Wahlvorschlag der Antragstellerin auf die Tagesordnung gesetzt und darüber abgestimmt habe, bringe nicht die Rechtsauffassung zum Ausdruck, die Antragstellerin könne den 32. Sitz beanspruchen. Dieser Sitz stehe der Fraktion der SPD zu. In den Fraktionen hätten lediglich unterschiedliche Meinungen darüber bestanden, ob das Vorschlags- und Besetzungsrecht der Fraktionen voll ausgeschöpft werden solle. Zum Teil habe es die Auffassung gegeben, man könne der Antragstellerin freiwillig einen Platz einräumen.
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3. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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B. |
Die im Organstreitverfahren (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG) gestellten Anträge sind nur teilweise zulässig.
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1. Soweit sich die Anträge gegen die Antragsgegnerin zu 2) richten, sind sie insgesamt unzulässig. Die von der Antragstellerin gerügten Maßnahmen und Unterlassungen sind nur vom Deutschen Bundestag ausgegangen (vgl. BVerfGE 84, 304 [320 f.]). Gegen das Schreiben der Präsidentin des Deutschen Bundestages vom 20. Januar 1995 (betreffend die Delegationsreisen) richtet sich der Antrag zu 3 k) nicht.
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2. Soweit sich die Anträge gegen den Antragsgegner zu 1) richten, ist die Antragstellerin nur zum Teil antragsbefugt. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG muß die Antragstellerin eine Verletzung oder unmittelbare Gefährdung der ihr durch das Grundgesetz übertragenen Rechte oder Pflichten durch Maßnahmen des Antragsgegners geltend machen. Die Anträge sind zulässig, wenn nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, daß der Bundestag solche Rechte der Antragstellerin durch die beanstandeten rechtserheblichen Maßnahmen verletzt oder unmittelbar gefährdet hat (vgl. BVerfGE 94, 351 [362 f.]). Diesen Anforderungen genügen die Anträge zu 3 b) und k) nicht. Die insoweit angegriffenen Maßnahmen und Unterlassungen sind nicht rechtserheblich.
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a) Eine Maßnahme ist nicht rechtserheblich im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG, wenn sie für einen Antragsteller erst infolge eines selbständigen Umsetzungsaktes rechtliche Bedeutung erlangt (vgl. BVerfGE 94, 351 [363]). Dies ist bei der mit dem Antrag zu 3 b) angegriffenen Regelung des Statusbeschlusses der Fall, nach der der Antragstellerin das Recht zugestanden wird, pro Jahr eine noch festzulegende Zahl von Aktuellen Stunden zu verlangen. Selbst wenn unterstellt würde, daß die Antragstellerin einen Anspruch darauf hätte, eine unbegrenzte Zahl von Aktuellen Stunden verlangen zu können, so wäre dieses Recht bisher weder verletzt noch unmittelbar gefährdet. Erst durch die Festsetzung einer Höchstzahl, die bisher nicht erfolgt ist, wäre die Antragstellerin beschwert.
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b) Das Unterlassen einer Maßnahme ist nur dann rechtserheblich im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß der Antragsgegner zur Vornahme dieser Maßnahme von Verfassungs wegen verpflichtet ist. In diesem Sinne ist das mit dem Antrag zu 3 k) gerügte Unterlassen des Bundestages, im Statusbeschluß eine Bestimmung zu den Ausschußreisen vorzusehen, nicht rechtserheblich. Selbst wenn der Bundestag verpflichtet sein sollte, die Antragstellerin an allen Ausschußreisen teilnehmen zu lassen, wäre nicht erkennbar, aus welchem verfassungsrechtlichen Grund er dies in allgemeiner Form regeln müßte. Zwar ist es Aufgabe des Parlaments, sich durch die Geschäftsordnung nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG zu organisieren und in diesem Zusammenhang auch über die Arbeitsweise der Ausschüsse zu entscheiden (vgl. BVerfGE 80, 188 [219]). Der Bundestag kann dabei auch etwaige Pflichten, die er schon von Verfassungs wegen einzuhalten hat, deklaratorisch in eine Geschäftsordnungsbestimmung umsetzen. Eine Notwendigkeit dafür besteht aber nicht. Aus diesem Grund läßt sich aus dem Fehlen einer Regelung zu den Ausschußreisen auch nicht ableiten, der Bundestag wolle etwaige verfassungsrechtliche Bindungen, denen er insoweit unterliegt, in Frage stellen.
