BGHZ 89, 95 - Unvollständige Beratung über Gefahr des Mongolismus
a) Auch die falsche oder unvollständige Beratung der Mutter während der Frühschwangerschaft über Möglichkeiten zur Früherkennung von Schädigungen der Leibesfrucht, die den Wunsch der Mutter auf Unterbrechung der Schwangerschaft gerechtfertigt hätten, kann einen Anspruch der Eltern gegen den Arzt auf Ersatz von Unterhaltsaufwendungen für das mit körperlichen oder geistigen Behinderungen geborene Kind begründen.
b) Die Beweislast dafür, daß die Mutter nach umfassender und richtiger Beratung sich nicht für eine pränatale Untersuchung der Leibesfrucht auf etwaige Schädigungen und sich nach einem etwaigen ungünstigen Ergebnis nicht für den Abbruch der Schwangerschaft entschieden hätte, obliegt dem Arzt.
c) Der Arzt hat den gesamten Unterhaltsbedarf für das geschädigte Kind zu ersetzen; der Ersatzanspruch besteht jedoch dann nicht, wenn sich die Gefahr einer nicht behebbaren, schwerwiegenden Schädigung des Kindes, die der Mutter nach strafrechtlichen Grundsätzen einen Schwangerschaftsabbruch erlaubt hätte, nicht verwirklicht hat (Ergänzung zu BGHZ 86,240).
BGB §§ 611, 823; ZPO § 282; StGB 1975 § 218a
VI. Zivilsenat
 
Urteil
vom 22. November 1983
i.S. Dr. G. (Bekl.) w. R. u. a. (Kl.)
- VI ZR 85/82 -
I. Landgericht Münster
II. Oberlandesgericht Hamm
Die Kläger sind Eheleute. Sie haben zwei im Jahre 1971 und 1972 geborene gesunde Kinder. Im Sommer 1977 wurde die Klägerin erneut schwanger. Sie war zu diesem Zeitpunkt fast 39 Jahre alt. Zum Zwecke der ärztlichen Betreuung während der Schwangerschaft begab sie sich in die Facharztpraxis des Beklagten. Am 22. September 1977, als sie in der 14. Schwangerschaftswoche war, stellte sie sich dem Beklagten wiederum zu einer Kontrolluntersuchung vor. Dabei fragte sie ihn, ob im Hinblick auf ihr Alter die Gefahr bestehe, daß sie ein mongoloides Kind bekäme, und ob deswegen eine Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) angezeigt sei. Der Beklagte antwortete ihr unter Hinweis auf ihre beiden gesunden Kinder, möglicherweise auch auf das Fehlen von Erbkrankheiten, er halte das nicht (oder nicht unbedingt) für erforderlich. Die Parteien haben dann über das Thema nicht mehr miteinander gesprochen. Am 14. März 1978 hat die Klägerin ihren Sohn Hubertus, den früheren Drittkläger, geboren. Das Kind leidet an einer Chromosomenanomalie (sogenannter Mongolismus). Der Grad seiner körperlichen und geistigen Behinderung ist streitig.
Die Kläger nehmen den Beklagten wegen unvollständiger ärztlicher Beratung, die für die Geburt des Kindes ursächlich geworden sei, auf Schadensersatz in Anspruch.
Das Landgericht hat Ansprüche des früheren Drittklägers durch inzwischen rechtskräftiges Versäumnisurteil abgewiesen. Ferner hat es die Schmerzensgeldanträge der Kläger zu 1 und 2 als unbegründet und die übrigen Klageansprüche als unzulässig abgewiesen. Die gegen die Abweisung der Schmerzensgeldklage gerichtete Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Ihren Anspruch auf Erstattung von Unterhaltsleistungen für den Sohn Hubertus hat es dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und dem Feststellungsantrag stattgegeben.
Die Revision des Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
 
Aus den Gründen:
I.
