BVerwGE 88, 204 - Flächennutzungspläne
Die Regeln über Art, Inhalt und Umfang der Ausfertigung von Bebauungsplänen gehören zum irrevisiblen Landesrecht.
Eine gesonderte Ausfertigung aller Bestandteile des Bebauungsplans ist bundesrechtlich nicht geboten, wenn die Identität des vom Normgeber gewollten und des verkündeten Inhalts des Bebauungsplans anderweitig hinreichend gewährleistet ist.
Bundesrecht regelt nicht, wann Bebauungspläne auszufertigen sind.
Art. 20 Abs. 3, 82 Abs. 1 GG; BauGB §§ 12, 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 215 Abs. 3; Verfassung des Landes Baden-Württemberg Art. 23 Abs. 1; Gemeindeordnung Baden-Württemberg § 38 Abs. 2
 
Beschluß
des 4. Senats vom 16. Mai 1991
- BVerwG 4 NB 26.90 -
I. Verwaltungsgerichtshof Mannheim
Die Antragsteller wenden sich im Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan "Unterer B.-Weg/S.-Straße". Sie halten ihn aus formellen und materiellen Gründen für rechtswidrig. In formeller Hinsicht haben sie gerügt, daß der Bebauungsplan nicht ordnungsgemäß ausgefertigt sei.
Das Normenkontrollgericht hat den Antrag als unbegründet abgewiesen. Die Nichtvorlagebeschwerde blieb erfolglos.
 
Aus den Gründen:
1. Wie sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, wenden sich die Beschwerdeführer gegen die die Entscheidung des Normenkontrollgerichts tragende Rechtsauffassung, es sei mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar, daß allein der Satzungsbeschluß eines Bebauungsplans ordnungsgemäß aus gefertigt werde. Sie machen sinngemäß geltend, das Normenkontrollgericht hätte die Rechtssache wegen dieser Frage gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 VwGO dem Bundesverwaltungsgericht vorlegen müssen. Da das Bundesverwaltungsgericht an den genauen Wortlaut der Vorlagefrage nicht gebunden ist, bestehen gegen die Zulässigkeit der Beschwerde insoweit keine Bedenken.
Wegen der Frage, ob es genüge, daß allein ein Satzungsbeschluß ausgefertigt werde, hätte das Normenkontrollgericht die Rechtssache jedoch nicht dem Bundesverwaltungsgericht vorlegen müssen. Denn sie betrifft in erster Linie irrevisibles Landesrecht; insoweit wäre die Vorlage unzulässig gewesen. Soweit die gestellte Frage Bundesrecht berührt, ist sie auf der Grundlage der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Senats ohne weite res im Sinne der Entscheidung des Normenkontrollgerichts zu beantworten.
Nach den Ausführungen des Normenkontrollgerichts genügt es, daß der Satzungsbeschluß ordnungsgemäß ausgefertigt ist und in diesem in einer Weise auf sonstige Bestandteile der Satzung Bezug genommen wird, die Zweifel an der Identität ausschließen. Dies sei dann der Fall, wenn in der Satzung auf einen bestimmten, genau bezeichneten Plan verwiesen werde und kein Zweifel bestehe, welcher Plan damit gemeint sei. Das baden-württembergische Landesrecht verlangt danach also nicht, daß der Bebauungsplan selbst oder daß gar, wenn er aus mehreren Teilen - etwa einem Satzungstext und einem Plan in zeichnerischer Darstellung - besteht, jeder Bestandteil des Bebauungsplans gesondert ausgefertigt wird; es begnügt sich vielmehr mit einer - § 38 Abs. 2 der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg entsprechenden - Ausfertigung des Satzungsbeschlusses, wenn durch eindeutige Angaben oder auch auf andere Weise jeder Zweifel an der Zugehörigkeit des Plans zur Satzung ausgeschlossen wird und damit eine Art "gedankliche Schnur" hergestellt wird (vgl. das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 8. Mai 1990 - 5 S 3064/88 - NVwZ-RR 1991, 20, auf das die Normenkontrollentscheidung Bezug nimmt). Mit dieser Auffassung legt das Normenkontrollgericht Landesrecht aus und wendet es an. Bundesrecht läßt das von ihm gefundene Ergebnis zu.