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C. |
Soweit die Anträge zulässig sind, sind sie unbegründet.
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I. |
Der vorliegende Fall bietet keine Veranlassung, von den Grundsätzen abzuweichen, die der Senat zur Rechtsstellung parlamentarischer Gruppen entwickelt hat (vgl. BVerfGE 84, 304 ff.).
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1. Durch den Beschluß vom 10. November 1994, mit dem der 13. Deutsche Bundestag die in § 10 Abs. 1 Satz 1 GOBT geregelte Fraktionsmindeststärke übernommen hat, werden Rechte der Antragstellerin nicht verletzt.
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a) Der durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete repräsentative Status der Abgeordneten des Deutschen Bundestages umfaßt das Recht auf gleiche Teilhabe am Prozeß der parlamentarischen Willensbildung (vgl. BVerfGE 84, 304 [321 f.]). Dazu gehört auch das gleiche Recht, sich mit anderen Abgeordneten zu einer Fraktion zusammenzuschließen (vgl. BVerfGE 43, 142 [149]; 70, 324 [354]; 80, 188 [218]).
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Das Recht des Bundestages nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG, sich eine Geschäftsordnung zu geben, setzt ihn in den Stand, seine Aufgaben zu erfüllen. Die Regelungen der Geschäftsordnung wirken sich notwendig immer auch als Beschränkungen der Rechte der einzelnen Abgeordneten aus (vgl. BVerfGE 84, 304 [321]). Differenzierungen zwischen Abgeordneten bedürfen jedoch stets eines besonderen rechtfertigenden Grundes (vgl. BVerfGE 93, 195 [204]).
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Ein verfassungsrechtlich tragfähiger Grund für die Festsetzung einer Fraktionsmindeststärke liegt in der Autonomie des Deutschen Bundestages, durch seine Geschäftsordnung die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu gewährleisten. Die Geschäftsordnung enthält vielfach Regelungen, die vorsehen, daß bestimmte Antragsrechte nur von einer Fraktion oder fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages ausgeübt werden können. Die Differenzierung zwischen Fraktionen und anderen Zusammenschlüssen ist gerechtfertigt, da sie der Gefahr begegnet, daß die parlamentarische Arbeit durch eine Vielzahl von - letztlich aussichtslosen - Anträgen kleiner Gruppen behindert wird.
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Ein Anspruch auf Herabsetzung der Fraktionsmindeststärke läßt sich auch nicht daraus herleiten, daß 26 Mitglieder der Antragstellerin ihr Mandat der Tatsache verdanken, daß die PDS infolge der Grundmandatsklausel mit ihren Zweitstimmen an der Sitzverteilung nach § 6 Abs. 2 BWG teilgenommen hat. Die Grundmandatsklausel verfolgt den Zweck, eine effektive Integration des Staatsvolks zu bewirken (vgl. BVerfGE 95, 408 [421]). Diesem gesetzgeberischen Zweck läuft die Entscheidung des Deutschen Bundestages, den Abgeordneten der PDS den Fraktionsstatus nicht zuzuerkennen, nicht zuwider. Die für eine Teilnahme am Prozeß der parlamentarischen Willensbildung geltenden Gleichheitsanforderungen müssen durch das Verfassungsgebot der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments eine Einschränkung erfahren. Die Entscheidung des Deutschen Bundestages wahrt den Status der Abgeordneten der PDS, Vertreter des ganzen Volkes (vgl. BVerfGE 84, 304 [332 f.]) zu sein. Die Zuerkennung und rechtliche Ausgestaltung des Gruppenstatus ermöglicht der Antragstellerin eine hinreichend effektive Teilnahme an der parlamentarischen Arbeit.
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b) Aus dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG) läßt sich für die Fraktionsmindeststärke nichts herleiten. Dieser Grundsatz betrifft weder die Stellung der Abgeordneten im Parlament noch den Status von Gruppen von Abgeordneten derselben Partei (vgl. BVerfGE 84, 304 [324 f.]).
