BVerfGE 110, 412 - Teilkindergeld
§ 65 Abs. 2 EStG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, soweit eine Teilkindergeldregelung dann nicht vorgesehen ist, wenn ein Anspruch auf vergleichbare, aber geringere Leistungen an einem Beschäftigungsort im Ausland besteht.
 
Beschluss
des Zweiten Senats vom 8. Juni 2004
-- 2 BvL 5/00 --
in dem Verfahren zur Prüfung der Frage, ob § 65 Abs. 2 EStG gültig oder wegen Unterlassens einer Teilkindergeldregelung für Grenzgänger nach Staaten, die nicht der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum angehören, mit Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar ist -- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 28. April 1998 -- 11 K 194/96 --.
Entscheidungsformel:
§ 65 Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes in den seit dem 1. Januar 1996 geltenden Fassungen ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit eine Teilkindergeldregelung für die Fälle der Grenzgänger nicht vorgesehen ist, die eine Leistung beziehen, die in den Anwendungsbereich des § 65 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Einkommensteuergesetzes fällt.
 
Gründe:
 
A.
Die Vorlage betrifft die Frage, ob im Rahmen des Ausschlusses vom Kindergeld wegen Bezugs einer ausländischen, dem Kindergeld vergleichbaren Leistung nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) das Fehlen einer Teilkindergeldregelung in § 65 Abs. 2 EStG für die Fälle, in denen die ausländische Leistung niedriger ist, mit Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar ist.
Im Ausgangsverfahren hat ein deutscher Grenzgänger in die Schweiz in den Streitjahren 1996 und 1997 eine Kinderzulage erhalten und deshalb gemäß § 65 Abs. 1 EStG kein Kindergeld und gemäß § 65 Abs. 2 EStG kein Teilkindergeld -- auch Differenzkindergeld genannt -- bekommen. Weder er noch seine Ehefrau waren in den Streitjahren in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt.
I.
1. a) Die durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl. I S. 1250 [1276]) eingeführte, für die Jahre 1996 und 1997 geltende und bis heute im Wesentlichen unveränderte Regelung des § 65 EStG lautet auszugsweise:
    § 65
    Andere Leistungen für Kinder
    (1) Kindergeld wird nicht für ein Kind gezahlt, für das eine der folgenden Leistungen zu zahlen ist oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wäre:
    1. Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder Kinderzuschüsse aus den gesetzlichen Rentenversicherungen,
    2. Leistungen für Kinder, die im Ausland gewährt werden und dem Kindergeld oder einer der unter Nummer 1 genannten Leistungen vergleichbar sind,
    3. Leistungen für Kinder, die von einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung gewährt werden und dem Kindergeld vergleichbar sind.
    Soweit es für die Anwendung von Vorschriften dieses Gesetzes auf den Erhalt von Kindergeld ankommt, stehen die Leistungen nach Satz 1 dem Kindergeld gleich. [...]
    (2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 der Bruttobetrag der anderen Leistung niedriger als das Kindergeld nach § 66, wird Kindergeld in Höhe des Unterschiedsbetrages gezahlt, wenn er mindestens 10 DM [5 Euro] beträgt.
Die ausländischen Leistungen, die nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zum Ausschluss des Kindergeldanspruchs nach §§ 62 ff. EStG führen, müssen ihrer Art nach dem Kindergeld oder der Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder dem Kinderzuschuss aus der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar sein. Die Vergleichbarkeit der ausländischen Leistung ist nach deren Funktion zu bestimmen. Eine vergleichbare Leistung ist anzunehmen, wenn sie nach ihrem Sinn und Zweck ebenfalls dem Familienleistungsausgleich (§ 31 EStG) bzw. dem vor der Neuregelung des Jahressteuergesetzes 1996 vorwiegend so genannten Familienlastenausgleich dient. Sie muss aufgrund gesetzlicher Vorschriften gezahlt werden. Es ist ausreichend, dass die dem Kindergeld oder dem Kinderzuschlag/-zuschuss vergleichbare Leistung irgendeiner Person zusteht. (Teil-)Kindergeld wird auch dann nicht gezahlt, wenn Antragsteller nach dem Einkommensteuergesetz und Empfänger der in § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG genannten Leistungen nicht identisch sind.
b) Auch nach den Vorgängerregelungen wurde Kindergeld nicht für ein Kind gewährt, für das außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes dem Kindergeld vergleichbare Leistungen beansprucht werden konnten. Die Möglichkeit, Teilkindergeld zu erhalten, hat sich mehrfach geändert. Nach der bis zum 31. Dezember 1978 geltenden Fassung des § 8 Abs. 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG i.d.F. der Bekanntmachung vom 31. Januar 1975, BGBl. I S. 412 [414 f.], zuletzt geändert durch das Steueränderungsgesetz 1977 vom 16. August 1977, BGBl. I S. 1586 f.) konnte in den Fällen des Bezuges einer Kinderzulage, eines Kinderzuschusses oder einer dieser oder dem Kindergeld vergleichbaren ausländischen Leistung das Kindergeld zur Hälfte gewährt werden, wenn die Ausschlussleistung 75 v.H. des Kindergeldes nicht erreichte. Diese Regelung führte im Vergleich mit den unbeschränkt Kindergeldberechtigten teils zu einem wesentlich geringeren und teils zu einem deutlich höheren Lastenausgleich (vgl. Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes, BTDrucks 8/2102, S. 5). Mit der seit dem 1. Januar 1979 geltenden Fassung des § 8 Abs. 2 BKGG (Achtes Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vom 14. November 1978, BGBl. I S. 1757), die bis Ende 1995 galt, wurde angeordnet, in den Fällen, in denen der Bruttobetrag der ausländischen Leistung niedriger als das Kindergeld nach § 10 Abs. 1 BKGG war, Kindergeld in Höhe des Unterschiedsbetrages zu zahlen. Nach dieser Regelung ergaben sich -- gerade für Grenzgänger in die Schweiz -- teilweise deutliche Vorteile gegenüber den deutschen Kindergeld- und Freibetragsregelungen. Dies lag an dem Zusammenspiel gleich hoher Leistungen pro Kind im Ausland -- wie den Schweizer Kinderzulagen -- und dem in Deutschland mit steigender Kinderzahl ansteigenden Kindergeld. Während z.B. die Schweizer Kinderzulagen für erste und zweite Kinder häufig höher waren als das deutsche Kindergeld, waren sie für dritte und weitere Kinder häufig niedriger, mit der Folge, dass Grenzgänger in die Schweiz die hohen Schweizer Leistungen für die ersten beiden Kinder behalten und gleichzeitig über die Unterschiedsbeträge bezüglich der weiteren Kinder insoweit vom höheren deutschen Kindergeldniveau begünstigt waren (vgl. Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage der Abgeordneten Karin Rehbock-Zureich vom 10. Januar 1996, BTDrucks 13/3474, S. 30 ff.).
2. Der Anwendungsbereich des § 65 EStG ist begrenzt. Erwirbt ein Grenzgänger, also eine Person, die in einem Staat wohnt und in einem anderen ihre Berufstätigkeit ausübt (im Einzelnen wird der Begriff des Grenzgängers in den jeweiligen Abkommen definiert), dem Grunde nach Ansprüche in verschiedenen Staaten aus deren unterschiedlichen Systemen der sozialen Sicherheit, greift für die Frage der Konkurrenz der Ansprüche § 65 Abs. 2 EStG ein, soweit diese Norm nicht durch gemeinschaftsrechtliche oder zwischenstaatliche Kollisionsregelungen verdrängt wird. Diese Kollisionsregeln dienen insbesondere der Vermeidung von Sicherungslücken oder Übersicherungen für die einzelnen Betroffenen, die aus den materiell-rechtlichen Systemunterschieden im Kindergeldrecht verschiedener Staaten resultieren, und suchen einen angemessenen Ausgleich der Aufkommenslast für die Familienleistungen unter den verschiedenen nationalen Trägern (vgl. Eichenhofer, Internationales Sozialrecht und Internationales Privatrecht, 1.Aufl. 1987, S. 127).
Nach dem so genannten Beschäftigungslandprinzip werden Familienbeihilfen und Familienleistungen unabhängig davon, in welchem Land die Familienangehörigen leben, von dem Beschäftigungsstaat geleistet. Lediglich für den Fall der doppelten Anspruchsberechtigung aufgrund Beschäftigung kommt danach dem Wohnsitzland der Familienangehörigen Priorität zu. Diese Lösung betont die Funktion der Familienleistungen als Ergänzung des Arbeitseinkommens und orientiert sich am Leistungsniveau und den Lebenshaltungskosten des Staates, in dem der unterhaltspflichtige Verdiener arbeitet. Dem steht die Koordinierung nach dem Wohnlandprinzip gegenüber. Danach wird stärker auf die Situation des Landes abgestellt, in dem das Kind lebt (vgl. Schuler, Zwischenstaatliche und gemeinschaftsrechtliche Sozialrechtsintegration im Vergleich, EuR 1985, S. 113 [135]).