Das Berufungsgericht führt, soweit es die Klage für begründet hält, im wesentlichen aus: Der Beklagte habe die Klägerin falsch beraten. Auf ihre Frage nach der Zweckmäßigkeit einer Fruchtwasseruntersuchung habe er eine umfassende und sachgerechte Antwort geschuldet. Dazu hätte nach dem im September 1977 bei dem Beklagten vorauszusetzenden Wissensstand die Aufklärung über das mehr als 1% betragende Risiko des Vorliegens einer Chromosomenanomalie bei dem erwarteten Kind sowie über die Risiken eines vorzeitigen Abgangs der Frucht bei Vornahme der Untersuchung gehört. Sollte der Beklagte der Untersuchungsmethode und der Beratung der Schwangeren darüber sowie gegebenenfalls über einen Schwangerschaftsabbruch aus weltanschaulichen oder religiösen Gründen ablehnend gegenüber gestanden haben, hätte er die Klägerin an einen anderen Berater verweisen müssen. Der Beklagte habe, so meint das Berufungsgericht weiter, demgegenüber nicht bewiesen, daß die Kläger bereits von anderer Seite ausreichend informiert gewesen seien. Die Verletzung der ärztlichen Beratungspflicht sei ursächlich geworden für die wirtschaftlichen Belastungen, denen die Kläger durch die Geburt des Kindes Hubertus ausgesetzt gewesen seien und in Zukunft weiter sein würden. Zu ersetzen sei der gesamte Unterhaltsaufwand. Beide Kläger hätten das Kind in einer solchen Konstitution nicht gewollt. Die Feststellungsklage rechtfertige sich wegen des vom Beklagten ebenfalls abzudeckenden Risikos eines Sonderbedarfs oder Sonderaufwandes, der von der Unterhaltsrente nicht erfaßt sei.
II.
Die Rechtsauffassungen des Berufungsgerichtes sind im wesentlichen zutreffend.
1. ...
2. Zutreffend ist der rechtliche Augangspunkt des Berufungsgerichtes. Der Beklagte hat, wie noch auszuführen sein wird, den zwischen ihm und der Klägerin geschlossenen ärztlichen Behandlungsvertrag, der auch die Beratung der Schwangeren über die Gefahr einer genetischen Schädigung der Leibesfrucht einschloß, schuldhaft verletzt; in den Schutzbereich dieses Vertrages ist auch der klagende Ehemann einbezogen. Die Kläger können deshalb grundsätzlich einen Anspruch darauf haben, daß der Beklagte ihnen den Unterhaltsaufwand für das ihrer Darstellung nach mit schweren körperlichen und geistigen Gebrechen geborene Kind erstattet (dazu und zum folgenden BGHZ 86,240 ff.). Der Klageanspruch ist nicht schon, wie die Revision geltend machen will, deswegen ausgeschlossen, weil er in erster Linie dem Kind zusteht. Das Kind kann, wie der Senat in dem eben angeführten Urteil entschieden hat, selbst keine Schadensersatzansprüche wegen seiner vom Beklagten nicht verursachten Gesundheitsschäden geltend machen.
a) Ob der Beklagte verpflichtet war, der Klägerin angesichts ihres Alters, ihres Gesundheitszustandes und ihrer persönlichen Verhältnisse von sich aus vorsorglich die Durchführung einer Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) anzuraten oder jedenfalls die Frage der Durchführung dieser pränatalen diagnostischen Maßnahme mit ihr zu erörtern, kann mit dem Berufungsgericht dahingestellt bleiben. Im Streitfall hat die Klägerin den Beklagten danach gefragt, ob in ihrem Falle eine solche Untersuchung empfehlenswert sei, weil sie davon gehört hatte, daß sogenannte spätgebärende Frauen Gefahr laufen, ein infolge Chromosomenanomalie (sogenannter Mongolismus) schwer geschädigtes Kind zur Welt zu bringen, und weil sie immerhin wußte, daß die Möglichkeit bestand, durch pränatale Untersuchungen eine solche Schädigung der Leibesfrucht schon im frühen Schwangerschaftsstadium zu erkennen. Diese Frage hatte der Beklagte, der die ärztliche Behandlung und Beratung der Schwangeren übernommen hatte, nach dem medizinischen