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2. Auch der Beschluß vom 9. März 1995, mit dem der Bundestag den Antrag der Antragstellerin auf Anerkennung als Fraktion gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 GOBT abgelehnt hat, verletzt die Antragstellerin nicht in ihrem Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG. Unabhängig von der Frage, ob § 10 Abs. 1 Satz 2 GOBT nur die qualitativen Anforderungen an die Fraktionsbildung betrifft (vgl. BVerfGE 84, 304 [327]), gelten jedenfalls die Gründe, aus denen der Bundestag nicht verpflichtet war, die Fraktionsmindeststärke herabzusetzen, auch für die Anerkennung nach § 10 Abs. 1 Satz 2 GOBT. Es kommt nicht darauf an, wieviele Mandate der Antragstellerin zur Fraktionsbildung fehlen. Mit der Regelung einer Fraktionsmindeststärke verbindet sich zwangsläufig die Möglichkeit, daß ein Zusammenschluß von Abgeordneten die festgesetzte Zahl auch nur knapp verfehlt.
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3. Da der Antragstellerin kein Anspruch auf Anerkennung als Fraktion zusteht, sind die Anträge zu 1 b) und 2) gegenstandslos. Mit ihnen macht die Antragstellerin einzelne Fraktionsrechte geltend. Das ergibt sich aus einem Vergleich mit den inhaltlich gleichgerichteten Anträgen zu 3 g), die den Status der Antragstellerin als Gruppe betreffen.
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4. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch darauf, ohne die Beschränkungen der Nr. 2 Buchst. e) des Statusbeschlusses Geschäftsordnungsanträge zu stellen oder geschäftsordnungsmäßige Verlangen geltend zu machen (vgl. BVerfGE 84, 304 [330 f.]).
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5. Für einen Anspruch auf Einräumung eines Grundmandats in Untersuchungsausschüssen und Enquete-Kommissionen fehlt es an der verfassungsrechtlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 84, 304 [332, 323 f.]).
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6. Die Antragstellerin hat kein Recht auf Berücksichtigung bei der Vergabe des Vorsitzes in Ausschüssen. Sie hat auch keinen Anspruch darauf, mit den gleichen Rechten wie eine Fraktion im Ältestenrat mitzuwirken. Weder die Ausschußvorsitzenden noch der Ältestenrat haben nach der Geschäftsordnung die Aufgabe, die parlamentarische Willensbildung inhaltlich vorzuformen. Ihre Funktionen sind lediglich organisatorischer Art und unterliegen daher nicht dem Einfluß des Prinzips gleichberechtigter Teilnahme an den Aufgaben, die dem Bundestag nach dem Grundgesetz übertragen worden sind (vgl. BVerfGE 80, 188 [226 f.]; 84, 304 [328]).
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7. Der Beschluß vom 16. Februar 1995, mit dem der Bundestag den Wahlvorschlag der Antragstellerin zum Gemeinsamen Ausschuß abgelehnt hat, verletzt keine Rechte der Antragstellerin. Die Bestimmung des Begriffs der Fraktion im Sinne des Art. 53a Abs. 1 Satz 2 GG unterliegt der Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages. Die Fraktionen sind mehr als sonstige Gruppierungen in der Lage, dem Gemeinsamen Ausschuß als dem Organ, welches nach der Verfassung im Verteidigungsfall Bundestag und Bundesrat in deren wesentlichen Funktionen zu ersetzen hat, Stabilität und Durchsetzungsvermögen zu verleihen. Die Verfassung hat daher für die Besetzung der Abgeordnetenbank im Gemeinsamen Ausschuß dem Fraktionsprinzip gegenüber dem Prinzip der proportionalen Zusammensetzung den Vorrang eingeräumt (vgl. BVerfGE 84, 304 [334 ff.]). Dafür, daß der Bundestag beschlossen hätte, die Antragstellerin bei der Besetzung des Gemeinsamen Ausschusses wie eine Fraktion zu behandeln, ist nichts ersichtlich. Es kann dahingestellt bleiben, wie sich ein derartiger Beschluß auf die verfassungsmäßigen Rechte der Antragstellerin auswirken würde.
