BGE 90 I 153
 
24. Auszug aus dem Urteil vom 16. September 1964 i.S. Bau- und Mietergenossenschaft Luzern gegen Luzern, Kanton und Steuerrekurskommission.
 
Regeste
Kantonales Steuerrecht, Willkür.
 
Sachverhalt
A.- Nach dem luzernischen Steuergesetz (StG) vom 27. Mai 1946 werden gewisse Genossenschaften, zu denen auch die heutige Beschwerdeführerin gehört, den Aktiengesellschaften gleichgestellt und haben daher eine Gewinn- und eine Kapitalsteuer zu entrichten (§ 50). Für die Berechnung des steuerbaren Gewinns fällt der Saldo der Gewinn- und Verlustrechnung in Betracht zuzüglich aller vor Berechnung dieses Saldos ausgeschiedenen Teile des Geschäftsergebnisses, die nicht zur Deckung geschäftsmässig begründeter Unkosten verwendet werden (§ 51). Die Kapitalsteuer wird vom einbezahlten Grund- und Stammkapital und von den offenen und stillen Reserven berechnet (§ 54).
B.- Die im Jahre 1947 gegründete "Bau- und Mietergenossenschaft Luzern", die Beschwerdeführerin, ist zurzeit Eigentümerin von 13 Miethäusern mit 84 Wohnungen. Die Rechte und Pflichten der Mitglieder und der Mieter ergeben sich aus den Statuten sowie aus einem Reglement, das von der Generalversammlung erlassen wurde und integrierenden Bestandteil der Statuten bildet.
Die Mittel für die Erfüllung des Genossenschaftszweckes werden u.a. durch die Ausgabe von Anteilscheinen zu Fr. 100.--, durch das Pflichtanteilkapital und durch Darlehen der Mitglieder bestritten (Art. 12 lit. a, b und f der Statuten). Jedes Mitglied hat mindestens einen Anteilschein zu Fr. 100. - zu übernehmen (Art. 5 der Statuten). Jeder Mieter einer Wohnung hat ein Pflichtanteilkapital zu bezahlen, dessen Höhe vom Vorstand der Genossenschaft festgesetzt wird (Art. 10 des Reglementes). Dieses Pflichtanteilkapital wird "durch die Liegenschaft sichergestellt" und "als eigentliches Darlehen des Mieters an die Genossenschaft behandelt" (Art. 11 und 13 des Reglementes). Die Verzinsung der Anteilscheine und des Pflichtanteilkapitals erfolgt aus dem Reingewinn (Art. 18 der Statuten), wobei der Zinsfuss für beide durch die Generalversammlung bestimmt wird (Art. 13 Abs. 2 und Art. 28 lit. d der Statuten). Für die Rückzahlung des Pflichtanteilkapitals gilt gemäss Art. 16 des Reglementes Art. 15 der Statuten, der die Rückzahlung der Anteilscheine regelt und bestimmt, dass diese sich "nach der Vermögenslage der Genossenschaft bzw. nach deren Liquidität" richtet.
C.- Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass das Pflichtanteilkapital eine Schuld darstelle und die dafür entrichteten Zinsen zu den Unkosten gehören. Die kantonale Veranlagungsbehörde dagegen rechnet das Pflichtanteilkapital zum steuerbaren Genossenschaftskapital und die Zinsen zum steuerbaren Gewinn.
Die Beschwerdeführerin rekurrierte hiegegen bei der Veranlagung für 1957/58, wurde aber von der Steuerrekurskommission (StRK) mit Entscheid vom 30. April 1959 abgewiesen. Die StRK nahm an, für die Frage, ob das Pflichtanteilkapital zum Genossenschaftskapital gehöre oder Darlehen der Mieter an die Genossenschaft darstelle, komme es vor allem auf die Funktion des Pflichtanteilkapitals im Finanzhaushalt der Genossenschaft sowie auf die durch das Pflichtanteilkapital geschaffenen Rechtsbeziehungen zwischen dem Mieter und der Genossenschaft an. Diese Rechtsbeziehungen aber seien, wie sich aus den Statuten und dem Reglement ergebe, die gleichen wie die durch das Anteilscheinkapital geschaffenen Beziehungen und unterschieden sich grundsätzlich von den zwischen Darlehensgeber und -nehmer bestehenden Beziehungen (Entscheide der StRK 1959/60 Nr. 38 = ZBl 1960 S. 20 ff.).
