BVerfGE 159, 132 - Wahlprüfung Richterablehnung |
Wahlprüfungsbeschwerde 19/VII -- Richterablehnung und Besetzungsrüge |
Beschluss |
des Zweiten Senats gemäß § 24 BVerfGG vom 8. Oktober 2021 |
-- 2 BvC 14/20 -- |
in dem Verfahren über die Wahlprüfungsbeschwerde des Herrn (...), gegen den Beschluss des Deutschen Bundestages vom 6. Mai 2019 und Besetzungsrüge und Antrag auf Richterablehnung. |
Entscheidungsformel: |
1. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts ist ordnungsgemäß besetzt. |
2. Die Ablehnungsgesuche werden als unzulässig verworfen. |
3. Die Wahlprüfungsbeschwerde wird verworfen. |
Gründe: |
1. Die vom Beschwerdeführer erhobene Besetzungsrüge, die er pauschal darauf stützt, dass das Verfahren zur Wahl der Richter des Bundesverfassungsgerichts intransparent sei, sowie -- sinngemäß -- darauf, dass es unter Beteiligung des Deutschen Bundestages erfolge, vermag Zweifel an der ordnungsgemäßen Besetzung des Zweiten Senats nicht zu begründen.
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a) Der Senat hat seine ordnungsgemäße Besetzung zur Wahrung des Anspruchs aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG von Amts wegen zu prüfen, soweit Anlass hierzu besteht (vgl. BVerfGE 65, 152 [154] m.w.N.; 131, 230 [233]; 142, 5 [7 Rn. 7]). Die Feststellung der richtigen Besetzung des erkennenden Gerichts erfolgt dabei grundsätzlich ohne Beteiligung des Richters, dessen Berechtigung zur Mitwirkung zweifelhaft erscheint oder angezweifelt wird (vgl. BVerfGE 82, 286 [298]; 131, 230 [233]; 142, 5 [7 Rn. 7]). Dies gilt auch dann, wenn die Ordnungsgemäßheit seiner Wahl infrage gestellt wird (vgl. BVerfGE 82, 286 [298] m.w.N.; 131, 230 [233]). Indes sind hier durch die pauschale Besetzungsrüge sämtliche Mitglieder des Senats betroffen, sodass die Beurteilung der vorschriftsmäßigen Senatsbesetzung der Frage nach der ordnungsgemäßen Einrichtung eines Spruchkörpers gleichzusetzen ist, über die dieser selbst befindet (vgl. BVerfGE 131, 230 [233] m.w.N.).
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b) Art. 94 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt, dass die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts je zur Hälfte vom Bundestage und vom Bundesrate gewählt werden. Dass es sich dabei um verfassungswidriges Verfassungsrecht handelte, ist nicht ersichtlich. Auch im Übrigen besteht kein Anlass anzunehmen, dass das gesetzlich vorgesehene Wahlverfahren der Richter des Bundesverfassungsgerichts die Grenzen des dem Gesetzgeber gemäß Art. 94 Abs. 2 Satz 1 GG erteilten Gestaltungsauftrags überschritte.
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a) Offensichtlich unzulässig ist ein Ablehnungsgesuch vor allem dann, wenn es nicht begründet wird oder sich auf eine gänzlich ungeeignete Begründung stützt (vgl. BVerfGE 46, 200; 72, 51 [59]; 153, 72 [73 Rn. 2]; stRspr). Bei offensichtlicher Unzulässigkeit bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters; dieser ist auch von der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch nicht ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 11, 1 [3]; 142, 1 [4 Rn. 12] m.w.N.; 152, 53 [54 Rn. 2]; 153, 72 [73 Rn. 2]).
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b) Gemessen hieran sind die Ablehnungsgesuche offensichtlich unzulässig, da sie sich auf eine völlig ungeeignete Begründung stützen.