Im internationalen Recht ist die Koordinierung der Familienleistungen (ebenso wie die Koordinierung des übrigen Bereichs der Sozialen Sicherung) nach dem -- ausschließlichen -- Beschäftigungslandprinzip verbreitet. Der Anspruch auf Familienleistungen, namentlich Kindergeld, aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses geht einem Anspruch im Wohnland des Kindes, der nicht von einer Beschäftigung abhängt, vor. Für Grenzgänger ist, soweit ersichtlich, durchgehend im Wohnland auch ein Differenzkindergeld nicht zu zahlen, sondern es ist ausschließlich das Recht des Beschäftigungslandes anwendbar (vgl. unter a) bis e)). Der Ausschluss des Anspruchs im Wohnsitzstaat für die Grenzgänger schlägt grundsätzlich auch auf den Kindergeldanspruch anderer Personen durch, die für das Kind kindergeldberechtigt sind. Eine Ausnahme gilt insoweit für das supranationale Recht der Mitgliedstaaten.
a) Für Grenzgänger in EU- und EWR-Staaten kommt durch den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem einfachen Recht der Mitgliedstaaten die Ausschluss- und Teilkindergeldregelung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in Verbindung mit § 65 Abs. 2 EStG nicht zur Anwendung. Innerhalb der Europäischen Union gilt das Beschäftigungslandprinzip in Bezug auf das Kindergeld nur für die Grenzgänger selbst uneingeschränkt. Diese haben keine Ansprüche auf Differenzkindergeld im Wohnland. Solche Ansprüche auf Differenzausgleich stehen dagegen anderen Personen zu, die für dasselbe Kind aufgrund des Wohnsitzes kindergeldberechtigt sind:
Die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts setzt voraus, dass sowohl der Staat der Beschäftigung des Arbeitnehmers als auch der Staat des Wohnsitzes seiner Familienangehörigen EU-Mitgliedstaaten oder solche Staaten sind, auf die das EWR-Abkommen Anwendung findet (Art. 29 i.V.m. Anhang 6 -- Rechtsakte Nr. 1 und Nr. 2 -- des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992, BGBl. II 1993 S. 266 [271]; S. 521 [536]; i.d.F. des Anpassungsprotokolls vom 17. März 1993, BGBl. II S. 1294 f. [1300]).
Maßgeblich für die Konkurrenz der jeweiligen nationalen Ansprüche im Wohn- und im Beschäftigungsland sind die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (im Folgenden VO (EWG) 1408/71; aktualisierte Gesamtfassung in Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996, ABl. der EG Nr.  L 28 vom 30. Januar 1997, S. 1, Anhang A Teil I, S. 4), und die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 1249/92 des Rates vom 30. April 1992 (im Folgenden VO (EWG) 574/72; ebd. Anhang A Teil II, S. 106). Diese Verordnungen gelten für alle Leistungen, die auf Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit beruhen, insbesondere für Familienleistungen (Art. 4 Abs. 1 Buchstabe h der VO (EWG) 1408/71). Hierunter fällt auch das Kindergeld nach den nationalstaatlichen Bestimmungen in der Bundesrepublik Deutschland und mithin auch das ab 1996 im Einkommensteuergesetz geregelte Kindergeldrecht.
Die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen in der VO (EWG) 1408/71 und der VO (EWG) 574/72 lösen den Konkurrenzkonflikt der jeweils einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften nach dem Prinzip der grundsätzlichen Anwendung der Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates. So regelt Art. 13 Abs. 1 Satz 1 VO (EWG) 1408/71, dass alle Personen, die von der Verordnung erfasst werden, den Rechtsvorschriften ausschließlich eines Mitgliedstaates unterliegen (Ausschließlichkeitsprinzip; vgl. nur EuGH, Urteil vom 10. Juli 1986, Rs. 60/85, Slg. 1986, S. 2365 [2372 f.]; BFH, Urteil vom 13. August 2002 -- VIII R 97/01 -- StRK EStG § 31 R. 8, S. 17 [20]), so dass die Kumulierung anwendbarer Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, vermieden werden. Die Frage, welcher Mitgliedstaat zuständig ist, richtet sich nach dem Beschäftigungslandprinzip. So gilt gemäß Art. 13 Abs. 2 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71 für Personen, welche in dem Gebiet eines Mitgliedstaats tätig sind und dort in einem Lohn- oder Gehaltsverhältnis stehen, ohne Rücksicht auf den Wohnsitz stets das Recht des Tätigkeitsstaates.
Art. 13 ff. der VO (EWG) 1408/71 enthalten ein geschlossenes System von Kollisionsnormen. Dieses nimmt dem nationalen Gesetzgeber die Befugnis, Geltungsbereich und Anwendungsvoraussetzungen seiner Rechtsvorschriften im Hinblick darauf zu bestimmen, welche Personen ihnen unterliegen und in welchem Gebiet sie ihre Wirkung entfalten (vgl. EuGH, Urteil vom 10. Juli 1986, Rs. 60/85, Slg. 1986, S. 2365 [2372 f.] m.w.N.; BSG, SozR 3--6050 Art. 13 Nr. 3; BFH, Urteil vom 13. August 2002 -- VIII R 97/01 -- StRK EStG § 31 R. 8, S. 17 [20]). Unterliegt ein deutscher Grenzgänger den Rechtsvorschriften eines anderen EU-Mitgliedstaates, ist nach diesem Grundsatz in Deutschland weder Kindergeld noch Differenzkindergeld zu zahlen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus weiteren Vorschriften der Verordnungen speziell zu den Familienleistungen. Art. 73 VO (EWG) 1408/71 regelt, dass Selbständige und Arbeitnehmer in dem Beschäftigungsstaat, dessen Rechtsvorschriften sie unterliegen, Familienleistungen auch für diejenigen Familienangehörigen bekommen, die in einem anderen Land leben. Diese Norm begründet unter anderem für Grenzgänger ausdrücklich die Ansprüche auf Familienleistungen im Beschäftigungsland und konkretisiert damit das Beschäftigungslandprinzip. Das gegenseitige Verhältnis der Ansprüche des Grenzgängers einerseits im Beschäftigungsland und andererseits im Wohnland richtet sich aber (weiterhin) nach der Grundsatzregelung des Art. 13 Abs. 2 Buchstabe a VO (EWG) 1408/71, der dem Anspruch im Beschäftigungsland den Vorrang einräumt.
Art. 76 VO (EWG) 1408/71 enthält die "Prioritätsregeln für den Fall der Kumulierung von Ansprüchen auf Familienleistungen ...". Er regelt, dass die Ansprüche u.a. nach Art. 73 VO (EWG) 1408/71 insoweit ruhen, wie Familienleistungen aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit auch im Wohnsitzstaat vorgesehen sind; ein Anspruch auf einen überschießenden Betrag der Familienleistung in dem Beschäftigungsstaat, der nicht Wohnsitzstaat ist, bleibt gegebenenfalls bestehen. Die Vorschrift betrifft also nur Fälle, in denen verschiedene Ansprüche aufgrund einer Beschäftigung kumulieren. Beschäftigte, die allein in einem Land tätig sind, erhalten wegen Art. 13 Abs. 1 Satz 1 VO (EWG) 1408/71 auch nur in diesem Land Familienleistungen wegen Beschäftigung. Sie unterliegen also im Hinblick auf die Familienleistungen nicht den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten. In der Konstellation des Ausgangsverfahrens, in der weder der Grenzgänger selbst noch eine andere Person im Wohnland für die Kinder einen weiteren Anspruch auf Familienleistungen aufgrund einer Beschäftigung hatte, kommt Art. 76 VO (EWG) 1408/71 nicht zur Anwendung.
Art. 10 VO (EWG) 574/72 enthält über Art. 76 VO (EWG) 1408/71 hinaus Vorschriften für das Zusammentreffen von Ansprüchen auf Familienleistungen oder -beihilfen für Arbeitnehmer und Selbständige unter anderem für den Fall, in dem der Erwerb eines Anspruchs nicht von einer Beschäftigung abhängt. Art. 10 Abs. 1a VO (EWG) 574/72 regelt, dass der Anspruch auf Leistungen eines Mitgliedstaats, der nicht von einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit oder Versicherung abhängig ist, ausgesetzt wird, wenn und soweit Familienleistungen gleichzeitig allein aufgrund innerstaatlicher Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats oder nach den Art. 73 f., Art. 77 f. VO (EWG) 1408/71 geschuldet werden. Auch danach besteht für die Grenzgänger selbst kein Anspruch auf ein Differenzkindergeld im Wohnland, denn sie unterliegen gemäß dem vorrangigen Grundsatz des Art. 13 VO (EWG) 1408/71 allein den Vorschriften des Beschäftigungslandes. Da also für die Grenzgänger selbst im Wohnland kein Anspruch unabhängig von ihrer Beschäftigung entsteht, treffen in ihrer Person auch nicht mehrere Ansprüche zusammen (vgl. Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Stand Januar 2004, Art. 76 VO Nr. 1408/71, Tz. 5; EuGH, Urteil vom 10. Juli 1986, Rs. 60/85, Slg. 1986, S. 2365 [2373] m.w.N.). Vielmehr regelt Art. 10 Abs. 1a VO (EWG) 574/72 nur den Fall, dass ein Anspruchsberechtigter einen Anspruch in seinem Beschäftigungsland hat, während ein anderer Anspruchsberechtigter (insbesondere der andere Elternteil) für denselben Familienangehörigen einen Anspruch in dem Wohnland der Familie hat (vgl. Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Stand Januar 2004, Art. 76 VO Nr. 1408/71, Tz. 8 f., 14).
