BVerfGE 103, 81 - Pofalla I
Einstimmiger
 
Beschluss
des Zweiten Senats vom 24. Januar 2001 gemäß § 24 BVerfGG
- 2 BvE 1/00 -
in dem Verfahren über den Antrag festzustellen, dass die Antragsgegnerin die Rechte des Deutschen Bundestages und der Antragstellerin aus Art. 46 Abs. 2 bis 4 GG in Verbindung mit der Bundestreue und der Verfassungsorgantreue dadurch verletzt, dass sie gegen das Land Nordrhein-Westfalen kein Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, §§ 13 Nr. 7, 68, § 69 in Verbindung mit § 64 BVerfGG wegen der Anträge des Leitenden Oberstaatsanwalts in Kleve vom 17. April 2000 und 5. Mai 2000 an den Deutschen Bundestag, die Aufhebung der Immunität des Bundestagsabgeordneten Ronald Pofalla aus Weeze betreffend, einleitet, und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, Antragstellerin: CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages, vertreten durch ihren Vorsitzenden Friedrich Merz, Platz der Republik, 11011 Berlin, - Bevollmächtigter: Prof. Dr. Christian Graf von Pestalozza, Bayernallee 12, 14052 Berlin - Antragsgegnerin: Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundeskanzler, Schloßplatz 1, 10178 Berlin.
Entscheidungsformel:
1. Der Antrag wird verworfen.
2. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
 
Gründe:
 
A.
Die Anträge betreffen die Feststellung einer Verpflichtung der Bundesregierung, gegen das Land Nordrhein-Westfalen einen Bund-Länder-Streit einzuleiten. In diesem soll geklärt werden, ob das Land verfassungsgemäß gehandelt hat, als es gegen den der CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages (Antragstellerin) angehörenden Abgeordneten Ronald Pofalla ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und Anträge zur Aufhebung der Immunität für den Vollzug von gerichtlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüssen gestellt hat.
1. Der Bundestag hat zur Handhabung des in Art. 46 Abs. 2 bis 4 GG geregelten Immunitätsrechts - nach dem Vorbild der voraufgegangenen Legislaturperioden - verfahrensrechtliche Regeln beschlossen. Zu diesen gehören u.a. die in Anlage 6 der Geschäftsordnung wiedergegebenen Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten.
Ziffer 2 a) dieser Grundsätze lautet:
    Hat der Bundestag für die Dauer einer Wahlperiode die Durchführung von Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder des Bundestages wegen Straftaten genehmigt, so ist vor der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens dem Präsidenten des Bundestages und, soweit nicht Gründe der Wahrheitsfindung entgegenstehen, dem betroffenen Mitglied des Bundestages Mitteilung zu machen; unterbleibt eine Mitteilung an das Mitglied des Bundestages, so ist der Präsident auch hiervon unter Angabe der Gründe zu unterrichten. Das Recht des Bundestages, die Aussetzung des Verfahrens zu verlangen (Artikel 46 Absatz 4 des Grundgesetzes), bleibt unberührt.
Der Bundestag hat von der Möglichkeit, die Immunität seiner Abgeordneten für die Dauer der Wahlperiode für die Durchführung von Ermittlungsverfahren wegen Straftaten generell aufzuheben, zu Beginn der Legislaturperiode - wie in den Wahlperioden zuvor - Gebrauch gemacht. In dem Beschluss (Anlage 7 GOBT) heißt es:
    1. Der Deutsche Bundestag genehmigt bis zum Ablauf dieser Wahlperiode die Durchführung von Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder des Bundestages wegen Straftaten, es sei denn, daß es sich um Beleidigungen (§§ 185, 186, 187a Abs. 1 StGB) politischen Charakters handelt.
    Das Ermittlungsverfahren darf im Einzelfall frühestens 48 Stunden nach Zugang der Mitteilung beim Präsidenten des Deutschen Bundestages eingeleitet werden. ...
    2. Diese Genehmigung umfaßt nicht
    a) die Erhebung der öffentlichen Klage wegen einer Straftat ...
Diese allgemeine Genehmigung umfasst gemäß den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren vom 1. Januar 1977 - zuletzt geändert am 21. Juli 2000 - nicht den Vollzug einer angeordneten Durchsuchung oder Beschlagnahme in dem genehmigten Verfahren. Hierfür ist eine Genehmigung im Einzelfall erforderlich.
2. Auf ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Kleve vom 17. April 2000 und nach Prüfung und mit Billigung des zuständigen Generalstaatsanwalts in Düsseldorf und des Justizministers in Nordrhein-Westfalen wurde am 30. April 2000 gegen den Abgeordneten Pofalla ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung eingeleitet. Der Bundestag machte nach Mitteilung des Schreibens der Staatsanwaltschaft vom 17. April 2000 von seinem Recht aus Art. 46 Abs. 4 GG, die Aussetzung des Verfahrens zu verlangen, keinen Gebrauch.