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8. Die Antragstellerin kann nicht die Zahlung des ungeteilten Fraktionsgrundbetrages verlangen (vgl. BVerfGE 84, 304 [333 f.]).
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II. |
Die Anträge zu 5) sind unbegründet.
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1. Es verletzt keine Rechte der Antragstellerin, daß ihr der Bundestag durch den Einsetzungsbeschluß vom 11. Mai 1995 die vollberechtigte Mitgliedschaft im 1. Untersuchungsausschuß versagt hat. In sachlich begründeten Fällen ist es dem Bundestag unbenommen, für Ausschüsse oder ähnliche Gremien eine Mitgliederzahl vorzusehen, die bei Anwendung der üblichen Regeln für die Sitzverteilung eine Berücksichtigung aller parlamentarischen Gruppierungen nicht ermöglicht (vgl. BVerfGE 70, 324 [364]). Bei der Abwägung zwischen den Bedürfnissen der Arbeitsfähigkeit eines Untersuchungsausschusses, der seinen Untersuchungsauftrag bis zum Ablauf der Wahlperiode erfüllen muß, und einer möglichst repräsentativen Zusammensetzung des Ausschusses steht dem Bundestag ein Gestaltungsspielraum zu.
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Für eine stimmberechtigte Mitgliedschaft der Antragstellerin im 1. Untersuchungsausschuß wäre - bei gleichzeitiger Wahrung der parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse - eine Vergrößerung des Ausschusses von 11 auf 17 Mitglieder erforderlich gewesen. Die Fraktionen haben dies mit der Begründung abgelehnt, daß aller Erfahrung nach ein kleiner Untersuchungsausschuß mit nur wenigen Mitgliedern oder nur einem Mitglied aus den einzelnen Fraktionen zügiger und effektiver seinen Auftrag erledigen könne (vgl. den Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, BTDrucks 13/1323 S. 6). Diese Erwägungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bereits der Umfang des aus 19 Punkten bestehenden Aufgabenkatalogs macht deutlich, daß der Ausschuß auf eine zügige Arbeitsweise angewiesen ist.
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2. Ebensowenig kann die Antragstellerin die vollberechtigte Mitgliedschaft in den am 1. und 22. Juni 1995 eingesetzten Enquete-Kommissionen verlangen. Dem Bundestag stand insofern bei der Festsetzung der Mitgliederzahl ein besonders weiter Gestaltungsspielraum zu, da Enquete-Kommissionen nicht unmittelbar Beschlüsse des Bundestages vorbereiten, sondern lediglich im Vorfeld der parlamentarischen Willensbildung tätig werden (vgl. BVerfGE 80, 188 [230]).
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III. |
Die Anträge zu 3 g aa) - cc) sind unbegründet.
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1. Dadurch, daß die Antragstellerin bei der Wahl der 16 Vertreter des Bundestages in den Vermittlungsausschuß am 16. Februar 1995 nicht berücksichtigt wurde, werden Rechte der Antragstellerin nicht verletzt.
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Nach Art. 42 Abs. 2 GG werden die Vertreter des Bundestages im Vermittlungsausschuß mit Mehrheit gewählt. Dabei hat der Bundestag den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit von Parlament und Ausschüssen zu beachten (vgl. BVerfGE 84, 304 [323 f.]). Da beim Wahlvorgang selbst mit Mehrheit abgestimmt wird, kann der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit nur dadurch verwirklicht werden, daß vor der Wahl nach einem bestimmten Proportionalverfahren festgelegt wird, wieviel Kandidaten die jeweilige Fraktion oder Gruppe vorschlagen kann. Der Umstand, daß auf die Antragstellerin kein Sitz im Vermittlungsausschuß entfällt, beruht darauf, daß der Bundestag sich bei der Berechnung der Sitze für das Verfahren nach d'Hondt an Stelle des sonst üblichen Verfahrens nach Ste. Lague/Schepers entschieden hat. Dies ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
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a) Bei der Umrechnung der Mitgliederzahlen der Fraktionen und Gruppen in Vorschlagsrechte läßt sich eine vollständige Gleichheit mit keinem Proportionalverfahren erreichen, da nur ganze Sitze verteilt werden können. Daher fällt die Entscheidung für das bei Gremienwahlen anzuwendende Zählsystem grundsätzlich in die autonome Entscheidungsbefugnis des Bundestages (vgl. zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Wahlrecht BVerfGE 79, 169 [170 f.]).