In der Konstellation des Ausgangsverfahrens, in der neben dem Grenzgänger selbst eine andere Person -- und zwar die Ehefrau -- für die Kinder im Wohnland einen (weiteren) Anspruch auf Familienleistungen hat, der unabhängig von einer Beschäftigung ist, ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1a VO (EWG) 574/72, dass der Anspruch der Ehefrau im Wohnland nur in der Höhe entfällt, in der der Grenzgänger einen Anspruch aufgrund seiner Beschäftigung hat; im Übrigen wäre ein Teilkindergeld zu zahlen (zutr. Sammelrunderlass, Durchführungsanweisungen zur Kindergeldzahlung nach dem Einkommensteuergesetz und dem Bundeskindergeldgesetz, Stand April 2000, DA 206.41 (3)).
b) Nicht zur Anwendung kommt die Ausschluss- und Teilkindergeldregelung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in Verbindung mit § 65 Abs. 2 EStG auch durch den regelmäßig vereinbarten grundsätzlichen Anwendungsvorrang der zwischenstaatlichen Abkommen für Grenzgänger nach Jugoslawien, in die Türkei, nach Marokko oder Tunesien (Abkommen abgedruckt in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Stand Januar 2004, D II). In diesen Abkommen ist das ausschließliche Beschäftigungslandprinzip verwirklicht. Die Grenzgänger erhalten unabhängig vom Wohnsitz grundsätzlich ein Kindergeld im Beschäftigungsstaat (im Folgenden Abkommenskindergeld). Besteht ein Anspruch aufgrund Beschäftigung auch im Wohnland, verdrängt dieser den Anspruch auf Abkommenskindergeld; Differenzkindergeld wird nicht gewährt. Soweit im Wohnland unabhängig von einer Beschäftigung Kindergeld bezogen werden kann, wird dieser Anspruch durch das Abkommenskindergeld vollständig verdrängt. Auch die Differenz eines gegebenenfalls im Wohnland gewährten höheren Kindergeldes unabhängig von einer Beschäftigung wird nicht ergänzend zum Abkommenskindergeld zugunsten des Grenzgängers oder zugunsten einer weiteren kindergeldberechtigten Person ausgeglichen. Insoweit gehen die als abschließend zu betrachtenden abkommensrechtlichen Regelungen vor (vgl. zu diesen Kollisionsregeln Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Stand Januar 2004, Abkommen mit Jugoslawien, Tz. 23, Abkommen mit der Türkei, Tz. 23, Abkommen mit Marokko, Tz. 21, Abkommen mit Tunesien, Tz. 21).
c) Mit Tschechien und Polen gab es bis zu ihrem Beitritt zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 keine zwischenstaatlichen Abkommen, so dass für die Frage eines Differenzkindergeldes in entsprechenden Grenzgängerfällen § 65 EStG einschlägig gewesen wäre.
d) Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 (BGBl. II 1961 S. 1183 [1218]; BGBl. II 1998 S. 1691) sieht ebenfalls vor, dass unter anderem für Familienleistungen an das Beschäftigungsverhältnis angeknüpft wird und daneben eine entsprechende Leistung im Wohnland nicht erfolgt, auch nicht zugunsten der Angehörigen (vgl. BSG, SozR 6180, Art. 13 Nr. 5).
e) Der Hauptanwendungsfall der Ausschluss- und Teilkindergeldregelung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in Verbindung mit § 65 Abs. 2 EStG sind die Grenzgänger in die Schweiz in den Jahren 1996 bis einschließlich Februar 1999. Zu dieser Konstellation zählt auch der Ausgangsfall.
aa) Ein vorrangiges zwischenstaatliches Abkommen besteht für diese Jahre nicht. Deutsche Grenzgänger in die Schweiz können auf das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Soziale Sicherheit vom 25. Februar 1964 (im Folgenden Abkommen Schweiz Soziale Sicherheit; BGBl. II 1965 S. 1293 f.) in der Fassung des Art. 1 Nr. 13 des Zusatzabkommens vom 9. September 1975 (BGBl. II 1976 S. 1371 f.) keine Ansprüche auf deutsches Kindergeld stützen. Art. 27 des Abkommens begründet einen Anspruch auf Abkommenskindergeld, also einen Anspruch gegen den Beschäftigungsstaat, nicht aber gegen den Wohnsitzstaat der Beschäftigten und ihrer Kinder. Da dieses Abkommen im Gegensatz zu den Abkommen mit Jugoslawien, der Türkei, Marokko und Tunesien keine Konkurrenzregelungen für den Fall enthält, dass im Wohnland des Grenzgängers und seiner Kinder ein Kindergeldanspruch besteht, ist insoweit das nationale Recht, hier § 65 EStG, einschlägig. Im Übrigen betrifft das Abkommen ausschließlich Zulagen nach schweizerischem Bundesrecht, nicht aber die kantonalen Zulagen (Art. 1 Nr. 5 des Abkommens).
bb) Bis Ende 1995 haben die Grenzgänger in die Schweiz mangels eines vorrangigen zwischenstaatlichen Abkommens nach § 8 Abs. 2 BKGG a.F. Differenzkindergeld bekommen.
cc) Mittlerweile regelt das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (im Folgenden Abkommen Schweiz Freizügigkeit; BGBl. II 2001 S. 811 ff.), dass die Schweiz im Hinblick auf die VO (EWG) 1408/71 und VO (EWG) 574/72 behandelt wird, als wäre sie Mitgliedstaat. Auch die kantonalen Zulagen sind in den Geltungsbereich dieses Abkommens einbezogen. Aufgrund der Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist auch danach -- ebenso wie in den Streitjahren 1996 und 1997 aufgrund der Anwendung des § 65 EStG -- ein Differenzkindergeld an deutsche Grenzgänger in die Schweiz nicht zu leisten.
Jedoch hat das für die Durchführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs zuständige Bundesamt für Finanzen unter dem 31. März 1999 (BStBl I 1999 S. 452) eine Weisung erlassen, nach der "schon vor der endgültigen Ratifizierung des Abkommens ... bereits rückwirkend ab dem 1.3. 1999 entsprechend der DA 65.1.1 Abs. 1 Teilkindergeld zu zahlen" sei. In der Dienstanweisung zur Durchführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes des Bundesamts für Finanzen vom 28. Juni 1996 (im Folgenden DA-FamEStG, BStBl I S. 705 [770]) wird auf die Regelungen der VO (EWG) 1408/71 und VO (EWG) 574/72 verwiesen. Aufgrund einer -- nicht nur in der Verwaltung -- verbreiteten Fehlvorstellung über die rechtliche Situation nach Gemeinschaftsrecht wurde seit 1. März 1999 in vielen Fällen Differenzkindergeld an Grenzgänger in die Schweiz gezahlt.
Am 1. Juni 2002 ist das Gesetz vom 2. September 2001 zu dem Abkommen Schweiz Freizügigkeit in Kraft getreten (BGBl. II 2002 S. 1692). Mittlerweile ist geklärt, dass weder die VO (EWG) 1408/71 noch die VO (EWG) 574/72 und damit auch nicht das darauf verweisende Abkommen Schweiz Freizügigkeit einen Teilkindergeldanspruch für die Grenzgänger selbst vorsieht (vgl. Geschäftsanweisung der Bundesanstalt für Arbeit vom 7. August 2002 zum Kindergeld nach dem Abkommen Schweiz Freizügigkeit, Tz. 6.2 Abs. 1). Daher erhalten Grenzgänger in die Schweiz erneut kein Teilkindergeld mehr. Die weiteren kindergeldberechtigten Personen erhalten dagegen in Anwendung des Art. 10 Abs. 1a VO (EWG) 574/72 Differenzkindergeld.
II.
Der Kläger des Ausgangsverfahrens wohnte mit seiner Familie im Streitjahr 1996 in W. in Deutschland. Er war bei einem Arbeitgeber im Kanton Aargau in der Schweiz angestellt. Der verheiratete Kläger bezog dort für seine ersten vier Kinder Kinderzulage jeweils in Höhe von 150 SFR im Monat. Am 24. Juli 1996 wurde sein fünftes Kind geboren. Die Ehefrau des Klägers war nicht erwerbstätig und erzielte keine eigenen Einkünfte. Das zu versteuernde Einkommen des Klägers und seiner Ehefrau belief sich nach dem Einkommensteuerbescheid 1995 vom 27. Januar 1997 ohne Berücksichtigung der damals geltenden Kinderfreibeträge von 4 x 4.104 DM auf 53.732 DM. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers und seiner Ehefrau hatten sich nach dessen Angaben bis zum Zeitpunkt des Vorlagebeschlusses vom 28. April 1998 nicht wesentlich verändert.
Mit Antrag vom 26. März 1996 begehrte der Kläger die Gewährung von Kindergeld für die ersten vier Kinder ab 1. Januar 1996. Das zuständige Arbeitsamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11. April 1996 ab, da in der Schweiz Kinderzulagen für die Kinder gewährt würden, die dem Kindergeld nach dem deutschen Einkommensteuergesetz vergleichbar seien (§ 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Ein Anspruch auf Zahlung von Teilkindergeld als Differenz zwischen den in der Schweiz gezahlten Kinderzulagen und dem höheren deutschen Kindergeld bestehe nicht. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
III.
Mit Beschluss vom 28. April 1998 hat der 11. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg das Ausgangsverfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 65 Abs. 2 EStG gültig oder -- wie es die Überzeugung des Senats sei -- wegen Unterlassens einer Teilkindergeldregelung für Grenzgänger in Staaten, die nicht der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum angehören, mit Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar sei.
1. Dies sei bezüglich des Teilkindergeldes für die ersten vier Kinder entscheidungserheblich. Soweit der Kläger für diese volles Kindergeld begehre, sei die Klage unbegründet, weil ein solcher Anspruch einfachrechtlich durch § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen sei, da die bezogenen Kinderzulagen vergleichbare Leistungen im Sinne dieser Vorschrift seien. Dieser Ausschlusstatbestand sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger des Ausgangsverfahrens hilfsweise Teilkindergeld verlange, komme es auf die Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm an.
Im Falle der Verfassungsmäßigkeit sei die Klage abzuweisen. Der Kläger des Ausgangsverfahrens könne einen Teilkindergeldanspruch weder auf Art. 27 Abkommen Schweiz Soziale Sicherheit noch auf die VO (EWG) 1408/71 oder die VO (EWG) 574/72 stützen. In diesem Zusammenhang hat das vorlegende Gericht ausgeführt, dass ein Differenzkindergeldanspruch im Wohnsitzstaat nach Art. 10 Abs. 1 a VO (EWG) 574/72 schon deshalb ausscheide, weil der Beschäftigungsstaat des Klägers, die Schweiz, in den Streitjahren nicht zum Anwendungsbereich der VO (EWG) 574/72 gehört habe. Das Gericht hat dagegen ausdrücklich offen gelassen, ob in einer vergleichbaren Fallkonstellation eines deutschen Grenzgängers in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums -- anstelle der Schweiz -- ein Differenzkindergeldanspruch bestünde. Schließlich bestehe keine Möglichkeit, die Benachteiligung des Klägers durch verfassungskonforme Auslegung des § 65 Abs. 2 EStG zu beseitigen. Wäre die Norm hingegen verfassungswidrig, sei der Klage stattzugeben.
