BGE 121 I 102
 
15. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. Mai 1995 i.S. K. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
 
Regeste
Art. 4 Abs. 1 BV; unterschiedliche Entlöhnung von Hauptlehrern und Lehrbeauftragten an den Zürcher Berufsschulen.
Anspruch auf besoldungsmässige Gleichbehandlung von Lehrbeauftragten mit den Hauptlehrern bei besonders langdauernden Lehrauftragsverhältnissen? (E. 4e).
 
Sachverhalt
Die Zürcher Verordnung vom 1. Oktober 1986 über das Dienstverhältnis der Lehrer an Berufsschulen (in der Fassung vom 3. Oktober 1990; Berufsschullehrerverordnung, BSLV; Zürcher Gesetzessammlung 413.105) unterscheidet zwischen Hauptlehrern (vom Regierungsrat auf eine Amtsdauer von sechs Jahren gewählt; §§ 11 ff. BSLV), Lehrbeauftragten I und II (semesterweise durch die Schulleitung ernannt; §§ 15 f. BSLV) sowie Lehrbeauftragten III (durch die Aufsichtskommission mit einer garantierten Zahl von Lektionen für sechs Semester ernannt; § 17 BSLV). Die Lehrbeauftragten II mit abgeschlossener pädagogischer Ausbildung und die Lehrbeauftragten III werden besoldungsmässig grundsätzlich gleich behandelt (vgl. § 3 Abs. 2 BSLV); Hauptlehrer sind dagegen lohnmässig besser gestellt (vgl. § 2 BSLV).
K. unterrichtet seit Mai 1986 an der Abteilung "Druck-, Gestalter- und Malerberufe" der Allgemeinen Berufsschule Zürich die allgemeinbildenden Fächer Deutsch, Rechnen, Geschäfts- und Rechtskunde sowie Staats- und Wirtschaftskunde. Am 22. Februar 1991 eröffnete ihm das Amt für Berufsbildung auf seinen Wunsch seine Besoldungseinreihung als Lehrbeauftragter II, Kategorie B, mit begründeter Verfügung, wogegen er erfolglos an die Direktion für Volkswirtschaft und anschliessend an den Regierungsrat des Kantons Zürich rekurrierte.
Gegen den regierungsrätlichen Entscheid hat K. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 und Art. 22ter BV eingereicht. Das Bundesgericht weist diese ab, soweit es darauf eintritt.
 
Aus den Erwägungen:
4. In der Sache rügt der Beschwerdeführer vor allem die Verletzung des Rechtsgleichheitsgebotes nach Art. 4 Abs. 1 BV aufgrund der unterschiedlichen Besoldung von Hauptlehrern und Lehrbeauftragten II und III an Berufsschulen. Damit verlangt der Beschwerdeführer eine vorfrageweise Überprüfung der Bestimmungen der kantonalen Berufsschulverordnung auf ihre Verfassungsmässigkeit, was im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde zulässig ist. Die Rüge, eine kantonale Norm widerspreche der Bundesverfassung, kann noch bei der Anfechtung eines diese Norm anwendenden Entscheides vorgebracht werden. Die allfällige Verfassungswidrigkeit der fraglichen Norm führt indessen in diesem Verfahren nicht zu deren Aufhebung, sondern hat lediglich zur Folge, dass die Vorschrift auf den Beschwerdeführer nicht angewendet und der gestützt auf sie ergangene Entscheid aufgehoben wird (BGE 117 Ia 97 E. 1 S. 99 f. mit Hinweis).
a) Ein Erlass verletzt den Grundsatz der Rechtsgleichheit und damit Art. 4 Abs. 1 BV, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen. Die Rechtsgleichheit ist verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird; vorausgesetzt ist, dass sich der unbegründete Unterschied oder die unbegründete Gleichstellung auf eine wesentliche Tatsache bezieht. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten verschieden beantwortet werden je nach den herrschenden Anschauungen und Zeitverhältnissen. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze und des Willkürverbotes ein weiter Spielraum der Gestaltungsfreiheit (BGE 118 IV 192 E. 2e S. 195; BGE 117 Ia 97 E. 3a S. 101 mit Hinweisen). Dies gilt in besonderem Masse in Organisations- und Besoldungsfragen (BGE 121 I 49 E. 3b).
