BVerfGE 157, 1 - CETA-Organstreit I
CETA-Organstreit I
 
Urteil
des Zweiten Senats vom 2. März 2021 aufgrund der mündlichen Verhandlung 13. Oktober 2020
- 2 BvE 4/16 - 
in dem Verfahren über den Antrag festzustellen, dass der Antragsgegner durch seine Stellungnahme vom 22. September 2016 (BTDrucks 18/9663) und die damit verbundene Unterlassung einer konstitutiven und verfassungsrechtlich zulässigen Zustimmung zur vorläufigen Anwendung des CETA das Grundgesetz und dadurch Rechte - insbesondere aus Artikel 23 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 1 und Absatz 2, Artikel 79 Absatz 2 des Grundgesetzes - des Deutschen Bundestages verletzt. Antragsstellerin: Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag, vertreten durch die Fraktionsvorsitzenden Dr. Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali, Patz der Republik 1, 11011 Berlin,- Bevollmächtigter: ... - Antragsgegner: Deutscher Bundestag, vertreten durch seinen Präsidenten, Platz der Republik 1, 11011 Berlin, - Bevollmächtigter: Prof. Dr. Ulrich Hufeld, Stratenbarg 40a, 22393 Hamburg -.
 
Entscheidungsformel
Der Antrag wird verworfen.
 
Gründe
 
A.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des Organstreitverfahrens gegen die Stellungnahme des Antragsgegners vom 22. September 2016 (vgl. BT-Plenarprotokoll 18/190 vom 22. September 2016, S. 18777 ff.; BTDrucks 18/9663) und die Unterlassung einer gesetzesförmigen Zustimmung zur vorläufigen Anwendung des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement -- CETA). 
I.
1. Der Bundestag befasste sich über einen längeren Zeitraum mit den Verhandlungen zu CETA. Das Abkommen war Gegenstand von Plenarsitzungen, Sitzungen des Ausschusses für Wirtschaft und Energie und zehn weiterer mitberatender Ausschüsse, mehrerer Sachverständigenanhörungen (19. Februar 2014, 15. Dezember 2014, 6. Juli 2016, 5. September 2016) und Fachgesprächen mit dem kanadischen Chefunterhändler Verheul (8. Oktober 2014), der EU-Kommissarin Malmström (14. Januar 2016) und der kanadischen Handelsministerin Freeland (14. April 2016).
Am 10. Mai 2016 beantragten die Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag und zehn ihrer Abgeordneten, der Antragsgegner wolle eine Stellungnahme zu CETA beschließen und die Bundesregierung auffordern, im Rat der Europäischen Union den Beschluss über die vorläufige Anwendung von CETA abzulehnen (vgl. BTDrucks 18/8391).
Am 5. Juli 2016 beantragten die Fraktion DIE LINKE und acht ihrer Abgeordneten, der Antragsgegner wolle beschließen, festzustellen, dass CETA mitgliedstaatliche Kompetenzen berühre und in die Angelegenheiten der Länder eingreife. Der Antragsgegner solle daher die Bundesregierung auffordern, dafür Sorge zu tragen, dass CETA als gemischtes Abkommen neben dem Antragsgegner auch dem Bundesrat zur Abstimmung vorgelegt werde (vgl. BTDrucks 18/9030).
Der Ausschuss für Energie und Wirtschaft des Deutschen Bundestages hörte in seiner 87. Sitzung am 5. September 2016 Sachverständige zu verfassungs- und europarechtlichen Fragen und zu inhaltlichen Aspekten von CETA an und beschloss in seiner 88. Sitzung am 21. September 2016, die Ablehnung der oben genannten Anträge zu empfehlen (vgl. BTDrucks 18/9697 und 18/9703).
Die Fraktion DIE LINKE und elf ihrer Abgeordneten beantragten am 20. September 2016 unter dem Titel "Gemeinwohl vor Konzerninteressen -- CETA stoppen" (vgl. BTDrucks 18/9665), der Antragsgegner wolle beschließen, nach Art. 23 Abs. 3 GG Stellung zu nehmen und festzustellen, dass die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung von CETA in seiner bestehenden Form gegen das Unionsrecht und auch das Grundgesetz verstoße. Weiter solle der Antragsgegner die Bundesregierung auffordern, den deutschen Vertreter im Ministerrat anzuweisen, den Vorschlag der Europäischen Kommission für einen Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung von CETA und den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung von CETA abzulehnen, und für den Fall, dass die Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit getroffen würden und der deutsche Vertreter im Rat überstimmt würde, juristisch gegen diese Beschlüsse vorzugehen. Zur Begründung verwies der Antrag unter anderem darauf, dass die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Ratsbeschlüsse ultra vires ergehen und die Verfassungsidentität verletzen würden (vgl. BTDrucks 18/9665, S. 1). Insbesondere sei eine vorläufige Anwendung von CETA nur zulässig, soweit die ausschließlichen Zuständigkeiten der Europäischen Union reichten. Es genüge daher nicht, das Kapitel zum Investitionsschutz von der vorläufigen Anwendung auszunehmen. Auch für Verkehrsdienstleistungen, die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen, den Arbeitnehmerschutz und die in CETA vorgesehenen Vertragsorgane mit ihren weitreichenden Zuständigkeiten sowie für die Regulierungskooperation besitze die Europäische Union keine ausschließliche Zuständigkeit. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages habe dies zumindest für die Bestimmungen über Verkehrsdienstleistungen bestätigt. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum das im Frühjahr 2017 erwartete Ergebnis des Gutachtens des Gerichtshofs der Europäischen Union zum EU-Singapur-Abkommen (EUSFTA) -- dieses liegt inzwischen vor (vgl. EuGH, Gutachten 2/15 vom 16. Mai 2017, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Republik Singapur, EU:C:2017:376) -- nicht abgewartet werde, das eine erste Klärung zur Reichweite der handelspolitischen Zuständigkeiten der Europäischen Union bringen könne (vgl. BTDrucks 18/9665, S. 4). Die Anträge der Fraktion DIE LINKE beziehungsweise ihrer Abgeordneten wurden abgelehnt (vgl. BT-Plenarprotokoll 18/190 vom 22. September 2016, S. 18794, 18800 ff.).
Der Antragsgegner nahm stattdessen den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD an, die streitgegenständliche Stellungnahme abzugeben (vgl. BT-Plenarprotokoll 18/190 vom 22. September 2016, S. 18803 ff.). Mit dieser stellte er "in Wahrnehmung seiner Integrationsverantwortung" unter anderem fest (BTDrucks 18/9663, S. 3):
2. Der Senat hat mit Urteil vom 13. Oktober 2016 in den Verfahren 2 BvR 1368/16, 2 BvR 1444/16, 2 BvR 1482/16, 2 BvR 1823/16 und 2 BvE 3/16 den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat zur vorläufigen Anwendung von CETA nach Maßgabe der Gründe abgelehnt (vgl. BVerfGE 143, 65 [66]). Dort hat er ausgeführt, dass sich der Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung im Hauptsacheverfahren möglicherweise als Ultra-vires-Akt herausstellen könne und auch eine Berührung der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität nicht ausgeschlossen sei (vgl. BVerfGE 143, 65 [93 Rn. 50]). Der Europäischen Union dürfte es unter anderem an einer Vertragsschlusskompetenz für Portfolioinvestitionen, den Investitionsschutz, den internationalen Seeverkehr, die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen und den Arbeitsschutz fehlen (vgl. BVerfGE 143, 65 [93 ff. Rn. 52 ff.]). Nicht auszuschließen sei weiter, dass sich der Beschluss des Rates zur vorläufigen Anwendung von CETA auch insoweit als Ultra-vires-Akt darstellen könnte, als mit CETA Hoheitsrechte auf das Gerichts- und das Ausschusssystem weiterübertragen werden sollten (vgl. BVerfGE 143, 65 [95 Rn. 58]). Nicht völlig ausgeschlossen erscheine ferner, dass die Ausgestaltung des in CETA vorgesehenen Ausschusssystems die Grundsätze des Demokratieprinzips als Teil der Verfassungsidentität des Grundgesetzes berühre (vgl. BVerfGE 143, 65 [95 ff. Rn. 59 ff.]). Die Risiken für die Schutzgüter des Art. 38 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG ließen sich jedoch durch unterschiedliche Vorkehrungen praktisch ausschließen. Dem Risiko eines Ultra-vires-Akts könne durch Ausnahmen von der vorläufigen Anwendung begegnet werden (vgl. BVerfGE 143, 65 [98 ff. Rn. 67 ff.]). Einer etwaigen Berührung der Verfassungsidentität (vgl. Art. 79 Abs. 3 GG) durch Kompetenzausstattung und Verfahren des Ausschusssystems könne -- jedenfalls im Rahmen der vorläufigen Anwendung -- zum Beispiel durch eine interinstitutionelle Vereinbarung, nach der Beschlüsse gemäß Art. 30.2 Abs. 2 CETA nur aufgrund eines einstimmig angenommenen gemeinsamen Standpunktes nach Art. 218 Abs. 9 AEUV gefasst werden, oder andere Vorkehrungen begegnet werden (vgl. BVerfGE 143, 65 [100 Rn. 71]). Zudem müsse sichergestellt werden, dass Deutschland die vorläufige Anwendung von CETA auch einseitig beenden könne (vgl. BVerfGE 143, 65 [100 f. Rn. 72]).
