BVerfGE 119, 309 - Gerichtsfernsehen |
Zur Berücksichtigung der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG beim Erlass sitzungspolizeilicher Anordnungen über Ton- und Bildaufnahmen unmittelbar vor und nach einer mündlichen Verhandlung sowie in Sitzungspausen. |
Beschluss |
des Ersten Senats vom 19. Dezember 2007 |
-- 1 BvR 620/07 -- |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des . . ., Anstalt des öffentlichen Rechts, vertreten durch den Intendanten, -- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Redeker, Sellner, Dahs & Widmaier, Mozartstraße 4--10, 53115 Bonn -- gegen die Anordnung des Vorsitzenden der 8. Großen Strafkammer des Landgerichts Münster vom 21. Februar 2007 -- 8 KLs 81 Js 1837/04 (25/05) --. |
Entscheidungsformel: |
Die Anordnung des Vorsitzenden der 8. Großen Strafkammer des Landgerichts Münster vom 21. Februar 2007 -- 8 KLs 81 Js 1837/04 (25/05) -- verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht der Rundfunkfreiheit aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. |
Das Land Nordrhein-Westfalen hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten. |
Gründe: |
A. |
Die Verfassungsbeschwerde hat die Zulässigkeit von Fernsehaufnahmen im Sitzungssaal außerhalb der Hauptverhandlung eines Strafverfahrens zum Gegenstand.
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I. |
1. Die Beschwerdeführerin ist eine öffentlichrechtliche Rundfunkanstalt. Sie beabsichtigte eine Berichterstattung über eine Hauptverhandlung, die am 19. März 2007 vor der 8. Großen Strafkammer des Landgerichts Münster beginnen sollte.
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Die Anklageschrift legte den angeklagten 18 Offizieren und Unteroffizieren der Bundeswehr zur Last, im Jahre 2004 Rekruten körperlich misshandelt und entwürdigt zu haben. Im Anschluss an vier Nachtmärsche seien die Rekruten unter dem Vorwand, das Verhalten nach einer Gefangennahme und bei einer Erpressung von Aussagen durch gegnerische Kräfte zu üben, in erniedrigender Weise behandelt worden. Hierdurch hätten sich die Angeklagten der Vergehen einer gemeinschaftlich begangenen körperlichen Misshandlung nach §§ 223, 224 StGB sowie der Misshandlung und entwürdigenden Behandlung Untergebener nach §§ 30, 31 des Wehrstrafgesetzes (WStG) schuldig gemacht.
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Über die Vorfälle und das eingeleitete Strafverfahren war seit November 2004 mehrfach in Presse und Rundfunk berichtet worden. Mit Pressemitteilung des Landgerichts vom 9. Februar 2007 wurden an einer Berichterstattung über die Hauptverhandlung interessierte Medienvertreter zu ihrer Akkreditierung aufgefordert. Hierbei wurde darauf hingewiesen, dass eine Anordnung des Vorsitzenden beabsichtigt sei, an den Verhandlungstagen Foto- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal und seinem Eingangsbereich für einen Zeitraum von 20 Minuten vor Beginn der Verhandlung auszuschließen. Aufnahmen des Einzugs der Richter seien daher nicht möglich.
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Die Beschwerdeführerin bat am 15. Februar 2007 um ihre Akkreditierung und trat hierbei der beabsichtigten Anordnung des Vorsitzenden entgegen. Sie sei zur Abwendung eines Verbots zu Absprachen über andere geeignete Beschränkungen bereit. Es könne ein von den interessierten Rundfunkanstalten gemeinsam benanntes Aufnahmeteam im Rahmen einer so genannten Pool-Lösung entsandt werden. Auch sei durch geeignete technische Maßnahmen eine Anonymisierung der Gesichter einzelner Beteiligter vor Verbreitung von Aufnahmen möglich. Außerdem könne die Aufzeichnung des Einzugs des Gerichts sowie der anwesenden Angeklagten und Verteidiger auf Gesamtansichten ohne Hervorhebung einzelner Gesichter beschränkt werden.
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2. Am 21. Februar 2007 ordnete der Vorsitzende der 8. Großen Strafkammer des Landgerichts Münster gemäß § 176 GVG zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der bevorstehenden Hauptverhandlung die folgenden Beschränkungen einer Berichterstattung an:
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"Ton-, Foto- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal und im absperrbaren Foyer vor dem Sitzungssaal sind bis 15 Minuten vor Beginn der Sitzung und 10 Minuten nach deren Beendigung gestattet. Darüber hinaus sind Ton-, Foto- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal und im absperrbaren Foyer vor dem Sitzungssaal nicht gestattet."
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Die Anordnung sei nach Abwägung zwischen der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Presse- und Rundfunkfreiheit und dem in § 176 GVG geregelten Schutz einer geordneten Rechtspflege geboten. Da es sich bei den Angeklagten und ihren Verteidigern nicht um relative Personen der Zeitgeschichte handele, seien Ton-, Foto- und Bewegtbildaufnahmen von ihnen nicht zu dulden. Die angeordnete zeitliche Beschränkung ermögliche es ihnen, den Sitzungssaal unbeeinträchtigt von Rundfunkaufnahmen zu betreten und wieder zu verlassen. Aufgrund der Vielzahl der Angeklagten und Verteidiger seien die räumlichen Verhältnisse im Sitzungssaal zu beengt, um einen Schutz der Persönlichkeitsrechte der Beteiligten durch eine Pool-Lösung oder Anordnungen zum Standort der Aufzeichnungsgeräte gewährleisten zu können. Eine Anfertigung von Fotos oder Bewegtbildaufnahmen der Mitglieder der Strafkammer, bei der nicht auch die Angeklagten und ihre Verteidiger abgebildet würden, sei infolge der räumlichen Enge nur im Wege eines vorgespielten Einzugs der Kammer in Abwesenheit der Angeklagten und ihrer Verteidiger möglich. Dies sei eines Gerichts unwürdig und könne seinen Respekt bei den Prozessbeteiligten und Zuschauern mindern. Zudem setze eine Veröffentlichung von Aufnahmen der nicht als Berufsrichter tätigen Schöffen diese der Gefahr eines öffentlichen Meinungsdrucks in Richtung auf eine medienwirksame Entscheidung aus. Zweck des § 176 GVG sei aber nicht allein der störungsfreie äußere Ablauf der Verhandlung, sondern auch die Sicherung der ungehinderten Entscheidungsfindung des Gerichts. Mit dem zugelassenen Umfang der Berichterstattung bleibe eine Dokumentation der Geschehnisse am Rande der Verhandlung unter Wahrung des Persönlichkeitsrechts der Angeklagten und ihrer Verteidiger in hinreichendem Umfang gewährleistet. Ein Informationswert der Aufzeichnung eines kurzen und nur vorgespielten Einzugs der Kammer in den Sitzungssaal sei nicht ersichtlich.