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Gerade der vorliegende Fall macht deutlich, daß sich nicht eindeutig entscheiden läßt, welches Zählverfahren das Gebot der Gleichbehandlung am besten verwirklicht. Einerseits schneidet die Antragstellerin im Verfahren nach d'Hondt besonders schlecht ab, weil sie danach keinen Sitz erhält. Andererseits benötigen alle Fraktionen bereits bei der Verteilung nach d'Hondt mehr als 30 Mitglieder für die Erringung eines Sitzes (CDU/CSU: 36,75; SPD: 42; BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 49; F.D.P.: 47). Die Zuteilung eines Sitzes an die Antragstellerin nach dem System Ste. Lague/Schepers würde die für einen Sitz erforderliche Mitgliederzahl zu Lasten einer Fraktion weiter erhöhen, nämlich für die CDU/CSU auf 42.
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In der Abweichung von dem üblicherweise bei der Gremienbesetzung angewandten Verfahren nach Ste. Lague/Schepers liegt keine mißbräuchliche Handhabung der Geschäftsordnungsautonomie. Wie sich aus dem Beschluß des Bundestages vom 16. Februar 1995 (BTDrucks 13/542) ergibt, wird der Wechsel des Zählsystems dadurch motiviert, daß das System nach Ste. Lague/Schepers die politischen Mehrheiten im Bundestag nicht abbildet. Bei dessen Anwendung entstünde ein Patt zwischen Koalition und Opposition (8:8), während das Verfahren nach d'Hondt bewirkt, daß die Koalitionsfraktionen mit 9 Sitzen über die Mehrheit der Bundestagsbank im Vermittlungsausschuß verfügen. Ein Wechsel des Zählsystems mit dem Ziel, die Mehrheitsverhältnisse des Plenums in der Bundestagsbank des Vermittlungsausschusses wiederzugeben, ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
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b) Das Recht der Antragstellerin, sich an der parlamentarischen Willensbildung zu beteiligen, wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß ihr die Teilnahme an den Beratungen im Vermittlungsausschuß verwehrt ist. Diese sind vertraulich (vgl. Ossenbühl, Verfahren der Gesetzgebung, in: Isensee/Kirchhof, HStR III [1988], § 63 Rn. 57). Soweit die Antragstellerin beanstandet, daß Vorschläge des Vermittlungsausschusses in bestimmten Fällen zu kurzfristig auf die Tagesordnung gesetzt worden seien, hätte eine etwaige Verletzung parlamentarischer Mitwirkungsrechte ihre rechtliche Ursache darin und nicht in der fehlenden Kenntnis des Beratungsverlaufs und der Abstimmung im Vermittlungsausschuß.
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2. Rechte der Antragstellerin werden auch nicht dadurch verletzt, daß sie bei der Wahl der jeweils 18 Vertreter des Bundestages für die Parlamentarische Versammlung des Europarates am 26. Januar 1995 und für den Regulierungsrat beim Bundesministerium für Post und Telekommunikation am 16. Februar 1995 nicht berücksichtigt wurde. Dabei kann offenbleiben, ob die Repräsentation in diesen Gremien überhaupt von dem in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Status umfaßt ist. Jedenfalls gelten für das anzuwendende Proportionalverfahren gegebenenfalls die gleichen Grundsätze wie bei der Wahl zum Vermittlungsausschuß (vgl. C. III. 1. a).
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IV. |
Der Antrag zu 3 j) ist unbegründet.
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1. Das Rederecht gehört zu den aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG abzuleitenden verfassungsmäßigen Rechten des einzelnen Abgeordneten (vgl. BVerfGE 10, 4 [12]; 60, 374 [379]; 80, 188 [218]). Üblicherweise wird die Redezeit im Bundestag begrenzt und anteilig auf die Fraktionen und Gruppen verteilt. Maßstab hierfür ist das Recht der Abgeordneten auf gleiche Teilhabe am Prozeß der parlamentarischen Willensbildung.