Erfahrungs- und Wissensstand umfassend zu beantworten. Es reichte nicht aus, der Klägerin unter Hinweis auf schon vorhandene gesunde Kinder, vielleicht auch noch auf das Fehlen von Erbkrankheiten, zu antworten, er halte das nicht oder nicht unbedingt für erforderlich. Diese Antwort war unvollständig, teilweise falsch und geeignet, die Mutter irrezuführen. Ob die Gefahr besteht, daß eine Frau im fortgeschrittenen Geburtsalter ein mongoloides Kind bekommt, hängt keineswegs nur davon ab, ob sie bereits gesunde Kinder zur Welt gebracht hat, und das Auftreten dieser genetischen Schädigung hat nicht unbedingt mit dem Auftreten von Erbkrankheiten innerhalb der Familien der Eltern zu tun. Das Vorliegen solcher Umstände begründet aus ärztlicher Sicht nur eine zusätzliche Indikation für die Durchführung einer Amniozentese. Der Wissensstand in den beteiligten ärztlichen Kreisen, der auch beim Beklagten als Facharzt für Gynäkologie vorausgesetzt werden mußte, war 1977, wie das Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei feststellt, in etwa folgender: Es wurde zwar - das vor allem auch mit Rücksicht auf die Kapazität der Untersuchungsstellen - im allgemeinen erst ab dem 40. Lebensjahr die Zuführung einer schwangeren Frau zur pränatalen Diagnostik für angezeigt gehalten, obwohl viele Stimmen - vor allem bei einem entsprechenden Wunsch der Schwangeren - schon vom 35. oder jedenfalls 38. Jahre an die Untersuchung für geboten hielten. Das Risiko für das Vorliegen einer Chromosomenanomalie lag bei Frauen im Alter der Klägerin bei mehr als 1%. Die durch die Fruchtwasserentnahme für die Frau und unmittelbar für den Fötus bestehende Gefahr war nach aller Erfahrung nur ganz gering und konnte vernachlässigt werden. Eigentliche Gefahr bestand für die Leibesfrucht nur insoweit, als es zum Blasensprung und deshalb zu einer Fehlgeburt kommen konnte. Dieses letztgenannte Risiko lag je nach der Erfahrung der das Fruchtwasser entnehmenden Ärzte bei weniger als 1% bis zu 3%, in Einzelfällen, wie das Berufungsgericht zugunsten des Beklagten unterstellt, damals vielleicht bei bis zu 9%.
Die gegen diese Feststellung gerichteten Rügen der Revision sind unbegründet. Insbesondere brauchte das Berufungsgericht kein weiteres Gutachten einzuholen. Letztlich bezweifelt die Revision nämlich gar nicht, daß der gerichtliche Gutachter Prof. S. den Diskussionsstand in der ärztlichen Literatur zutreffend wiedergegeben hat. Auf die von ihr aufgeworfene Frage, ob der Beklagte danach der fast 39-jährigen Klägerin zu einer Fruchtwasseruntersuchung hätte zuraten müssen oder nicht, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreites nicht an. Dem Beklagten wird nicht zum Vorwurf gemacht, er habe die Klägerin über die seiner Ansicht nach in ihrem Falle zu ziehenden Konsequenzen falsch beraten. Sein ärztliches Fehlverhalten liegt vielmehr darin, der Klägerin auf ihre Frage nach dem Risiko, ein mongoloides Kind zu gebären, nicht die Antwort gegeben zu haben, die sie in die Lage versetzen konnte, sich zu entscheiden, ob sie eine Fruchtwasseruntersuchung durchführen lassen sollte oder nicht. Die dafür erforderlichen medizinischen Fakten hatte der Beklagte ihr in einer verständlichen Form mitzuteilen und das hat er unterlassen. Die von ihm tatsächlich gegebene Antwort war nur das Ergebnis seiner Überlegung und seiner Entscheidung, ob die Untersuchung ratsam sei. Eine von der Klägerin zu treffende Entscheidung, die darüber letztlich allein zu befinden hatte, ermöglichte sie nicht. Vielmehr verschwieg sie die maßgebenden Entscheidungsfaktoren und war dazu angetan, die Klägerin von weiteren Fragen abzuhalten und sie in eine falsche Sicherheit zu wiegen.