3. CETA wurde schließlich auch von den Organen der Europäischen Union als gemischtes Abkommen behandelt. In der Sitzung des Rates der Handelsminister am 18. Oktober 2016 einigten sich die Mitgliedstaaten auf Entwürfe von Erklärungen der europäischen Institutionen, die gemeinsam mit weiteren Erklärungen der Mitgliedstaaten bei der Annahme des Beschlusses über die Unterzeichnung von CETA durch den Rat (vgl. Ratsdokument 10972/1/16 REV 1 vom 26. Oktober 2016) in das Ratsprotokoll aufgenommen wurden (vgl. Ratsdokument 13463/1/16 REV 1 vom 27. Oktober 2016; vgl. hierzu auch BVerfGE 144, 1 [7 ff. Rn. 12]). Dazu gehört unter anderem die Erklärung Nr. 15 des Rates, in der festgehalten wird: 
Am 28. Oktober 2016 (vgl. Pressemitteilung des Rates 623/16) beschloss der Rat der Europäischen Union die Unterzeichnung (vgl. Beschluss [EU] 2017/37 des Rates vom 28. Oktober 2016 über die Unterzeichnung -- im Namen der Europäischen Union -- des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens [CETA] zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits, ABl EU Nr. L 11 vom 14. Januar 2017, S. 1 f.) und die vorläufige Anwendung von CETA (vgl. Beschluss [EU] 2017/38 des Rates vom 28. Oktober 2016, a.a.O., S. 1080 f.).
Die vorläufige Anwendung wurde auf folgende Teile von CETA beschränkt beziehungsweise folgende Teile wurden von der vorläufigen Anwendung ausgenommen (vgl. Art. 1 Abs. 1 Beschluss [EU] 2017/38 des Rates): 
Am 30. Oktober 2016 wurde CETA unterzeichnet. Das Europäische Parlament stimmte dem Abkommen in seiner Plenarsitzung vom 15. Februar 2017 zu. Seit dem 21. September 2017 wird CETA vorläufig angewendet. Die Ratifikation durch die Mitgliedstaaten und den Rat der Europäischen Union steht noch aus. 
II.
Mit Schriftsatz vom 27. September 2016 hat die Fraktion DIE LINKE Organklage erhoben und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Letzteren hat sie mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2016 für erledigt erklärt. Sie begehrt die Feststellung, dass die Stellungnahme des Antragsgegners vom 22. September 2016 und die damit verbundene Unterlassung einer konstitutiven und verfassungsrechtlich zulässigen Zustimmung zur vorläufigen Anwendung von CETA das Grundgesetz und Rechte des Deutschen Bundestages verletze. 
1. Die Antragstellerin hält ihren Antrag für zulässig. Der Antrag sei auf einen zulässigen Verfahrensgegenstand gerichtet. Bereits die Stellungnahme selbst sei eine rechtserhebliche Maßnahme, habe der Antragsgegner dem deutschen Vertreter im Rat der Europäischen Union damit doch signalisiert, dass er der vorläufigen Anwendung von CETA und seiner Unterzeichnung zustimmen könne.
Zudem seien die Stellungnahme und mit ihr die -- von der Antragstellerin für notwendig erachtete -- nicht erfolgte Zustimmung des Antragsgegners durch Gesetz hinsichtlich der vorläufigen Anwendung von CETA beziehungsweise einzelner seiner Teile auch ein rechtserhebliches Unterlassen (vgl. § 64 Abs. 1 BVerfGG). Die Integrationsverantwortung des Antragsgegners nach Art. 23 GG habe sich insoweit zu einer konkreten Handlungspflicht in dem Sinne verdichtet, dass bezüglich der vorläufigen Anwendung von CETA -- analog zu den Vorgaben des Integrationsverantwortungsgesetzes -- eine Ermächtigung und Weisung an den deutschen Vertreter im Rat in Gesetzesform erforderlich gewesen oder, allgemeiner, hätte sichergestellt werden müssen, dass es zu keinem Handeln ultra vires und zu keiner Berührung der Verfassungsidentität komme.
Die Antragsbefugnis der Antragstellerin ergebe sich daraus, dass die Mitwirkungsrechte des Antragsgegners aus Art. 23 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 2 GG beeinträchtigt seien. Die angegriffene Stellungnahme sichere die Rechte des Antragsgegners im Entscheidungsprozess über die vorläufige Anwendung von CETA nicht hinreichend. Die vorläufige Anwendung des Abkommens sei -- ungeachtet möglicher Beschränkungen gemäß dem Entwurf eines Ratsbeschlusses vom 16. September 2016 -- ein Ultra-vires-Akt, der überdies durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Grundsätze verletze. Zudem werde die Zustimmung zur vorläufigen Anwendung eines gemischten Abkommens, in dem Vertragsgremien mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet würden, der Integrationsverantwortung des Antragsgegners nicht gerecht, denn eine solche Zustimmung bedürfe stets der Gesetzesform. Das ergebe sich auch aus Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GG. Die Fraktionen könnten eine Verletzung dieser Rechte im Wege der Prozessstandschaft geltend machen.
Das Rechtsschutzbedürfnis sei gegeben. Der Organstreit stehe in keinem Subsidiaritätsverhältnis zu anderen politischen Handlungsmöglichkeiten.
2. Der Antrag sei auch begründet. Die Stellungnahme verletze Rechte des Antragsgegners aus Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 23 Abs. 3, Art. 38 und Art. 79 Abs. 2 GG. Die vorläufige Anwendung von CETA missachte die unionale und verfassungsrechtliche Kompetenzordnung, entziehe für die demokratische Selbstbestimmung zentrale Politikbereiche der Disposition des Antragsgegners und berühre damit die durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Verfassungsidentität.
Der Antragsgegner habe es unter Verstoß gegen seine Integrationsverantwortung versäumt, das Stimmverhalten des deutschen Vertreters im Rat der Europäischen Union an eine vorherige gesetzliche Ermächtigung zu binden. Nur so sei sicherzustellen, dass kein Handeln ultra vires und keine Berührung der Verfassungsidentität ermöglicht würden. Auch müsse gesichert werden, dass die vorläufige Anwendung nach Art. 218 Abs. 5 AEUV auf Verlangen der Mitgliedstaaten beendet werden könne. Dass die Stellungnahme -- von nicht näher bezeichneten Einschränkungen zu Kapitel 8 CETA und der salvatorischen Klausel, dass die unionale Kompetenzordnung beachtet werden möge, abgesehen -- keine inhaltlichen Vorgaben dafür mache, welche Bereiche des Abkommens von einer vorläufigen Anwendung auszunehmen seien, sei verfassungswidrig. Eine solche Festlegung hätte in Form eines Gesetzes getroffen werden und sich dazu verhalten müssen, welche Vertragsteile konkret in die Kompetenz der Europäischen Union fallen ("konstitutive Eingrenzung" und "demokratische Vorstrukturierung").