Bei der Veranlagung für 1963/64 wurde das steuerbare Kapital der Beschwerdeführerin unter Einbeziehung des Pflichtanteilkapitals von Fr. 150'025. - auf Fr. 253'000.-- und der steuerbare Gewinn mit Einschluss der in den beiden Vorjahren auf dieses Kapital bezahlten Zinsen von 31/2% auf Fr. 11'000. - festgesetzt. Hiegegen erhob die Beschwerdeführerin wiederum Rekurs.
Die StRK wies den Rekurs mit Entscheid vom 25. März 1964 ab, indem sie zur Begründung aufihren Entscheid vom 30. April 1964 verwies und daran festhielt, dass das Pflichtkapital rechtlich und wirtschaftlich den Charakter von Genossenschaftskapital habe. Dass es in Art. 13 des Reglements als "eigentliches Darlehen" bezeichnet werde, sei ebensowenig entscheidend, wie seine wiederholte Bezeichnung als "Kapital" in den Statuten. Entscheidend sei vielmehr, dass es sich nicht um ein Darlehen im Rechtssinne handeln könne.
D.- Die Bau- und Mietergenossenschaft Luzern hat gegen den Entscheid der Steuerkommission staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV erhoben. Die Begründung der Beschwerde ist, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich.
E.- Die Steuerrekurskommission und die Steuerverwaltung des Kantons Luzern beantragen Abweisung der Beschwerde.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2. Nach den Statuten und dem Reglement der Beschwerdeführerin sind ihre Mieter zur Einzahlung eines "Pflichtanteilkapitals" verpflichtet. Streitig ist, ob dieses Pflichtanteilkapital, das gemäss der Bilanz per 31. Dezember 1962 Fr. 150'025.-- betrug, zum "einbezahlten Grund- oder Stammkapital" im Sinne von § 54 Abs. 1 StG gehört und daher der Kapitalsteuer unterliegt, oder ob es sich um Darlehen der Mieter und damit um Fremdkapital handelt, das der Kapitalsteuer nicht unterliegt und dessen Verzinsung den steuerbaren Ertrag schmälert. Die StRK hat ihre Auffassung, dass man es mit Grundkapital zu tun habe, im Entscheid vom 30. April 1959 einlässlich begründet und hat diese Begründung im angefochtenen Entscheid ergänzt. Dass ihre Betrachtungsweise willkürlich sei und es sich in Wirklichkeit "eindeutig" um Fremdkapital handle, vermag die Beschwerde nicht darzutun.
Ob das Pflichtanteilkapital Eigen- oder Fremdkapital der Beschwerdeführerin darstellt, beurteilt sich nicht nach der Bezeichnung desselben in den Statuten und im Reglement; vielmehr kommt es auf den Inhalt der massgebenden Statuten- und Reglementsbestimmungen, auf die wirklichen, durch sie geschaffenen Verhältnisse und Rechtsbeziehungen an (vgl. Art. 18 Abs. 1 OR). Geht man aber hievon aus, so spricht alles gegen den Darlehenscharakter des Pflichtkapitals. Der Zinsfuss für das Pflichtanteilkapital wird genau gleich wie derjenige für die Anteilscheine im Rahmen von Art. 13 Abs. 2 der Statuten jeweils einseitig durch die Generalversammlung bestimmt (Art. 28 lit. d der Statuten), ist also nicht, wie es einem Darlehen entsprechen würde, Gegenstand einer Vereinbarung zwischen dem Mieter und der Genossenschaft. Für die Verzinsung ist "der ausgewiesene Reingewinn" zu verwenden (Art. 18 der Statuten). Das Pflichtanteilkapital wird somit wie das Anteilscheinkapital nur verzinst, wenn die Genossenschaft einen Reingewinn erzielt, was den Zins als Beteiligung am Reingewinn oder als Dividende und nicht als Darlehenszins erscheinen lässt. Die Rückzahlung des Pflichtanteilkapitals richtet sich in gleicher Weise wie die Rückzahlung des Anteilscheinkapitals "nach der Vermögenslage der Genossenschaft bzw. nach der Liquidität" (Art. 15 Abs. 1 der Statuten und Art. 16 des Reglements); sie kann also nicht, wie es beim Darlehen üblicherweise der Fall ist, nach Ablauf einer Kündigungsfrist unbedingt verlangt werden, sondern nur, sofern und soweit die Vermögenslage und Liquidität der Genossenschaft es erlauben. Angesichts dieser Bestimmungen, nach denen das Pflichtanteilkapital in bezug auf Verzinsung und Rückzahlung dem Anteilscheinkapital durchaus gleichgestellt ist, kann dem Art. 13 des Reglements, wonach es "als eigentliches Darlehen des Mieters an die Genossenschaft behandelt" wird, keine Bedeutung zukommen, zumal nicht ersichtlich ist, worin diese Behandlung als Darlehen liegen könnte. Vielmehr erscheint die Auffassung als zutreffend und ist jedenfalls nicht willkürlich, dass es sich beim Pflichtanteilkapital rechtlich und wirtschaftlich um eine Ergänzung des Genossenschaftskapitals handelt, das wie dieses den Gläubigern haftet und daher zivil- wie steuerrechtlich als Genossenschaftskapital zu betrachten ist (im gleichen Sinne für das Wehrsteuerrecht: KÄNZIG N. 10 zu Art. 50 WStB).