2. Der Senat hält die zur Überprüfung gestellte Norm für nicht vereinbar mit Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG.
a) Aus steuerrechtlicher Sicht, für die es auf die Freistellung des Existenzminimums der Kinder des Steuerpflichtigen ankomme, sei die Teilkindergeldregelung in § 65 Abs. 2 EStG nicht zu beanstanden. Verfassungsrechtlich möge Anlass bestehen, so das Gericht, den Kinderfreibetrag zu erhöhen, wenn er dem Existenzminimum nicht (mehr) entspreche. Dies bedeute indessen nicht, dass auch das Kindergeld oder das Teilkindergeld aus verfassungsrechtlichen Gründen zu erhöhen wären. Wenn das Kindergeld oder die ausländischen Kinderzulagen ausreichten, um die bei Abzug eines Kinderfreibetrags eintretende Steuerminderung vorab zu gewähren, bestünden steuerrechtlich kein Grund und keine Notwendigkeit, die Steuervergütung Kindergeld oder Teilkindergeld zu erhöhen. So liege der Ausgangsfall. Die vom Kläger in der Schweiz bezogenen Kinderzulagen überstiegen jedenfalls in den Jahren 1996 und 1997 die steuerliche Entlastung aufgrund der damals geltenden Kinderfreibeträge. Auf andere Fallkonstellationen komme es im Rahmen des Vorlagebeschlusses nicht an.
b) Das vorlegende Gericht ist jedoch der Auffassung, die Unterlassung einer Teilkindergeldregelung verstoße im Sozialleistungsbereich gegen das Grundgesetz. Die Nichtgewährung von Teilkindergeld widerspreche zwar nicht dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten Vertrauensschutzgrundsatz. Sie verstoße auch nicht unmittelbar gegen Art. 6 GG, da diese Grundrechtsnorm vor allem eine Benachteiligung von Familien gegenüber Kinderlosen verbiete. Die eng gefasste Teilkindergeldregelung verstoße auch nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie, anders als für Grenzgänger, ein Teilkindergeld für Empfänger von Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder von Kinderzuschüssen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen vorsehe. Die unterbliebene Teilkindergeldregelung verstoße jedoch gegen Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG, weil sie die Gruppe der Grenzgänger in Nicht-EU- und Nicht-EWR-Staaten im Vergleich zu Beschäftigungsinländern benachteilige.
Soweit das Kindergeld der Höhe nach die durch Ansatz eines Kinderfreibetrages erreichbare Steuerminderung überschreite, weil die Steuerminderung bei Ansatz des Kinderfreibetrages geringer sei oder wegen Unterschreitung des Grundfreibetrags ganz entfalle, habe es nach § 31 Satz 2 EStG die Funktion einer Sozialleistung. Der Staat trete hier leistungsgewährend auf. Trotz der Gestaltungsfreiheit im Bereich der Leistungsgewährung dürfe der Gesetzgeber, wenn er sich entschließe, Sozialleistungen zu gewähren, nicht entgegen Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG den Anforderungen sozialer Gerechtigkeit zuwiderhandeln, sei es dadurch, dass er den Kreis der Empfänger sachwidrig abgrenze, sei es dadurch, dass er den sozialen Schutz einer ins Gewicht fallenden Gruppe vernachlässige. Für die Ungleichbehandlung bestünden keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen könnten.
Aufgrund der Nichtgewährung der Sozialleistung Teilkindergeld in § 65 Abs. 2 EStG an Grenzgänger würden diese schlechter gestellt als Nichtgrenzgänger, soweit sie im Einzelfall nicht ausnahmsweise Kinderzulagen und ähnliche Sozialleistungen bezögen, die das deutsche Kindergeld erreichten oder überstiegen. Letzteres könne zur Zeit bei Grenzgängern in die Schweiz bei Einschluss der teilweise vorgesehenen Ausbildungs- und Geburtszulage insbesondere -- wenn auch zum Teil nur bezüglich des ersten und zweiten Kindes -- in den Kantonen Bern, Freiburg, Luzern, Nidwalden, Obwalden, Solothurn, Tessin, Uri, Wallis und Zug der Fall sein, nicht aber im Kanton Aargau. Die vom Kläger im Kanton Aargau bezogenen Kinderzulagen in Höhe von umgerechnet 8.924 DM im Jahr 1996 (150 SFR bei einem Umrechnungskus von 1,2394 monatlich für jedes der vier Kinder) und von 8.136 DM im Jahr 1997 (berechnet wie vor mit einem voraussichtlichen Umrechnungskus von 1,13) seien im Vergleich zu den Kindergeldbeträgen in Höhe von insgesamt 12.600 DM für das Jahr 1996 und von 13.080 DM für das Jahr 1997 um 3.960 DM im Jahr 1996 und um 4.944 DM im Jahr 1997 geringer.
Die Gruppe der Grenzgänger in Nicht-EU-Staaten und Nicht-EWR-Staaten, insbesondere die Gruppe der Grenzgänger in die Schweiz, sei eine zahlenmäßig nicht zu vernachlässigende Gruppe von Arbeitnehmern. Die Zahl der Grenzgänger aus Baden-Württemberg in die Schweiz habe in den Streitjahren etwa 30.000 betragen. Die meisten davon, so das Gericht, dürften Kinderzulagen bezogen haben.
Rechtfertigende Gründe für die Ungleichbehandlung seien nicht erkennbar. Für den Ausschluss von Teilkindergeld für Grenzgänger ab 1. Januar 1996 seien den Gesetzesmaterialien zu § 65 EStG im Ergebnis keine Gründe zu entnehmen. Der Umstand, dass die Teilkindergeldregelung nach § 8 Abs. 2 BKGG a.F. für Grenzgänger in die Schweiz zu Ungereimtheiten geführt habe, rechtfertige nicht die jetzige Schlechterstellung der Grenzgänger in die Schweiz. Diese Benachteiligungen seien vielmehr durch eine Ausdifferenzierung der Teilkindergeldregelung vermeidbar gewesen. Die Ungleichbehandlung werde auch nicht durch die allgemeine Überlegung gerechtfertigt, dass die bundesrechtlichen und kantonalen schweizerischen Rechtsvorschriften zur Familienförderung insgesamt einen Familienlastenausgleich auf ähnlichem Niveau gewährleisteten. Ebenso wenig seien haushaltspolitische Erwägungen für sich allein als Grund für die Schlechterstellung tragfähig. Außerdem griffen Zumutbarkeitsüberlegungen in dem Sinne, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens die Nichtgewährung des Teilkindergeldes wirtschaftlich tragen könne, nicht durch, insbesondere weil der Gesetzgeber das Kindergeld in § 66 EStG gerade nicht vom Einkommen des Kindergeldberechtigten abhängig mache.
IV.
Zu der Vorlage haben der VI. Senat des Bundesfinanzhofs, der 14. Senat des Bundessozialgerichts und für die Bundesregierung das Bundesministerium der Finanzen Stellung genommen.
1. Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs, der noch bis Ende des Jahres 2001 für Kindergeldsachen zuständig war, hat gegen die Vorschrift des § 65 Abs. 2 EStG allgemein verfassungsrechtliche Bedenken geäußert und auf eine Revision hingewiesen, die sich gegen die dahingehende verfassungskonforme Auslegung von § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 EStG wendet, dass bei Anspruch auf eine Kinderzulage nach Schweizer Recht an einen Grenzgänger ein Teilkindergeld zu gewähren sei (Az. des Bundesfinanzhofs: VIII R 68/99).
2. Der 14. Senat des Bundessozialgerichts hält die Argumentation des vorlegenden Gerichts für beachtlich, aber nicht erschöpfend. Insbesondere entspreche die in § 65 Abs. 2 EStG 1996 getroffene Entscheidung, hinsichtlich einer bestimmten Familiensozialleistung an das Beschäftigungsverhältnis anzuknüpfen und daneben eine Familiensozialleistung des Wohnsitzlandes in jedem Fall vollständig entfallen zu lassen, allgemeinen Grundsätzen des internationalen sozialen Kollisionsrechts, und zwar auch bei allein aus Steuergeldern aufgebrachten Sozialleistungen wie dem Kindergeld oder dem Erziehungsgeld. Die Entscheidung des innerstaatlichen Gesetzgebers, es bei der internationalen Zuständigkeit des Beschäftigungsstaates bewenden zu lassen, könnte nach Ansicht des Senats auf einem ausreichenden Differenzierungsgrund im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 3 GG beruhen und auch für den Fall hinzunehmen sein, dass die ausländische Leistung hinter der deutschen Leistung zurückbleibe.
3. Das Bundesministerium der Finanzen geht in seiner Stellungnahme vom Februar 2000 davon aus, dass nach Gemeinschaftsrecht, das seit 1. März 1999 auch für Grenzgänger in die Schweiz gelte, die begehrte Teilkindergeldregelung vorgesehen sei. Es weist darauf hin, dass auch der Kläger des Ausgangsverfahrens seit diesem Zeitpunkt Kindergeld erhalte. Mit der vorzeitigen Anwendung des Abkommens (Vorparaphierung) habe die Bundesregierung die ihr zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten zugunsten der Steuerpflichtigen in vollem Umfang ausgeschöpft. Nach Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen ist der Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Finanzgerichts in der Sache nicht begründet.