Hinsichtlich solcher Teile von CETA, die über Art. 218 Abs. 5 AEUV vorläufig angewandt werden sollten, ohne dass eine Unionskompetenz bestünde, habe es einer spezifischen Übertragung nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GG bedurft.
Zur Übertragung von Hoheitsrechten auf CETA-Gremien, die nicht von Art. 218 Abs. 9 AEUV gedeckt sei, habe der Antragsgegner zudem mit qualifizierter Mehrheit gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 2 GG entscheiden müssen. Das betreffe insbesondere Kapitel 26 CETA, das ähnlich wie Brückenklauseln im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union wirke. Sofern beispielsweise der Gemischte CETA-Ausschuss nach Art. 26.1 Abs. 5 Buchstabe e CETA Auslegungen des Abkommens vornehmen könne und sich diese auch in der Phase der vorläufigen Anwendung auf die Konkretisierung von Bestimmungen des Kapitels 14 CETA zur Inländerbehandlung und Meistbegünstigung (vgl. Art. 14.2 Abs. 2 CETA) erstreckten, erhalte der Ausschuss auch für diese Phase Befugnisse, die in den Bereich der mitgliedstaatlichen Kompetenzen übergriffen. Hinzu komme, dass ausweislich von Art. 30.6 Abs. 1 1. Alternative CETA durchaus Individualrechte durch das Abkommen begründet würden. Auch Art. 26.3 Abs. 2 CETA ("vorbehaltlich der Erfüllung etwaiger interner Anforderungen und des Abschlusses etwaiger interner Verfahren") schütze die mitgliedstaatlichen Rechte nicht hinreichend, da es keine explizite Regelung dieser internen Verfahren gebe. Zudem habe der Gemischte CETA-Ausschuss nach Art. 26.1 Abs. 5 Buchstaben a, g und h CETA die Kompetenz, die institutionelle Struktur des im Vertrag vorgesehenen Ausschusswesens zu verändern.
Mit dem vorläufigen Inkrafttreten von CETA änderten sich die Entscheidungsstrukturen in den einzelnen Bereichen. So werde über Art. 218 Abs. 5 AEUV eine dynamische Fortentwicklung ermöglicht, die Sachbereiche in ein völkerrechtliches Entscheidungsverfahren überführe. Damit könnten Entscheidungsbefugnisse sogar aus dem Bereich der Europäischen Union heraus übertragen werden. Es sei daher Aufgabe des Gesetzgebers, die Bereiche konkret zu kennzeichnen, die einer vorläufigen Anwendung zugeführt werden sollen. Für Bereiche, die in die Zuständigkeit der Europäischen Union fielen, ergebe sich dies aus der Integrationsverantwortung des Art. 23 Abs. 1 GG, für die Bereiche in nationaler Zuständigkeit aus Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GG.
Die Antragstellerin betont, dass sie die vorläufige Anwendung von CETA auch im Lichte der im Entwurf eines Ratsbeschlusses vom 16. September 2016 vorgesehenen Einschränkungen als Ultra-vires-Maßnahme erachte. Der Entwurf des Ratsbeschlusses reiche "nicht weit genug, um die Rechtswidrigkeiten hinsichtlich der vorläufigen Anwendung zu beseitigen". Auch mit einem derart eingeschränkten Beschluss würden dem Antragsgegner maßgebliche Politikbereiche entzogen, die für die demokratische Selbstbestimmung zentral und durch die Verfassungsidentität geschützt seien. Der Antragsgegner habe daher nicht nur inhaltliche Vorgaben für die Einschränkung der unter die vorläufige Anwendung fallenden Bereiche machen, sondern auch eine zeitliche Beschränkung vorsehen und sicherstellen müssen, sodass die vorläufige Anwendung von CETA auf Verlangen der Mitgliedstaaten beendet werden könne.
Die mangelnde Einbeziehung des Parlaments in das Ausschusssystem von CETA widerspreche darüber hinaus dem Demokratieprinzip (vgl. Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG) in evidenter und qualifizierter Weise. Das gelte für die Einrichtung der Vertragsgremien sowie für Art. 21.7 Abs. 5 CETA (Umsetzung von Produkt-warnungen) und Art. 26.1 Abs. 5 Buchstabe e CETA (Enteignungsschutz). Da Art. 13.2 Abs. 3 CETA, der auf Kapitel 8 CETA verweise, vorläufig anwendbar sei, werde zudem das von der vorläufigen Anwendung eigentlich ausgenommene Kapitel über Investitionen doch wieder vorläufig anwendbar.
Schließlich sei der Passus in der Stellungnahme, dass "zwischen der EU und Kanada gemeinsam getroffene Vereinbarungen zu CETA im Zuge des weiteren Prozesses in rechtsverbindlichen Erklärungen festgehalten werden", inhaltlich zu vage, weil er das "Was" und das "Wie" der Umsetzung eventueller Begleitvereinbarungen offenlasse.
III.
Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 23. April 2018 Stellung genommen. Er erachtet den Antrag für unzulässig (1.) und unbegründet (2.).
1. Der Antrag sei unzulässig, weil er den Anforderungen des § 64 Abs. 2 BVerfGG nicht genüge. Zudem zeige die Antragstellerin keinen rechtserheblichen Angriffsgegenstand auf und könne deshalb eine Antragsbefugnis nicht darlegen.
Der Antrag genüge nicht den Anforderungen des § 64 Abs. 2 BVerfGG, da er nicht die Bestimmung des Grundgesetzes bezeichne, die der Antragsgegner verletzt haben solle. Eine solche Bezeichnung im Antrag sei jedoch unabdingbar, sodass es nicht genüge, wenn sich diese aus der Antragsbegründung ergebe. Das folge aus dem Urteil des Senats vom 2. Juni 2015 (vgl. BVerfGE 139, 194).
Die beanstandete Unterlassung einer "konstitutiven" Zustimmung zur vorläufigen Anwendung von CETA durch Gesetz sei nicht rechtserheblich, da der Antragsgegner zur Vornahme der hier eingeforderten Maßnahme von Verfassungs wegen nicht verpflichtet gewesen sei. Aus dem Grundgesetz ergebe sich keine Pflicht des Antragsgegners, den deutschen Vertreter im Rat durch Gesetz zur Zustimmung zu CETA zu ermächtigen und die Bereiche konkret zu benennen, in denen eine Zustimmung untersagt sein solle. Die Rüge verwische verschiedene Aspekte der Integrationsverantwortung und verkenne zugleich, dass sich aus dem Integrationsverfassungsrecht allenfalls ausnahmsweise konkrete und unausweichliche Handlungspflichten ergäben.
Der Begriff der Integrationsverantwortung stehe nicht für eine selbstständige Verfassungsnorm, sondern knüpfe an das ausdifferenzierte System von Teilhabe-, Gestaltungs- und Kontrollkompetenzen an. In diesem Sinne sei der Antragsgegner verpflichtet, an der Verwirklichung eines vereinten Europas dadurch mitzuwirken (vgl. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG), dass er für eine "gute Europapolitik" sorge (vgl. Art. 23 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2, Satz 3 GG). So entfalte die Integrationsverantwortung eine Legitimationsfunktion. Zugleich habe der Antragsgegner über die Einhaltung des Integrationsprogramms zu wachen und aktiv gegen kompetenzwidriges Verhalten vorzugehen. Darin liege im Rahmen der Integrationsverantwortung seine Kontrollfunktion.