b) Mit Recht führt das Berufungsgericht weiter aus, der Beklagte hätte nicht deswegen eine vollständige und richtige Antwort auf die Frage der Klägerin verweigern dürfen, weil er davon ausgehen durfte, die Klägerin werde bei Abwägung der verhältnismäßig geringen Gefahr, ein mongoloides Kind zu bekommen, mit dem Risiko eines durch die Fruchtwasseruntersuchung verursachten vorzeitigen Fruchtabgangs ohnehin seinem dann erteilten Rat folgen, von einer solchen Untersuchung abzusehen. Mag die Gefahr, ein mongoloides Kind zu gebären, statistisch gesehen bei der Klägerin auch nicht groß gewesen sein, so war sie doch nicht von der Hand zu weisen. Die körperlichen, seelischen und finanziellen Belastungen der Eltern, insbesondere der Mutter, die für ein an Mongolismus leidendes, erheblich behindertes Kind zu sorgen haben, sind schwer. Sie müssen, wenn das Schicksal es mit sich bringt, getragen werden. Es gibt zahlreiche Eltern, die das auf sich nehmen und ihr behindertes Kind aufopferungsvoll pflegen; ihre liebevolle Zuwendung wird erfahrungsgemäß gerade von mongoloiden Kindern auch dankbar entgegengenommen und zurückgegeben. Indessen hat der Senat die vielfachen menschlichen Beziehungen zwischen Eltern und einem schwergeschädigten Kind hier nicht zu erörtern. Es ist jedenfalls nicht selbstverständlich, daß eine Mutter, die weiß, daß ihr Kind mit schweren Behinderungen zur Welt kommen wird, sich entschließt, es auszutragen. Mongoloide Kinder sind häufig sehr schwer körperlich und geistig geschädigt und unter Umständen lebenslang auf dauernde Pflege und ständige Betreuung angewiesen. Stellt sich bei einer Fruchtwasseruntersuchung das Bestehen einer Chromosomenanomalie der Leibesfrucht heraus, läßt die Rechtsordnung deshalb mit Rücksicht auf den Konflikt, in dem die Mutter steht den Abbruch der Schwangerschaft durch einen Arzt zu. Ähnlich wie bei einer pränatalen Rötelninfektion handelt es sich um eine der klassichen Indikationen, bei denen der Mutter von Rechts wegen das Austragen des Kindes nicht zugemutet wird (§ 218a Abs. 2 Nr. 1 StGB).
Selbst wenn das statistische Risiko, daß die Fruchtwasserentnahme zu einem vorzeitigen Abgang der Leibesfrucht führt, höher sein sollte als das statistische Risiko für eine schwangere Frau im Alter der Klägerin, ein mongoloides Kind zu gebären, ist die Entscheidung der Mutter, sich über das Vorliegen der Chromosomenanomalie zu vergewissern, angesichts der einschneidenden Folgen für sie und das Kind verständlich und zu respektieren. Die Untersuchung wird deshalb im übrigen von ärztlicher Seite auch weitgehend befürwortet. Letztlich kann nur die Mutter die Entscheidung treffen, und der Arzt darf nicht, ausgehend von seinen Wertungen, diese Entscheidung vorweg für die Mutter treffen und ihr eine eigene Wertung unmöglich machen.
Da der Abbruch der Schwangerschaft mithin jedenfalls nicht rechtswidrig ist (vgl. dazu das oben angeführte Senatsurteil BGHZ 86,240, 245 ff. m. Nachw.; dagegen neuerdings Esser MedR 1983,57 ff), erlaubt das Recht es, ebenso wie den indizierten Schwangerschaftsabbruch selbst auch die Beratung über die Indikation zum Gegenstand des ärztlichen Behandlungsvertrages zu machen. Sollte der Beklagte aus ethischen Gründen dagegen Bedenken gehabt haben, die Mutter auf Fakten aufmerksam zu machen, die dieser unter Umständen einen Schwangerschaftsabbruch gestatten würden, oder auch schon Bedenken dagegen, ihr eine pränatale diagnostische Maßnahme darzustellen, deren Durchführung das werdende Kind gefährden konnte, hätte er eine Beratung über die von der Klägerin aufgeworfene Frage ablehnen und sie an eine andere Stelle verweisen müssen. Eine falsche oder unvollständige Beratung der Mutter war ihm aber aus solchen Gewissensgründen heraus nicht erlaubt. Klarzustellen ist dabei, daß es dem Beklagten auch unbenommen geblieben wäre, nach Darstellung der medizinischen Erkenntnisse und Möglichkeiten der Klägerin von der Durchführung einer Fruchtwasseruntersuchung und von einem etwaigen Abbruch der Schwangerschaft abzuraten. Keinesfalls durfte er ihr aber unvollständige und damit irreführende Auskünfte erteilen, die ihr die ihr zustehende Entscheidungsfreiheit nahmen.