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Es ist Aufgabe des Parlaments, Forum für Rede und Gegenrede zu sein (vgl. BVerfGE 10, 4 [13]; 84, 304 [329]). Dem entspricht es, bei längeren Debatten die Redezeiten so aufzuteilen, daß wechselweise Redner verschiedener Auffassung zu Wort kommen. Wird die Debatte in mehreren Runden durchgeführt, legt es der Grundsatz von Rede und Gegenrede nahe, daß die Fraktionen und die Antragstellerin ihre Gesamtredezeit nicht allein in einer einzigen Runde in Anspruch nehmen. Da der Antragstellerin aufgrund ihrer geringeren Größe im Verhältnis zu den Fraktionen auch nur ein kleineres Gesamtredezeitkontingent zur Verfügung steht (Nr. 2 Buchst. f des Statusbeschlusses), führt die Aufteilung der Redezeit zu entsprechend kürzeren Redezeiten für die einzelnen Redner der Antragstellerin. Mit einer fairen und loyalen Anwendung der Geschäftsordnung (vgl. BVerfGE 1, 144 [149]; 80, 188 [219]; 84, 304 [332]) wäre es allerdings nicht vereinbar, die Redezeiten der einzelnen Abgeordneten so kurz zu bemessen, daß eine dem Debattenthema angemessene Äußerung nicht mehr möglich wäre.
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Die Geschäftsordnung räumt den Fraktionen in § 35 GOBT unter bestimmten Voraussetzungen gewisse Mindestredezeiten ein. Einzelne Abgeordnete können diese besonderen Rederechte nicht unmittelbar gegenüber dem Bundestag geltend machen. Wird auf diese Weise das Rederecht der Abgeordneten durch besondere Befugnisse der Fraktionen vermittelt, muß der Bundestag dafür Sorge tragen, daß gruppenangehörige Abgeordnete entsprechend dem Gewicht ihrer Gruppe im Parlament am Rederecht teilhaben.
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2. An diesen Maßstäben gemessen verletzt der Statusbeschluß die Antragstellerin nicht in ihren Rechten.
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a) Die Antragstellerin verlangt das Recht, "gemäß § 35 GOBT" Redezeiten zusammenfassen zu können. § 35 GOBT räumt jedoch den Fraktionen ein solches Recht nicht ein. Insofern wird die Antragstellerin gegenüber den Fraktionen nicht benachteiligt.
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aa) Aus § 35 Abs. 1 Satz 3 GOBT können die Fraktionen ein Recht auf Zusammenfassung von Redezeiten nicht ableiten.
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Grundlage für die Einräumung von Redezeiten ist § 35 Abs. 1 Satz 1 GOBT. Diese Bestimmung sieht als Regelfall vor, daß Gestaltung und Dauer der Aussprache über einen Verhandlungsgegenstand auf Vorschlag des Ältestenrates vom Bundestag festgelegt werden. Der Bundestag hat demnach die Möglichkeit, die Redezeit auf die Fraktionen, aber auch auf einzelne Redner zu verteilen und zu begrenzen. Die Fraktionen haben nach § 35 Abs. 1 Satz 3 GOBT die Möglichkeit, für einen ihrer Redner eine Redezeit bis zu 45 Minuten in Anspruch zu nehmen. Wenn § 35 Abs. 1 Satz 3 GOBT das Recht enthalten sollte, Redezeiten zusammenzufassen, würde diese Regelung den Gestaltungsspielraum einschränken, den der Bundestag nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GOBT bei der Aufteilung der Redezeit besitzt.