Die Gesetzgebungspflichten nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GG seien Gestaltungsentscheidungen. Von diesen seien die Beteiligungsrechte gemäß Art. 23 Abs. 2 und Abs. 3 GG sowie dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) abzugrenzen, die Ausdruck eines variablen Systems der informierten Mitwirkung seien. Der Antragsgegner habe zu entscheiden, ob er einschreiten wolle und könne dabei aus einem breiten Spektrum zwischen informeller Kommunikation und förmlicher Stellungnahme auswählen. Von Art. 23 Abs. 1a GG abgesehen sei die Integrationsverantwortung nicht an einzelne Mitwirkungstitel, Einflussmodi und Handlungsformen gebunden.
Vor diesem Hintergrund sei der Antrag wohl so zu verstehen, dass die Antragstellerin ein Gesetz als Ausfluss der Integrationsverantwortung verlange, das dem deutschen Vertreter im Rat die Zustimmung zur vorläufigen Anwendung von CETA ermögliche ("positive Integrationsverantwortung") und Einschränkungen vorsehen müsse, um Rechtswidrigkeiten hinsichtlich der vorläufigen Anwendung zu beseitigen ("negative Integrationsverantwortung").
Hinsichtlich einer positiven Integrationsverantwortung habe die Antragstellerin jedoch nicht dargetan, dass das bestehende Mandat des deutschen Vertreters im Rat nicht bereits die Zustimmung zur vorläufigen Anwendung der Übereinkunft umfasse. Auch ein Mandatsbegrenzungsgesetz im Sinne einer negativen Integrationsverantwortung schulde der Bundesgesetzgeber nicht. Die Integrationsverantwortung verdichte sich hier nicht etwa zu einer solchen konkreten Handlungspflicht. Angesichts des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung schlössen die Mandate der deutschen Vertreter im Rat eine Begrenzung auf die in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten (vgl. Art. 4 Abs. 1 EUV) mit ein.
Zudem sei nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner als Integrationsgesetzgeber gehalten sei, den Maßstab zu antezipieren, den der Gerichtshof der Europäischen Union -- etwa im Rahmen eines Gutachtens nach Art. 218 Abs. 11 AEUV -- oder das Bundesverfassungsgericht bei der Ultra-vires-Kontrolle anlegten. Das Bundesverfassungsgericht habe im OMT-Urteil (vgl. BVerfGE 142, 123 [207 Rn. 162]) vielmehr bestätigt, dass eine konkrete Handlungspflicht des Antragsgegners erst nach einer entsprechenden Feststellung des Bundesverfassungsgerichts bestehe.
Fehl gehe auch die Rüge, dass es für eine Weiterübertragung von Hoheitsrechten keine gesetzliche Grundlage gebe. CETA-Gremien könnten nur durch Erlass von "sekundärem internationalen Recht" ohne Durchgriffswirkung rechtsetzend tätig werden. Dieses bedürfe keiner spezifischen Legitimation, weil eine solche Möglichkeit bereits von Art. 218 Abs. 9 AEUV vorgesehen sei. Eine Befugnis zur Ergänzung oder Änderung des institutionellen Rahmens sei damit nicht verbunden.
Mit Brückenklauseln im Sinne der Lissabon-Entscheidung sei die Rechtsetzungskompetenz der CETA-Gremien nicht zu vergleichen. Brückenklauseln seien auf eine materielle Vertragsänderung gerichtet, während es vorliegend allein um nachgeordnete Rechtsakte gehe, die den institutionellen Rahmen der Übereinkunft weder im Sinne des Art. 218 Abs. 9 AEUV ergänzten noch änderten. Das von den CETA-Gremien gesetzte Recht sei daher eher dem von der Europäischen Kommission erlassenen Tertiärrecht als einer Brückenklausel vergleichbar.
Eine Verpflichtung zum Erlass eines Mandatsgesetzes bestünde auch dann nicht, wenn der Rat mit der Beschlussfassung über die vorläufige Anwendung von CETA die Grenzen des Primärrechts überschritte. In einer solchen Ultra-vires-Konstellation würde eine Ermächtigung durch Gesetz keine heilende Wirkung entfalten. Soweit die Antragstellerin rüge, dass sich der Ratsbeschluss über die vorläufige Anwendung nicht in den Grenzen der Art. 3 Abs. 1 Buchstabe e, Art. 207 AEUV halte, könne sie nicht geltend machen, dass es dazu eines Gesetzes bedurft hätte. Dies verkenne, dass es ohne eine Änderung des Primärrechts an einer Übertragung von Hoheitsrechten fehle.
Der Einwand, dass die vorläufige Anwendung von CETA Grundsätze verletze, die zur Verfassungsidentität zählten, und dass die nicht ausreichende Rück-bindung des Ausschusssystems insbesondere dem Demokratieprinzip widerspreche, könne die Forderung nach einem Mandatsgesetz ebenfalls nicht begründen. Einerseits sei schon nicht dargelegt, wie ein Mandatsgesetz eine Rückbindung der CETA-Gremien hätte gewährleisten sollen. Andererseits habe das Bundesverfassungsgericht bereits festgestellt, dass der Antragsgegner bei der Wahrnehmung seiner Integrationsverantwortung nicht notwendig in Gesetzesform vorgehen müsse. Indem der Antragsgegner in seiner Stellungnahme festgehalten habe, dass er "bei Bedarf (...) von seinem Recht Gebrauch machen [werde], zu Positionen der Europäischen Union Stellung zu nehmen" und die vorläufige Anwendung "aktiv und intensiv [zu] begleiten", habe er seine Integrationsverantwortung "idealtypisch eingeleitet".
Auch dem Risiko, dass CETA-Ausschüsse ihre Kompetenzen zu weit auslegten, könne der Antragsgegner nicht durch ein vorsorgliches Gesetz begegnen. Vielmehr müsse er den Vertragsvollzug begleiten, kontinuierlich beobachten und auf unerwartete Entwicklungen angemessen reagieren.
Dass die vorläufige Anwendung von CETA nach Art. 218 Abs. 5 AEUV auf Verlangen der Mitgliedstaaten nicht beendet werden könne, sei ebenfalls keine zulässige Rüge. Es bestehe keine verfassungsrechtliche Pflicht des Antragsgegners, auf eine Beendigungsmöglichkeit gerade in Gesetzesform hinzuwirken.
Dem Antrag fehle es schließlich am Rechtsschutzbedürfnis, da er in der Sache auf eine allgemeine, von den Rechten und Pflichten des Antragsgegners losgelöste Kontrolle abziele.
2. Der Antrag sei auch unbegründet. Eine hinreichend qualifizierte Verletzung des Integrationsprogramms sei nicht greifbar und der weitere Vollzugs- und Ratifikationsprozess ohne gesetzliche Vorgaben zu steuern gewesen. Insoweit habe der Antragsgegner ein breiteres Spektrum an Handlungsoptionen.
Den allenfalls gebotenen Schutz der Verfassungsidentität müsse der Antragsgegner nicht schon bei der Beschlussfassung über die vorläufige Anwendung von CETA sicherstellen. Zwar sei denkbar, dass den CETA-Gremien gewichtige Fortentwicklungskompetenzen zukämen; solchen Risiken könne der Antragsgegner allerdings nicht mit einem Mandatsgesetz begegnen. Er müsse vielmehr gegebenenfalls auf Fehlentwicklungen reagieren. Dies gelte auch, soweit die demokratische Legitimation von Gremienbeschlüssen prekär erscheine.
Der Antragsgegner habe schließlich nicht versäumt sicherzustellen, "dass die vorläufige Anwendung nach Art. 218 Abs. 5 AEUV auf Verlangen der Mitgliedstaaten beendet werden" könne; vielmehr habe er die Vorläufigkeit der vorläufigen Anwendung von CETA in der streitgegenständlichen Stellungnahme hinreichend betont.
IV.
Die Bundesregierung hat mit Schriftsatz vom 23. April 2018 Stellung genommen und hält den Antrag ebenfalls für unzulässig (1.) und unbegründet (2.).