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3. Die Beschwerdeführerin erhob am 6. März 2007 Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnung des Vorsitzenden. Ferner beantragte sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts zur Beseitigung der angeordneten zeitlichen Beschränkungen einer Berichterstattung.
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Mit Beschluss vom 15. März 2007 hat das Bundesverfassungsgericht dem Vorsitzenden im Wege der Eilanordnung aufgegeben, der Beschwerdeführerin die Anfertigung von Bewegtbildaufnahmen der im Sitzungssaal anwesenden Verfahrensbeteiligten zu ermöglichen und hierbei die Anwesenheit der Mitglieder des Spruchkörpers im Sitzungssaal zu gewährleisten. Soweit es an einem Einverständnis der Angeklagten mit einer Veröffentlichung ihres Bildnisses fehle, sei eine Anonymisierung ihrer Gesichter mittels geeigneter technischer Verfahren sicherzustellen.
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4. Am 16. März 2007 änderte der Vorsitzende unter Bezugnahme auf die einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts die angegriffene Anordnung vom 21. Februar 2007 ab und ließ nunmehr Ton- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal und dessen Eingangsbereich auch für die zuvor ausgenommenen Zeiten einer möglichen Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten unter Einschluss der Aufzeichnung des Einzugs der Kammer in den Sitzungssaal zu. Zugleich verfügte er Maßgaben zur Bildung eines so genannten Berichterstatter-Pools sowie zu einer Anonymisierung der ohne Einverständnis der Angeklagten gefertigten Aufnahmen.
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II. |
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 19 Abs. 4 GG durch die Anordnung vom 21. Februar 2007.
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Das Gebot der Rechtswegerschöpfung nach § 90 Abs. 2 BVerfGG stehe der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen. Gegenüber den nach § 176 GVG erlassenen sitzungspolizeilichen Anordnungen des Vorsitzenden sei ein Rechtsbehelf nicht eröffnet.
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Die Verfassungsbeschwerde sei auch begründet. Das angeordnete Verbot einer Berichterstattung habe eine unzulässige Beschränkung der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zur Folge. Von dem Schutz des Grundrechts sei auch die Möglichkeit umfasst, durch Erstellung von Tonaufnahmen und Bewegtbildern in authentischer und fernsehtypischer Weise über das Geschehen im Sitzungssaal am Rande der Verhandlung zu berichten. Das Verfahren und die zugrunde liegenden Vorwürfe hätten schon vor Anberaumung der Hauptverhandlung hohe Aufmerksamkeit gefunden und seien Gegenstand einer umfangreichen Medienberichterstattung gewesen. Das Verfahren habe mögliche Missstände im Bereich der Bundeswehr bei der Ausbildung von Wehrpflichtigen zum Gegenstand und sei damit für die Öffentlichkeit von hoher Bedeutung. Eine umfassende Erfüllung des Informationsauftrags der Beschwerdeführerin erfordere die Aufzeichnung des Geschehens am Rande der Verhandlung auch für die von der angeordneten Beschränkung umfassten Zeiten einer voraussichtlichen Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten. Durch Anfertigung von Bewegtbildern des Verhaltens der Angeklagten und ihrer Verteidiger sowie des Einzugs des Gerichts in den Sitzungssaal werde dem Zuschauer die Stimmung und Atmosphäre bei der Verhandlung in besonders eindringlicher Weise vermittelt. Beengten Platzverhältnissen könne hierbei durch Anordnungen zur Anzahl und Aufstellung des mitgeführten technischen Geräts sowie durch Beschränkung auf die Anwesenheit eines von den interessierten Rundfunkanstalten gemeinsam entsandten Aufnahmeteams Rechnung getragen werden.
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Durch Belange des Persönlichkeitsschutzes der Angeklagten lasse sich die angeordnete zeitliche Beschränkung nicht rechtfertigen. Den Angeklagten liege der Vorwurf einer Misshandlung der ihnen zur Ausbildung unterstellten Rekruten zur Last. Dieser Vorwurf rechtfertige ihre Einstufung als relative Personen der Zeitgeschichte, die jedenfalls während ihrer Anwesenheit bei einer Hauptverhandlung Bildaufnahmen zu dulden hätten. Verbleibenden Belangen ihres Persönlichkeitsschutzes lasse sich durch die Auflage einer Anonymisierung Rechnung tragen. Angesichts des hier im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehenden Tatvorwurfs seien auch die Verteidiger der Angeklagten als relative Personen der Zeitgeschichte anzusehen. Die Aufzeichnung ihres Erscheinens zu der Sitzung habe daher eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts nicht zur Folge. Aus Anlass einer öffentlichen Hauptverhandlung stünden auch die hierbei kraft ihres Amtes zur Mitwirkung berufenen Richter und Schöffen im Blickpunkt der Medienöffentlichkeit, so dass auch der Schutz ihres Persönlichkeitsrechts hinter das Interesse an einer Aufzeichnung ihres Erscheinens zur Sitzung zurücktrete. Eine Gefährdung der ungehinderten Entscheidungsfindung des Gerichts infolge einer Veröffentlichung von Abbildungen der Schöffen sei nicht ersichtlich und lasse sich jedenfalls durch Anordnung einer Anonymisierung der Schöffen ausschließen.
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III. |
Zu der Beschwerde haben das Bundesministerium der Justiz namens der Bundesregierung, das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen sowie der Präsident des Bundesgerichtshofs und die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Stellung genommen. Ferner hat der Vorsitzende der 8. Großen Strafkammer des Landgerichts Münster Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Eilantrag und zu der Verfassungsbeschwerde erhalten.