Das Rechtsstaatsprinzip hat für die staatliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Länder, der auch die Schaffung von örtlichen Rechtsnormen durch gemeindliche Satzung zuzuordnen ist, seine Ausformung im jeweiligen Landesverfassungsrecht, hier in Art. 23 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg, gefunden (vgl. Art. 28 Abs. 1 GG). Demgemäß handelt es sich auch bei der Ausfertigung von Bebauungsplänen um ein nach Landesrecht zu beurteilendes formelles Gültigkeitserfordernis (BVerwG, Beschluß vom 24. Mai 1989 - BVerwG 4 NB 10.89 - NVwZ 1990, 258 = BRS 49 Nr. 25). Zwar sind Bebauungspläne ein Rechtsinstitut des Bundes rechts; ihre Ausfertigung ist rechtsstaatlich geboten; die Regeln über Art, Inhalt und Umfang ihrer Ausfertigung richten sich aber nach irrevisiblem Landesrecht (BVerwGE 79, 200 [203]). Der Senat bemerkt hierzu ergänzend:
Das Bundesrecht enthält im Baugesetzbuch (Bundesbaugesetz) keine in sich abgeschlossene und vollständige Regelung der formellen Voraussetzungen für gültige Bebauungspläne. Bundesrechtlich geregelt sind zwar einzelne Schritte im Verfahren der Bauleitplanung wie die Bürgerbeteiligung, die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange, die Beschlußfassung über den Bebauungsplan und die Bekanntmachung. Für einzelne dieser Verfahrensschritte enthält das Bundesrecht ferner weitere Anforderungen; zu ihnen gehören auch die Vorschriften über das Inkrafttreten des Bebauungsplans nach § 12 BBauG/BauGB. Im übrigen aber, soweit das Bundesrecht keine Regelung trifft, bestimmt sich das bei der Aufstellung von Bauleitplänen einzuhaltende Verfahren notwendigerweise nach Landesrecht (vgl. Art. 72 Abs. 1 GG). Die bundesrechtliche Regelung der Bauleitplanung - sei es ausdrücklich, sei es sinngemäß - setzt dem Landesrecht insoweit nur einen Rahmen, der nicht überschritten werden darf. Diese im Grundsätzlichen allgemein anerkannte Rechtslage hat sich durch das Inkrafttreten des Baugesetzbuchs nicht verändert. Im Gegenteil ist es eines der Ziele dieses Gesetzes, die bundesrechtlichen Verfahrensvorschriften unter Wahrung rechtsstaatlicher Mindestanforderungen auf das unbedingt Notwendige zu beschränken (BVerwGE 79, 200 [203 f.]).
Für die Ausfertigung von Bebauungsplänen finden sich im Baugesetz buch (Bundesbaugesetz) keine ausdrücklichen Regelungen. Besondere Anforderungen für sie ergeben sich auch nicht mittelbar aus § 12 BauGB (BBauG). Nach dieser Vorschrift sind Bebauungspläne im Wege der Ersatzverkündung bekanntzumachen. Erforderlich ist danach nur, daß die Erteilung der Genehmigung des Bebauungsplans (bzw. die Durchführung des Anzeigeverfahrens nach § 11 Abs. 3 BauGB) ortsüblich bekanntgemacht wird. Zusätzlich muß der Bebauungsplan zu jedermanns Einsicht bereitgehalten werden (§ 12 Satz 2 BauGB = § 12 Satz 1, 2. Halbs. BBauG); in der Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Bebauungsplan eingesehen werden kann (§ 12 Satz 3 BauGB = § 12 Satz 2 BBauG). Bereitzuhalten ist somit der gesamte Bebauungsplan mit allen seinen Bestandteilen, also gegebenen falls sowohl der Textteil als auch die zeichnerische Darstellung. Insoweit stellt die Ersatzverkündung nach § 12 BauGB eine Geltungsbedingung für den Bebauungsplan dar (BVerwGE 69, 344 [349]). Denn das Rechtsstaatsprinzip gebietet, daß förmlich gesetzte Rechtsnormen, zu denen der Bebauungsplan als Gemeindesatzung nach § 10 BauGB gehört, verkündet werden (BVerfGE 65, 283 [291]).