Am 4. Mai 2000 ordnete das Amtsgericht Kleve die von der Staatsanwaltschaft beantragten Durchsuchungen und Beschlagnahmen an. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Kleve vom 5. Mai 2000 beschloss der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung am 11. Mai 2000 einstimmig, dem Bundestag zu empfehlen, die Genehmigung zum Vollzug der gerichtlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse zu erteilen. Die Beschlussempfehlung des Ausschusses wurde vom Plenum des Bundestages am 11. Mai 2000 ohne Beratung angenommen. Die gerichtlich angeordneten Maßnahmen - wie die Durchsuchung der Wohnräume des Abgeordneten in Weeze und Berlin, seiner Büroräume in Berlin und seines Wahlkreisbüros in Kleve sowie die Durchsuchung von Wohn- und Büroräumen seiner vormaligen Ehefrau und verschiedener Kreditinstitute - wurden noch am gleichen Tag durchgeführt. Dies geschah drei Tage vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Der Abgeordnete war designierter Justizminister im "Schattenkabinett" des CDU-Spitzenkandidaten. Die Notwendigkeit der Durchsuchungsmaßnahmen zu diesem Zeitpunkt wurde von der Staatsanwaltschaft im Antragsverfahren vor dem Deutschen Bundestag mit der drohenden Verjährung begründet.
Auf die Beschwerde des Abgeordneten gegen die ihn betreffenden amtsgerichtlichen Beschlüsse vom 4. Mai 2000 stellte das Landgericht Kleve durch Beschluss vom 11. August 2000 rechtskräftig fest, dass diese rechtswidrig gewesen seien. Das Amtsgericht habe zu Unrecht den Verdacht einer Steuerhinterziehung angenommen. Die von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Ermittlungsergebnisse hätten keine Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen gerechtfertigt. Am 14. August 2000 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren wegen fehlenden Tatverdachts ein.
Am 19. September 2000 entschuldigte sich der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen beim Abgeordneten für das rechtswidrige Vorgehen seiner Behörden. Der zuständige Generalstaatsanwalt wurde in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
Am 10. Oktober 2000 brachte die CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages folgenden Antrag ein: Der Bundestag wolle beschließen, die Bundesregierung aufzufordern, einen Bund-Länder- Streit gegen das Land Nordrhein-Westfalen wegen der Verletzung der verfassungsrechtlichen Pflichten des Landes gegenüber dem Bund im Verfahren zur Aufhebung der Immunität des Abgeordneten zu betreiben. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2000 übermittelte der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU auch dem Bundeskanzler eine entsprechende Bitte.
Die Bundesregierung teilte mit Schreiben der Bundesministerin der Justiz vom 23. Oktober 2000 mit, dass sie nicht vorhabe, einen Bund-Länder-Streit vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Land Nordrhein-Westfalen einzuleiten. Am 26. Oktober 2000 lehnte auch der Bundestag den Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ab.
3. Die Antragstellerin trägt vor, die Bundesregierung sei verfassungsrechtlich verpflichtet, einen Bund-Länder-Streit gegen das Land Nordrhein-Westfalen zu beantragen. Da dieser Antrag gemäß § 69 in Verbindung mit § 64 Abs. 3 BVerfGG fristgebunden ist, seien auch die Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung gegeben.
Die Antragstellerin hält einen Bund-Länder-Streit für zulässig und begründet. Ein verfassungsrechtliches Rechtsverhältnis zwischen dem Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen ergebe sich aus Art. 46 Abs. 2 bis 4 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Bundestreue. Aus der über Art. 46 Abs. 2 bis 4 GG dem Bundestag zustehenden Kompetenz folgten Rechte und Pflichten des Bundes im Bund-Länder-Streit. Zur Wahrung dieser verfassungsrechtlich begründeten Rechte sei der Bund auf die angemessene Kooperation mit den für die Rechtspflege zuständigen Ländern angewiesen. Diese durch die Bundestreue vermittelte Kooperationsverantwortung verlange im Verfahren zur Aufhebung der Immunität eine sachgemäße Vorarbeit durch die Länder. Auf diese Weise sei gewährleistet, dass nur Anträge gestellt würden, die zur Wahrnehmung der Rechte des Bundestages aus Art. 46 Abs. 2 bis 4 GG führten. Die Verpflichtung aus dem Verfassungsrechtsverhältnis sei vorliegend verletzt worden durch ein "Verhalten aller beteiligten Einrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen, das zu den Anträgen der Staatsanwaltschaft in Kleve vom 17. April und 5. Mai 2000 geführt habe".