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1. Das Bundesministerium der Justiz und das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen haben im Wesentlichen übereinstimmend aufgezeigt, dass nach bestehender Rechtslage eine Rechtsschutzmöglichkeit gegen sitzungspolizeiliche Anordnungen des Vorsitzenden außerhalb der Möglichkeit der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde nicht eröffnet sei. Von einer Stellungnahme zu der angegriffenen Anordnung haben sie abgesehen.
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2. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat mitgeteilt, nach Kenntnis des Leiters der Pressestelle des Bundesgerichtshofs seien bei Erscheinen prominenter Angeklagter zu Revisionshauptverhandlungen vor den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs Einwände gegen die dort von den Vorsitzenden zugelassenen Aufnahmen vom Rande der Verhandlung nicht erhoben worden. Auch Aufnahmen des Einzugs der Strafsenate in den Sitzungssaal würden hierbei grundsätzlich zugelassen.
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3. Die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts hat die Stellungnahme eines Revisionssenats vorgelegt, in der auf ein Urteil des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 1990 -- BVerwG 7 C 14.90 -- (BVerwGE 85, 283) zu dem Verhältnis zwischen Pressefreiheit und Sitzungsgewalt des Vorsitzenden des Gemeinderats Bezug genommen wird, in dem ähnliche Fragen behandelt worden seien.
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4. a) Der Vorsitzende der 8. Großen Strafkammer des Landgerichts Münster hat zur Erläuterung der angeordneten zeitlichen Beschränkung in seiner Stellungnahme zu dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ausgeführt, der in § 176 GVG vorgesehene Schutz einer geordneten Rechtspflege sei von ihm gegenüber der von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Presse- und Rundfunkfreiheit abgewogen worden. Die geordnete Rechtspflege schließe auch die Herstellung eines ruhigen und sachlichen Klimas im Sitzungssaal ein. Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal in Anwesenheit der Beteiligten seien dem abträglich. Neben der hierdurch verursachten allgemeinen Unruhe und Verzögerung des Beginns der Verhandlung werde die Aufgeregtheit der Beteiligten gefördert. Dies hindere ihr natürliches und unbefangenes Verhalten und beeinträchtige somit Belange der Rechts- und Wahrheitsfindung. Zudem seien einzig zwei der 18 Angeklagten vorbestraft und auch die angeklagten Taten fielen nicht aus dem Rahmen des Alltäglichen. Ob die teils überzogene Medienberichterstattung im Vorfeld der Verhandlung gleichwohl eine Einstufung der Angeklagten als relative Personen der Zeitgeschichte rechtfertige, könne offen bleiben. Dem Persönlichkeitsschutz des Angeklagten komme im Gerichtsverfahren eine über den allgemein anerkannten Schutzbedarf hinausgehende Bedeutung zu, so dass den Medien auch im Falle einer Einstufung der Angeklagten als relativer Personen der Zeitgeschichte nicht das Recht zukomme, diese im Bild aufzuzeichnen. Einer Anfertigung von Aufnahmen der Mitglieder des Spruchkörpers stehe bereits das Verbot des § 169 Satz 2 GVG entgegen. In Strafsachen beginne die Hauptverhandlung gemäß § 243 Abs. 1 Satz 1 StPO mit dem Aufruf der Sache. Dieser erfolge, bevor die Kammer in den Sitzungssaal einziehe.
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b) In seiner Stellungnahme zu der Verfassungsbeschwerde hat der Vorsitzende mitgeteilt, er habe seine sitzungspolizeiliche Anordnung auf die Eilanordnung des Bundesverfassungsgerichts hin mit Anordnung vom 16. März 2007 geändert und eine Berichterstattung über das Geschehen am Rande der Hauptverhandlung nunmehr auch für die bislang ausgenommenen Zeiten zugelassen. Gleichwohl halte er auch angesichts seiner Erfahrungen am ersten Hauptverhandlungstag an seiner bereits zuvor dargelegten Auffassung fest, dass Bildaufnahmen des Geschehens am Rande einer Strafverhandlung einem sachlichen und ruhigen Verhandlungsklima abträglich seien und durch sie die Rechts- und Wahrheitsfindung erschwert werde.
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B. -- I. |
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
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Der Rechtsweg ist gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG erschöpft. Ein zumutbar zu beschreitender Rechtsweg vor den Fachgerichten war der Beschwerdeführerin gegen die Anordnung des Vorsitzenden nicht eröffnet (vgl. BVerfGE 91, 125 [133]). Keiner Klärung bedarf, ob diese Rechtslage verfassungsrechtlich zu beanstanden ist. Die Beschwerdeführerin hat dies nicht zum Gegenstand ihrer fristgerechten Rüge gemacht.
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Das Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin besteht fort. Sein Wegfall ist nicht dadurch bewirkt worden, dass der Vorsitzende die angegriffene Anordnung noch vor Beginn der Hauptverhandlung abgeändert hat und hierdurch der Beschwerdeführerin die Anfertigung von Bewegtbildaufnahmen des Geschehens am Rande der Hauptverhandlung in dem von ihr erstrebten Umfang ermöglicht worden ist. Die geänderte Fassung der Anordnung hat die Beschwerdeführerin nicht angegriffen. Die mit der Verfassungsbeschwerde ursprünglich erstrebte Beseitigung ihrer verfassungsrechtlichen Beschwer ist daher erreicht, ohne dass es hierfür noch der Gewährung verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes in der Hauptsache bedürfte.