Weitergehende Anforderungen an die Bekanntmachung von Bebauungsplänen enthält § 12 BauGB dagegen nicht. Der Vorschrift kann nicht entnommen werden, daß nur eine zum Zweck der Verkündung, also zum "Bereithalten" im Sinne von § 12 Satz 2 BauGB, hergestellte Originalurkunde den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Erst recht enthält § 12 BauGB keine Aussage darüber, ob - und gegebenenfalls in welcher Weise - der Bebauungsplan förmlich ausgefertigt sein muß. Entscheidend ist allein, daß mit Hilfe des von der Gemeinde zu jedermanns Einsicht bereitgehaltenen Bebauungsplans der mit der Bekanntmachung verfolgte Hinweiszweck erreicht wird (vgl. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB). Für die Bekanntmachung der Genehmigung bedeutet dies, daß sie sich auf einen bestimmten Bebauungsplan beziehen muß; nach der Rechtsprechung des Senats ist ferner zu fordern, daß sie mittels einer schlagwortartigen Kennzeichnung einen Hinweis auf den räumlichen Geltungsbereich des Plans gibt und daß dieser Hinweis den Plan identifiziert (BVerwGE 69, 344 [350]). Für den bereitgehaltenen Bebauungsplan ist umgekehrt zu verlangen, daß er durch die Bekanntmachung der Genehmigung identifiziert werden kann. Ist dies der Fall, so ist der Verkündungszweck erfüllt, wenn sich die Betroffenen durch Einsicht in ihn verläßlich Kenntnis von seinem Inhalt verschaffen können (vgl. BVerfG, a.a.O.). Auf das Vorhandensein formaler Vermerke auf der Satzung - so wünschenswert sie auch aus Gründen der Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und gegebenenfalls der Beweislage sein mögen - kommt es hierfür nicht an.
Andere Vorschriften des einfachen Bundesrechts, die die Ausfertigung von Bebauungsplänen oder allgemeiner von kommunalen Satzungen regeln könnten, gibt es nicht. Wenn aber eine ausdrückliche bundesrechtliche Regelung eines landesrechtlichen Normsetzungsverfahrens fehlt, ist es zunächst Aufgabe des jeweiligen Landesverfassungsrechts und der einfachen Landesgesetzgebung, die allgemeinen Vorstellungen über den Inhalt des Rechtsstaatsgebots zu konkretisieren. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich Bundesrecht - wie hier - erkennbar einer Regelung enthalten will. Insoweit bleibt es dann grundsätzlich dem Gericht des Landes vorbehalten, den Inhalt des Landesrechts verbindlich festzustellen. Das Bundesverwaltungsgericht kann nur prüfen, ob das Landesgericht die für die Entscheidung maßgeblichen bundesrechtlichen Maßstäbe zutreffend erkannt und zugrunde gelegt hat (vgl. BVerwGE 78, 347 [351]). Nur in diesem Rahmen könnte hier gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG, wonach (auch) die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des Rechtsstaats im Sinne des Grundgesetzes entsprechen muß, zu prüfen sein, ob die Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar ist.
