BVerwGE 84, 236 - Vorbeugender Immissionsschutz
Die Gemeinde darf vorbeugenden Immissionsschutz außer durch Bauleitplanung (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 1989 - BVerwG 4 C 52.87 -, DÖV 1989, 772 = UPR 1989, 352) auch mit dem Mittel der standortbezogenen gewerblichen Investitionsförderung (kommunale Wirtschaftsförderung) verfolgen.
Die Gemeinde darf sich in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Förderung einer Betriebserweiterung als Gegenleistung einen Einvernehmensvorbehalt für Baumaßnahmen zu dem Zweck einräumen lassen, eine Erhöhung der schon bestehenden Immissionen für die (Wohn-) Nachbarschaft zu vermeiden. Dies setzt nicht eine schon bestehende, so erhebliche Belästigung der Nachbarschaft voraus, daß gemäß § 5 oder § 22 BImSchG eine Genehmigung für die Errichtung und/oder den Betrieb von Anlagen, die die Immissionen erhöhen können, in jedem Falle zu versagen wäre.
Ist in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag als Gegenleistung vereinbart, daß sich die Behörde das Einvernehmen für Baumaßnahmen des Vertragspartners vorbehält, so entspricht dies dem Bestimmtheitserfordernis des § 56 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nur, wenn auch vereinbart ist, unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Zweck das Einvernehmen versagt werden darf.
§ 315 BGB über die Bestimmung der Leistung durch einen Vertragsschließenden ist auf den öffentlich-rechtlichen Vertrag jedenfalls insoweit gemäß § 62 Satz 2 VwVfG entsprechend anwendbar, als sich die Behörde vorbehalten darf, die vereinbarte Gegenleistung im Einzelfall zugunsten des Vertragspartners zu ermäßigen.
Dem Schriftformerfordernis für den öffentlich-rechtlichen Vertrag ist auch in bezug auf die an die Behörde zu erbringende Gegenleistung erfüllt, wenn sich im Text der Vertragsurkunde ein Anhaltspunkt findet, aufgrund dessen im Zusammenhang mit den Umständen des Vertragsabschlusses die Gegenleistung und ihr Zweck durch Auslegung ermittelt werden können.
VwVfG §§ 54, 56 Abs. 1, 57, 62; BGB § 315; Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG; BImSchG §§ l, 4, 5, 22, 50; BauGB §§ 1 Abs. 5 Satz 1, Satz 2 Nrn. 1, 7, 8, 124 Abs. 2
 
Urteil
des 7. Senats vom 15. Dezember 1989
- BVerwG 7 C 6.88 -
I. Verwaltungsgericht Arnsberg
II. Oberverwaltungsgericht Münster
Die Beteiligten streiten über Rechte und Pflichten aus einem Vertrag, in dem sich der Kläger gegenüber der beklagten Stadt verpflichtete, als Gegenleistung für die von der Stadt zu übernehmenden Wirtschaftsförderungshilfen "unbeschadet der planungs- und bauordnungsrechtlichen Vorschriften das Einvernehmen der Stadt für Neubauten, Veränderungen oder Erweiterungen von Betriebsgebäuden einzuholen". Er verpflichtete sich weiter, die von der Beklagten aufgebrachten Zuwendungen zurückzuzahlen, u.a. wenn grundlegende Erweiterungen oder Neubauten ohne das Einverständnis der Beklagten durchgeführt werden. Als der Kläger später die Planung für den Neubau einer Lagerhalle vorlegte, forderte die Beklagte neben einer bestimmten Gestaltung und Begrünung auch, daß keine Überschreitung der jetzigen Immissionswerte eintreten dürfe. Dem widersprach der Kläger mit der Begründung, der Vertrag erlaube der Beklagten nur eine Einflußnahme in optisch-gestalterischer Hinsicht. Als darüber, auch aus Anlaß weiterer Bauvorhaben des Klägers auf dem hinzuerworbenen Grundstück, keine Einigung erreicht wurde, erhob der Kläger Klage mit dem im Berufungsverfahren zuletzt gestellten Antrag, festzustellen, daß die Beklagte aufgrund des Vertrages nicht befugt sei, bei Baumaßnahmen in anderen Fragen als solchen der Form- und Farbgebung mitzusprechen, insbesondere über die gesetzlichen Vorschriften hinaus planungs- oder immissionsschutzrechtliche Anforderungen zu stellen.
Die Klage war in allen Instanzen erfolglos.