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Ein Rechtsschutzinteresse an der verfassungsgerichtlichen Klärung besteht jedoch auch bei nachträglichem Wegfall der Beschwer fort, wenn anderenfalls die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung unterbliebe und ein schwerwiegender Grundrechtseingriff gerügt wird oder der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ein anerkennenswertes Interesse an der Feststellung hat, ob die angegriffene Maßnahme verfassungsgemäß war (vgl. BVerfGE 91, 125 [133]; 97, 298 [308], 103, 44 [58 f.]). Die Frage, in welchem Umfang die Anfertigung von Ton-, Foto- und Bewegtbildaufnahmen des Geschehens am Rande der Hauptverhandlung einer Beschränkung durch den Vorsitzenden unterworfen werden darf, war in der bisherigen Rechtsprechung des Senats allein für eine Berichterstattung über das Geschehen am Rande einer Hauptverhandlung gegen Angeklagte von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung zu behandeln (vgl. BVerfGE 91, 125 [133 ff.]) und bot daher keine Gelegenheit zur verfassungsrechtlichen Klärung im Hinblick auf Verfahren mit Angeklagten ohne diese besondere Bedeutung. Auch hat die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ein verfassungsrechtlich anerkennenswertes Interesse an der Prüfung, ob die angegriffene Anordnung verfassungsgemäß war (vgl. BVerfGE 91, 125 [133]; 103, 44 [58 f.]). Die Sorge der Beschwerdeführerin ist berechtigt, dass nicht allein der für die angegriffene Anordnung verantwortliche Strafkammervorsitzende, sondern auch Vorsitzende anderer Spruchkörper in künftigen Ausgangsverfahren vergleichbare Anordnungen treffen werden.
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II. |
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die Anordnung des Vorsitzenden der 8. Großen Strafkammer des Landgerichts Münster vom 21. Februar 2007, die eine Berichterstattung über eine Hauptverhandlung dahingehend beschränkt, dass Ton- und Bewegtbildaufnahmen unmittelbar vor und nach einer mündlichen Verhandlung ausgeschlossen sind, verstößt gegen das der Beschwerdeführerin aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Grundrecht der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk.
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1. Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) schützt die Beschaffung der Informationen und die Erstellung der Programminhalte bis hin zu ihrer Verbreitung (vgl. BVerfGE 91, 125 [134 f.]; stRspr). Soweit die Medien an der Zugänglichkeit einer für jedermann geöffneten Informationsquelle teilhaben, wird der Zugang allerdings für Medien gleichermaßen wie für die Bürger allgemein durch die Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Die Nutzung rundfunkspezifischer Mittel der Informationsaufnahme, insbesondere von Ton- und Bewegtbildaufnahmen, wird demgegenüber von der insoweit spezielleren Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst (vgl. BVerfGE 103, 44 [59]). Zu deren Schutzbereich gehört das Recht, für die Berichterstattung die dem Rundfunk eigenen Darstellungsmittel zu nutzen, darunter Töne und Bilder, mit deren Hilfe insbesondere der Eindruck der Authentizität und des Miterlebens vermittelt werden kann (vgl. BVerfGE 103, 44 [67]). Dies gilt auch für Zwecke der Berichterstattung aus Anlass einer öffentlichen Gerichtsverhandlung.
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2. Zum Schutzbereich der Rundfunkfreiheit gehört ein Recht auf Eröffnung einer Informationsquelle allerdings ebenso wenig wie zu dem der Informationsfreiheit. Ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf Zugang besteht aber in Fällen, in denen eine im staatlichen Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle aufgrund rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist, der Staat den Zugang aber in nicht hinreichender Weise eröffnet (vgl. BVerfGE 103, 44 [59 f.]). So liegt es bei der Verweigerung der Anfertigung von Ton- und Bewegtbildaufnahmen im Zusammenhang mit einer Gerichtsverhandlung, sofern das öffentliche Interesse an deren Verbreitung gegenläufige Interessen überwiegt.
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a) Folgt aus Verfassungsrecht, dass allgemein oder im konkreten Fall der Zugang zu einer Sitzung oder Verhandlung des Gerichts als solcher oder hinsichtlich der Modalitäten der Aufnahme von Informationen weiter als geschehen hätte eingeräumt werden müssen, kann dies vom Träger des Grundrechts der Informationsfreiheit, hinsichtlich des Ausschlusses rundfunkspezifischer Aufnahme- und Verbreitungstechniken vom Träger des Grundrechts der Rundfunkfreiheit, geltend gemacht werden (vgl. BVerfGE 103, 44 [61]).
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Es entspricht grundsätzlich dem im Rechtsstaats- und Demokratieprinzip enthaltenen objektivrechtlichen Auftrag zur Sicherung der Möglichkeit der Wahrnehmung und gegebenenfalls Kontrolle von Gerichtsverfahren durch die Öffentlichkeit, die Medien darüber berichten zu lassen und dem Fernsehen audiovisuelle Aufnahmen zu ermöglichen, soweit dies nicht durch eine besondere Regelung allgemein oder wegen gegenläufiger Interessen im konkreten Fall ausgeschlossen ist. Unter den gegenwärtigen Bedingungen öffentlicher Meinungsbildung vermag die in § 169 Satz 1 GVG vorgesehene Saalöffentlichkeit der Verhandlung das öffentliche Interesse an Medienberichterstattung für sich allein nicht stets in hinreichendem Umfang zu sichern.
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Die öffentliche Kontrolle von Gerichtsverhandlungen wird durch die Anwesenheit der Medien und deren Berichterstattung grundsätzlich gefördert (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 -- 1 StR 527/05 --, NJW 2006, S. 1220 [1221]). Die Befriedigung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an gerichtlichen Verfahren dient nicht nur allgemein der individuellen und öffentlichen Meinungsbildung, sondern es liegt ebenfalls in dem Interesse der Justiz, mit ihren Verfahren und Entscheidungen öffentlich wahrgenommen zu werden, und zwar auch im Hinblick auf die Durchführung mündlicher Verhandlungen. Zur Art und Intensität öffentlicher Wahrnehmung trägt die Veröffentlichung audiovisueller Darstellungen bei. Die mündliche Verhandlung selbst ist nach § 169 Satz 2 GVG in verfassungsgemäßer Weise den Ton- und Bildaufnahmen verschlossen (vgl. BVerfGE 103, 44 [66 ff.]); insoweit erfolgt die öffentliche Kontrolle von Gerichtsverhandlungen durch die Saalöffentlichkeit und die Berichterstattung darüber. Allerdings kann eine Vermittlung des Erscheinungsbildes eines Gerichtssaals und der in ihm handelnden Personen den Bürgern darüber hinaus eine der Befriedigung des Informationsinteresses dienende Anschaulichkeit von Gerichtsverfahren vermitteln. Derartige Bilder, gegebenenfalls auch die sie begleitende Geräuschkulisse, sind seit langem zum typischen Inhalt der Gerichtsberichterstattung im Fernsehen geworden und prägen mittlerweile entsprechende Erwartungen der Fernsehzuschauer.