Eine konkrete Rechtsfrage hierzu wird jedoch von der Beschwerde nicht formuliert. Sie geht davon aus, daß der staatsrechtliche Ausfertigungsbegriff des Art. 82 Abs. 1 GG allgemeingültig sei und über das bundesrechtliche Rechtsstaatsprinzip unmittelbar auf das landesrechtliche Normsetzungsverfahren übertragen werden müsse. Dem ist nicht zu folgen. Das Rechtsstaatsprinzip enthält keine in allen Einzelheiten bestimmten Gebote und Verbote. Es bedarf vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten durch die verfassungsrechtlich zuständigen Organe; dabei müssen allerdings fundamentale Elemente des Rechtsstaats und die Rechtsstaatlichkeit im ganzen gewahrt bleiben (BVerfGE 65, 283 [290]). Das ist hier der Fall. Zur Rechtsstaatlichkeit gehört, daß Rechtsnormen nicht mit einem anderen als dem vom Normgeber gewollten Inhalt erlassen werden dürfen. Sie verlangt, wie der Oberbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, Identität der anzuwendenden Norm und ihres Inhalts mit dem vom Normgeber Beschlossenen. Das Normenkontrollgericht hat dem Landesrecht ent nommen, die Wirksamkeit eines Bebauungsplans sei davon abhängig, daß der seine Grundlage bildende Willensentschluß der Gemeinde, der Satzungsbeschluß, schriftlich fixiert und vom zuständigen Bürgermeister unter schrieben ist. Das baden-württembergische Landesrecht gewährleistet damit in der Auslegung, die ihm das Normenkontrollgericht gibt, durch eine Regelung der Ausfertigung, daß eine Übereinstimmung des Inhaltes des als Satzung beschlossenen Bebauungsplans mit dem Willen des gemeindlichen Beschlußorgans durch ein zuständiges Gemeindeorgan geprüft und bestätigt wird. Weiteres gibt das Bundesrecht, insbesondere das Bundesverfassungsrecht, nicht vor. Auch wenn - zugunsten der Beschwerde unterstellend - das Gemeindeorgan die Identität oder die Authentizität zu bestätigen hat, wäre dies auch dann erfüllt, wenn nicht jeder Bestandteil, der für das Inkrafttreten des Bebauungsplans erforderlich ist, gesondert ausgefertigt wird, solange sein Inhalt zweifelsfrei feststellbar ist. Für die von der Beschwerde erörterte Bestätigung der Legalität liegt es insoweit nicht anders. Der beschließende Senat hat bereits ausgesprochen, daß das Rechtsstaatsgebot die Gemeinde nicht verpflichtet, bei der Veröffentlichung eines Bebauungsplans dessen Werdegang im einzelnen darzustellen (BVerwGE 75, 262 [264] und BVerwGE 75, 271 [272]). Die bundesrechtlich erhebliche Bedeutung einer derartigen Feststellung - wird sie in Erfüllung landesrechtlicher Regelungen vorgenommen - ist zudem gering. Die förmliche Bestätigung der Legalität des Verfahrens ist allenfalls geeignet, eine - widerlegbare - Vermutung zu begründen, daß die dokumentierten Verfahrensabschnitte zutreffend vollzogen wurden (vgl. § 418 ZPO). Eine zu Unrecht vorgenommene Beurkundung der Legalität führt nicht zur Heilung von Verfahrens fehlern. Der Mangel einer (nur) der Legalitätsfunktion nicht genügenden Ausfertigung hat aus diesem Grunde kein derartiges Gewicht, daß er den Regelungsgehalt des bundesverfassungsrechtlichen Rechtsstaatsgebots berühren könnte.
2. Auch mit ihrer zweiten Frage, ob bei einer genehmigungspflichtigen Satzung die Ausfertigung nach Abschluß des Satzungsverfahrens unmittel bar vor der Verkündung, also nach der Genehmigung, vorgenommen werden müsse, rügt die Beschwerde zu Unrecht eine Verletzung der Vorlagepflicht nach § 47 Abs. 5 VwGO. Diese Frage betrifft nämlich ausschließlich die Art und Weise der zum baden-württembergischen Landesverfahrens recht gehörenden Ausfertigung kommunaler Satzungen.