1. Der Zulässigkeit stehe entgegen, dass der Organstreit keine objektive Beanstandungsklage sei. Rechte des Antragsgegners seien nicht verletzt. Die Antragstellerin übergehe die Besonderheiten, die sich aus der Natur von CETA als gemischtem Abkommen ergäben. So würden die Teile, die nicht in die Zuständigkeit der Europäischen Union fielen, auch nicht vorläufig angewendet. Dass die anderen Teile vorläufig angewendet würden, berühre die Kompetenzen des Antragsgegners nicht. Soweit ersichtlich, sei in keinem Mitgliedstaat der Europäischen Union eine Begleitung, Ermächtigung oder sonst konstitutive Gesetzgebung im Hinblick auf die vorläufige Anwendung von CETA erfolgt. Im Übrigen habe der Antragsgegner diese Aspekte intensiv begleitet.
2. Der Antrag sei auch unbegründet. Die bisherige Mitwirkung des Antragsgegners an CETA genüge den Anforderungen des Grundgesetzes. So habe er CETA bereits vor der Einleitung des Ratifikationsverfahrens als gemischtes Abkommen in einer Vielzahl von Ausschusssitzungen und durch den Austausch mit zuständigen Akteuren der Europäischen Union, eine wiederholte Befassung des Plenums sowie in Sachverständigenanhörungen intensiv behandelt. Die Bundesregierung habe den Antragsgegner in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union hinreichend informiert, um ihn eng in die Beratungsprozesse über die europäische Handelspolitik einzubinden.
Ein Zustimmungsgesetz sei nicht erforderlich gewesen, da mit dem Ratsbeschluss nach Art. 218 Abs. 5 AEUV weder Hoheitsrechte übertragen noch die europäischen Gründungsverträge weiterentwickelt würden. CETA sei nicht unmittelbar anwendbar, sodass auch die Einrichtung von Vertragsgremien keine Rolle für die Frage spiele, ob ein Zustimmungsgesetz nach Art. 23 GG erforderlich sei. Beschlüsse des Gemischten Ausschusses gemäß Art. 26.3 Abs. 2, Art. 30.2 Abs. 2 Satz 2 CETA unterlägen einem Zustimmungsvorbehalt der Vertragsparteien.
Der Antragsgegner habe sich auf sein Mitwirkungsrecht nach Art. 23 Abs. 3 GG in Verbindung mit § 8 EUZBBG konzentriert. Dies sei nicht zu beanstanden, da die Form der Befassung mit einem unionalen Vorhaben und die Entscheidung über die Abgabe einer Stellungnahme in seinem politischen Ermessen lägen.
V.
In der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2020 haben die Beteiligten ihren Vortrag konkretisiert und ergänzt.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat dabei klargestellt, dass der gestellte Antrag ausschließlich darauf abziele, dass der Antragsgegner ein Mandatsgesetz sowie begleitende gesetzgeberische Maßnahmen habe erlassen müssen.
Als sachkundige Dritte im Sinne von § 27a BVerfGG sind Frau Prof. Dr. Sabine Kropp, Freie Universität Berlin, und Herr Prof. Dr. Andreas Maurer, Universität Innsbruck, angehört worden.
 
B.
Der Antrag ist unzulässig.
I.
1. Gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlass von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind.
a) Gegenstand des Organstreitverfahrens kann nur eine Maßnahme oder ein Unterlassen sein. Das zur Nachprüfung gestellte Verhalten muss rechtserheblich sein oder sich zumindest zu einem die Rechtsstellung des Antragstellers beeinträchtigenden, rechtserheblichen Verhalten verdichten können (vgl. BVerfGE 13, 123 [125]; 57, 1 [4 f.]; 60, 374 [381]; 97, 408 [414]; 118, 277 [317]; 120, 82 [96]; 138, 45 [59 f. Rn. 27]; 150, 194 [199 f. Rn. 17]; 152, 8 [19 f. Rn. 27]). Erforderlich ist, dass dieser durch die angegriffene Maßnahme in seinem Rechtskreis konkret betroffen ist (vgl. BVerfGE 124, 161 [185]; 138, 45 [59 f. Rn. 27]; 150, 194 [199 f. Rn. 17]). Handlungen, die nur vorbereitenden oder bloß vollziehenden Charakter haben, scheiden als Angriffsgegenstand im Organstreit aus (vgl. BVerfGE 97, 408 [414]; 120, 82 [96]; 150, 194 [199 f. Rn. 17]).
b) Ein Antrag im Organstreitverfahren ist gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Die Antragstellerin kann als Fraktion des Deutschen Bundestages im Organstreitverfahren eigene Rechte und Rechte des Deutschen Bundestages im Wege der Prozessstandschaft, das heißt fremde Rechte im eigenen Namen, geltend machen (stRspr; vgl. BVerfGE 152, 8 [18 Rn. 25] m.w.N.). 
Bei dem Organstreit handelt es sich um eine kontradiktorische Parteistreitigkeit (vgl. BVerfGE 126, 55 [67]; 138, 256 [258 f. Rn. 4]; 150, 194 [200 Rn. 18]; 152, 8 [20 Rn. 28]). Er dient der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht hingegen der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns (vgl. BVerfGE 104, 151 [193 f.]; 118, 244 [257]; 126, 55 [67 f.]; 140, 1 [21 f. Rn. 58]; 143, 1 [8 Rn. 29]; 150, 194 [200 Rn. 18]; 152, 8 [20 Rn. 28]). Kern des Organstreitverfahrens ist auf Seiten des Antragstellers die Durchsetzung der geltend gemachten eigenen oder fremden Rechte (vgl. BVerfGE 67, 100 [126]; 124, 78 [113]; 143, 101 [132 Rn. 104]; 150, 194 [200 Rn. 18]; 152, 8 [20 Rn. 28]; vgl. auch Lenz/Hansel, BVerfGG, 3. Aufl. 2020, § 64 Rn. 19). Der Organstreit eröffnet daher nicht die Möglichkeit einer objektiven Beanstandungsklage (vgl. BVerfGE 118, 277 [319]; 126, 55 [68]; 138, 256 [259 Rn. 5]; 140, 1 [21 f. Rn. 58]; 150, 194 [200 Rn. 18]; 152, 8 [20 Rn. 28]). Für eine allgemeine oder umfassende, von den Rechten des Antragstellers losgelöste, abstrakte Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit einer angegriffenen Maßnahme ist im Organstreit kein Raum (vgl. BVerfGE 73, 1 [30]; 80, 188 [212]; 104, 151 [193 f.]; 118, 277 [318 f.]; 136, 190 [192 Rn. 5]; 150, 194 [200 Rn. 18]; 152, 8 [20 Rn. 28]). Das Grundgesetz kennt keinen allgemeinen Gesetzes- oder Verfassungsvollziehungsanspruch, auf den die Organklage gestützt werden könnte (vgl. Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 64 Rn. 63 [Januar 2017]). Auch eine Respektierung sonstigen (Verfassungs-)Rechts kann im Organstreit nicht erzwungen werden; er dient allein dem Schutz der Rechte der Verfassungsorgane im Verhältnis zueinander, nicht aber einer allgemeinen Verfassungsaufsicht (vgl. BVerfGE 100, 266 [268]; 118, 277 [319]; 150, 194 [200 f. Rn. 18]; 152, 8 [20 f. Rn. 28]). Das Grundgesetz hat insbesondere den Deutschen Bundestag als Gesetzgebungsorgan, nicht als umfassendes "Rechtsaufsichtsorgan" über die Bundesregierung eingesetzt. Aus dem Grundgesetz lässt sich daher auch kein eigenes Recht des Bundestages dahingehend ableiten, dass jegliches materiell oder formell verfassungswidrige Handeln der Bundesregierung zu unterbleiben habe (vgl. BVerfGE 68, 1 [72 f.]; 126, 55 [68]; 150, 194 [201 Rn. 18]).
Mit Rechten im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG sind allein diejenigen Rechte gemeint, die dem Antragsteller oder dem Organ, dem er angehört, zur ausschließlich eigenen Wahrnehmung oder zur Mitwirkung übertragen sind oder deren Beachtung erforderlich ist, um die Wahrnehmung seiner Kompetenzen und die Gültigkeit seiner Akte zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 68, 1 [73]; 150, 194 [201 Rn. 19]; 152, 8 [21 Rn. 28]).