b) Der Regierungsrat hat ausgeführt, die Besoldung gemäss Hauptlehrertarif nach § 2 BSLV setze die Wahl als Hauptlehrer voraus. Die Unterscheidung zwischen auf Amtsdauer gewählten Hauptlehrern und befristet ernannten Lehrbeauftragten sei wegen der besonderen Erfordernisse des Berufsschulunterrichts notwendig (verschiedene Fächerkombinationen, stets schwankende Lehrlingszahlen, Interesse der Schulbehörde an einer möglichst guten Ausschöpfung der Berufspraxis der Lehrbeauftragten). Aufgrund der unterschiedlichen Wahl- bzw. Anstellungsbedingungen stünden die für sechs Jahre gewählten Hauptlehrer der Berufsschule in der Regel vollamtlich zur Verfügung, während die überwiegend in Teilzeit beschäftigten Lehrbeauftragten nur lose an die Schule gebunden seien. Aufgrund der Berufsschullehrerverordnung seien nur die Hauptlehrer grundsätzlich verpflichtet, ein volles Pensum mit 25-26 Lektionen pro Woche zu übernehmen (§ 19 BSLV); nur sie treffe rechtlich die Pflicht zur Übernahme von Stellvertretungen (§ 25 BSLV), die Wohnsitzpflicht (§ 29 BSLV) und die Bewilligungspflicht für Nebenbeschäftigungen (§ 27 BSLV).
c) Der Beschwerdeführer räumt ein, dass die besonderen Erfordernisse des Berufsschulunterrichts die Unterscheidung zwischen gewählten Hauptlehrern und befristet ernannten Lehrbeauftragten rechtfertigten; dies gelte allerdings nur für den berufskundlichen Unterricht, der oft von Lehrkräften erteilt werde, die eine hauptberufliche Tätigkeit in einem Betrieb ausübten, nicht aber für Lehrkräfte, die - wie er - allgemeinbildende Fächer unterrichteten. Für diese stelle der Berufsschulunterricht in der Regel die Existenzgrundlage dar; zudem sei die Anzahl der Schüler sowie der Fächer relativ konstant.
Wie bereits dargelegt, steht dem kantonalen Gesetz- bzw. Verordnungsgeber hinsichtlich Organisation und Besoldung im öffentlichen Dienst ein grosser Spielraum zu. Innerhalb der Grenzen des Willkürverbots und des Rechtsgleichheitsgebots ist er befugt, aus der Vielzahl denkbarer Anknüpfungspunkte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Einteilung und Besoldung von Lehrkräften massgebend sein sollen, und damit festzulegen, welche Kriterien eine Gleich- bzw. eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Im vorliegenden Fall hat der Verordnungsgeber bei der Besoldungsfestsetzung nur die Schulart (Berufsschule), die Ausbildung (vgl. § 3 Abs. 2 BSLV) und den Status (Lehrbeauftragter oder Hauptlehrer) berücksichtigt und von einer weiteren Differenzierung nach der Art der unterrichteten Fächer abgesehen. Die grundsätzliche Gleichbehandlung von Lehrkräften berufskundlicher und allgemeinbildender Fächer entspricht dem doppelten Auftrag der Berufsschulen, die notwendigen theoretischen Grundlagen zur Ausübung des Berufs zu vermitteln und durch eine allgemeine Bildung die Entfaltung der Persönlichkeit zu fördern (Art. 27 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 19. April 1978 über die Berufsbildung, BBG; SR 412.10), und dem grundsätzlich gleichen Stellenwert beider Fächergruppen für eine umfassende Berufsbildung. Grundsätzlich ist somit die vom Verordnungsgeber getroffene Unterscheidung zwischen den auf eine Amtsperiode von sechs Jahren gewählten, in der Regel voll der Berufsschule zur Verfügung stehenden Hauptlehrern und den auf kürzere Dauer ernannten, nur mit einem Teilpensum betrauten Lehrbeauftragten bei Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse des Berufsschulunterrichts verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, und zwar auch soweit, als sie die Lehrkräfte allgemeinbildender Fächer betrifft. Diesen steht von Verfassungs wegen kein genereller Anspruch darauf zu, als Hauptlehrer beschäftigt bzw. besoldungsmässig den Hauptlehrern gleichgestellt zu werden.
d) Der Beschwerdeführer ist allerdings der Auffassung, Statusunterschiede allein könnten eine unterschiedliche Besoldung nicht rechtfertigen. Auch wenn das öffentliche Interesse die Einreihung einer Lehrkraft in die Kategorie der Lehrbeauftragten rechtfertige, habe diese Anspruch auf das gleiche Gehalt, wenn sie dieselbe Leistung wie ein Hauptlehrer erbringe, dieselben Fähigkeiten besitze und denselben Belastungen ausgesetzt sei. Diese Voraussetzungen seien bei Lehrbeauftragten II mit abgeschlossener pädagogischer Ausbildung bzw. Lehrbeauftragten III - jedenfalls in den allgemeinbildenden Fächern - grundsätzlich gegeben und träfen insbesondere auch auf seine Person zu. Die vom Regierungsrat genannten rechtlichen Unterschiede zwischen Hauptlehrern und Lehrbeauftragten vermöchten angesichts der tatsächlichen Verhältnisse an den Berufsschulen eine unterschiedliche Besoldung nicht zu rechtfertigen: Die meisten Lehrbeauftragten in allgemeinbildenden Fächern würden es vorziehen, höhere Pensen zu erhalten, anstatt sich für schlechter bezahlte Stellvertretungen melden zu müssen, um einen Zusatzverdienst zu erhalten. Auf der anderen Seite nehme unter den Hauptlehrern der Trend zu Teilpensen zu. Die tatsächliche Belastung von Lehrbeauftragten mit Stellvertretungen, Verpflichtungen ausserhalb der eigentlichen Unterrichtsstunden und ähnlichem sei nicht geringer als diejenige der Hauptlehrer.