Das Fehlen einer Teilkindergeldregelung für Grenzgänger in die Schweiz verstoße insbesondere nicht hinsichtlich der Sozialleistungsfunktion des Kindergeldes gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der innerstaatliche Gesetzgeber dürfe es für die Familienleistungen bei der internationalen Zuständigkeit des Beschäftigungsstaates bewenden lassen. Damit sei ein Art. 3 Abs. 1 GG genügender Differenzierungsgrund auch für den Fall anzunehmen, dass die ausländische Leistung hinter der deutschen Leistung zurückbleibe. Weder Art. 3 Abs. 1 GG noch der hierzu ergangenen Rechtsprechung ließen sich einzelne Vorgaben für die Abstimmung von Familienleistungen in Deutschland einerseits und in der Schweiz andererseits entnehmen. Vielmehr sei für eine nähere Regelung zur Abstimmung der Familienleistungen in den beiden Ländern aus heutiger Sicht nicht mehr nur eine zwischenstaatliche Einigung der Schweiz einerseits und der Bundesrepublik Deutschland andererseits zu treffen, sondern wegen des erreichten Maßes der Eingliederung Deutschlands in die Europäische Gemeinschaft eine auch mit den dort geltenden Bestimmungen für innergemeinschaftliche Grenzgängerfälle abzustimmende Vereinbarungslösung. Hierzu müsse es notwendigerweise einen weiten Gestaltungsbereich für die deutsche Gesetzgebung geben.
Die Vielzahl von Unterschieden zwischen deutschem und Schweizer Recht führe dazu, dass mit einer gesetzlichen Teilkindergeldregelung eine Gleichbehandlung aller Familien nicht zu erreichen gewesen wäre. Schlechterstellungen hätten sich zwar in gewissem Umfang vermeiden lassen, zugleich wären aber ohne eine Gegenseitigkeitsregelung sachlich nicht zu rechtfertigende Besserstellungen weiterhin eingetreten. Auch deshalb sollte aus Sicht der Bundesregierung eine Teilkindergeldregelung in einem zwischenstaatlichen Abkommen getroffen werden, und zwar zwischen der Schweiz einerseits und den EG-Mitgliedstaaten andererseits. Hierfür seien Fragen zu klären gewesen wie die Definition der Grenzgänger oder die Frage, welche Zahlungen für Kinder aufeinander abzustimmen seien. Das betreffe in der Schweiz insbesondere die Frage der Einbeziehung der kantonalen Kinderzulagen, die dort eine große Bedeutung hätten, aber unterschiedlich seien im Hinblick auf Anspruchsvoraussetzungen und Höhe.
Schließlich dürfe der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung gegen eine einseitige nationale Regelung im Einkommensteuergesetz auch den Aspekt des Verwaltungsaufwands berücksichtigen. Eine Teilkindergeldregelung hätte nicht nur für die Gruppe der Grenzgänger in die Schweiz, sondern auch für andere Nicht-EG-Staaten eine Prüfung der ausländischen Sach- und Rechtslage erforderlich gemacht.
 
B.
Die Vorlage ist zulässig. Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich. Das vorlegende Gericht hat nachvollziehbar und deshalb für das Bundesverfassungsgericht bindend dargelegt, dass es bei Gültigkeit oder Ungültigkeit der Norm zu jeweils unterschiedlichen Ergebnissen kommen müsse. Auch soweit in erster Linie eine Unvereinbarerklärung durch das Bundesverfassungsgericht in Betracht zu ziehen wäre, die eine gesetzliche Neuregelung des Teilkindergeldes durch den Gesetzgeber erforderlich machte, eröffnete sich im Ergebnis für den Kläger die Chance auf Teilkindergeld für den streitigen Zeitraum. Das Gericht hat auch seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der streitentscheidenden Regelung ausreichend dargelegt.
 
C.
Der Teilkindergeldausschluss für Grenzgänger nach § 65 EStG ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Auf Fragen der verfassungskonformen Auslegung oder Analogie kommt es nicht an.
I.
Die Vorlagefrage ist präzisierend auszulegen. Aus den Gründen des Vorlagebeschlusses ergibt sich, dass das Gericht zur Prüfung stellen möchte, ob das Unterlassen einer Teilkindergeldregelung für Grenzgänger in die Schweiz in den Streitjahren 1996 und 1997 mit Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar ist.
Die Verfassungsmäßigkeit von § 65 Abs. 2 EStG ist nur für diejenigen Grenzgänger zu überprüfen, für die die Norm anwendbar ist. Aus diesem Grund bedarf es nicht einer ausdrücklichen Einschränkung des zu prüfenden Anwendungsbereichs auf "Grenzgänger nach Staaten, die nicht der Europäischen Union oder dem europäischen Wirtschaftsraum angehören", zumal § 65 Abs. 2 EStG nicht nur bei Anwendbarkeit des Europäischen Gemeinschaftsrechts verdrängt wird, sondern auch dann, wenn andere Regelungen überstaatlicher Organisationen oder zwischenstaatlicher Abkommen vorrangig sind.
Darüber hinaus legt die Begrenzung der Vorlagefrage auf die Teilkindergeldregelung "für Grenzgänger" das Missverständnis nahe, es gehe nur um Ansprüche der Grenzgänger selbst, was der Rechtslage und den Rechtsschutzinteressen des Klägers nicht gerecht würde. § 65 Abs. 2 EStG regelt -- anders als das Gemeinschaftsrecht -- den Ausschluss von Teilkindergeldansprüchen im Hinblick auf alle potentiell Anspruchsberechtigten, insbesondere auch im Hinblick auf Ansprüche des anderen Elternteils mit Wohnsitz im Inland. Deshalb stellt sich die Frage nach einer Teilkindergeldregelung "für die Fälle" der Grenzgänger, die Leistungen im Sinne des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erhalten.
Die Vorlagefrage lautet nach der gebotenen Auslegung also,
    ob § 65 Abs. 2 EStG in den seit dem 1. Januar 1996 geltenden Fassungen mit dem Grundgesetz vereinbar ist, soweit eine Teilkindergeldregelung für die Fälle der Grenzgänger nicht vorgesehen ist, die eine Leistung beziehen, die in den Anwendungsbereich des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG fällt.
II.
Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Die zur Prüfung gestellte Regelung verletzt weder das Gebot der steuerlichen Verschonung des Familienexistenzminimums (Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG) noch stellt sie einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss dar (Art. 3 Abs. 1 GG).
1. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 1, 14 [52]; 98, 365 [385]; stRspr). Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 [17]). Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss (vgl. BVerfGE 93, 386 [396]; 105, 73 [110 ff., 133]), bei dem einem Personenkreis eine Begünstigung gewährt wird, einem anderen Personenkreis die Begünstigung aber vorenthalten bleibt.
Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (BVerfGE 88, 87 [96]; 101, 54 [101]; 103, 310 [318]; 105, 73 [110 f.]; 107, 27 [45]). Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl. BVerfGE 1, 14 [52]; 89, 132 [141]; 105, 73 [110]; 107, 27 [46]; stRspr; ähnlich BVerfGE 103, 310 [318]). Weiterhin ist der allgemeine Gleichheitssatz dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 [88]; 93, 386 [397]; 105, 73 [110]; 107, 27 [46]; stRspr des Zweiten Senats). Dafür kommt es wesentlich auch darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 82, 126 [146]; 107, 27 [46] m.w.N.; stRspr).
Nähere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall der allgemeine Gleichheitssatz durch den Gesetzgeber verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche präzisieren (vgl. BVerfGE 17, 122 [130]; 75, 108 [157]; 93, 319 [348 f.]; 107, 27 [46] m.w.N.; stRspr).
Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung des § 65 Abs. 2 EStG sind zwei unterschiedliche Sach- und Regelungsbereiche zu berücksichtigen. Zunächst erfüllen die kindergeldrechtlichen Regelungen im Einkommensteuergesetz eine steuerrechtliche Funktion. Sie sind Bestandteil des einkommensteuerrechtlichen Familienleistungsausgleichs gemäß §§ 31 f., 62 ff. EStG, der insgesamt der Berücksichtigung der Unterhaltspflichten der Eltern gegenüber ihren Kindern dient. Die gebotene steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums des Kindes (seit den Jahren 2000 bzw. 2002 einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung) wird dabei -- in den Streitjahren -- durch den Kinderfreibetrag (seit dem Jahr 2000 durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG) oder durch das Kindergeld (geregelt in §§ 62 -- 78 EStG) bewirkt (vgl. § 31 EStG). Soweit das Kindergeld zu der gebotenen steuerlichen Freistellung nicht erforderlich ist, dient es nach ausdrücklicher Bestimmung des Gesetzes der Förderung der Familie (§ 31 Satz 2 EStG), erfüllt also eine von den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die steuerrechtliche Belastung unabhängige sozialrechtliche Funktion. Je nachdem, welche der möglichen Funktionen des Kindergeldes betroffen ist, kommen unterschiedliche Maßstäbe und Kriterien verfassungsrechtlich gebotener Gleichbehandlung in Betracht.
2. a) Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte tatbestandlich zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird für den Bereich des Steuerrechts und insbesondere für den des Einkommensteuerrechts vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, dass Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch besteuert werden ("horizontale" Steuergerechtigkeit), während (in "vertikaler" Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen muss (vgl. im Einzelnen BVerfGE 82, 60 [89]; 99, 246 [260]; 105, 73 [125 f.]; 107, 27 [46 f.]). Die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst der einfache Gesetzgeber nach dem objektiven und dem subjektiven Nettoprinzip.
Für den Bereich des subjektiven Nettoprinzips ist das Verfassungsgebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familie zu beachten (BVerfGE 107, 27 [48] m.w.N.; vgl. auch BVerfGE 99, 216 [232 ff.]). Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (zusammenfassend BVerfGE 99, 246 [259 f.] m. Nachw. der ständigen Rechtsprechung) fordert das Grundgesetz, dass existenznotwendiger Aufwand in angemessener, realitätsgerecht bestimmter Höhe von der Einkommensteuer freigestellt wird. Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist der sich aus Art. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ergebende Grundsatz, dass der Staat dem Steuerpflichtigen sein Einkommen insoweit steuerfrei belassen muss, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer. Art. 6 Abs. 1 GG gebietet darüber hinaus, dass bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleibt.
Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) begründet in seiner Ausprägung als "horizontale Steuergleichheit" weitere verfassungsrechtliche Anforderungen. Er gebietet, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch zu besteuern. Auch Bezieher höherer Einkommen müssen je nach Einkommen gleich besteuert werden; eine verminderte Leistungsfähigkeit durch Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem Kind muss dementsprechend auch bei ihnen in diesem Vergleich sachgerecht berücksichtigt werden. Die existenzsichernden Aufwendungen müssen nach dem tatsächlichen Bedarf -- realitätsgerecht -- bemessen werden (im Einzelnen BVerfGE 99, 246 [260 ff.] m.w.N.).
Dem Gesetzgeber steht es grundsätzlich frei, die kindesbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit entweder im Steuerrecht zu berücksichtigen oder ihr statt dessen im Sozialrecht durch die Gewährung eines dafür ausreichenden Kindergeldes Rechnung zu tragen oder auch eine Entlastung im Steuerrecht und eine solche durch das Kindergeld miteinander zu kombinieren (vgl. BVerfGE 82, 60 [84]; 99, 246 [265]). Die jeweiligen Ergebnisse aus den verschiedenen Methoden müssen jedoch in ihren Auswirkungen gleichwertig sein. Im Ergebnis muss das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum für alle Steuerpflichtigen -- unabhängig von ihrem individuellen Grenzsteuersatz -- in voller Höhe von der Einkommensteuer freigestellt werden (vgl. BVerfGE 99, 246 [264 f.]).
b) § 65 Abs. 2 EStG verstößt nicht gegen das Gebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums der Kinder. Dem Kindergeld wird nach der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs im Jahressteuergesetz 1996 nur eine begrenzte steuerrechtliche Funktion zugewiesen. Das verfassungsrechtliche Gebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familie enthält bei dieser Ausgestaltung des Familienleistungsausgleichs keine zwingenden Vorgaben für die Höhe des Kindergeldes. Dies zeigt ein Blick auf das gesetzliche Regelungskonzept: § 31 EStG bestimmt, dass die steuerliche Freistellung des Existenzminimums über den Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder über das Kindergeld erfolgt. Im laufenden Kalenderjahr wird Kindergeld als Steuervergütung gezahlt (§ 31 Satz 3 EStG). Nur wenn es zur gebotenen Steuerfreistellung nicht ausreicht, ist bei der Veranlagung zur Einkommensteuer der Kinderfreibetrag abzuziehen (§ 31 Satz 4 EStG i.d.F. von 1996) und mit dem Kindergeld zu verrechnen. Soweit das Kindergeld zur Steuerfreistellung nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie (§ 31 Satz 2 EStG). Das Gleiche gilt bei Bezug von ausländischen, dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen im Sinne des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Nach § 65 Abs. 1 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 31 Satz 4 EStG in der Fassung von 1996 ist auch hier der Kinderfreibetrag bei der Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigen, wenn die ausländische vergleichbare Leistung zur gebotenen steuerlichen Freistellung des Existenzminimums des Kindes nicht ausreicht. Nach dieser gesetzlichen Konzeption entscheidet erst und nur die Höhe des Kinderfreibetrages endgültig darüber, ob den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verschonung des Existenzminimums der Kinder genügt wird. Die Funktion des Kindergeldes beschränkt sich insofern auf eine als vorläufiger "Abschlag" wirkende Steuervergütung. Die Höhe dieser Steuervergütung leitet sich deshalb nicht aus den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den steuerrechtlichen Familienleistungsausgleich ab.
Für die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Teilkindergeldausschlusses nach § 65 Abs. 2 EStG kann daher offen bleiben, ob der Familienleistungsausgleich insgesamt und ob speziell der Kinderfreibetrag der Höhe nach in den Streitjahren zur Freistellung des Existenzminimums ausgereicht haben. Selbst wenn der hier angegriffene Ausschluss von Teilkindergeld trotz Freibetragsgewährung zu einer unzureichenden steuerlichen Berücksichtigung des Existenzminimums der betroffenen Kinder führen sollte, wäre dies Rechtsfolge des § 32 Abs. 6 EStG. Nur diese Norm bestimmt für alle Steuerpflichtigen gleichmäßig die Höhe des steuerlich freizustellenden Existenzminimums und wäre bei verfassungswidriger Bemessung anzugreifen, nicht aber die speziellere, allein zur Prüfung vorgelegte Teilkindergeldregelung des § 65 Abs. 2 EStG.
3. a) Im Gegensatz zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die steuerrechtliche Freistellung des Existenzminimums der Kinder fehlt es für eine dem Gleichheitssatz entsprechende Ausgestaltung des Kindergeldrechts im Übrigen weitgehend an präzisen verfassungsrechtlichen Vorgaben. Zwar begründet die Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip die allgemeine Pflicht des Staates zum Ausgleich familienbedingter finanzieller Belastungen, lässt aber die Kriterien dafür, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist, weitgehend offen. Im Hinblick auf konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienleistungsausgleich zu verwirklichen ist, besteht grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 87, 1 [36] m.w.N.; 99, 165 [178]; vgl. auch BVerfGE 23, 258 [264]; BFH/NV 2002, S. 1456 f.). Jedenfalls aber muss eine grundrechtsgeleitete Gesetzgebung der speziellen Bedarfslage und Schutzwürdigkeit von Kindern besonders Rechnung tragen. Deshalb ist es dem Gesetzgeber, auch soweit das Kindergeld als Sozialleistung zu den Maßnahmen der darreichenden Verwaltung gehört, nicht gestattet, bei der Abgrenzung der Gruppen von Leistungsberechtigten sachwidrig zu differenzieren. Gewährt der Gesetzgeber aus bestimmten Gründen eine staatliche Sozialleistung, so hat deren Zweckbestimmung wesentliche Bedeutung dafür, unter welchen Voraussetzungen Ausnahmen sachlich hinreichend gerechtfertigt sind (vgl. BVerfGE 29, 71 [82]).
Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfGE 84, 348 [359] m.w.N.; stRspr).
Dabei sind -- wie auch sonst auf dem Gebiet der steuerrechtlichen Massenverwaltung -- Praktikabilität und Einfachheit des Rechts als hochrangige Ziele zu berücksichtigen (vgl. z.B. BVerfGE 96, 1 [6 f.]; 101, 297 [309 f.]).
b) Danach verstößt die zu prüfende Norm nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (wie hier Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Stand Januar 2004, § 65 Tz. 17; dagegen kritisch z.B. BFH, Beschluss vom 27. November 1998 -- VI B 120/98 --, BFH/NV 1999, S. 614 [615]; BFH, Beschluss vom 17. Dezember 2001 -- VI B 230/99 --, BFH/NV 2002, S. 491; FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Beschluss vom 14. September 1999 -- 3 V 23/99 --, EFG 2000, S. 22 [23]; für Verfassungswidrigkeit FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Mai 1999 -- 13 K 149/97 --, EFG 2000, S. 135 f.; FG Münster, Urteil vom 26. Oktober 2001 -- 11 K 4418/01 Kg --, EFG 2002, S. 150; für die Literatur vgl. nur Felix, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG-Kommentar, Stand April 2004, § 65 Rn. C 8; Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG 23.Aufl. 2004, § 65 Rn. 9).
aa) Die Anwendung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 65 Abs. 2 EStG kann zu Nachteilen für Grenzgänger und ihre Familien gegenüber in Deutschland wohnenden und arbeitenden Personen führen.
(1) (a) Die Bezieher von dem Kindergeld vergleichbaren ausländischen Leistungen werden innerhalb der Gruppe der in Deutschland prinzipiell Kindergeldberechtigten (§§ 62, 63 EStG) durch den grundsätzlichen Ausschluss vom Kindergeldbezug in § 65 Abs. 1 EStG und die Nichtgewährung von Teilkindergeld gegenüber den übrigen Kindergeldberechtigten benachteiligt, und zwar in dem Umfang, in dem das deutsche Kindergeld die ausländische Leistung übersteigt. Die Benachteiligung ist begrenzt auf den Anteil des Kindergeldes, der der Förderung dient. Betroffen sind sowohl die Grenzgänger selbst als auch die weiteren Kindergeldberechtigten.
Dies veranschaulicht der Ausgangsfall. Der Kläger bezog in der Schweiz Kinderzulagen. Die Zulagen beruhen auf dem Gesetz des Kantons Aargau über Kinderzulagen für Arbeitnehmer vom 23. Dezember 1963 in Verbindung mit der Vollziehungsverordnung zum Gesetz über Kinderzulagen für Arbeitnehmer des Kantons Aargau vom 23. Juli 1964 (Normtexte in: Systematische Sammlung des Aargauischen Rechts [SAR], Nrn. 815.100 und 815.111, im Internet unter www.ag.ch/sar/output/815--100.pdf und 815--111.pdf). Nach § 7 Abs. 2 der Vollziehungsverordnung zum Gesetz über Kinderzulagen werden die Zulagen auch an ausländische Arbeitnehmer für ihre im Ausland lebenden Kinder gezahlt. Dementsprechend erhielt der Kläger in der Schweiz als Arbeitnehmer Kinderzulagen, die jedoch um rund 4.000 DM je Streitjahr geringer ausfielen als die Beträge, die er als Kindergeldberechtigter in Deutschland erhalten hätte (vgl. die Berechnungen des vorlegenden Gerichts; s. oben A. III. 2. b)).