 
Aus den Gründen:
Der zwischen den Beteiligten geschlossene Vertrag ist auf die Förderung der Betriebserweiterung des Klägers zwecks dauerhafter Sicherung der vorhandenen Arbeitsplätze, wie es in Nr. 1 des Vertrages heißt, gerichtet. Die Beklagte wollte darüber hinaus mit dem Einvernehmenserfordernis für die durch die Förderung ermöglichten Betriebserweiterungsmaßnahmen auf dem hinzuerworbenen Grundstück auch sicherstellen, daß - unbeschadet der im Rahmen von hoheitlichen Genehmigungsverfahren durchsetzbaren zwingenden gesetzlichen Anforderungen - Rücksicht auf die Umgebung genommen wird. Beide Anliegen, die Förderung gewerblicher Investitionen mit öffentlichen Mitteln wie auch die Vermeidung von Beeinträchtigungen der Umgebung in gestalterischer Hinsicht und in bezug auf Immissionen, beziehen sich auf öffentlich-rechtlich geregelte Gegenstände; die sie betreffenden vertraglichen Gestaltungen begründen somit ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts (§ 54 VwVfG). Das hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt und wird auch von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen.
Bedenken bestehen entgegen der Ansicht des Klägers nicht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe sich in dem Vertrag eine Mitsprache bei Baumaßnahmen des Klägers auch zwecks Durchsetzung immissionsschutzrechtlicher Anforderungen einräumen lassen dürfen, und zwar auch von Anforderungen, die über das hinausgehen, was das Gesetz, insbesondere das Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG -, gebietet. § 54 VwVfG läßt die vertragliche Begründung von Rechtsverhältnissen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zwar nur zu, "soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen". Es gibt jedoch keine Rechtsvorschriften, die es der Gemeinde verbieten, die Förderung einer gewerblichen Investition davon abhängig zu machen, daß der Investor sich verpflichtet, die Immissionssituation zu Lasten benachbarter Wohnnutzung nicht zu verschlechtern, auch wenn eine solche Verschlechterung keine erhebliche Belastung im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG ist und daher kein Grund wäre, eine bauaufsichtliche oder immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu versagen. Die Gemeinde verstößt, wenn sie sich von dem geförderten Investor vertraglich derartige "Zugeständnisse" machen läßt, weder gegen die gesetzliche Zuständigkeitsordnung noch gegen das Bundes-Immissionsschutzgesetz. Sie verstößt schließlich auch nicht gegen die sich aus § 56 VwVfG für den sogenannten Austauschvertrag ergebenden Bindungen, daß nämlich die für die öffentliche Förderung zu erbringende Gegenleistung der Erfüllung gemeindlicher Aufgaben dienen, in sachlichem Zusammenhang mit der Förderung stehen und den gesamten Umständen nach angemessen sein muß.
Der Kläger meint, es liege außerhalb der Zuständigkeit der Gemeinde, immissionsschutzrechtliche Anforderungen bei Errichtung und Betrieb von Anlagen durchzusetzen; dafür sei vielmehr bei den gemäß § 4 BImSchG genehmigungsbedürftigen Anlagen das Gewerbeaufsichtsamt, bei sonstigen (baulichen) Anlagen die Bauaufsichtsbehörde zuständig. Das trifft so nicht zu.
Richtig ist, daß für die Genehmigung baulicher Anlagen oder von Anlagen im Sinne von § 3 Abs. 5 und § 4 BImSchG sowie für die Überwachung der Einhaltung baurechtlicher und immissionsschutzrechtlicher Anforderungen die Bauaufsichtsbehörde oder die Immissionsschutzbehörde zuständig ist. Die Gemeinde darf außerhalb ihrer etwaigen gesetzlichen Zuständigkeit als Bauaufsichts- oder Immissionsschutzbehörde keine den zuständigen Behörden obliegenden Anordnungen treffen. Das hat sie hier auch nicht getan. Sie hat vielmehr Ziele des Immissionsschutzes mit anderen Mitteln, nämlich denen der standortbezogenen gewerblichen Investitionsförderung, verfolgt. Das liegt nicht außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs.
Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Daß dazu auch die Befugnis gehört, die Ansiedlung und Erweiterung gewerblicher Betriebe zur Verbesserung der örtlichen Wirtschaftsstruktur und zur Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen zu fördern, ist allgemein anerkannt. Diese Befugnis steht in engem Zusammenhang mit den städtebaulichen Aufgaben der Gemeinde, die insbesondere durch die Aufstellung von Bauleitplänen wahrzunehmen sind; dabei sind neben anderen insbesondere auch zu berücksichtigen die Belange der Wirtschaft sowie der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, aber auch die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse sowie die Belange des Umweltschutzes (§ 1 Abs. 5 Satz 2 Nrn. 1, 7 und 8 BauGB). Allgemein gibt das Baugesetzbuch den Gemeinden für die Bauleitplanung als Ziel auch vor, dazu beizutragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern (§ 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB). Bei Verfolgung dieses Ziels ist die Gemeinde keineswegs darauf beschränkt, in Bebauungsplänen nur Festsetzungen zu treffen, die einem Betreiber einer emittierenden Anlage zugestehen, bis an die Grenze des nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz sonst allgemein Zulässigen zu gehen; vielmehr darf die Gemeinde auch vorbeugenden Immissionsschutz mit strengeren als den vom Bundes-Immissionsschutzgesetz gesetzten Maßstäben anstreben (BVerwG, Urteil vom 14. April 1989 - BVerwG 4 C 52.87 -, DÖV 1989, 772 = UPR 1989, 352, mit weiteren Nachweisen).
Dem Baugesetzbuch oder dem Bundes-Immissionsschutzgesetz läßt sich nichts dafür entnehmen, daß die Gemeinde ein solches Ziel etwa nur mit dem Mittel der Bauleitplanung verfolgen dürfe und nicht auch mit anderen ihr zu Gebote stehenden Mitteln, insbesondere solchen schlicht hoheitlicher Art, nämlich - wie hier - des Vertragsabschlusses aus Anlaß einer Investitionsförderung. So ist anerkannt, daß eine Gemeinde städtebauliche Zwecke sowie Ziele der Bauleitplanung sogar mit den Mitteln des Privatrechts wahrnehmen darf, wenn sie ihr zur Befriedigung eines rechtmäßigen öffentlichen Interesses am besten geeignet erscheinen und keine öffentlichrechtlichen Normen und Rechtsgrundsätze entgegenstehen (BGH, Urteil vom 7. Februar 1985 - BGHZ 93, 372 ff. [376], mit weiteren Nachweisen). Das Bundesverwaltungsgericht (Beschluß vom 27. September 1983 -BVerwG 4 B 122.83 -, Buchholz 406.11 § 29 BBauG Nr. 32, S. 7 ff. [9]) hat ausgesprochen, daß insbesondere das Bebauungsrecht die Gemeinde nicht hindert, in Verfolgung von eigenverantwortlich selbst gesetzten öffentlichen Aufgaben, z.B. der Förderung der Ansiedlung von Vorhaben in bestimmten Bereichen der Stadt, dort eine Nutzungsstruktur anzustreben, die mit den Mitteln des Bebauungsrechts allein nicht durchzusetzen wäre, und dabei auch in ihrem Ermessen stehende Instrumente (dort die Ablösung der Stellplatzpflicht) so einzusetzen, daß eine solche Entwicklung gefördert, jedenfalls nicht gefährdet oder gestört wird. In das Baugesetzbuch ist mit § 124 Abs. 2 ein "Hinweis auf die Zulässigkeit städtebaulicher Verträge" aufgenommen worden, um eine "Stärkung des kooperativen Handelns im Städtebaurecht zu erreichen und dadurch deutlich zu machen, daß im Baurecht nicht nur einseitig-hoheitliches Verwaltungshandeln die Regel sein sollte" (Deutscher Bundestag, Drucksache 10/6166, S. 149).
Das Bundes-Immissionsschutzgesetz, insbesondere mit den §§ 1, 5 und 22, steht der Verfolgung eines höheren als des gesetzlichen Immissionschutzes im Rahmen einer gemeindlichen Förderung gewerblicher Investitionen deshalb nicht entgegen, weil es nur einen Mindeststandard gesichert wissen will. Es verbietet eine Unterschreitung dieses Mindeststandards zum Schlechteren, aber nicht dessen Überschreitung zum Besseren hin. Das verkennt der Kläger, wenn er meint, das Gesetz verbiete es, ihm zugunsten der Wohnnachbarschaft immissionsschutzrechtliche Vorkehrungen abzuverlangen, die die Wohnnachbarschaft aufgrund des Gesetzes nicht beanspruchen könne. Solche Vorkehrungen können ihm nicht einseitig hoheitlich auferlegt werden. Er konnte sich ihnen aber ohne Gesetzesverstoß im Gegenzug für eine ihm gewährte Förderung, auf die er keinen gesetzlichen Anspruch hatte, freiwillig unterwerfen.