Für die Zulässigkeit eines Organstreitverfahrens erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die von dem Antragsteller behauptete Verletzung oder unmittelbare Gefährdung solcher verfassungsmäßigen Rechte unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäbe nach dem vorgetragenen Sachverhalt möglich erscheint (vgl. BVerfGE 138, 256 [259 Rn. 6]; 140, 1 [21 f. Rn. 58]; 150, 194 [201 Rn. 20]; 152, 8 [21 Rn. 29]).
Nach § 64 Abs. 2 BVerfGG ist im Antrag zudem die Bestimmung des Grundgesetzes zu bezeichnen, gegen die durch die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners verstoßen wird (vgl. BVerfGE 134, 141 [192 Rn. 149]; 138, 102 [108 Rn. 23]; 139, 194 [220 Rn. 97]; 150, 194 [201 Rn. 21]).
Als allgemeine Verfahrensvorschrift gilt § 23 Abs. 1 BVerfGG auch für das Organstreitverfahren. Die Norm verlangt eine über die bloße Bezeichnung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 64 Abs. 1 und Abs. 2 BVerfGG hinausgehende nähere Substantiierung der Begründung (vgl. BVerfGE 24, 252 [258]; 123, 267 [339]; 152, 55 [61 Rn. 18]).
2. Die verfassungsgerichtliche Prüfung ist auf den durch den Antrag umschriebenen Verfahrensgegenstand beschränkt. Allerdings ist das Bundesverfassungsgericht bei der Auslegung des Antrags nicht an dessen Wortlaut gebunden. Entscheidend ist vielmehr der eigentliche Sinn des mit einem Antrag verfolgten prozessualen Begehrens (vgl. BVerfGE 68, 1 [68]; 129, 356 [364]; 150, 194 [199 Rn. 15]). Dieser kann sich auch aus der Antragsbegründung ergeben (vgl. BVerfGE 68, 1 [64]; 136, 277 [301 f. Rn. 66]; 150, 194 [199 Rn. 15]).
II.
Nach diesen Maßstäben hat die Antragstellerin weder eine mögliche Verletzung ihrer eigenen Rechte noch von Rechten des Deutschen Bundestages substantiiert dargelegt, die sie im Wege der Prozessstandschaft geltend machen könnte.
Die Antragstellerin leitet aus Art. 23 Abs. 1 GG das Gebot eines isolierten Mandatsgesetzes jenseits der Verträge ab. Da das Grundgesetz ein solches Mandatsgesetz nicht vorsieht, scheidet eine Rechtsverletzung durch das Unterlassen eines solchen Gesetzes von vornherein aus (1.). Der Antrag lässt sich auch nicht dahingehend verstehen, dass sie rügen wollte, die Stellungnahme des Antragsgegners vom 22. September 2016 stelle bereits für sich betrachtet eine nicht hinreichende Wahrnehmung der Integrationsverantwortung durch den Bundestag dar. Eine die verfassungsrechtlichen Anforderungen verfehlende Wahrnehmung der Integrationsverantwortung durch den Deutschen Bundestag hat die Antragstellerin im Übrigen auch nicht hinreichend substantiiert gerügt (2.).
1. Das Grundgesetz kennt kein Mandatsgesetz, das eine Inanspruchnahme von Hoheitsrechten durch die Europäische Union oder andere zwischenstaatliche Einrichtungen legitimieren könnte. Nimmt die Europäische Union oder eine andere Einrichtung Hoheitsrechte in Überschreitung der ihr in den zugrunde liegenden Verträgen eingeräumten Kompetenzen einseitig und im Widerspruch zum geltenden Integrationsprogramm wahr oder wird durch ihr Handeln die Identität der Verfassung berührt, so ist dieses Handeln vom Zustimmungsgesetz nicht gedeckt und damit verfassungswidrig. Ein solches Handeln bleibt auch dann mit der Verfassung unvereinbar, wenn der deutsche Vertreter im Rat in der Form eines Gesetzes ermächtigt würde, ihm zuzustimmen. Eine Heilung des Verfassungsverstoßes durch Gesetz ist im Falle eines Ultra-vires-Handelns ohne vorangegangene Änderung der Verträge und im Falle eines Identitätsverstoßes gar nicht möglich. Der Gesetzgeber darf die Bundesregierung auch nicht dazu ermächtigen, einem Ultra-vires-Akt von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union zuzustimmen (BVerfGE 151, 202 [297 f. Rn. 144]).
Eine Verletzung von Rechten der Antragstellerin oder des Deutschen Bundestages durch das Unterlassen eines solchen Mandatsgesetzes scheidet daher von vornherein aus. Das gilt auch für die von der Antragstellerin begehrte Begleitgesetzgebung zur vorläufigen Anwendung von CETA. Dass der Bevollmächtigte der Antragstellerin auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, er sehe die Grundlage für die Notwendigkeit eines Mandatsgesetzes im vorliegenden Fall in Art. 23 Abs. 1 GG, nicht in Art. 59 Abs. 2 GG, ändert daran nichts.
2. Das in der mündlichen Verhandlung mehrfach bekundete Anliegen der Antragstellerin, aus Art. 23 Abs. 1 GG das Gebot eines isolierten Mandatsgesetzes jenseits der Verträge abzuleiten, schließt es aus, den Antrag -- unter Zugrundelegung der Antragsschrift -- dahingehend zu verstehen, dass sich die Antragstellerin auch gegen den Inhalt der Stellungnahme des Antragsgegners vom 22. September 2016 wendet, um eine nicht hinreichende Wahrnehmung der Integrationsverantwortung durch diesen zu rügen.
Selbst wenn der Antrag in dieser Weise ausgelegt würde, hätte die Antragstellerin eine Verletzung der Integrationsverantwortung jedenfalls nicht hinreichend substantiiert gerügt. Sie hat weder ausreichend zum Inhalt der Integrationsverantwortung des Antragsgegners (a) vorgetragen noch dazu, was in Ansehung der Stellungnahme vom 22. September 2016 daraus für den vorliegenden Fall konkret folgt (b und c).
a) Wie alle Verfassungsorgane trifft auch den Deutschen Bundestag eine spezifische Integrationsverantwortung. Diese findet ihre Grundlage in Art. 23 Abs. 1 GG, wonach die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mitwirkt, die den dort genannten Anforderungen genügen muss. Die Integrationsverantwortung ist darauf gerichtet, bei der Übertragung von Hoheitsrechten und der Umsetzung des Integrationsprogramms dafür Sorge zu tragen, dass sowohl das auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG gebilligte Integrationsprogramm eingehalten als auch die Integrität der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität gewahrt wird. Welche Verpflichtungen damit konkret verbunden sind, hängt von den Gegebenheiten des Einzelfalls ab.
Der Bundestag wirkt nach Art. 23 Abs. 2 und Abs. 3 GG in Angelegenheiten der Europäischen Union mit. Aus dieser spezifischen Ausprägung des Demokratiegebots ergibt sich ein Recht (vgl. BVerfGE 131, 152 [196 ff.]; 132, 195 [260 Rn. 156, 271 f. Rn. 181 f.]; 135, 317 [402 f. Rn. 166, 420 Rn. 213, 428 Rn. 232 f.]), zugleich aber auch eine Pflicht des Parlaments (vgl. BVerfGE 134, 366 [395 Rn. 49]; 146, 216 [251 Rn. 49]; Brand, Europapolitische Kommunikation zwischen Bundestag und Bundesregierung, 2015, S. 242 ff.; Heintschel/ v. Heinegg/Frau, in: BeckOK GG, Art. 23 Rn. 37 [15. November 2020]; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 23 Rn. 50; Streinz, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 23 Rn. 112), seine Integrationsverantwortung effektiv wahrzunehmen (vgl. BVerfGE 134, 366 [395 f. Rn. 48 f.]; 146, 216 [250 ff. Rn. 47 ff.]).
b) Bei der Wahrnehmung der Integrationsverantwortung kommt dem Bundestag grundsätzlich ein weiter politischer Handlungsspielraum zu (aa). In der Rechtsprechung des Senats finden sich Aussagen zur Art und Weise, wie die Integrationsverantwortung wahrgenommen werden kann beziehungsweise im Falle von Ultra-vires-Akten oder Identitätsverletzungen wahrgenommen werden muss (bb).
aa) Bei der Wahrnehmung ihrer Integrationsverantwortung entscheiden die Verfassungsorgane grundsätzlich eigenverantwortlich darüber, wie sie den ihnen obliegenden Schutzauftrag erfüllen; sie verfügen insoweit über einen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfGE 125, 39 [78]; 151, 202 [299 Rn. 148]; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 5. Mai 2020 - 2 BvR 859/15 u.a. -, Rn. 109). Vorhandene Risiken müssen sie erwägen und politisch verantworten (vgl. BVerfGE 151, 202 [299 Rn. 148]).