Trotz dieser deutlich geringeren Höhe ausländischer Leistungen gegenüber dem Kindergeld bejaht das vorlegende Gericht den vollständigen Ausschluss von Ansprüchen bei Anwendung des § 65 EStG, da es für die Vergleichbarkeit ausländischer Leistungen im Sinne dieser Norm ausschließlich darauf ankomme, ob sie ihrem Zweck nach dem deutschen Kindergeld entsprächen und aufgrund gesetzlicher Regelung gezahlt würden. Dagegen komme es auf eine vergleichbare Höhe der Leistungen nicht an. Auf dieser Grundlage bejaht das Gericht im Einklang mit der Verwaltungspraxis (vgl. DA-FamEStG 65.1.3, BStBl I 2002 S. 365 [426], i.V.m. Übersicht der vergleichbaren Leistungen, BStBl I 2000 S. 1128 [1133, 1143 ff.]) die Vergleichbarkeit der im Kanton Aargau gewährten Kinderzulagen, da diese wie das Kindergeld nach §§ 62 ff. EStG Sozialleistungen aufgrund gesetzlicher Regelungen mit familienpolitischem Charakter darstellten.
Die der Vorlagefrage zugrunde liegende Auslegung des § 65 EStG, die das Bundesverfassungsgericht in eigener Zuständigkeit zu prüfen hat (stRspr zur verfassungsgerichtlichen Auslegung als Voraussetzung einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes, BVerfGE 98, 145 [154] m.w.N.), trifft zu. Auf die Höhe der ausländischen Leistung kommt es für die Vergleichbarkeit mit dem Kindergeld grundsätzlich nicht an. Aus der Gesetzessystematik ergibt sich eindeutig, dass § 65 Abs. 1 EStG die grundsätzliche Frage des Leistungsausschlusses regelt und Abs. 2 die Frage klärt, in welchen Fällen bei unterschiedlicher Höhe der kollidierenden Leistungen ein Unterschiedsbetrag gewährt werden soll. Diese vom Gesetzgeber gewählte Systematik würde durchbrochen und teilweise in ihr Gegenteil verkehrt, wenn man die Frage der Höhe der ausländischen Leistung dem Tatbestandsmerkmal "vergleichbar" des Abs. 1 zuordnete. Gegen eine solche Interpretation spricht auch, dass der Gesetzgeber durch Modifikation der Teilkindergeldregelung im Jahressteuergesetz 1996 deutlich gemacht hat, dass diese Vorschrift eine eigenständige Bedeutung hat. Denkbar ist zwar, dass bei ganz geringfügigen ausländischen Leistungen auch die funktionelle Vergleichbarkeit entfällt; dies ist aber nur in hier nicht gegebenen Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen.
(b) Die Bezieher von dem Kindergeld vergleichbaren ausländischen Leistungen werden durch Nichtgewährung von Teilkindergeld gegenüber der gemäß § 65 Abs. 2 EStG teilkindergeldberechtigten Gruppe, nämlich den Beziehern von Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder von Kinderzuschüssen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen (§ 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG), benachteiligt.
(2) Die Grenzgänger selbst, die in den Anwendungsbereich des § 65 Abs. 2 EStG fallen, namentlich die Grenzgänger in die Schweiz in den Streitjahren 1996 und 1997, werden gegenüber den Grenzgängern in Länder, für die überstaatliche oder zwischenstaatliche Regelungen zur Anwendung kommen, nicht benachteiligt. Denn für die Grenzgänger nach EU- und EWR-Staaten ist ein Differenzkindergeldanspruch wegen Art. 13 VO (EWG) 1408/71 ausgeschlossen. Auch sind zwischenstaatliche Abkommen nicht bekannt, nach denen für die Grenzgänger selbst über den Anspruch im Beschäftigungsland hinaus ein Teilkindergeldanspruch auch im Wohnland der Kinder und des Grenzgängers besteht.
Dagegen liegt eine Ungleichbehandlung insoweit vor, als für die weiteren Kindergeldberechtigten (anderer Elternteil, Stiefeltern, Großeltern) im Gemeinschaftsrecht im Gegensatz zu § 65 Abs. 2 EStG gemäß Art. 76 (EWG) 1408/71 und Art. 10 VO (EWG) 574/72 ein Anspruch auf Differenzkindergeld besteht. Zur Beseitigung dieser Ungleichbehandlung durch zwei unterschiedliche Normgeber ist der deutsche Gesetzgeber gemäß Art. 3 Abs. 1 GG nicht verpflichtet.
bb) (1) Nach diesen Maßstäben ist es sachlich gerechtfertigt, dass gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG der Anspruch auf Kindergeld grundsätzlich entfällt, wenn vergleichbare ausländische Leistungen wie die Schweizer Kinderzulagen bezogen werden. Ausgangspunkt ist der Zweck des Familienleistungsausgleichs durch Kindergeld und Freibeträge für Kinder im Einkommensteuergesetz. Die gesetzlichen Regelungen sollen erstens sicherstellen, dass die Aufwendungen der Eltern in Höhe des Existenzminimums ihres Kindes von der Einkommensteuer freigestellt werden. Zweitens besteht neben der notwendigen steuerlichen Entlastung gemäß § 31 EStG ausdrücklich das Ziel der Familienförderung; es soll ein begrenzter finanzieller Ausgleich zugunsten der Familien erreicht werden. § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verfolgt dabei erkennbar den legitimen Zweck, Doppelbegünstigungen zu vermeiden. Unter diesem Gesichtspunkt ist es im Hinblick auf die Förderfunktion des Kindergeldes sachgerecht, wenn der Gesetzgeber den Familienleistungsausgleich in diesen Fällen subsidiär ausgestaltet. Dem verfassungsrechtlichen Gebot, einen Einkommensbetrag in Höhe des Existenzminimums eines Kindes steuerlich frei zu stellen, wird im Rahmen der so genannten Günstigerprüfung gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 31 Satz 4 und 5 EStG Rechnung getragen.
(2) Die genannten Benachteiligungen der Grenzgänger gegenüber den uneingeschränkt Kindergeldberechtigten sind aufgrund der anderweitigen Leistung und der Praktikabilitätsanforderungen an Kollisionsregeln bei grenzüberschreitenden Sachverhalten gerechtfertigt. Dabei kann offen bleiben, ob es angesichts des grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei sozialen Leistungen ausreicht, wenn die zu prüfende Regelung dem Maßstab des bloßen Willkürverbots genügt. Denn die vorgelegte Regelung hält auch einem enger gefassten Maßstab stand. Für die in Rede stehende Kollisionsregel haben die sachlichen Gründe hinreichendes Gewicht, um die unterschiedliche Behandlung der Grenzgänger und ihrer Familien zu rechtfertigen.
(a) Der Teilkindergeldausschluss will sicherstellen, dass kindbezogene vergleichbare Leistungen nur einmal gewährt werden. Er beruht auf der Erwägung, dass die Betroffenen aufgrund des Bezugs einer dem Kindergeld vergleichbaren ausländischen Leistung im Beschäftigungsstaat anderweitig sozial abgesichert sind. Es wird angenommen, dass nach Sinn und Zweck des Familienleistungsausgleichs -- soweit er gemäß § 31 EStG über die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums der Kinder hinaus der Förderung der Familie dient -- Kindergeldleistungen nicht in gleicher Weise erforderlich sind wie bei Familien, deren Familienleistungsausgleich sich allein nach deutschem Recht richtet. Vielmehr wird es in den Fällen der betroffenen Grenzgänger als angemessen angesehen, dass sie hinsichtlich des Kindergeldes und der damit vergleichbaren Familienleistungen allein auf die Rechtsordnung des Beschäftigungsstaats verwiesen werden, welcher sie in der Regel auch in den übrigen Bereichen der sozialen Sicherung unterliegen. Diese Erwägung ist jedenfalls dann hinreichend gewichtig, wenn die ausländische Leistung in ihrer Funktion tatsächlich mit dem deutschen Familienleistungsausgleich vergleichbar ist. Dies ist für Kinderzulagen an deutsche Grenzgänger in die Schweiz der Fall. Diese entlasten die Familien erheblich und gewährleisten damit eine vergleichbare anderweitige Absicherung, auch wenn sie hinter dem deutschen Kindergeld deutlich zurückbleiben.
(b) Zu dem Aspekt anderweitiger sozialer Absicherung treten beachtliche Gründe der Einfachheit des Rechts und dessen Praktikabilität im Verwaltungsvollzug hinzu; sie haben für die Rechtfertigung der hier zu würdigenden Kollisionsnorm bei grenzüberschreitenden Sachverhalten besonderes Gewicht.
(aa) Das unter anderem von der Bundesregierung in der Antwort auf eine schriftliche Frage unter dem 10. Januar 1996 vertretene Argument (BTDrucks 13/3474, S. 30 ff.), Unterschiedsbetragsregelungen verursachten insbesondere aufgrund der komplizierten Schweizer Rechtslage einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand, ist im Ergebnis sachlich einleuchtend. Der Verwaltungsaufwand wird durch den Ausschluss einer Differenzkindergeldzahlung deutlich reduziert. Dies gilt schon allein für die erhebliche Anzahl von Grenzgängern in die Schweiz, für die wegen der unterschiedlichen Familienleistungen des Bundes und der einzelnen Kantone (vgl. die Übersicht in BStBl I 2000, S. 1128 [1143 ff.]) in jedem Einzelfall die Teilkindergeldberechtigung einschließlich der Höhe des eventuellen Anspruchs zu prüfen wäre. Dieser Beurteilung steht auch nicht entgegen, dass sich der Verwaltungsaufwand bei Einbeziehung der Grenzgängerfälle in die Teilkindergeldregelung des § 65 Abs. 2 EStG grundsätzlich bewältigen ließe. Im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber bei der Gewährung von staatlichen Leistungen unter Beachtung des Gleichheitssatzes einen weiten Gestaltungsspielraum hat, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn er den erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand des Vollzugs einer Teilkindergeldregelung für Grenzgänger zu vermeiden sucht.