Eine solche Gegenleistung für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Förderung ist auch den gesamten Umständen nach angemessen, und sie steht in sachlichem Zusammenhang mit der in Anspruch genommenen Förderung. Die öffentliche Förderung, auf die der Kläger keinen Anspruch hatte, diente nämlich einem Vorhaben, das an seinem Standort, wenn auch nicht notwendigerweise rechtlich, so aber doch städtebaulich im Hinblick auf die benachbarte Wohnbebauung, nicht unbedenklich erscheinen mußte (vgl. auch § 50 BImSchG). Eine Betriebserweiterung ohne besondere bauliche Vorkehrungen zum Immissionsschutz hätte die Spannungen aus der Gemengelage von Gewerbebetrieben und Wohnbebauung in enger Nachbarschaft zueinander, die übrigens für das Oberverwaltungsgericht in einem anderen vom Unternehmen des Klägers betriebenen Verfahren Anlaß war, den die Wohnbebauung ausweisenden Bebauungsplan wegen eines Abwägungsfehlers für nichtig zu halten (OVG NW, Urteil vom 22. Juni 1988 - 7 A 200/85 -), noch verschärft. Daß der Beklagten eine solche Betriebserweiterung ohne Vorkehrungen gegen eine Verschlechterung der Immissionssituation nicht förderungswürdig erscheinen mußte, zumal da auch zahlreiche Beschwerden aus der Nachbarschaft des klägerischen Betriebs vorlagen, liegt auf der Hand. Es ist angemessen und sachgemäß, wenn eine Gemeinde sich in einem Vertrag über die Förderung einer gewerblichen Investition eine solche Gegenleistung, wie hier die Vermeidung weiterer Immissionsbelastungen der Nachbarschaft durch Mitsprache bei der Projektplanung, versprechen läßt; erst diese Gegenleistung führt dazu, daß die Gemeinde berechtigte Einwände zurückstellen kann, die sich aus ihrer sonstigen, durch die Investitionen berührten Aufgabenstellung aufdrängen.
Der Kläger meint, der Vertrag sei nichtig, weil in ihm nur das Einvernehmenserfordernis für bauliche Maßnahmen bestimmt sei, nicht jedoch der Zweck dieses Einvernehmenserfordernisses. Richtig ist, daß die Vertragsurkunde keine ausdrückliche Aussage darüber enthält, welche Anforderungen an bauliche Maßnahmen die Beklagte bei dem ihr durch den Einvernehmensvorbehalt eingeräumten Mitspracherecht stellen kann, insbesondere nicht, daß es immissionsschutzrechtliche Anforderungen sind. Indes hat das Berufungsgericht, ... für den erkennenden Senat bindend den Vertrag dahin ausgelegt, daß sich der Einvernehmensvorbehalt auch auf immissionsschutzrechtliche Anforderungen erstreckt. Mit dieser Auslegung hat das Berufungsgericht nicht gegen die auch für öffentlich-rechtliche Verträge geltende Regel verstoßen, daß bei der Auslegung von Willenserklärungen der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist (§§ 62 Satz 2 VwVfG, 133 BGB).
Es hat auch die Anforderungen weder an das Bestimmtheitserfordernis in § 56 Abs. 1 Satz 1 VwVfG für die Gegenleistung und deren Zweck noch an das Schriftformerfordernis in § 57 VwVfG für den öffentlich-rechtlichen Vertrag verkannt. Das Bestimmtheitserfordernis wäre allerdings nicht erfüllt, wenn im Vertrag lediglich vereinbart wäre, der Kläger werde als Gegenleistung für die ihm gewährte Förderung Neubauten und bauliche Erweiterungen auf dem hinzuerworbenen Grundstück nur im Einvernehmen mit der Beklagten vornehmen, und eine Einigung darüber fehlen würde, unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Zweck die Beklagte das Einvernehmen versagen dürfe. Die Einräumung eines solch globalen, inhaltslosen und zweckungebundenen Einvernehmensvorbehalts würde nämlich bedeuten, daß die Bestimmung der Gegenleistung und ihres Zwecks der Behörde nach Ermessen überlassen bliebe. Gerade das will § 56 Abs. 1 Satz 1 VwVfG vermeiden, wenn er vorschreibt, daß die Gegenleistung für einen bestimmten Zweck im Vertrag vereinbart werden muß; damit soll verhindert werden, daß sich der Vertragspartner der Entscheidung der Behörde über die von ihm jeweils zu erbringende Gegenleistung unterwirft. Aus dem im Vertrag selbst Vereinbarten und nicht erst aufgrund einer nachträglichen, den Vertragspartner bindenden einseitigen Entscheidung der Behörde, muß sich ergeben, welche Gegenleistung zu erbringen ist, ob diese den gesamten Umständen nach angemessen ist und ob sie in sachlichem Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde steht. Einen nur globalen, inhaltslosen und zweckfreien Einvernehmensvorbehalt haben die Beteiligten aber gerade nicht vereinbart. Das hat das Beru-fungsgericht ... aufgrund einer aus dem Wortlaut der Vertragsurkunde im Zusammenhang mit den Begleitumständen des Vertragsabschlusses gewonnenen Auslegung rechtsfehlerfrei festgestellt.