3. Vergeblich wendet sich die Revision dagegen, daß das Berufungsgericht einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der nicht ausreichenden Aufklärung der Klägerin über die Möglichkeiten der Fruchtwasseruntersuchung und der Belastung der Kläger mit dem Unterhaltsaufwand für ihr mongoloides Kind bejaht hat.
a) Das Berufungsgericht vermag sich nicht davon zu überzeugen, daß die Klägerin solche Aufklärung bereits von anderer Seite erfahren hatte. Die vom Berufungsgericht hierzu vorgenommene Würdigung des Parteivortrages und des Ergebnisses der Beweisaufnahme läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
b) Das Berufungsgericht geht davon aus, die Klägerin hätte sich bei vollständiger und zutreffender Aufklärung durch den Beklagten über das Risiko, ein mongoloides Kind zu bekommen, und über die Möglichkeiten und Gefahren der hierfür bereitstehenden pränatalen Diagnostik für die Fruchtwasseruntersuchung entschieden und diese alsbald durchführen lassen. Das bestreitet der Beklagte zwar. Damit kann er indessen aus Rechtsgründen nicht gehört werden. Ihn als Schädiger trifft nämlich die Beweislast dafür, daß die Klägerin als Geschädigte sich nach ordnungsgemäßer Aufklärung nicht aufklärungsrichtig verhalten hätte und dem drohenden Schaden entgegengetreten wäre (vgl. dazu BGB-RGRK/Steffen § 823 Rdn. 527 m. w. Nachw.). Die begehrte Aufklärung über die Gefahr einer pränatalen Schädigung des Kindes durch eine Chromosomenanomalie sollte gerade dazu dienen, die Klägerin entscheiden zu lassen, ob sie das bestehende Risiko eingehen oder vorhandene Möglichkeiten, es durch eine Untersuchung sicher zu erkennen und dann gegebenenfalls durch Schwangerschaftsabbruch die Geburt eines mongoloiden Kindes zu verhindern, nutzen sollte. In einer solchen Lage kann es nicht Sache des Geschädigten sein, seinen auf individuellen, letztlich nicht nachprüfbaren Wertungen beruhenden hypothetischen Entschluß zur Ausschaltung des befürchteten Risikos unter Inkaufnahme anderer Risiken nachzuweisen. Der Schutzzweck der Aufklärung wird vielmehr erst dann erreicht, wenn derjenige, der die von ihm geschuldete Aufklärungspflicht verletzt, entgegen einer Kausalitätsvermutung zugunsten des Geschädigten den Beweis für die Nichtursächlichkeit seiner Pflichtverletzung zu erbringen hat. Das muß jedenfalls so lange gelten, als die Behauptung der Kläger, die Klägerin würde sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in diesem Sinne entschieden haben, nachvollziehbar und plausibel erscheint. Daß die Klägerin, wenn durch eine Fruchtwasseruntersuchung eine Chromosomenanomalie des werdenden Kindes festgestellt worden wäre, die Schwangerschaft hätte abbrechen lassen (wozu, wie dargelegt, eine gesetzliche Indikation vorlag), ergibt sich ohnehin schon aus ihrer geäußerten Sorge vor der Geburt eines so geschädigten Kindes und ihrer Bitte um Beratung, die offensichtlich darauf abzielte, ein solches Ereignis zu verhindern. Auch insoweit müßte der Beklagte zudem beweisen, daß die Klägerin sich trotz eines ihre Befürchtungen bestätigenden Untersuchungsergebnisses entschlossen hätte, das Kind auszutragen. Der Beklagte hat diesen von ihm zu erbringenden Beweis nicht geführt.
