BGE 97 I 161
 
26. Urteil vom 12. März 1971 i.S. Christen gegen Eidg. Steuerverwaltung
 
Regeste
Warenumsatzsteuer.
 
Sachverhalt
A.- Hardy Christen, der in Zürich einen Buchverlag sowie eine Buch- und Offsetdruckerei betreibt, ist seit dem 1. Januar 1958 als Grossist warenumsatzsteuerpflichtig. Er vertreibt u.a. das 4. Supplement 1952-1963 des Katalogs der Zentralbibliothek des Schweizerischen Alpen-Clubs (SAC-Katalog). In diesem ca. hundertseitigen Verzeichnis sind die Bestände der Zentralbibliothek des SAC, die der Zentralbibliothek Zürich eingegliedert ist, systematisch nach Gruppen (Einzelschriften, Zeitschriften und Serien, Karten, Panoramen) und innerhalb der Gruppen alphabetisch aufgeführt. Zu jedem Werk ist die Standortnummer der Zentralbibliothek angegeben. Der Zusammenstellung der Werke gehen die Benützungsordnung der Zentralbibliothek, ein Vorwort der Bibliothekskommission des SAC sowie ein Abkürzungsverzeichnis voraus. Am Schluss enthält der Katalog ein Schlagwortregister, bestehend aus Sach-, Personen-, Gesellschafts- und Vereinsregister. Der Katalog wurde im Auftrag der Bibliothekskommission des SAC von Dr. Paul Sieber, Bibliothekar, bearbeitet.
B.- Im April 1967 stellte die Eidg. Steuerverwaltung (EStV) fest, dass Christen die Umsätze des SAC-Katalogs nicht versteuert hatte. Sie forderte daher mit Entscheid vom 12. November 1968 an Warenumsatzsteuern Fr. 242.25 nebst Verzugszins nach. Zur Begründung der Nachforderung führte sie aus, das umstrittene Druckerzeugnis sei der Form nach wohl ein Buch im Sinne des Warenumsatzsteuerrechtes, inhaltlich vermittle es jedoch keine unmittelbare Belehrung allgemeiner oder wissenschaftlicher Art; es könne deshalb nicht als steuerbefreites Buch anerkannt werden, obwohl es keinen Reklamecharakter aufweise.
Eine Einsprache gegen diese Steuernachforderung wies die EStV mit Entscheid vom 25. Juni 1970 ab.
C.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Christen, der Einspracheentscheid der EStV sei aufzuheben. Die Begründung ergibt sich aus den nachstehenden Erwägungen. Die EStV beantragt die Abweisung der Beschwerde.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die ursprüngliche Liste der steuerbefreiten Waren beschränkte sich auf Nahrungsmittel und Hilfsmittel zu deren Zubereitung sowie Zeitungen und Zeitschriften. Diese Erzeugnisse wurden als für die Befriedigung allgemeiner täglicher Bedürfnisse kaum entbehrlich angesehen und deshalb im Interesse der Konsumenten von der Warenumsatzsteuer befreit. Der Kreis der steuerbefreiten Waren wurde indessen vom Gesetzgeber bei der Revision im Jahre 1958 grosszügig weiter gezogen. Die heutige Liste der steuerbefreiten Waren, in der auch die Bücher aufgeführt sind, geht eindeutig über das hinaus, was allgemein als für die Befriedigung der täglichen Bedürfnisse kaum entbehrlich betrachtet werden kann. Die Anwendung der Ausnahmebestimmungen hat dieser Neuerung Rechnung zu tragen.