Allerdings hat das Berufungsgericht angenommen, das Einvernehmen müsse zwar stets erteilt werden, wenn von einem Bauvorhaben keine Nachteile für die Umgebung ausgehen könnten. Eine zwingende Verweigerung des Einvernehmens bei einer Verschlechterung der Emissionssituation sei in dem Vertrag aber nicht vorgesehen. Insoweit solle die Beklagte in Anwendung des § 315 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 62 VwVfG ein Bestimmungsrecht haben, das ihr die Möglichkeit zu flexiblem Handeln eröffne. Das ergebe sich aus der Ablehnung einer konkreten Festlegung auf bestimmte Immissionsschutzforderungen und aus der gleichzeitigen Verabschiedung der "weichen" Einvernehmensklausel durch den Stadtrat. Ein solches Bestimmungsrecht gemäß § 315 BGB wird durch das Bestimmtheitserfordernis des § 56 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nicht ausgeschlossen. Es betrifft nämlich weder die Gegenleistung selbst noch deren Zweck, sondern soll es der Behörde ermöglichen, zugunsten ihres Vertragspartners von der an sich zu erbringenden Gegenleistung aus Gründen der Billigkeit je nach Lage angemessene Abstriche zu machen. In diesem Rahmen entscheidet sich auch die zeitliche Dauer der Bindung des Klägers. Daß der Vertrag insoweit keine Befristung des Einvernehmenserfordernisses festlegt, wie der Kläger rügt, macht die Bindung nicht unangemessen. Sie ist vielmehr angemessen, solange die zur Rücksichtnahme zwingende Gemengelage zwischen gewerblicher und Wohnnutzung unverändert besteht. Verändert sie sich zugunsten des Klägers, so muß die Beklagte dem im Rahmen des § 315 BGB Rechnung tragen.
Bedenken dagegen, daß die Gegenleistung im Vertrag für einen bestimmten Zweck vereinbart worden ist, bestehen auch nicht insofern, als § 57 VwVfG für den öffentlich-rechtlichen Vertrag die Schriftform vorschreibt. Zwar bezeichnet die von den Vertragsparteien unterzeichnete Vertragsurkunde als Gegenleistung lediglich, daß der Kläger "unbeschadet der planungs- und bauordnungsrechtlichen Vorschriften das Einvernehmen der Stadt für Neubauten, Veränderungen oder Erweiterungen von Betriebsgebäuden einzuholen" hat. Jedoch besagt das Schriftformerfordernis nicht, daß sich die Gegenleistung nach Gegenstand, Umfang und Zweck eindeutig und zweifelsfrei allein aus dem Wortlaut der Vertragsurkunde ergeben müsse. Eine unklare oder mehrdeutige Formulierung des Vertragstextes schadet nicht, wenn die sich daraus ergebenden Zweifel im Wege der Auslegung, zu der auch außerhalb der Vertragsurkunde liegende Umstände herangezogen werden dürfen, behoben werden können. Aus dem Inhalt der Vertragsurkunde selbst muß sich ein zureichender Anhaltspunkt für die Auslegung ergeben. Gegenstand und Zweck der Gegenleistung dürfen nicht ausschließlich anhand von Umständen ermittelt werden, die außerhalb der Vertragsurkunde liegen. Insofern gelten gleiche Grundsätze wie für die Auslegung von privatrechtlichen Willenserklärungen, die der Schriftform gemäß § 126 BGB bedürfen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 2. Februar 1989 - IX ZR 99/98 -, NJW 1989, 1484). Gegen diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht verstoßen. (Wird ausgeführt).