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aa) Dies gilt zunächst, soweit der Beschwerdeführer die Ablehnungsgesuche, insbesondere mit Blick auf den Richter Müller, auf die Beteiligung an abgeschlossenen Verfassungs- und Wahlprüfungsbeschwerdeverfahren stützt. Die bloße Beteiligung von Richtern des Bundesverfassungsgerichts an vorherigen Verfahren zu einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage (vgl. BVerfGE 78, 331 [337]; 131, 239 [253]; 133, 377 [406 Rn. 71]) oder desselben Beschwerdeführers (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juli 2013 -- 1 BvR 782/12 --, Rn. 7 m.w.N.) vermag eine Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen. Umstände, die ausnahmsweise eine andere Bewertung nahelegen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Entsprechend der Wertung des § 18 Abs. 3 Nr. 2 BVerfGG, die bei der Anwendung des § 19 BVerfGG zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfGE 2, 295 [297]; 82, 30 [38]; 88, 17 [23]; 133, 377 [406 Rn. 71]; 142, 302 [309 f. Rn. 25]; 148, 1 [8 Rn. 20]; 152, 332 [339 Rn. 18]), stellt eine wissenschaftliche Äußerung zu einer für ein verfassungsgerichtliches Verfahren maßgebenden Rechtsfrage grundsätzlich keinen Ausschlussgrund dar (vgl. BVerfGE 88, 1 [4]; 98, 134 [137]; 102, 122 [125]; 108, 279 [281]). Dies dürfte umso mehr gelten, wenn die fragliche Äußerung -- wie vorliegend die 1989 veröffentlichte Dissertation des Richters Maidowski -- lange zurückliegt und deutlich vor der richterlichen Tätigkeit am Bundesverfassungsgericht datiert.
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Zwar können die Umstände des Einzelfalles für eine Ablehnung nach § 19 BVerfGG sprechen. Insoweit muss aber etwas Zusätzliches gegeben sein, das über die Äußerung einer wissenschaftlichen Meinung zu einer für das Verfahren bedeutsamen Rechtsfrage hinausgeht (vgl. BVerfGE 82, 30 [38]; 88, 17 [23]; 135, 248 [257 Rn. 24]; 142, 302 [309 f. Rn. 25 f.]; 148, 1 [8 Rn. 20] m.w.N.;152, 332 [339 Rn. 18]). Solche Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich und werden durch den Beschwerdeführer auch nicht dargetan.
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cc) Soweit das Ablehnungsgesuch des Beschwerdeführers auch gegen den Zweiten Senat in seiner Gesamtheit gerichtet zu sein scheint, ist dies schon deshalb offensichtlich unzulässig, weil § 19 BVerfGG nur die Ablehnung einzelner Richter zulässt, nicht aber eine Ablehnung des Spruchkörpers selbst (vgl. Lenz/Hansel, BVerfGG, 3. Aufl. 2020, § 19 Rn. 3). Aber selbst wenn man das Ablehnungsgesuch nach Sinn und Zweck dahingehend auslegte (vgl. BVerfGE 1, 14 [39]; 68, 1 [68]; 129, 356 [364 f.]; 142, 353 [367 Rn. 29] m.w.N.), dass es sich gegen jedes einzelne Mitglied des Zweiten Senats richtete, dürfte bereits die pauschale Ablehnung der nicht namentlich genannten Richter zu seiner Unzulässigkeit führen (vgl. BVerfGE 46, 200; 72, 51 [59]). Zwar kann es genügen, dass aus dem Gesuch mit hinreichender Deutlichkeit hervorgeht, welche Richter abgelehnt werden sollen; dies gilt jedoch nur dann, wenn es dem Beschwerdeführer -- insbesondere wegen der besonderen Art des Ablehnungsgrundes -- im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, die Befangenheit der einzelnen Richter darzulegen (vgl. BVerfGE 2, 295 [297]). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich. Ungeachtet dessen ist das Ablehnungsgesuch jedenfalls deshalb unzulässig, weil es sich auf eine gänzlich ungeeignete Begründung stützt. Dies gilt zunächst, soweit der Beschwerdeführer auch hier die Beteiligung der Richter an früheren Verfahren geltend macht. Soweit er darüber hinaus auf den Umgang mit Ablehnungsgesuchen verweist, ist sein Vortrag von vornherein ungeeignet, Zweifel an der ständigen Praxis zu begründen, dass offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuche ohne dienstliche Stellungnahme der betroffenen Richter und unter deren Beteiligung beschieden werden. Eine Besorgnis der Befangenheit resultiert daraus nicht.
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3. Der Wahlprüfungsbeschwerde bleibt aus den in dem Schreiben des Berichterstatters vom 8. Juni 2021 genannten Gründen der Erfolg versagt. Gemäß § 24 Satz 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz wird von einer weiteren Begründung abgesehen.
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