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Dementsprechend gehen die Fachgerichte von einer grundsätzlichen Öffnung des Zeitraums vor Beginn und nach Schluss einer mündlichen Verhandlung sowie in den Verhandlungspausen für Medien unter Einschluss der Möglichkeit des Einsatzes von rundfunkspezifischen Aufnahme- und Verbreitungstechniken aus (vgl. -- für das Strafverfahren -- BGHSt 23, 123). Die Verwendung dieser Techniken erfolgt im Schutzbereich der Rundfunkfreiheit (vgl. BVerfGE 103, 44 [62]).
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b) Das Gerichtsverfassungsrecht schließt die Berichterstattung durch Rundfunk in dem zwar zur Sitzung, aber nicht zur Verhandlung im Sinne des Gerichtsverfassungsrechts gehörenden Zeitraum vor Beginn und nach Schluss einer mündlichen Verhandlung sowie in den Verhandlungspausen nicht aus (vgl. BGHSt 23, 123 [125]). Es können aber Beschränkungen durch sitzungspolizeiliche Anordnung des Vorsitzenden gemäß § 176 GVG vorgesehen werden (vgl. BVerfGE 91, 125 [136]).
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aa) Die Gestaltung der gerichtlichen Verhandlung und der sitzungspolizeilichen Anordnungen liegt, soweit das Verfahrensrecht keine gegenläufigen Vorkehrungen trifft, im Ermessen des Vorsitzenden (vgl. statt vieler Mayer, in: Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl. 2005, § 169 Rn. 89 ff.; Wickern, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 169 GVG [Stand: 1. August 2002] Rn. 53 f.). Dieses Ermessen hat er unter Beachtung der Bedeutung der Rundfunkberichterstattung für die Gewährleistung öffentlicher Wahrnehmung und Kontrolle von Gerichtsverhandlungen sowie der einer Berichterstattung entgegenstehenden Interessen auszuüben und dabei sicherzustellen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Überwiegt das Interesse an einer Berichterstattung unter Nutzung von Ton- und Bewegtbildaufnahmen andere bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigende Interessen, ist der Vorsitzende verpflichtet, eine Möglichkeit für solche Aufnahmen zu schaffen (vgl. BVerfGE 91, 125 [138 f.]).
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(1) Bei der Gewichtung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit ist der jeweilige Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens bedeutsam. Bei Strafverfahren ist insbesondere die Schwere der zur Anklage stehenden Straftat zu berücksichtigen, aber auch die öffentliche Aufmerksamkeit, die sie etwa aufgrund besonderer Umstände und Rahmenbedingungen, der beteiligten Personen, der Furcht vor Wiederholung solcher Straftaten oder auch wegen des Mitgefühls mit den Opfern und ihren Angehörigen gewonnen hat. Das Informationsinteresse wird regelmäßig umso stärker sein und in der Abwägung an Gewicht gewinnen, je mehr die Straftat sich von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt, etwa aufgrund der Art der Begehung oder der Besonderheit des Angriffsobjekts (vgl. BVerfGE 35, 202 [231]). Ein gewichtiges Informationsinteresse kann auch gegeben sein, wenn dem Angeklagten selbst keine herausragende zeitgeschichtliche Bedeutung zukommt, aber ein Informationsinteresse an dem Prozess als solchem, etwa wegen seines Aufsehen erregenden Gegenstands, besteht.
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Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit ist regelmäßig nicht allein auf die Angeklagten und die ihnen zur Last gelegten Taten gerichtet, sondern auch auf die Personen, die als Mitglieder des Spruchkörpers oder als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft an der Rechtsfindung im Namen des Volkes mitwirken. Gegenstand solcher grundsätzlich berechtigter Informationsinteressen kann ferner auch der als Organ der Rechtspflege zur Mitwirkung an der Verhandlung berufene Rechtsanwalt oder ein sonstiger am Verfahren Beteiligter sein, etwa ein Zeuge.
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(2) Zu berücksichtigen sind bei der Ermessensausübung und der ihr zugrunde liegenden Abwägung aber auch schutzwürdige Interessen, die einer Aufnahme und Verbreitung von Ton- und Bildaufnahmen entgegenstehen können. Dazu gehören insbesondere der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beteiligten, namentlich der Angeklagten und der Zeugen, aber auch der Anspruch der Beteiligten auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) sowie die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege, insbesondere die ungestörte Wahrheits- und Rechtsfindung (vgl. BVerfGE 103, 44 [64]). Dabei kommt den gegenläufigen Belangen besonderes Gewicht zu, wenn die vom Gesetzgeber typisierend festgelegten personenbezogenen Voraussetzungen für den Ausschluss selbst der Saalöffentlichkeit vorliegen (siehe etwa § 48, § 109 Abs. 1 Satz 4 JGG, § 171a, § 172 Nr. 1a, Nr. 4 GVG).
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(a) Zu den Schutzinteressen gehört das Persönlichkeitsrecht der Beteiligten (vgl. BVerfGE 103, 44 [68]).
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(aa) Die Befugnis der Medien zur Gewinnung und Veröffentlichung visueller Aufzeichnungen der bei einer Verhandlung anwesenden Personen ist insbesondere an dem Recht am eigenen Bild als Konkretisierung des Persönlichkeitsrechts zu messen, das dem Einzelnen Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten nicht nur über die Verwendung, sondern auch für die Anfertigung von Fotografien und Aufzeichnungen seiner Person durch andere bietet (vgl. BVerfGE 101, 361 [381]).