4. Hat danach der Beklagte seine ärztlichen Sorgfaltsverpflichtungen aus dem Behandlungsvertrag mit der Klägerin, in dessen Schutzbereich der Kläger einbezogen war, schuldhaft verletzt, und hat sich die Gefahr, der es nach dem Entschluß der Mutter durch eine Schwangerschaftsunterbrechung vorzubeugen galt, verwirklicht, dann hat der Beklagte auch den durch seine Vertragsverletzung verursachten Schaden zu ersetzen. Dieser Schaden besteht in dem Unterhaltsaufwand, den die Kläger für das Kind möglicherweise lebenslang werden erbringen müssen. Die Kritik des Oberlandesgerichts Frankfurt in seiner in NJW 1983,341 ff. veröffentlichten Entscheidung (die Sache liegt dem Senat zur Entscheidung über die Revision vor), die sich vor allem gegen die Bejahung eines Unterhaltsschadens der Eltern bei Geburt eines Kindes nach mißlungener Sterilisation der Mutter richtet, gibt dem Senat-jedenfalls für den vorliegenden, anders gelagerten Streitfall keinen Anlaß, seine bisherige Rechtsprechung zu ändern.
5. Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung BGHZ 86,240, 247 f. für einen vergleichbaren Fall der Rötelninfektion der Leibesfrucht als Schadensersatz den Unterhaltsmehraufwand zuerkannt, um den es in jenem Streitfall allein ging. Jedoch beschränkt sich der Schadensersatz in solchen Fällen nicht darauf. Sofern der in Anspruch genommene Arzt, der seine Beratungspflicht schuldhaft verletzt, für den Unterhaltsschaden überhaupt einzustehen hat (dazu sogleich bei Ziff. 6), hat er den gesamten Unterhaltsaufwand zu ersetzen, nicht nur den Unterhaltsmehrbedarf. Der Senat vermag der Ansicht, die Hinweispflicht des Arztes solle (nur) einen finanziellen Mehrbedarf des Kindes ausschließen helfen, und (nur) dieser Schaden liege im Schutzbereich der Norm (so insbesondere Deutsch JZ 1983,452), nicht zu folgen. Wenn Eltern ärztlichen Rat suchen, um eine etwaige schwere pränatale Schädigung des werdenden Kindes festzustellen und, falls sich eine solche Befürchtung bewahrheitet, die Schwangerschaft abbrechen zu lassen, wollen sie sich nicht nur vor Mehrausgaben, die sie für die Unterhaltung gerade eines behinderten und kranken Kindes haben, schützen. Sie wollen ein solches geschädigtes Kind überhaupt nicht zur Welt bringen. Wird es dennoch geboren und hat sich die Gefahr verwirklicht, der sie mit Hilfe des Arztes begegnen wollten, ist die volle Unterhaltslast für dieses Kind von vornherein nicht gewollt. Der Unterhaltsaufwand läßt sich nicht aufteilen in solchen, der für ein hypothetisch gesundes Kind von den Eltern familienrechtlich geschuldet wird, und einen solchen, der durch den Gesundheitsschaden des Kindes zusätzlich bedingt ist. Anders als bei einem gesunden Kind, bei dem nur die wirtschaftlichen Grundbedürfnisse haftungsrechtlich der Durchkreuzung der Familienplanung zuzurechnen sind, während im übrigen die familienrechtliche Unterhaltsverpflichtung durchschlägt (BGHZ 76,259, 266 f.), steht bei dem Unterhalt eines schwerer behinderten Kindes der gesamte Aufwand für seine Lebens- und Pflegebedürfnisse im Vordergrund, der gerade vermieden werden sollte. Es bleibt genug für die Eltern zu tragen, was sie ohnehin nicht auf den Schädiger abwälzen können.
6. Im Streitfall ist dem Senat eine abschließende Entscheidung aufgrund dieser, vom Berufungsgericht im wesentlichen zutreffend beurteilten Rechtsgrundsätze im Ergebnis aber nicht möglich. Nur dann besteht nämlich, wie der Senat bereits in seiner Entscheidung zur Geburt eines infolge einer Rötelninfektion vorgeschädigten Kindes angenommen hat (BGHZ 86,240, 248), ein ersatzfähiger Unterhaltsschaden der Eltern des mit körperlichen oder geistigen Behinderungen geborenen Kindes, wenn sich die Gefahr, der mit der pränatalen Untersuchung und der im Anschluß daran gesetzlich zugelassenen Schwangerschaftsunterbrechung begegnet werden sollte, auch tatsächlich verwirklicht hat. In Ermangelung von Feststellungen des Berufungsgerichts zur Schwere der Schädigung des Kindes der Kläger ist für die Revisionsinstanz von der (wenn auch sicherlich aus medizinischen Gründen wenig wahrscheinlichen) Behauptung des Beklagten auszugehen, die vorhandene Chromosomenanomalie beeinträchtige die körperliche und geistige Entwicklung des Kindes nur unwesentlich. Träfe das zu, wäre der Anspruch der Kläger auf Ersatz eines durch den Unterhalt des geschädigten Kindes bedingten Schadens unbegründet.