Der Gesetzgeber wollte nicht schlechthin jede Drucksache in Buchform von der Warenumsatzsteuer ausnehmen, sondern das Buch als potentiellen Kulturträger von der Abgabe befreien (StenBull 1957: NR S. 556 und 916, StR S. 330 und 412 f.; WELLAUER, Warenumsatzsteuer, N. 46). Es war daher notwendig, einen für die Steuerbehörden praktikablen Begriff des Buches im Sinne des Warenumsatzsteuerrechtes aufzustellen. Aus diesem Grunde wurde das Eidg. Finanz- und Zolldepartement (EFZD) in Art. 54 Abs. 2 lit. e WUStB ermächtigt, zur Erleichterung der Abgrenzung unter Rücksichtnahme auf die Wettbewerbsverhältnisse zu bestimmen, welche Waren als Bücher im Sinne von Art. 14 Abs. 1 lit. b WUStB zu gelten haben. Von dieser Ermächtigung hat das EFZD mit der Verfügung Nr. 12 vom 15. Juli 1958 Gebrauch gemacht. Nach Art. 2 dieser Verfügung gelten als steuerbefreite Bücher "Druckerzeugnisse religiösen, literarischen, künstlerischen, unterhaltenden, erzieherischen, allgemeinbelehrenden oder wissenschaftlichen Inhalts mit mindestens 16 Seiten in Buch- oder Broschürenform. Ausgenommen sind Erzeugnisse mit Reklamecharakter". In Auslegung dieser Bestimmung zählt die EStV in der Wegleitung für Grossisten drei Voraussetzungen für die Steuerbefreiung von Büchern auf: Das Druckerzeugnis muss einen bestimmten Inhalt, eine bestimmte Form und keinen Reklamecharakter aufweisen. Als Beispiele dem Inhalt nach nicht befreiter Druckerzeugnisse werden von der EStV u.a. genannt: Namens- und Sachverzeichnisse aller Art, Branchenregister, Adress- und Telephonbücher, Fahrpläne (Anhang I Ziff. 8 lit. a der Wegleitung).
Die Vorinstanz nimmt an, von den in der Verfügung 12 erwähnten Inhaltskriterien könnten für den SAC-Katalog höchstens die Begriffe "allgemeinbelehrend" oder "wissenschaftlich" in Betracht fallen. Beide träfen jedoch nicht zu: Einen wissenschaftlichen Inhalt weise der SAC-Katalog nicht schon deshalb auf, weil er von seinem Bearbeiter nach wissenschaftlichen Methoden erstellt worden sei und mitunter wohl zu wissenschaftlichen Arbeiten zwecks raschen Auffindens der einschlägigen Literatur herbeigezogen würde. Der Katalog vermittle nämlich an sich keine wissenschaftlichen Kenntnisse und Erkenntnisse, Fragestellungen und Arbeitsmethoden, er habe lediglich Hinweis- oder Wegweiserfunktion. Aus demselben Grunde sei er auch nicht allgemein- sondern höchstens mittelbar belehrend.
Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, die in Art. 2 der Verfügung 12 genannten, an den Inhalt eines Druckerzeugnisses anknüpfenden Steuerbefreiungskriterien dienten als nicht abschliessende Aufzählung lediglich der Abgrenzung von Büchern kulturellen Inhalts zu solchen mit Reklamecharakter. Es sei daher verfehlt, abklären zu wollen, ob der SAC-Katalog wissenschaftlichen oder allgemeinbelehrenden Inhalts sei. Einzig die Frage, ob der Katalog Reklamecharakter habe, sei nach Massgabe der anwendbaren Bestimmungen zu beantworten. Da sie verneint werden müsse und auch von der EStV verneint werde, sei das umstrittene Druckerzeugnis von der Warenumsatzsteuer befreit. Selbst wenn im Sinne der Begründung der EStV der SAC-Katalog eine der in Art. 2 der Verfügung 12 aufgezählten inhaltlichen Eigenschaften aufweisen müsste, hätte dies kein anderes Ergebnis zur Folge, da vom Katalog auch Belehrung ausgeht.
4. Einzig entscheidend in der vorliegenden Streitsache ist die Anwendung der in Art. 2 der Verfügung 12 enthaltenen auslegungsbedürftigen Kriterien, nach welchen der Inhalt eines Druckerzeugnisses in Buchform, das keinen Reklamecharakter aufweist, zu bewerten ist.