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Die für die einwilligungslose Verbreitung von Personenbildnissen durch die Massenmedien entwickelten verfassungsrechtlichen Maßstäbe (vgl. dazu BVerfGE 35, 202 [224 ff.]; 101, 361 [387 ff.]) sind auch zu beachten, wenn über die Anfertigung bestimmter Personenbildnisse am Rande der Hauptverhandlung mit dem Ziel der Verbreitung in den Massenmedien zu entscheiden ist. Gerichtsverhandlungen, auf die ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerichtet ist, sind Ereignisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte; der Schutz des Persönlichkeitsrechts der daran Beteiligten fordert daher kein völliges Filmverbot (vgl. BVerfGE 87, 334 [340]; 91, 125 [137 f.]).
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Bei der Bestimmung der Reichweite des Schutzes des Rechts am eigenen Bild ist allerdings zu berücksichtigen, dass zumindest ein Teil der Verfahrensbeteiligten sich regelmäßig in einer für sie ungewohnten und belastenden Situation befinden. Sie sind vielfach -- etwa die Zeugen oder der Angeklagte eines Strafverfahrens -- zur Anwesenheit verpflichtet. Speziell auf Seiten der Angeklagten sind auch mögliche Prangerwirkungen oder Beeinträchtigungen des Anspruchs auf Achtung der Vermutung seiner Unschuld und von Belangen späterer Resozialisierung zu beachten, die durch eine identifizierende Medienberichterstattung bewirkt werden können (vgl. BVerfGE 35, 202 [226 ff.]; 103, 44 [68]). Dabei ist gerade auch im Blick auf die Suggestivkraft des Fernsehens der mögliche Effekt einer medialen Vorverurteilung zu bedenken. Hinsichtlich der Zeugen ist deren besondere Belastungssituation zu berücksichtigen, etwa wenn sie Opfer der Tat sind, über die gerichtlich verhandelt wird.
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Personen, die im Gerichtsverfahren infolge ihres öffentlichen Amtes oder in anderer Position als Organ der Rechtspflege im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen, haben nicht in gleichem Ausmaße einen Anspruch auf Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte wie eine von dem Verfahren betroffene Privatperson (vgl. BVerfGE 103, 44 [69]) oder wie anwesende Zuhörer. Aber auch den als Richtern, Staatsanwälten, Rechtsanwälten oder Justizbediensteten am Verfahren Mitwirkenden steht ein Anspruch auf Schutz zu, der das Veröffentlichungsinteresse überwiegen kann, etwa wenn Veröffentlichungen von Abbildungen eine erhebliche Belästigung oder eine Gefährdung ihrer Sicherheit durch Übergriffe Dritter bewirken können (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. Juli 2000 -- 1 BvQ 17/00 --, NJW 2000, S. 2890 [2891]; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. Juni 2007 -- 1 BvR 1438/07 --, NJW-RR 2007, S. 1416). Dabei kann auch eine Mitwirkung an anderen Verfahren, aus denen sich solche Umstände für Verfahrensbeteiligte ergeben, von Bedeutung sein.
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(bb) Vor Aufzeichnungen von Äußerungen der Anwesenden bietet ebenfalls das Recht am eigenen Wort als Konkretisierung des Persönlichkeitsrechts verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfGE 34, 238 [246 f.]; 54, 148 [154]; 106, 28 [39]). Ob als Bestandteil von Tonaufzeichnungen des Geschehens im Sitzungssaal gegebenenfalls auch die Erfassung des gesprochenen Wortes ohne Einwilligung der Betroffenen zulässig sein könnte, bedarf vorliegend keiner Klärung. Auf die Besorgnis einer unzulässigen Aufzeichnung des gesprochenen Wortes hat der Vorsitzende das angeordnete Verbot von Tonaufnahmen bereits nicht gestützt, und auch das Begehren der Beschwerdeführerin auf Zulassung von Tonaufzeichnungen richtet sich ersichtlich nur auf die Erfassung der Geräuschkulisse des Geschehens im Sitzungssaal, nicht aber auf die Aufzeichnung des gesprochenen Wortes einzelner Anwesender.
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(b) Der Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) sowie die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, insbesondere die ungestörte Wahrheits- und Rechtsfindung in dem anhängigen Verfahren, werden bei Aufnahmen außerhalb der mündlichen Verhandlung geringer betroffen als bei deshalb generell nicht zugelassenen Aufnahmen aus der Verhandlung selbst. Allerdings sind Beeinträchtigungen nicht auszuschließen. Wird das Geschehen am Rande der Verhandlung in Bild und Ton aufgezeichnet, so kann das Wissen um die mögliche Verbreitung solcher Aufzeichnungen möglicherweise einzelne Verfahrensbeteiligte so beeinflussen, dass sich dies abträglich auf den Gang der Verhandlung und die Belange der Rechts- und Wahrheitsfindung auswirkt. Eines der wesentlichen Ziele der Hauptverhandlung, wahrheitsgemäße und vollständige, forensisch brauchbare Angaben aller Aussagepersonen zu erlangen, setzt Rahmenbedingungen voraus, die Hemmungen und Aufgeregtheit -- gerade bei im Umgang mit Medien nicht erfahrenen Personen -- vermeiden helfen. Entsprechende Besorgnisse können im Einzelfall einer Nutzung rundfunkspezifischer Aufzeichnungs- und Verbreitungstechniken entgegenstehen oder die Einschränkung ihres Einsatzes rechtfertigen.
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Ebenso kann die Aufzeichnung des Geschehens am Rande der Verhandlung den Angeklagten in seinem von § 148 Abs. 1 StPO verbürgten Recht auf ungehinderten Verkehr mit seinem Verteidiger beeinträchtigen und damit gegebenenfalls den Anspruch auf ein faires Verfahren tangieren (vgl. BVerfGE 49, 24 [55]). Soweit Angeklagte ein berechtigtes Interesse an vertraulichem Austausch mit ihrem Verteidiger am Rande der Verhandlung haben und dessen Verwirklichung beeinträchtigt zu werden droht, muss dem durch sitzungspolizeiliche Anordnung entgegen gewirkt werden. Gleiches gilt für den Austausch zwischen Zeuge und Beistand.
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(3) Die Ermessensentscheidung des Vorsitzenden über sitzungspolizeiliche Anordnungen hat unter Abwägung der unterschiedlichen kollidierenden Interessen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Bei der Anordnung einer Beschränkung des Informationszugangs zum Geschehen am Rande der Sitzung ist insbesondere dem Grundsatz der Erforderlichkeit Rechnung zu tragen (vgl. beispielsweise BVerfGE 50, 234 [241]; 91, 125 [137]).