Eine Verletzung der unter anderem auf Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG bezogenen Integrationsverantwortung ist -- ähnlich wie eine Verletzung (anderer) grundrechtlicher Schutzpflichten -- erst gegeben, wenn es an jeglichen Schutzvorkehrungen fehlt, die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzureichend sind oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben (vgl. BVerfGE 142, 123 [210 f. Rn. 169]; 151, 202 [299 Rn. 148]).
bb) Die Integrationsverantwortung des Deutschen Bundestages beschränkt sich nicht auf die Festlegung des Integrationsprogramms durch die Übertragung von Hoheitsrechten. In deren Folge erwächst ihm auch eine Verantwortung für die damit ermöglichte Entwicklung der europäischen Integration, die er in deren weiterem Verlauf effektiv wahrnehmen muss (vgl. etwa BVerfGE 151, 202 [287 Rn. 121, 332 f. Rn. 218, 371 f. Rn. 312]).
Zwar ist im Bereich der Außen- und Europapolitik nach der Konzeption des Grundgesetzes in erster Linie die Bundesregierung gefordert. Demgegenüber ist die Rolle des Parlaments im außenpolitischen Bereich schon aus funktionalen Gründen zurückgenommen (vgl. BVerfGE 104, 151 [207]; 131, 152 [195]). Der Verkehr mit anderen Staaten, die Vertretung in internationalen Organisationen, zwischenstaatlichen Einrichtungen und Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit (vgl. Art. 24 Abs. 2 GG) sowie die Sicherung der gesamtstaatlichen Verantwortung bei der Außenvertretung Deutschlands liegen grundsätzlich in den Händen der Bundesregierung, die institutionell und dauerhaft über die notwendigen personellen, sachlichen und organisatorischen Möglichkeiten verfügt, um auf wechselnde äußere Lagen zügig und sachgerecht zu reagieren (vgl. BVerfGE 68, 1 [87]; 104, 151 [207]; 131, 152 [195]).
Die der Bundesregierung anvertraute auswärtige Gewalt steht allerdings nicht außerhalb parlamentarischer Kontrolle (vgl. BVerfGE 104, 151 [207]; 131, 152 [195]; vgl. ferner BVerfGE 49, 89 [125]; 68, 1 [89]; 90, 286 [364]). In Bezug auf den Bereich der Europäischen Union gibt Art. 23 GG dem Bundestag vor dem Hintergrund der mit der Europäisierung verbundenen Gewichtsverlagerung zugunsten der Exekutive weitreichende Mitwirkungsrechte (vgl. BVerfGE 131, 152 [196 ff.]), die das Parlament aufgrund seiner Integrationsverantwortung aber auch verpflichten. So sieht Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG für Angelegenheiten der Europäischen Union eine Mitwirkung von Bundestag und Bundesrat vor. Das korrespondiert mit Art. 12 EUV, der den nationalen Parlamenten auch unionsrechtlich eine Mitwirkung im institutionellen Gefüge der Europäischen Union zuweist. Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG verpflichtet die Bundesregierung deshalb, den Bundestag und den Bundesrat umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten. Zentraler, wenn auch nicht ausschließlicher Bezugspunkt für die Mitwirkung des Bundestages ist die Verpflichtung der Bundesregierung, dem Bundestag vor einer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (Art. 23 Abs. 3 Satz 1 GG) und diese Stellungnahme -- die in der Regel als Parlamentsbeschluss ergeht -- bei den Verhandlungen zu berücksichtigen (Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG).
Konkretisiert werden die Rechte des Bundestages durch das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union und das Gesetz über die Wahrnehmung der Integrationsverantwortung des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union (Integrationsverantwortungsgesetz -- IntVG).
Für den Bundestag kommt ein breites Spektrum an Maßnahmen in Betracht. Er kann -- im Zusammenwirken mit den anderen zuständigen Verfassungsorganen -- Kompetenzüberschreitungen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union nachträglich legitimieren, indem er eine -- die Grenzen von Art. 79 Abs. 3 GG wahrende -- Änderung des Primärrechts veranlasst und die ultra vires in Anspruch genommenen Hoheitsrechte gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GG förmlich überträgt. Soweit dies nicht möglich oder nicht gewünscht ist, trifft ihn die Pflicht, mit rechtlichen oder politischen Mitteln auf die Aufhebung der vom Integrationsprogramm nicht gedeckten Maßnahmen hinzuwirken sowie -- solange die Maßnahmen fortwirken -- geeignete Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die innerstaatlichen Auswirkungen der Maßnahmen so weit wie möglich begrenzt bleiben (vgl. BVerfGE 134, 366 [395 f. Rn. 49]; 142, 123 [211 Rn. 170]; 151, 202 [299 Rn. 149]; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 5. Mai 2020 - 2 BvR 859/15 u.a. -, Rn. 109, 231).
Hierzu verfügt der Bundestag über eine Reihe von Mitteln, derer er sich bedienen kann, um seiner Integrationsverantwortung gerecht zu werden (vgl. BVerfGE 142, 123 [211 f. Rn. 171]). Dazu zählen -- gegebenenfalls über die Bundesregierung vermittelt -- insbesondere eine Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (vgl. Art. 263 Abs. 1 AEUV), die Beanstandung der fraglichen Maßnahme gegenüber den handelnden und den sie kontrollierenden Stellen, das Stimmverhalten in den Entscheidungsgremien der Europäischen Union einschließlich der Ausübung von Vetorechten, Vorstöße zu Vertragsänderungen (vgl. Art. 48 Abs. 2, Art. 50 EUV) sowie Weisungen an nachgeordnete Stellen, die in Rede stehende Maßnahme nicht anzuwenden. Der Bundestag kann sich dabei seines Frage-, Debatten- und Entschließungsrechts bedienen, das ihm zur Kontrolle des Handelns der Bundesregierung in Angelegenheiten der Europäischen Union zusteht (vgl. Art. 23 Abs. 2 GG). Er kann der Bundesregierung seine Auffassung jederzeit durch Beschluss mitteilen (vgl. Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG, § 75 Abs. 1 Buchstabe d, Abs. 2 Buchstabe c GO-BT) oder -- wie im Falle des SSM-VO-Gesetzes (vgl. BVerfGE 151, 202 [371 f. Rn. 311 f.]) -- ein Gesetz erlassen. Im Übrigen kann er sich -- je nach Angelegenheit -- auch der Subsidiaritätsklage (vgl. Art. 23 Abs. 1a GG i.V.m. Art. 12 Buchstabe b EUV und Art. 8 Subsidiaritätsprotokoll), des Enquêterechts (vgl. Art. 44 GG) oder des Misstrauensvotums (vgl. Art. 67 GG) bedienen.
Bei einem vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Ultra-vires-Handeln oder einer Berührung der Verfassungsidentität bedarf es jedenfalls einer Plenardebatte, da der Bundestag seine Repräsentationsfunktion grundsätzlich in seiner Gesamtheit wahrnimmt. Entscheidungen von erheblicher Tragweite wie die Entschließung darüber, welche Wege zur Wiederherstellung der Kompetenzordnung beschritten werden sollen, hat grundsätzlich ein Verfahren vorauszugehen, das der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten, und das die Volksvertretung dazu veranlasst, Notwendigkeit und Umfang der zu beschließenden Maßnahmen in öffentlicher Debatte zu klären (vgl. BVerfGE 142, 123 [212 f. Rn. 172 f.]).