Die Bundesregierung sei zur Einleitung dieses Bund-Länder-Streits verfassungsrechtlich verpflichtet. Sie treffe die treuhänderische Pflicht gegenüber dem Bundestag und der Bundestagsfraktion, deren Rechte im Bund-Länder-Streit klären zu lassen und zwar unabhängig von dem Wunsch des Bundestages selbst, einen solchen Streit einzuleiten. Diese Treuhänderstellung sei insbesondere intensiviert worden durch die entsprechenden Aufforderungen der Fraktion und die Einschaltung der Bundesregierung selbst in die beanstandeten Vorgänge. Die Durchsetzung dieser Verpflichtung der Bundesregierung könne die Antragstellerin im Organstreit erreichen. Durch das Unterlassen der Bundesregierung, einen Antrag im Bund-Länder-Streit zu stellen, seien die Rechte des Bundestages und der Antragstellerin aus der Verfassungsorgantreue und dem Immunitätsrecht gemäß Art. 46 Abs. 2 bis 4 GG verletzt worden. Nur wenn die Bundesregierung den Antrag stelle, werde verfassungsgerichtlich die Frage geklärt, was die Länder in Immunitätsangelegenheiten dem Bund verfassungsrechtlich schuldeten und inwiefern das Land Nordrhein-Westfalen dem Genüge getan habe.
4. Die Antragsgegnerin hält die Anträge für unzulässig.
Die Erfolgsaussichten im Organstreitverfahren hingen von den Erfolgsaussichten des Bund-Länder-Streits ab. Dieser wäre aber unzulässig und offensichtlich unbegründet, denn es bestehe kein streitiges föderales Verfassungsrechtsverhältnis zwischen dem Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen.
 
B.
Der Antrag zur Hauptsache ist mangels eines zulässigen Angriffsgegenstandes unzulässig.
1. a) Fraktionen des Deutschen Bundestages sind im Organstreitverfahren gemäß §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG parteifähig. Sie sind befugt, im eigenen Namen auch Rechte geltend zu machen, die dem Bundestag gegenüber einem möglichen Antragsgegner zustehen können (BVerfGE 100, 266 [268]; stRspr).
b) Als Angriffsgegenstand im Organstreitverfahren kommen nur Maßnahmen oder Unterlassungen in Betracht, die rechtserheblich sind (vgl. BVerfGE 97, 408 [414]). Das Unterlassen einer Maßnahme ist nur dann rechtserheblich, wenn eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Vornahme der unterlassenen Maßnahme nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerfGE 96, 264 [277]). Fehlt es hieran, so ist der Organstreit, in dem die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Unterlassens beantragt wird, mangels eines zulässigen Angriffsgegenstandes unzulässig.
2. So liegt der Fall hier. Das gerügte Unterlassen der Bundesregierung, einen Bund-Länder-Streit gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG gegen das Land Nordrhein-Westfalen zu führen, ist nicht rechtserheblich, weil zwischen beiden keine konkrete Meinungsverschiedenheit über grundgesetzliche Rechte und Pflichten besteht. Daher kann dahingestellt bleiben, ob im Hinblick auf § 68 BVerfGG überhaupt eine treuhänderische Pflicht der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag zur Einleitung eines Bund-Länder-Streits begründet werden kann.
Aus der Verweisung des § 69 auf § 64 BVerfGG folgt, dass es sich bei den Meinungsverschiedenheiten im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG um verfassungsrechtliche Streitigkeiten handeln muss (vgl. Benda/Klein, Lehrbuch des Verfassungsprozessrechts, 1991, Rn. 987). Auch der Bund-Länder-Streit ist - wie der Organstreit - ein kontradiktorisches Verfahren, bei dem Antragsteller und Antragsgegner in einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zueinander stehen müssen, aus dem sich Rechte und Pflichten ergeben, die sie gegenseitig achten müssen und die zwischen ihnen streitig geworden sind (BVerfGE 20, 18 [23 f.]). Solche streitigen Rechte oder Pflichten aus einem materiellen Verfassungsrechtsverhältnis zwischen dem Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen lassen sich weder unmittelbar aus Art. 46 Abs. 2 bis 4 GG noch aus dem Immunitätsrecht in Verbindung mit dem Grundsatz der Bundestreue ableiten.
a) Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Bundestag als Organ des Bundes die diesem vom Grundgesetz eingeräumte Genehmigungsbefugnis in Immunitätsangelegenheiten nicht streitig gemacht. Das Land hat vielmehr das Verfahren entsprechend den Grundsätzen in Immunitätsangelegenheiten beachtet, den Bundestag pflichtgemäß von dem geplanten Ermittlungsverfahren unterrichtet und eine Genehmigung für die beabsichtigte Durchsuchung und Beschlagnahme eingeholt. Verfahrensverstöße sind von der Antragstellerin auch nicht beanstandet worden.