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Ein Verbot von Ton- und Rundfunkaufnahmen ist nicht erforderlich, wenn dem Schutz kollidierender Belange bereits durch eine beschränkende Anordnung Rechnung getragen werden kann, insbesondere durch das Erfordernis einer mittels geeigneter technischer Maßnahmen erfolgenden Anonymisierung der Bildaufnahme solcher Personen, die Anspruch auf besonderen Schutz haben. Wird die Gefahr einer Identifizierung der abgebildeten Person durch die breite Öffentlichkeit insoweit ausgeschlossen, so kann das Risiko einer etwa verbleibenden Erkennbarkeit für den engeren Bekanntenkreis des Betroffenen hingenommen werden, soweit dem gewichtige Informationsinteressen der Öffentlichkeit gegenüberstehen und dem Betroffenen nicht gerade aus der Erkennbarkeit für sein engeres Umfeld erhebliche Nachteile drohen. Allerdings liegt auch in der Anordnung einer solchen Anonymisierung eine gewichtige Beschränkung von Informationsmöglichkeiten der Öffentlichkeit, die eine Rechtfertigung aus den Umständen des Einzelfalls voraussetzt.
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Soweit Aufnahmen einen Betroffenen in verletzender Weise etwa in einer für ihn in besonderem Maße abträglichen oder peinlichen Situation zu erfassen drohen, die Art der Durchführung oder die Dauer der beabsichtigten Aufzeichnungen den Verfahrensablauf beeinträchtigen oder Verfahrensbeteiligte mit ihrem anwaltlichen Beistand am Rande der Verhandlung vertraulich miteinander sprechen wollen, kommen auch Anweisungen insbesondere zu Standort, Zeit, Dauer und Art der Aufnahmen in Betracht. Diese können weitergehende Beschränkungen wie ein vollständiges Verbot von Aufnahmen entbehrlich machen (vgl. BVerfGE 91, 125 [138 f.]). Dem Vorsitzenden obliegt es, auf eine sachgerechte Abstimmung des Informationsinteresses mit kollidierenden Belangen hinzuwirken, etwa durch eine Anordnung, dass Aufnahmen des Publikums oder des Spruchkörpers nur in Gesamtansicht zulässig seien. Bei begründeten Zweifeln an der Einhaltung von Maßgaben zur Anonymisierung darf er auch die vorherige Einsichtnahme in die zur Ausstrahlung bestimmte Fassung der Aufnahme fordern. Darüber hinaus ist es dem Vorsitzenden unbenommen, bei einer Vielzahl von Verfahrensbeteiligten in unterschiedlicher Interessenlage hinsichtlich der Ton- und Fernsehberichterstattung auch eine generalisierende Regelung zu treffen, wenn eine nach einzelnen Beteiligten differenzierende Anordnung auf erhebliche praktische Schwierigkeiten stößt.
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Beeinträchtigungen des äußeren Ablaufs der Sitzung, die etwa durch die Enge des Saals bedingt sind, kann dadurch entgegengewirkt werden, dass nicht mehrere Kamerateams zugelassen werden, sondern eine so genannte Pool-Lösung gewählt wird (vgl. BVerfGE 87, 334 [340]; 91, 125 [138]; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. Juli 2000 -- 1 BvQ 17/00 --, NJW 2000, S. 2890 [2891]). Die gleichwohl gebotene Möglichkeit des Zugangs für alle an der Berichterstattung interessierten Rundfunkveranstalter zu dem hierbei gewonnenen Material kann etwa durch die Auflage gesichert werden, die Aufnahmen jedem interessierten Pressevertreter gegen Erstattung hierdurch entstandener Auslagen zu überlassen.
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bb) Die Rundfunkfreiheit ist auch insoweit zu berücksichtigen, als die Art der Verhandlungsführung auf die Verwirklichung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit zurückwirkt, insbesondere bei der Entscheidung über den Aufruf der Sache und damit den Beginn der Hauptverhandlung (§ 243 Abs. 1 Satz 1 StPO), der das Verbot audiovisueller Aufnahmen nach § 169 Satz 2 GVG auslöst. Grundsätzlich steht es zwar im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden, ob er den Aufruf der Sache selbst vornimmt und sich zu diesem Zweck zusammen mit den übrigen Mitgliedern des Spruchkörpers bereits unmittelbar vor Beginn der Verhandlung im Sitzungssaal einfindet, oder diese Aufgabe einem von ihm beauftragten Gerichtsbediensteten überlässt und der Spruchkörper den Sitzungssaal erst unmittelbar nach Beginn der Verhandlung betritt (vgl. Gollwitzer, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 243 StPO [Stand: 1. Juni 1998] Rn. 16 ff. m.w.N.). Der Entscheidungsspielraum ist jedoch infolge der Ausstrahlungswirkung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auf die erste Alternative beschränkt, wenn andernfalls wegen der Anwendbarkeit des § 169 Satz 2 GVG eine Situation einträte, in der eine Anfertigung audiovisueller Aufnahmen der Mitglieder des Spruchkörpers ausgeschlossen bliebe, obwohl ein solcher Ausschluss im konkreten Fall nicht auf eine Anordnung nach § 176 GVG gestützt werden dürfte.
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c) Da Ton- und Bildaufnahmen unmittelbar vor oder nach einer Verhandlung oder in den Sitzungspausen von der Rundfunkfreiheit umfasst sind, setzt eine solche Aufnahmen ausschließende oder begrenzende Anordnung im Interesse der Wirksamkeit des materiellen Grundrechtsschutzes voraus, dass der Vorsitzende die für seine Entscheidung maßgebenden Gründe offenlegt und dadurch für die Betroffenen erkennen lässt, dass in die Abwägung alle dafür erheblichen Umstände eingestellt worden sind.
