BGE 128 III 229
 
43. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. A. gegen Grundbuchamt B. und Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
5A.20/2001 vom 21. Januar 2002
 
Regeste
Landwirtschaftliches Grundstück; selbstständiges und dauerndes Baurecht; Belastung des Baurechtsgrundstücks mit Grundpfandrechten.
Das BGBB knüpft in Art. 2 an den Grundstücksbegriff von Art. 655 ZGB an. Er umfasst daher in erster Linie Liegenschaften, mithin Teile der Bodenfläche, dann aber auch Miteigentumsanteile und selbstständige, dauernde Rechte (E. 3a).
Das selbstständige und dauernde Kiesabbaurecht untersteht nicht dem BGBB, weil der Abbau von Kies und Sand eine nichtlandwirtschaftliche gewerbliche Tätigkeit ist, und weil die Belastung des Baurechts mit Grundpfandrechten die landwirtschaftliche Nutzung unberührt lässt (E. 3b und c). Für das nichtlandwirtschaftliche Abbaurecht besteht keine Belastungsgrenze (E. 3d).
 
Sachverhalt
A. ist Eigentümer des Grundstücks Nr. x in der Gemeinde C. Bei diesem Grundstück handelt es sich um ein selbstständiges und dauerndes Baurecht im Sinne von Art. 779 ZGB als Abbaurecht von Sand, Kies und anderen verwertbaren Materialien, welches bis 2092 dauert. Belastet ist die gesamte Parzelle Nr. y im Halte von 18 ha 86 a 71 m2. Diese Stammparzelle liegt teils in der Landwirtschaftszone, teils in der Kiesabbauzone.
Am 29. Januar 2001 meldete A. die Errichtung von 20 Inhaberobligationen mit Grundpfandverschreibung im Kapitalbetrag von je Fr. 100'000.- auf Grundstück Nr. x zur Eintragung im Grundbuch an. Mit Verfügung vom 5. Februar 2001 wies der zuständige Grundbuchverwalter diese Anmeldungen ab. Die bei der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern erhobene Beschwerde blieb ohne Erfolg. Gegen diesen Entscheid hat A. am 20. August 2001 Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht und verlangt im Wesentlichen die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist das Grundbuchamt von B. an, auf dem Grundstück Nr. x im Grundbuch der Gemeinde C. im 1. Rang die 20 Inhaberobligationen mit Grundpfandverschreibung einzutragen.
 