Ein rechtswidrig eingeleitetes Ermittlungsverfahren sowie ein rechtswidrig gestellter Antrag stellen den im Grundgesetz garantierten Genehmigungsvorbehalt des Bundestages in Immunitätsangelegenheiten grundsätzlich nicht in Frage. Die Verletzung des Straf- oder Strafverfahrensrechts spielt im Bund-Länder-Streit keine Rolle, weil es in diesem Verfahren nur darum geht, in der Verfassung festgelegte Zuständigkeiten und Kompetenzen gegeneinander abzugrenzen. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn das Land sachfremd und willkürlich den Bundestag irreführt, um die Genehmigung zum Vollzug der gerichtlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse zu erwirken. Ein solcher Missbrauch wird allerdings nicht bereits durch die Tatsache belegt, dass die staatsanwaltlichen Maßnahmen drei Tage vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gegen den damals designierten Justizminister des "Schattenkabinetts" des CDU-Spitzenkandidaten durchgeführt worden sind. Andere ausreichende Anhaltspunkte für eine bewusste Irreführung des Bundestages sind nicht vorgetragen.
b) Auch aus dem Grundsatz der Bundestreue in Verbindung mit dem Immunitätsrecht lässt sich ein den Bund und das Land Nordrhein-Westfalen verbindendes materielles Verfassungsrechtsverhältnis nicht herleiten.
Die Pflicht von Bund und Ländern zu bundesfreundlichem Verhalten folgt aus dem in Art. 20 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Bundesstaatlichkeit. Das aus diesem Prinzip abgeleitete Gebot der Kooperation konkretisiert sich in dem Verfahren und dem Stil der Verhandlungen, die zwischen dem Bund und den Ländern sowie zwischen diesen im Verfassungsleben erforderlich werden (BVerfGE 12, 205 [255]).
Das verfassungsrechtliche Gebot des bundesfreundlichen Verhaltens als solches schafft jedoch kein materielles Verfassungsrechtsverhältnis zwischen Bund und Land. Es ist akzessorischer Natur und begründet für sich allein keine selbständigen Pflichten des Bundes oder eines Landes (stRspr, jüngst BVerfGE 95, 250 [266]). Nur innerhalb eines anderweitig begründeten gesetzlichen oder vertraglichen Rechtsverhältnisses oder einer anderweitig rechtlich begründeten selbständigen Rechtspflicht kann die Regel vom bundesfreundlichen Verhalten Bedeutung gewinnen, indem sie diese anderen Rechte und Pflichten moderiert, variiert oder durch Nebenpflichten ergänzt (BVerfGE 42, 103 [117]).
Zwar brauchen diese anderweitigen selbständigen Rechte und Pflichten keineswegs verfassungsrechtlicher Natur zu sein (BVerfGE 42, 103 [117 f.]). Denn der Grundsatz der Bundestreue durchwirkt alle Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen Bund und Ländern, seien sie privat- oder verwaltungsrechtlicher Natur. Doch zur Geltendmachung in einem Bund-Länder-Streit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG eignet sich das Prinzip nur dann, wenn es im Rahmen eines verfassungsrechtlichen Verhältnisses zur Anwendung gelangt; denn der Grundsatz der Bundestreue formt nicht automatisch jedes Rechtsverhältnis, in dem er sich auswirkt, in ein verfassungsrechtliches um (vgl. Benda/Klein, aa0., S. 991; Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, in: Isensee/Kirchhof [Hrsg.], Handbuch des Staatsrechts, Bd. II, 2. Aufl. 1998, § 56 Rn. 34; Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 1991, § 9 Rn. 7).
Da der Bund-Länder-Streit nur für Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten aus der Verfassung offen steht, nicht jedoch für Auseinandersetzungen über einfachgesetzliche Rechte und Pflichten, vermag auch der Bezug zum Immunitätsrecht ein streitiges materielles Verfassungsrechtsverhältnis hier nicht zu begründen. Da der Genehmigungsvorbehalt des Parlaments respektiert worden ist und keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine bewusste Irreführung erkennbar sind, steht auch hier, soweit es um die rechtswidrige Annahme eines hinreichenden Tatverdachts geht, nur die Rücksichtnahme auf einfachgesetzliche Pflichten in Rede. Dem Bund kommt keine allgemeine Verfassungs- und Rechtsaufsicht zu. Der Bund-Länder-Streit dient wie das Organstreitverfahren dem Schutz der Rechte der Staatsorgane im Verhältnis zueinander, nicht einer allgemeinen Verfassungs- und Rechtsaufsicht (BVerfGE 100, 266 [268]).
3. Mit der Verwerfung des Antrags in der Hauptsache erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Limbach, Sommer, Jentsch, Hassemer, Broß, Osterloh, Di Fabio