a) Gegenstand der von den Klägern erbetenen und vom beklagten Arzt geschuldeten Beratung war ihr Wunsch, der Geburt eines infolge von Erbkrankheiten oder anderen nicht behebbaren Vorschädigungen behinderten Kindes vorzubeugen, soweit das durch ärztliche Maßnahmen und medizinische Untersuchungen sowie eine etwaige gesetzlich zulässige Schwangerschaftsunterbrechung möglich schien. Damit ist zugleich der Schutzumfang des Beratungsvertrages umschrieben, soweit er in Fallgestaltungen wie der vorliegenden von Bedeutung ist. Der Beklagte hatte der Klägerin, wenn er sich einmal zu der gewünschten Beratung bereitgefunden hatte, die Entscheidungsgrundlagen für ihren Entschluß zu liefern, medizinische Untersuchungsmöglichkeiten wahrzunehmen und im Falle eines ungünstigen Ergebnisses die Schwangerschaft abbrechen zu lassen, und hatte es damit übernommen, ihr mit seiner Hilfe die nach ihrer persönlichen Entscheidung unzumutbare Belastung, ein schwergeschädigtes Kind zur Welt zu bringen, es zu pflegen und es zu unterhalten, zu ersparen. Er hatte sie andererseits auch nur vor dem zu bewahren, was es nicht nur nach allgemeinem sittlichem Empfinden, sondern nach der Rechtsordnung allenfalls einer schwangeren Frau unzumutbar machen kann, ihr Kind auszutragen. Die Grenzen dieser Unzumutbarkeit zeigt aus prognostischer Sicht § 218a Abs. 2 Nr. 1 StGB auf: Gegen ihren Willen soll eine schwangere Frau ein Kind dann nicht zur Welt bringen müssen, wenn es infolge einer Erbanlage oder schädlicher Einflüsse vor der Geburt an einer nicht behebbaren Schädigung seines Gesundheitszustandes leiden würde; diese Schädigung muß so schwer wiegen, daß von der Schwangeren die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt werden kann. Nur wenn sich die so umschriebene Gefahr bei der Geburt des Kindes auch verwirklicht hat, weil der um Rat gebetene Arzt seine Vertragspflichten schuldhaft verletzt hat, kann er für den Schaden der Eltern haftbar gemacht werden. Für mehr einzustehen, hat er vertraglich nicht übernommen, und etwaige weitergehende Wünsche und Absichten der Schwangeren, die ihn aufgesucht hat, sind für seine vertraglichen Einstandspflichten rechtlich unerheblich. Ihm kann nicht unterstellt werden, daß er für eine Belastung der Eltern infolge von Vorschädigungen des Kindes hat einstehen wollen, die ihrem Grad nach, wäre ihr Umfang vorauszusehen gewesen, eine Schwangerschaftsunterbrechung nicht gerechtfertigt hätte; eine solche Abrede wäre auch, weil sittenwidrig, unverbindlich.
b) Schadensrechtlich hat das zur Folge: Nur eine nicht behebbare Schädigung des Gesundheitszustandes des Kindes bei seiner Geburt kann überhaupt zu einer Ersatzpflicht des Arztes führen, der seine Beratungspflichten verletzt hat. Diese Schädigung muß darüber hinaus so schwer sein, daß sie - aus nachträglicher Sicht - den Abbruch der Schwangerschaft erlaubt hätte. Wann das jeweils der Fall ist, wird sich allgemein nicht beantworten lassen. Bei der schwierigen Beurteilung dieser Frage wird sich der Tatrichter jedoch davor hüten müssen, die Grenzen des für die Schwangeren Zumutbaren zu weit zu ziehen, vielmehr auf deren Belange und deren Sicht Rücksicht zu nehmen haben.