Die Verfassungsorgane müssen sich bei Berührungen der Verfassungsidentität sowie offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen durch Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union (Ultra-vires-Akten) aktiv mit der Frage auseinandersetzen, wie die Kompetenzordnung wiederhergestellt werden kann, und eine positive Entscheidung darüber treffen, welche Wege dafür beschritten werden sollen (vgl. zuletzt BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 5. Mai 2020 - 2 BvR 859/15 u.a. -, Rn. 107, 231). An einem Ultra-vires-Akt oder einer Identitätsverletzung darf er nicht mitwirken (vgl. BVerfGE 151, 202 [297 f. Rn. 144, 321 Rn. 194]), sondern muss ihnen entgegentreten (vgl. BVerfGE 142, 123 [207 f. Rn. 163 ff.]; 151, 202 [276 Rn. 94]). In welcher Form dies geschehen muss, hängt von den Gesamtumständen des konkreten Falles ab.
c) Im vorliegenden Fall hat sich der Antragsgegner, bevor er die Stellungnahme vom 22. September 2016 beschloss, über einen längeren Zeitraum intensiv mit CETA auseinandergesetzt: Dies geschah in zahlreichen Plenarsitzungen (vgl. Plenarsitzungen am 22. Mai 2014 [Beratung zu Anträgen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und einiger ihrer Abgeordneten -- BTDrucks 18/1457, 18/1458 -- und der Fraktion DIE LINKE und einiger ihrer Abgeordneten -- BTDrucks 18/1093, 18/1455 --, BT-Plenarprotokoll 18/36, S. 3019 ff.]; am 25. September 2014 [Beratung zu einer Großen Anfrage und einem Antrag der Fraktion DIE LINKE und einiger ihrer Abgeordneten -- BTDrucks 18/432, 18/2100, 18/2604 -- und einem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und einiger ihrer Abgeordneten -- BTDrucks 18/2620 --, BT-Plenarprotokoll 18/54, S. 4904 ff.]; am 16. Januar 2015 [Beratung zu Anträgen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und einiger ihrer Abgeordneten -- BTDrucks 18/3747 -- und der Fraktion DIE LINKE und einiger ihrer Abgeordneten -- BTDrucks 18/3729 --, BT-Plenarprotokoll 18/80, S. 7642 ff.]; am 27. Februar 2015 [Beratung zu Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu BTDrucks 18/3729, 18/3747 -- BTDrucks 18/3862 --, BT-Plenarprotokoll 18/89, S. 8432 ff.]; am 12. Juni 2015 [Beratung zu einem Antrag der Fraktion DIE LINKE und einiger ihrer Abgeordneten -- BTDrucks 18/5094 --, BT-Plenarprotokoll 18/110, S. 10603 ff.]; am 10. September 2015 [im Rahmen der Beratung zum Haushalt des Geschäftsbereichs des BMWi -- Einzelplan 09 --, BT-Plenarprotokoll 18/121, S. 11702 ff.]; am 1. Oktober 2015 [Beratung zu einem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und einiger ihrer Abgeordneten -- BTDrucks 18/6197 -- und zu Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu BTDrucks 18/1093, 18/1457, 18/1964, 18/4090, 18/2620 -- BTDrucks 18/4969 --, BT-Plenarprotokoll 18/127, S. 12292 ff.]; am 13. November 2015 [Beratung zu einem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und einiger ihrer Abgeordneten -- BTDrucks 18/6201 --, BT-Plenarprotokoll 18/137, S. 13447 ff.]; am 4. Dezember 2015 [Beratung zu einem Antrag der Fraktion DIE LINKE und einiger ihrer Abgeordneten -- BTDrucks 18/6818 -- und zu Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu BTDrucks 18/5094 -- BTDrucks 18/6911 --, BT-Plenarprotokoll 18/144, S. 14153 ff.] sowie am 13. Mai 2016 [Beratung zu einem Antrag der Fraktion DIE LINKE und einiger ihrer Abgeordneten -- BTDrucks 18/8391 -- und zu Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu BTDrucks 18/6818 -- BTDrucks 18/8128 --, BT-Plenarprotokoll 18/171, S. 16875 ff.]); am 6. Juli 2016 wurde zudem eine aktuelle Stunde zu CETA durchgeführt (vgl. BT-Plenarprotokoll 18/182, S. 17934 ff.). Darüber hinaus hat er sich in einer Vielzahl von Ausschusssitzungen (insbesondere des federführenden Ausschusses für Wirtschaft und Energie, ferner von zehn weiteren mitberatenden Ausschüssen), durch die Anhörung von Sachverständigen (vgl. u.a. Protokoll der 6. Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 19. Februar 2014 [Protokoll-Nr. 18/6]; Protokoll der 25. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie vom 15. Dezember 2014 [Protokoll-Nr. 18/25]; Protokoll der 89. Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 6. Juli 2016 [Protokoll-Nr. 18/89]; Protokoll der 87. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie vom 5. September 2016 [Protokoll-Nr. 18/87]) und durch den Austausch mit zuständigen Akteuren Kanadas und der Europäischen Union (u.a. Gespräche des Ausschusses für Wirtschaft und Energie mit dem kanadischen Chefunterhändler Verheul am 8. Oktober 2014, mit der EU-Kommissarin Malmström am 14. Januar 2016 und mit der kanadischen Handelsministerin Freeland am 14. April 2016) mit dem Vorhaben befasst.
Die Stellungnahme vom 22. September 2016, bei der es sich um eine solche im Sinne von Art. 23 Abs. 3 GG handelt, enthält erkennbar inhaltliche Vorgaben für die Mitwirkung der Bundesregierung im Rat der Europäischen Union. Sie betont, dass die vorläufige Anwendung des CETA keinesfalls in den Bereichen erfolgen dürfe, die mitgliedstaatliche Kompetenzen umfassen. Ausdrücklich adressiert sie den Investitionsschutz, geht aber darüber hinaus. Sie fordert die Bundesregierung auf durchzusetzen, dass in Abstimmung zwischen dem Rat der Europäischen Union, der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament Ausnahmen von der vorläufigen Anwendung vereinbart werden, wo dies aufgrund von Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union rechtlich geboten ist.
Warum der Antragsgegner mit seiner Stellungnahme vom 22. September 2016 vor diesem Hintergrund seine Integrationsverantwortung verletzt haben sollte, hat die Antragstellerin nicht dargetan. Insbesondere hat sie sich nicht hinreichend damit auseinandergesetzt, dass der Antragsgegner im vorliegenden Fall in Anbetracht eines möglichen Ultra-vires-Akts und einer nicht ausgeschlossenen Berührung der Verfassungsidentität (vgl. BVerfGE 143, 65 [95 Rn. 50 ff.]) umfangreich tätig geworden ist, und zwar bevor das Urteil des Senats vom 13. Oktober 2016 (vgl. BVerfGE 143, 65) vorlag.
Hinzu kommt, dass die Stellungnahme des Antragsgegners im laufenden Abstimmungsprozess vor Abschluss der Verhandlungen über CETA beschlossen worden ist, in deren Gefolge es noch zu zahlreichen Änderungen der anstehenden Beschlussentwürfe gekommen ist, die dem in der Stellungnahme formulierten Anliegen in erheblichem Umfang Rechnung getragen haben. Auch damit setzt sich die Antragstellerin nicht auseinander.
 
C.
Die Auslagenerstattung richtet sich im Organstreitverfahren nach § 34a Abs. 3 BVerfGG. Sie kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn besondere Billigkeitsgründe vorliegen (vgl. BVerfGE 96, 66 [67]). Solche Gründe sind hier nicht ersichtlich.
König Huber Hermanns Müller Kessal-Wulf Maidowski Langenfeld Wallrabenstein