Aus den Erwägungen:
2. Gemäss Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991 über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB; SR 211.412.11) gilt das Gesetz für einzelne oder zu einem landwirtschaftlichen Gewerbe gehörende landwirtschaftliche Grundstücke, die ausserhalb einer Bauzone liegen und für welche die landwirtschaftliche Nutzung zulässig ist (örtlicher Geltungsbereich). Als landwirtschaftlich gilt ein Grundstück, das für die landwirtschaftliche oder gartenbauliche Nutzung geeignet ist (sachlicher Geltungsbereich; Art. 6 Abs. 1 BGBB; so auch die Definition der Landwirtschaftszone in Art. 16 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung [RPG; SR 700]). Das Gesetz gilt gemäss Art. 2 Abs. 2 lit. c und d BGBB ferner für Grundstücke, die teilweise in der Bauzone liegen sowie für solche mit gemischter Nutzung, solange sie nicht in einen landwirtschaftlichen und einen nichtlandwirtschaftlichen Teil aufgeteilt sind. Die Parteien sind sich einig, dass die mit dem Baurechtsgrundstück belastete Stammparzelle Nr. y teilweise in der Landwirtschaftszone liegt und für die landwirtschaftliche Nutzung geeignet ist. Das Obergericht hat daraus geschlossen, dass das Stammgrundstück gestützt auf Art. 2 Abs. 2 lit. d BGBB insgesamt dem BGBB unterstellt ist. Dies bestreitet der Beschwerdeführer nicht.
3. Der Grundbuchverwalter von B. hat ausgeführt, für das Abbaurecht gälten die gleichen gesetzlichen Bestimmungen wie für das Stammgrundstück und hat daraus geschlossen, dass auch das Abbaurecht dem BGBB unterstellt sei. Deshalb sei auch für das Grundstück Nr. x die Belastungsgrenze des BGBB zu beachten. Da keine Katasterschatzung vorliege, sei eine Belastung mit Pfandrechten nicht möglich. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, dass nicht das Stammgrundstück und dessen Belastbarkeit zur Beurteilung stehe, sondern ausschliesslich das Baurechtsgrundstück Nr. x. Dieses Abbaurecht lasse ausschliesslich eine gewerbliche Nutzung zu, so dass es für die landwirtschaftliche Nutzung nicht geeignet sei und daher dem BGBB nicht unterliege. Entsprechend sei auch das Schätzen eines landwirtschaftlichen Ertragswerts nicht möglich und nicht nötig.
a) Das BGBB knüpft in Art. 2 an den Grundstücksbegriff von Art. 655 ZGB an (vgl. auch Botschaft zum BGBB vom 19. Oktober 1988, BBl 1988 III 953 ff., insb. S. 980). Er umfasst daher in erster Linie Liegenschaften, mithin Teile der Bodenfläche, dann aber auch Miteigentumsanteile und selbstständige, dauernde Rechte (Art. 655 Abs. 2 ZGB; CHRISTOPH BANDLI, in: Das bäuerliche Bodenrecht, Kommentar zum BGBB, Brugg 1995, N. 4 zu Art. 2 BGBB; ders., Das BGBB - die Regelung des Geltungsbereichs, in: BlAR 26/1992 S. 66; EDUARD HOFER, Kommentar zum BGBB, N. 1 und 2 zu Art. 6 BGBB; YVES DONZALLAZ, Commentaire de la loi fédérale sur le nouveau droit foncier rural, N. 36 zu Art. 1 BGBB, S. 27 und N. 80 zu Art. 6 BGBB, S. 43).
Dies bedeutet, dass im vorliegenden Fall nicht zu prüfen ist, ob die Stammparzelle dem BGBB unterliegt, sondern ob das selbstständige und dauernde Baurecht als eigenständiges Grundstück in den Geltungsbereich des Gesetzes fällt. Während das BGBB in Art. 3 Abs. 1 für Miteigentumsanteile eine besondere Bestimmung aufweist, welche besagt, dass Anteile an landwirtschaftlichen Grundstücken dem Gesetz in gleicher Weise unterstellt sind, wie die Grundstücke selber, schweigt sich das Gesetz zu den selbstständigen, dauernden Rechten aus. Es ist deshalb in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob das Recht dem Gesetz unterstellt ist.
b) Das Abbaurecht belastet die gesamte Fläche der Stammparzelle. Diese liegt wie ausgeführt teils in der Landwirtschaftszone. Das Abbaurecht liegt deshalb wie die Stammparzelle im örtlichen Geltungsbereich des Gesetzes. Gemäss Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 BGBB muss das Abbaurecht aber zusätzlich als landwirtschaftliches Grundstück bezeichnet werden können, was bedeutet, dass das Abbaurecht für die landwirtschaftliche Nutzung oder den Gartenbau tatsächlich geeignet sein muss (YVES DONZALLAZ, a.a.O., N. 51 zu Art. 2 BGBB; EDUARD HOFER, a.a.O., N. 9 zu Art. 6 BGBB; CHRISTOPH BANDLI, Kommentar, Vorbemerkungen zu Art. 2-5 BGBB, N. 4). Diese Voraussetzung ist beim Abbaurecht in doppelter Weise nicht erfüllt. Einerseits betrifft das Abbaurecht von seinem Gegenstand her vorab Kies und Sand, also Materialien, die für die Landwirtschaft unproduktiv sind (EDUARD HOFER, a.a.O., N. 11 zu Art. 6 BGBB). Andererseits handelt es sich beim Abbau von Kies und Sand um eine nichtlandwirtschaftliche gewerbliche Tätigkeit, die mit der Landwirtschaft nur am Rande etwas zu tun hat, indem die landwirtschaftliche Nutzung während der Dauer des Abbaus verhindert wird. Dieser Umstand macht den Abbau aber nicht zu einer landwirtschaftlichen Tätigkeit. Das Grundstück Nr. x untersteht deshalb dem BGBB nicht.
c) Die Vorinstanz vertritt unter Hinweis auf den Kommentar von EDUARD HOFER (a.a.O., N. 15 zu Art. 6 BGBB) die Auffassung, die nichtlandwirtschaftliche Nutzung werde erst mit der Bewilligung des Abbaus von Bodenschätzen vorübergehend zugelassen. Grundsätzlich dem Gesetz unterstellte Grundstücke würden ausschliesslich während der Zeit des bewilligten Abbaus dem Anwendungsbereich des Gesetzes entzogen (vgl. dazu auch CHRISTOPH BANDLI, Das BGBB - die Regelung des Geltungsbereichs, in: BlAR 26/1992 S. 70). Dies trifft zu, sofern es sich beim fraglichen Grundstück um eine landwirtschaftliche Liegenschaft handelt, welche abbaubare Bodenschätze aufweist. Wenn aber für das Abbaurecht ein selbstständiges und dauerndes Recht bestellt und als Grundstück im Grundbuch eingetragen ist, dann eignet sich dieses Grundstück von allem Anfang an nicht für die Landwirtschaft und ist dem Gesetz nicht unterstellt, so dass es weder der Bewilligungspflicht noch dem Zerstückelungsverbot oder der Belastungsgrenze unterliegt. Denn die landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks (Nr. y) wird trotz des Baurechts (Nr. x) gewährleistet und die Belastung des Baurechts mit Grundpfandrechten lässt die landwirtschaftliche Nutzung unberührt. Weil das Baurecht - und nicht die Stammparzelle - grundpfandbelastet werden soll, kann gegebenenfalls auch nur dieses verwertet werden.
d) Das Abbaurecht weist im Übrigen auch keinen landwirtschaftlichen Ertragswert auf. Dieser Wert lässt sich aus der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung verzinsen (EDUARD HOFER, a.a.O., Vorbemerkungen zu Art. 6-10 BGBB, N. 2). Demgegenüber lässt sich der Ertragswert des Abbaurechts aus den Erträgen aus dem Sand- oder Kiesabbau errechnen. Wenn in der Lehre daher die Meinung vertreten wird, bei Grundstücken, die mit einem selbstständigen und dauernden Recht belastet sind, müsse die Belastungsgrenze auf die Liegenschaft und das Recht aufgeteilt werden (CLAUDE CONVERS, La charge maximale dans le nouveau droit foncier rural, in: Le nouveau droit foncier rural, Journée juridique à l'intention des notaires, Fribourg 1993, S. 4; YVES DONZALLAZ, a.a.O., N. 664 zu Art. 73 und 74 BGBB, S. 187), trifft dies in allgemeiner Weise nicht zu. Vielmehr gilt für die landwirtschaftliche Liegenschaft die Belastungsgrenze gemäss Art. 73 BGBB, d.h. die Grenze entspricht dem um 35 Prozent erhöhten landwirtschaftlichen Ertragswert, wobei allenfalls der vorübergehenden Beeinträchtigung des Ertrags durch den Kiesabbau Rechnung getragen werden kann. Demgegenüber besteht für das nichtlandwirtschaftliche Abbaurecht - wie ausgeführt - keine Belastungsgrenze.