aa) Es mag zutreffen, dass im Fall des Beschwerdeführers hinsichtlich Ausbildung, Berufserfahrung, Verantwortung und Aufgabenbereich kein Unterschied zu Hauptlehrern an Berufsschulen besteht. Dass die Wahl zum Hauptlehrer eine entsprechende - in einem besonderen Wahlverfahren festzustellende - Qualifikation voraussetzt und diese Funktion in der Regel auch mit bestimmten zusätzlichen administrativen Aufgaben verbunden ist, darf jedoch bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der gerügten Ungleichbehandlung nicht ausser acht gelassen werden. Es wäre auch realitätswidrig zu verlangen, dass der Status eines Beamten in diesem Zusammenhang völlig ohne Einfluss bleiben muss und die Besoldung allein nach der Qualität der geleisteten Arbeit bzw. den tatsächlich gestellten Anforderungen bestimmt werden dürfe. Der für den öffentlichen Dienst typischen Zuordnung bestimmter Stellen zu bestimmten Besoldungsstufen ist ein gewisser Schematismus inhärent, da an typische generelle Merkmale und nicht oder nicht primär an die individuelle Leistung und den Einsatz des konkreten Beamten angeknüpft wird. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz gemäss Art. 4 Abs. 1 BV belässt in diesem Bereich sowohl dem Gesetzgeber wie auch den für die Besoldungsfestsetzung im Einzelfall zuständigen Behörden einen gewissen Spielraum. Es ist nicht von vornherein unzulässig und verfassungswidrig, dem auf Amtsdauer gewählten Hauptlehrer eine höhere Besoldung zu gewähren als dem mit gleichen fachlichen Aufgaben betrauten Lehrbeauftragten, zumal mit dem Status des Hauptlehrers typischerweise gewisse zusätzliche Rechtspflichten verbunden sind (vgl. oben, E. 4b). Die Zulässigkeit solcher Unterschiede ist eine Frage des Masses (unveröffentlichter Entscheid i.S. E. B. vom 10. Dezember 1993, E. 5a/aa).
bb) Der Regierungsrat hat dargelegt, dass bei einem - wegen der unterschiedlichen Pensen und Jahresstufeneinteilungen rein theoretischen - Vergleich die Jahresgrundbesoldung eines Lehrbeauftragten in Kategorie B, Jahresstufe 8, Fr. 110'975.-- betrage, während ein Hauptlehrer Fr. 118'812.-- verdiene. Diese - vom Beschwerdeführer nicht bestrittene - Differenz von jährlich Fr. 7'837.--, d.h. rund 6,6%, gegenüber der Besoldung eines Hauptlehrers ist zwar nicht unerheblich, doch hält sie sich im Rahmen des Vertretbaren.
e) Der Beschwerdeführer wirft den zürcherischen Behörden vor, die Kategorie der Lehrbeauftragten zu missbrauchen und aus Kostengründen Lehrbeauftragte an Stelle von Hauptlehrern zu ernennen, auch wo dies nicht durch sachliche Bedürfnisse der Berufsschule gerechtfertigt sei. Die vom Regierungsrat genannten Zahlen sprechen jedoch gegen eine derartige Annahme: Im angefochtenen Entscheid wird, unter Berufung auf den Geschäftsbericht des Regierungsrates 1991, ausgeführt, dass trotz der hohen Zahl von Lehrbeauftragten (1637 gegenüber 446 Hauptlehrern) immerhin über 50% der Lektionen an Berufsschulen von Hauptlehrern erteilt werden. Daraus lässt sich ableiten, dass die Lehrbeauftragten in der Regel für provisorische Aufgaben bzw. zur Erteilung einzelner, spezifischer Lektionen eingesetzt werden.
Auch bei Betrachtung der konkreten Situation des Beschwerdeführers ergibt sich nichts anderes: Im Entscheid i.S. E. B. vom 10. Dezember 1993 betreffend Lehrkräfte an zürcherischen Mittelschulen hat das Bundesgericht erwogen, dass ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit Hauptlehrern bei besonders langdauernden Lehrauftragsverhältnissen aus dem Rechtsgleichheitsgebot abgeleitet werden könne, sofern der Nachweis erbracht sei, dass sich der oder die betreffende Lehrbeauftragte hinsichtlich Ausbildung, Berufserfahrung, Verantwortung und Aufgabenbereich nicht von den Hauptlehrern unterscheide. Dabei wurde eine zeitliche Grenze von 15 Jahren in Betracht gezogen (a.a.O., E. 5a/dd). Diese Grenze war im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt des regierungsrätlichen Entscheids längst nicht erreicht und ist auch heute noch nicht überschritten worden.