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Eine solche Auslegung wäre aber mit der Entstehungsgeschichte des § 35 Abs. 1 Satz 3 GOBT nicht vereinbar. Die heutige Fassung des § 35 GOBT geht auf einen Entwurf des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuß) vom 3. Dezember 1979 zurück. In der Begründung heißt es, der Geschäftsordnungsausschuß gehe davon aus, daß die Fälle, in denen der Ältestenrat nicht zu einem einmütigen Vorschlag über Gestaltung und Dauer der Aussprache über einen Verhandlungsgegenstand kommen werde, höchst selten sein würden. Dennoch halte er eine Regelung in der Geschäftsordnung für erforderlich, die in diesen Fällen bestimme, wie lange der einzelne Redner oder ein Sprecher der Fraktion reden dürfe (vgl. BTDrucks 8/3460 S. 88 f.). Wie die im weiteren Verlauf der Beratungen zur Änderung der Geschäftsordnung in § 35 Abs. 1 Satz 2 GOBT eingefügte Passage "oder beschließt der Bundestag nichts anderes" klarstellt, kann die Aufteilung der Redezeit nicht nur im Ältestenrat vereinbart, sondern auch im Plenum beschlossen werden. Nur wenn auch ein derartiger Beschluß nicht vorliegt, kann eine Fraktion das Recht aus § 35 Abs. 1 Satz 3 GOBT in Anspruch nehmen.
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bb) Auch § 35 Abs. 2 GOBT verleiht den Fraktionen nicht das Recht, Redezeiten zusammenzufassen.
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Nach Art. 43 Abs. 2 Satz 2 GG müssen die Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten im Bundestag jederzeit gehört werden. Die Inhaber dieses besonderen Rederechts sind nicht an den Beschluß des Bundestages über Gestaltung und Dauer der Aussprache gebunden. Die Geschäftsordnung des Bundestages enthält dazu in § 35 Abs. 2 GOBT eine Ausgleichsregelung. Bei Inanspruchnahme dieser Vorschrift kann ein Fraktionsredner gegebenenfalls länger reden, als es der Fraktion in der Vereinbarung des Ältestenrates oder in dem Beschluß des Plenums über die Gestaltung und Dauer der Aussprache ursprünglich gestattet war. § 35 Abs. 2 GOBT trifft aber keine Bestimmung darüber, ob insoweit die bereits durch einen Beschluß nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GOBT eingeräumte Redezeit zusammengefaßt oder der Fraktion zusätzliche Redezeit zur Verfügung gestellt wird. Dies bleibt vielmehr der Entscheidung des Bundestages im Einzelfall überlassen.
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b) Soweit § 35 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 GOBT den Fraktionen das Recht verleiht, bestimmte Mindestredezeiten für einen ihrer Redner zu beanspruchen, war der Bundestag nicht verpflichtet, die Antragstellerin mit den Fraktionen gleichzustellen.
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aa) Die Antragstellerin hat von Verfassungs wegen keinen Anspruch darauf, entsprechend § 35 Abs. 1 Satz 3 GOBT für einen ihrer Redner eine Redezeit bis zu 45 Minuten unter den gleichen Voraussetzungen wie eine Fraktion in Anspruch zu nehmen. Bei der Bemessung der Rededauer für einzelne Abgeordnete müssen Gruppen nicht in jeder Hinsicht mit den Fraktionen gleichbehandelt werden. Vielmehr darf der Bundestag dem unterschiedlichen Stärkeverhältnis der Zusammenschlüsse durch differenzierte Regelungen Rechnung tragen.
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Jedoch ist zu berücksichtigen, daß ein Redner, der für die Antragstellerin spricht, damit auch den Standpunkt anderer Abgeordneter zum Ausdruck bringt (vgl. BVerfGE 80, 188 [228]). Dies wird es unter Umständen erforderlich machen, die Redezeit über die in § 35 Abs. 1 Satz 2 GOBT für den einzelnen Redner vorgesehenen 15 Minuten zu verlängern, um eine dem Debattenthema angemessene Darstellung des Gruppenstandpunktes zu ermöglichen. Für eine solche Verlängerung bietet § 35 Abs. 1 Satz 4 GOBT eine ausreichende Grundlage.
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bb) Aus den gleichen Gründen kann es unter den Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 GOBT erforderlich sein, der Antragstellerin für einen ihrer Redner zusätzliche Redezeit einzuräumen. Jedoch kann die Antragstellerin nicht verlangen, bei der Anwendung des § 35 Abs. 2 GOBT mit den - mitgliederstärkeren - Fraktionen gleichgestellt zu werden.
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D. |
Die Entscheidung ist zu C. I. 6. und C. I. 7. mit fünf gegen zwei Stimmen, im übrigen einstimmig ergangen.
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Limbach, Graßhof, Kruis, Kirchhof, Winter, Sommer, Jentsch |