a) Art. 2 der Verfügung 12 stellt folgende Inhaltskriterien auf: religiös, literarisch, künstlerisch, unterhaltend, erzieherisch, allgemeinbelehrend und wissenschaftlich. Dass die Kriterien, wie der Beschwerdeführer behauptet, einzig dazu bestimmt sein sollen, Bücher mit kulturellem Inhalt von solchen mit Reklamecharakter abzugrenzen, ist unzutreffend. Zu einer solchen Abgrenzung hätte es keiner Aufzählung von Inhaltsmerkmalen bedurft. Mit der Feststellung, dass der Reklamecharakter eines Druckerzeugnisses die Befreiung von der Steuerpflicht ausschliesst, wäre alles zur Abgrenzung der Abgabepflicht Notwendige gesagt gewesen. Art. 2 der Verfügung 12 lässt vielmehr erkennen, dass drei selbständige Voraussetzungen - bestimmter Inhalt, Buch- oder Broschürenform, kein Reklamecharakter - kumulativ erfüllt sein müssen. Hat demnach ein Druckerzeugnis keinen Reklamecharakter, ist mitnichten gesagt, dass es eo ipso die förmlichen und inhaltlichen Voraussetzungen zur Befreiung von der Warenumsatzsteuer erfüllt. Weist es jedoch Reklamecharakter auf, schliesst diese Tatsache die Befreiung ohne Rücksicht auf den Inhalt und die äussere Form des Druckerzeugnisses aus (WELLAUER, a.a.O., N. 49).
Beim SAC-Katalog, der seiner Form nach ein Buch ist und unbestrittenermassen keinen Reklamecharakter aufweist, scheiden die Merkmale des religiösen, literarischen, künstlerischen, unterhaltenden und erzieherischen Inhaltes zum vorneherein aus. Es bleibt daher zu prüfen, ob der Katalog allgemeinbelehrenden oder wissenschaftlichen Inhaltes ist.
b) "Allgemeinbelehrend" ("instructif") ist der Inhalt eines Buches nach Massgabe des allgemeinen Sprachgebrauches dann, wenn er den Leser mit einer Lehre, einer Anweisung oder Aufklärung versieht, m.a.W., wenn er geeignet und fähig ist, die geistige Formung des Lesers durch Vermittlung von Wissen zu fördern. Ob das Druckerzeugnis dem Leser unmittelbar eine Aufklärung gibt, oder ob es ihm lediglich eine Anweisung erteilt, ist nicht entscheidend. Es hat auch dann als allgemeinbelehrend zu gelten, wenn es nicht jene Form des Belehrens zum Inhalt hat, die durch Auseinandersetzung mit dem Gegenstand bildet und formt (kreative Belehrung), sondern mit Hinweisen auf die Wissens- und Erkenntnisquellen eine Übermittlungs- oder Wegweiserfunktion erfüllt (informative Belehrung). Mit dieser Aufgabe sind u.a. gewisse systematische Verzeichnisse, namentlich Bücherregister bedacht, indem sie nicht bloss wahllos aufzählen, sondern durch eine systematische Ordnung des Stoffes eines bestimmten Sachgebietes den Zugang zu diesem ermöglichen oder erleichtern. Der belehrende Wert solcher Verzeichnisse steigt mit dem Grad ihrer Systematik und ist insbesondere gross, wenn nach verschiedenen Gesichtspunkten zusammengestellte Schlagwortverzeichnisse die allgemeine Aufzählung ergänzen (vgl. hierzu analog über die Register der Bundesgerichtsentscheide: Entscheid der EStV vom 8. September 1962, in ASA 31, S. 214).
Wertet man den Inhalt des SAC-Kataloges im Lichte dieser Kriterien, wird deutlich, dass dieses in Buchform angelegte Verzeichnis der Bestände der Zentralbibliothek des SAC mit seinen nach verschiedenen Gesichtspunkten zusammengestellten Schlagwortregistern die Merkmale des allgemeinbelehrenden Inhaltes im Sinne von Art. 2 der Verfügung 12 erfüllt. Indem der Katalog im Sachgebiet des Alpinismus den Zugang "zum geistigen Erbe der Gründer des SAC" (Vorwort der Bibliothekskommission des SAC) eröffnet oder wesentlich erleichtert, bietet er informative Belehrung. Er hat den gleichen Charakter, den im allgemeinen Bibliothekskataloge besitzen, welche den Weg zu den verschiedenen Wissensgebieten erschliessen oder den Zutritt zu diesen fördern.
c) Ob der SAC-Katalog auch einen wissenschaftlichen Inhalt aufweise, braucht nicht geprüft zu werden, da die Voraussetzungen der Steuerbefreiung ohnehin erfüllt sind.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid aufgehoben.