Zwar spricht der Zweck des Familienleistungsausgleichs grundsätzlich für eine einheitliche Entlastung aller Familien, die in Deutschland wohnen. Eine Norm zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung, durch die die Betroffenen nicht schlechter gestellt werden als nach einer abkommensrechtlichen Regelung, die sich, wie üblich, am Beschäftigungslandprinzip orientiert, ist aber jedenfalls vertretbar. Ebenso wie das Ausschließlichkeitsprinzip im internationalen Recht, nach dem jede Person nach Möglichkeit im Hinblick auf die soziale Sicherung nur den Rechtsvorschriften eines Staates unterliegen soll, zielt auch der Teilkindergeldausschluss in § 65 Abs. 2 EStG darauf ab, die Kumulation anwendbarer Rechtsvorschriften mehrerer Staaten und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, zu vermeiden.
(bb) Die Schwierigkeiten des Versuchs, angesichts unterschiedlicher Leistungssysteme im In- und Ausland ungerechtfertigte Übersicherungen zu vermeiden (vgl. nur BTDrucks 13/3474, S. 30 ff.), sind zwar für sich genommen als Sachgrund für eine Benachteiligung nicht ohne weiteres plausibel, sie verstärken aber das Gewicht der Praktikabilitätsgründe. Tatsächlich hatten sich gerade für Grenzgänger in die Schweiz nach der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Regelung für Familien mit mehreren Kindern teilweise Vorteile gegenüber den deutschen Kindergeld- und Freibetragsregelungen ergeben (vgl. unter A.I. 1. b)). Um solche ungerechtfertigten Begünstigungen und die hier in Rede stehenden Benachteiligungen zu vermeiden, hätte der Gesetzgeber den Ausschluss von Teilkindergeldleistungen im Einzelnen ausdifferenzieren müssen. Diese bei der Vielzahl möglicher Vergleichsgruppen aufwendige Ausdifferenzierung erübrigt der generelle Teilkindergeldausschluss für Grenzgänger.
(cc) Sachlich begründet ist -- wie bereits erwähnt --, dass sich der Gesetzgeber bei der Koordinierung von Familienleistungen in Grenzgängerfällen an der verbreiteten Geltung eines ausschließlichen Beschäftigungslandprinzips orientiert. In der ausschließlichen Geltung nur einer Rechtsordnung für Grenzgänger bestätigt sich die allgemeine Anerkennung von Praktikabilitätserwägungen gerade auch im internationalen Sozialrecht. Dieses internationalrechtlich gängige Ausschließlichkeitsprinzip bei der Gewährung sozialer Leistungen zur Familienförderung (vgl. unter A.I. 2.) ist zugleich Ausdruck zwischenstaatlicher Aufteilung sozialrechtlicher Zuständigkeiten und damit auch sozialstaatlicher Verantwortlichkeiten.
(dd) Derartige Kollisionsregeln, die dem Ausschließlichkeitsprinzip folgen, fallen entgegen den Ausführungen des Vorlagebeschlusses nicht in die Kategorie typisierender Normen, wie sie bei der Formulierung spezieller Zulässigkeitsanforderungen im Blickfeld der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung liegen (vgl. BVerfGE 100, 138 [174]). Die Rechtsfolgen des Beschäftigungslandprinzips sind nicht als besondere, nur für wenige Anwendungsfälle der Norm ausnahmsweise hinnehmbare, eigentlich gleichheitswidrige "Härten" zu bewerten, sondern als Gegenstand der Aufteilungsentscheidung selbst. Diese will zu Recht ein kumulatives Nebeneinander von Ansprüchen aus unterschiedlichen Sozialsystemen vermeiden. Dabei erfolgt die grundsätzliche Aufteilung nicht, weil anzunehmen wäre, dass in beiden Systemen typischerweise gleich hohe Leistungsansprüche begründet sind, sondern gerade auch bei unterschiedlicher Höhe solcher Ansprüche. Auch dann, wenn man derartige international- oder nationalrechtliche Kollisionsregeln für grenzüberschreitende Sachverhalte wegen deren hochgradiger Orientierung an Zielen der Praktikabilität als typisierend bezeichnen mag, darf deren spezifischer Rechtsgehalt nicht verdeckt werden.
(c) Bestätigt wird die sachliche Rechtfertigung der Kollisionsregel auch dadurch, dass die Wahl von Arbeitsplatz und Wohnsitz jedenfalls grundsätzlich der freien Disposition der Kindergeldempfänger unterliegt. Dies betrifft zwei unterschiedliche Abwägungsaspekte. Zum einen können die betroffenen Grenzgänger und indirekt vielfach auch die weiteren Kindergeldberechtigten die nach gegebener Rechtslage unterschiedlichen Vor- und Nachteile ihrer Wahl (insbesondere Arbeitslohn, Lebenshaltungskosten, sozialrechtliche Entlastung) vor der Entscheidung prüfen und ihre Entscheidung danach ausrichten. Zum anderen geht es um den Schutz vor Diskriminierung der Ausübung von Freiheitsrechten. Insoweit bestätigt gerade ein Blick auf das Gemeinschaftsrecht, dass auch unter Berücksichtigung grundrechtlichen Freiheitsschutzes die vorgelegte Norm gleichheitsgerecht ist. Das Gemeinschaftsrecht sieht seinerseits für die Grenzgänger selbst keinen Anspruch auf gegebenenfalls höhere Sozialleistungen im Wohnland vor. Ob der demgegenüber bestehende Differenzanspruch anderer Anspruchsberechtigter (insbesondere der anderen Elternteile) im Wohnland nach Art. 10 Abs. 1a VO (EWG) 574/72 eine zwingende Folge des besonderen Diskriminierungsschutzes der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten ist, kann offen bleiben. Jedenfalls bildet dieser besondere Diskriminierungsschutz den maßgeblichen normativen Hintergrund für die Anspruchsgewährung (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 10. Oktober 1996, Rs. C-245/94 und C-312/94, Slg. 1996, S.I-4895 [4938], Rn. 34, zu Art. 73 VO (EWG) 1408/71; EuGH, Urteil vom 11. April 1984, Rs. 104/84, Slg. 1985, S. 2205 [2219]). Einen entsprechend weitgehenden Diskriminierungsschutz bei grenzüberschreitenden Sachverhalten begründet der allgemeine Gleichheitssatz des Grundgesetzes in Verbindung mit den Freiheitsgrundrechten aber nicht. Aus verfassungsrechtlicher Sicht darf es den potentiell Kindergeldberechtigten vielmehr zugemutet werden, ihre Arbeitsplatz- und Wohnsitzentscheidungen auch ohne Flankierung durch ein nationales "Meistbegünstigungsprinzip" zu treffen.
(3) Der Ausschluss von Teilkindergeldleistungen für die Fälle des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist auch im Vergleich zu denen des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 65 Abs. 2 EStG sachlich begründet. Danach ist bei Empfang von Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder von Kinderzuschüssen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen -- anders als bei dem Bezug einer ausländischen Leistung -- ein Teilkindergeld vorgesehen. Hierbei handelte es sich von Beginn an um eine Auslaufregelung. Sie stellt sicher, dass das Kindergeld oder die kindbezogenen Leistungen in den dort genannten "Inlands-Fällen" dieselbe Höhe erreichen, wie sie nach § 66 Abs. 1 EStG grundsätzlich für alle Kindergeldberechtigten vorgesehen ist. Für die Frage der Rechtfertigung einer Benachteiligung der wegen vergleichbarer ausländischer Leistungen vom Teilkindergeld Ausgeschlossenen (§ 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) gegenüber der nach Abs. 2 teilkindergeldberechtigten Gruppe greifen im Ergebnis jedoch dieselben Gründe, wie sie oben unter (2) genannt sind.
III.
Ein Anspruch auf Teilkindergeld für Grenzgänger in die Schweiz lässt sich auch nicht aus dem Fördergebot des Art. 6 Abs. 1 GG herleiten (vgl. auch unter C. II. 3. a)). Nach Art. 6 Abs. 1 GG hat der Staat die Pflicht, Ehe und Familie vor Beeinträchtigungen durch andere Kräfte zu bewahren und durch geeignete Maßnahmen zu fördern (vgl. BVerfGE 6, 55 [76]; 55, 114 [126]; 87, 1 [35 f.]). Allerdings ist der Staat nicht gehalten, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen oder jeden Unterhaltspflichtigen zu entlasten (BVerfGE 87, 1 [35]). Vielmehr kann der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit grundsätzlich selbst bestimmen, in welchem Umfang und auf welche Weise er den ihm aufgetragenen besonderen Schutz von Ehe und Familie verwirklichen will (vgl. BVerfGE 21, 1 [6]; 62, 323 [333]; 87, 1 [36]). Regelmäßig erwachsen dabei aus Art. 6 Abs. 1 GG keine konkreten Ansprüche auf staatliche Leistungen (vgl. BVerfGE 39, 316 [326]; 87, 1 [35 f.]).
IV.
Das Sozialstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen. Angesichts der Weite und Unbestimmtheit dieses Prinzips lässt sich daraus jedoch regelmäßig kein Gebot entnehmen, soziale Leistungen in einem bestimmten Umfang zu gewähren (vgl. BVerfGE 94, 241 [263] m.w.N.; stRspr). Wie der Gesetzgeber den Gestaltungsauftrag des verfassungsrechtlich nicht näher konkretisierten Sozialstaatsprinzips erfüllt, ist seine Sache (vgl. BVerfGE 1, 97 [105]; 100, 271 [284]; stRspr). Zwingend ist lediglich, dass der Staat die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein seiner Bürger schafft (BVerfGE 82, 60 [80]). Diese Mindestvoraussetzungen sind hier nicht berührt. Allein der Ausschluss einer Teilkindergeldregelung für die Fälle des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG stellt unter Berücksichtigung der Vielzahl sozial- und sozialhilferechtlicher Regelungen die Sicherung der Existenzgrundlage für die Betroffenen nicht in Frage.
Hassemer Jentsch Broß Osterloh Di Fabio Mellinghoff Lübbe-Wolff Gerhardt