Hieran vermag auch Art. 11 des Reglements, wonach das Pflichtanteilkapital durch die Liegenschaften der Genossenschaft sichergestellt ist, nichts zu ändern, da dieser Bestimmung ohne gleichzeitige Bestellung eines Grundpfandes und Eintragung desselben im Grundbuch keine rechtliche Wirkung zukommt, die Beschwerdeführerin aber selber nicht behauptet, dass eine solche Verpfändung vorgesehen und je erfolgt sei. Unerheblich ist auch, dass die Beschwerdeführerin für die Einzahlungen auf das Pflichtanteilkapital keine "Anteilscheine", sondern blosse "Bestätigungen" ausstellt, die keinen Bezug auf die Mitgliedschaft oder die Beteiligung am Genossenschaftsvermögen nehmen, denn das ist ohne Bedeutung für die rechtliche und wirtschaftliche Funktion des Pflichtanteilkapitals. Ebenso belanglos ist in dieser Beziehung, dass der Inhaber von Pflichtanteilkapital nicht persönlich für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft haftet, da dies nach Art. 19 der Statuten auch für den Inhaber von Anteilscheinen gilt.
Die Beschwerdeführerin behauptet, dass der zur Bezahlung eines Pflichtkapitalanteils gehaltene Mieter nicht Genossenschafter sein müsse, und macht weiter geltend, dass seit dem Jahresabschluss 1953 die Verzinsung des Pflichtanteilkapitals vor der Ermittlung des Jahresergebnisses erfolge und die Generalversammlung nur noch den Zinsfuss für die Anteilscheine bestimme. Diese Behauptungen wurden im kantonalen Rekursverfahren nicht aufgestellt und können infolgedessen, da neue Vorbringen bei Willkürbeschwerden unzulässig sind (BGE 87 I 99 Erw. 2, 178 Erw. 3), nicht berücksichtigt werden. Sie wären übrigens nicht geeignet, Willkür des angefochtenen Entscheids darzutun. Selbst wenn es Mieter von Genossenschaftswohnungen geben sollte, die nicht Genossenschafter sind, so würde das nichts daran ändern, dass die Verzinsung und Rückzahlung ihrer Pflichtanteilkapitalien in Statuten und Reglement so geordnet sind, dass ihnen rechtlich und wirtschaftlich der Charakter von Darlehen ohne Willkür abgesprochen werden kann. Ebenso kommt nichts darauf an, dass die Beschwerdeführerin den Statuten- und Reglementsbestimmungen, welche die Annahme eines Darlehens ausschliessen, welche "nicht mehr nachlebt", denn solange diese Bestimmungen nicht durch die dazu nach Art. 879 Ziff. 1 OR und 28 lit. a der Statuten zuständige Generalversammlung abgeändert worden sind, hat sich die Beschwerdeführerin daran zu halten und darf sich nicht einfach im Hinblick auf die Erlangung steuerlicher Vorteile darüber hinwegsetzen. ....
Fehl geht auch die Rüge, es sei "abwegig", dass die StRK annehme, § 54 Abs. 1 StG gelte nur für die AG und GmbH. Im angefochtenen Entscheid wird das nicht behauptet, sondern nur gesagt, die Beschwerdeführerin könne aus dem Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung nichts für ihren Standpunkt ableiten, weil sie auf die AG und GmbH zugeschnitten sei, die ein zum voraus bestimmtes Grund- bzw. Stammkapital haben, während dies nach Art. 828 Abs. 2 OR bei der Genossenschaft unzulässig sei. Dass diese Argumentation willkürlich sei, wird aber in der Beschwerde nicht behauptet und noch weniger darzutun versucht.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.