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3. Die angegriffene Anordnung des Vorsitzenden vom 21. Februar 2007 über die zeitliche Beschränkung der Ton-, Foto- und Filmaufnahmen wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
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a) Soweit die Anordnung auf den Schutz der Angeklagten abstellt, reicht als Begründung der in ihr gegebene Hinweis darauf nicht aus, dass die große Mehrzahl der Angeklagten nicht vorbestraft seien und die angeklagten Taten nicht aus dem Rahmen des Alltäglichen fielen. Die Bewertung des Informationsinteresses an dem Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens unterliegt nicht den gleichen Maßstäben wie seine strafrechtliche Einordnung. Auch ein nach strafrechtlichen Maßstäben gering wiegender Tatvorwurf kann etwa infolge eines Zusammenhangs zu möglichen Missständen im Bereich des Staats gewichtige Informationsinteressen der Öffentlichkeit berühren. Das Verfahren betraf vorliegend den öffentlich viel diskutierten Vorwurf der Misshandlung von Rekruten der Bundeswehr durch die für ihre Ausbildung verantwortlichen Offiziere und Unteroffiziere und hob sich deutlich aus dem Bereich des Alltäglichen heraus, so dass die Aufklärung der Vorgänge auf großes öffentliches Interesse stieß.
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Eine die Entscheidungsfindung erschwerende Hemmung und Verunsicherung der Angeklagten als Folge von Bildaufzeichnungen des Geschehens im Sitzungssaal außerhalb der Hauptverhandlung durfte der Vorsitzende nicht schematisch unterstellen, vielmehr hätte er eine solche Befürchtung nachvollziehbar aus konkreten Anhaltspunkten herleiten müssen. Es liegt nach dem Gegenstand des Verfahrens und der Person der Angeklagten, bei denen es sich durchweg um berufserfahrene Offiziere und Unteroffiziere der Bundeswehr handelte, nicht ohne weiteres auf der Hand, dass Anlass zu solchen Befürchtungen bestanden hat.
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b) Das Interesse der Öffentlichkeit an bildlicher Dokumentation des Geschehens am Rande einer Hauptverhandlung richtet sich nicht allein auf die beteiligten Richter und Staatsanwälte und gegebenenfalls sonst beteiligte Gerichtsbedienstete, sondern schließt auch die mitwirkenden Rechtsanwälte ein. Konkrete Befürchtungen zu einer starken Belästigung oder Gefährdung der Verteidiger als Folge einer Veröffentlichung von Aufnahmen ihrer Person sind vorliegend nicht aufgezeigt worden.
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Soweit die Anordnung dem Schutz der Verteidiger der Angeklagten dienen sollte, ist nicht zureichend in die Abwägung eingestellt worden, dass die zu Prozessbevollmächtigten bestellten Rechtsanwälte ihre Aufgabe als Organ der Rechtspflege wahrnehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sie aus Anlass einer öffentlichen Hauptverhandlung in stärkerem Maße im Blickfeld der Öffentlichkeit stehen als meist bei ihrer übrigen Tätigkeit.
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c) Die angegriffene Anordnung war auch nicht durch das Anliegen eines Schutzes der Schöffen gerechtfertigt. Zwar darf der Vorsitzende auch in Rechnung stellen, ob die Laienrichter -- hier die Schöffen -- durch eine Medienberichterstattung in ihrer Entscheidungsbildung beeinträchtigt werden können. Eine solche Beeinträchtigung kann jedoch eher durch die öffentliche Erörterung des jeweiligen Falls verursacht werden als gerade durch die Verbreitung von Bildern der betroffenen Personen. Beeinträchtigungen der Entscheidungsbildung dürfen auf keinen Fall ohne besondere Anhaltspunkte unterstellt werden. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Schöffen nach § 30 Abs. 1 GVG in gleicher Weise wie die Berufsrichter zur Mitwirkung an der Entscheidung berufen sind und hierbei an der von Art. 97 Abs. 1 GG dem Richter gewährten Unabhängigkeit teilhaben. Die Rechtsordnung darf grundsätzlich erwarten, dass sich der Schöffe den mit seiner Funktion verbundenen Erwartungen auch bei Mitwirkung an von der Öffentlichkeit beachteten Verfahren gewachsen zeigen wird, selbst wenn Medien darüber Bilder verbreiten.
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d) Den vom Vorsitzenden angeführten Problemen, die aus der räumlichen Enge des Sitzungssaals resultieren könnten, hätte durch geeignete Vorkehrungen Rechnung getragen werden können, etwa durch die Beschränkung der Aufnahmen im Rahmen einer Pool-Lösung (vgl. dazu BVerfGE 91, 125 [138]; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. Juli 2000 -- 1 BvQ 17/00 --, NJW 2000, S. 2890 [2891]).
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e) Sollte es im konkreten Fall Anhaltspunkte dafür gegeben haben, dass Fernsehaufnahmen das Persönlichkeitsrecht oder die Fähigkeit zur unbefangenen Mitwirkung am Verfahren beeinträchtigen würden, hätte vor einem Verbot der Aufnahmen geklärt werden müssen, ob die befürchtete Beeinträchtigung nicht bereits mit Auflagen abgewehrt werden konnte, etwa durch eine Anonymisierung des Erscheinungsbildes betroffener Personen oder eine Beschränkung der Aufzeichnung des Einzugs des Gerichts auf Gesamtansichten unter Verzicht auf Großaufnahmen von Einzelgesichtern. Zu beidem hatte sich die Beschwerdeführerin zwecks Abwendung der angekündigten zeitlichen Beschränkung der Berichterstattung erboten.
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III. |
Der Vorsitzende hat nach Einlegung der Verfassungsbeschwerde von der ihm einfachrechtlich offen stehenden Möglichkeit einer jederzeitigen Abänderung der Anordnung Gebrauch gemacht und als Beschränkungen einer Berichterstattung allein noch eine Anonymisierung der Abbildungen der Angeklagten und die Bildung eines Berichterstatter-Pools aufgegeben. Die geänderte Fassung der Anordnung hat die Beschwerdeführerin nicht mehr zum Gegenstand ihrer Angriffe gemacht. Die Entscheidung bleibt daher auf die Feststellung beschränkt, dass die Anordnung in der angegriffenen Ursprungsfassung verfassungswidrig gewesen ist.
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IV. |
Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
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Die Entscheidung ist mit 6 : 1 Stimmen ergangen.
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