BGHSt 41, 187 (187): Gesetzliche Voraussetzung der Unterschlagung (§ 246 StGB) ist, daß der Täter eine Sache "sich" zueignet. Ein Funktionär der DDR, der veranlaßte, daß Gelder aus Postsendungen entnommen und an die Staatskasse abgeführt wurden, erfüllte dieses Merkmal nicht.
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StGB § 246
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Großer Senat für Strafsachen
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Beschluß
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vom 25. Juli 1995 g.S.
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- GSSt 1/95 -
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Landgericht Berlin
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Gründe:
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I.
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Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf einer Unterschlagung freigesprochen.
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BGHSt 41, 187 (188):
1. Nach den Feststellungen war der Angeklagte, der zuletzt den militärischen Rang eines Generalmajors bekleidete, von Oktober 1965 bis Dezember 1989 Leiter der Abteilung M des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR. Er unterstand in der Hierarchie des Ministeriums dem Minister für Staatssicherheit, dessen Stellvertreter und einem Hauptabteilungsleiter.
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In seiner Funktion als Leiter der Abteilung M war der Angeklagte für die gesamte, in der DDR flächendeckend und systematisch praktizierte Postkontrolle verantwortlich. Sie wurde in Ostberlin durch die dem Angeklagten unterstellte Abteilung, im übrigen durch die Abteilungen M der 14 Bezirksverwaltungen des MfS durchgeführt. Die Deutsche Post leitete den Abteilungen M zu diesem Zwecke sämtliche ihr zur Beförderung anvertrauten Brief- und Kleingutsendungen zu.
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Im Tatzeitraum (Januar 1984 bis 8. November 1989) wurde das Einbehalten von Zahlungsmitteln und Wertgegenständen, die bei der Postkontrolle vorgefunden wurden, zu einem Schwerpunkt dieser Tätigkeit. Zugrunde lagen ein Befehl des Ministers für Staatssicherheit sowie ein Schreiben des Hauptabteilungsleiters II des MfS, des unmittelbaren Dienstvorgesetzten des Angeklagten, betreffend "Postsendungen, bei denen im Prozeß der Auswertung die ungesetzliche Aus- oder Einfuhr von Zahlungsmitteln, Edelmetallen, Schmuck, Postwertzeichen u.a. Wareninhalt festgestellt werden". Die Durchführungsanweisungen hatte der Angeklagte getroffen. In den von ihm verfaßten "Festlegungen", die für die Mitarbeiter in den Abteilungen M der Bezirksverwaltungen verbindlich waren, wurden die bürokratischen Abläufe in den Einzelheiten geregelt und für jede Bearbeitungsphase "ein exakter Nachweis zur Übergabe, Übernahme und über den Verbleib der Sendungen bzw. des Inhaltes" vorgeschrieben.
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Entsprechend diesen Anweisungen wurden die einbehaltenen Zahlungsmittel in monatlichen Abständen der Abteilung Finanzen des MfS in Berlin zugeführt. Von dort wurden die Zahlungsmittel bei der Staatsbank der DDR eingezahlt und dadurch dem Staatshaushalt zur Verfügung gestellt. In den Jahren 1984 bis 1989 wurden auf diese Weise durch die Abteilungen M BGHSt 41, 187 (189):
der Zentrale und der 14 Bezirksverwaltungen des MfS insgesamt Zahlungsmittel im Wert von über 32 Millionen DM vereinnahmt.
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2. Das Landgericht ist der Auffassung, bei diesem Sachverhalt habe der Angeklagte sich nicht der Unterschlagung schuldig gemacht. Mit ihrer Revision gegen das Urteil rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts.
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a) Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hält die Revision für begründet. Er ist der Meinung, daß sich der Angeklagte wegen Unterschlagung (§ 246 StGB) strafbar gemacht habe und auch (mittelbarer) Täter oder Teilnehmer eines Verwahrungsbruchs (§ 133 StGB) sein könne. Der Angeklagte habe Gewahrsam an sämtlichen Sachen erlangt, die im Rahmen der Postkontrolle vereinnahmt worden seien, auch an denen, die in den Abteilungen M der Bezirksverwaltungen aus Postsendungen entnommen worden seien. Die einbehaltenen Zahlungsmittel und sonstigen Sachen habe er, obwohl sie direkt oder mittelbar dem Staatshaushalt zugeführt worden seien, im Sinne des § 246 StGB sich zugeeignet. Der Tatbestand des § 133 StGB könne bereits dadurch erfüllt sein, daß die zunächst in dienstlicher Verwahrung der Deutschen Post zum Zwecke der Beförderung befindlichen Sendungen dem MfS seinen Weisungen entsprechend übergeben worden seien.
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b) An der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sieht sich der 5. Strafsenat durch das Urteil des 4. Strafsenats vom 9. Dezember 1993 - 4 StR 416/93 (BGHSt 40, 8) - gehindert.
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In dieser Entscheidung, die als Maßnahmen der "Postkontrolle" ausschließlich die Entnahme von Zahlungsmitteln aus Briefen betrifft, hat der 4. Strafsenat die Auffassung vertreten, daß die Angeklagten jenes Verfahrens, Offiziere des Ministeriums für Staatssicherheit in der Leitungsebene der Bezirksverwaltung Magdeburg, sich nicht wegen Unterschlagung oder Beihilfe zur Unterschlagung strafbar gemacht hätten: Weder die Angeklagten noch die Mitglieder der politischen Führung der DDR oder der Führungsebene des MfS (als allein in Betracht kommende Haupttäter) hätten die einbehaltenen und dem Staatshaushalt der DDR zugeführten Zahlungsmittel im Sinne des § 246 StGB sich zugeeignet; letztere hätten im übrigen auch BGHSt 41, 187 (190):
zu keiner Zeit Besitz oder Gewahrsam an den Zahlungsmitteln gehabt. Eine Strafbarkeit wegen Verwahrungsbruchs scheide aus, weil nach den getroffenen Feststellungen weder der Gewahrsam der Deutschen Post noch der des MfS gebrochen worden sei.
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c) Auf Anfrage des 5. Strafsenats (Beschl. vom 13. Oktober 1994 - 5 StR 386/94 = NStZ 1995, 131) hat der 4. Strafsenat im Hinblick auf § 246 StGB erklärt, daß er an seiner Auslegung der beiden Tatbestandsmerkmale "in Besitz oder Gewahrsam" und "sich zueignen" festhalte. Soweit der 5. Strafsenat eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Verwahrungsbruchs in Erwägung ziehe, stehe das Urteil vom 9. Dezember 1993 nicht entgegen.
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d) Daraufhin hat der 5. Strafsenat gemäß § 132 Abs. 2 GVG dem Großen Senat für Strafsachen folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt (Beschl. vom 7. März 1995 - 5 StR 386/94 = NStZ 1995, 442):
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"Kann ein Abteilungsleiter im Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR, auf dessen Anordnung Postsendungen dem Postverkehr entzogen und Geld sowie Wertgegenstände daraus dem Staatshaushalt der DDR zugeführt wurden, wegen Unterschlagung bestraft werden, und kann er auch mittelbarer Täter oder Anstifter eines Verwahrungsbruchs sein?"
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e) Der Generalbundesanwalt hat beantragt zu beschließen:
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"Ein Abteilungsleiter im Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR, auf dessen Anordnung Postsendungen dem Postverkehr entzogen und Geld sowie Wertgegenstände daraus dem Staatshaushalt der DDR zugeführt wurden, kann wegen Unterschlagung und auch als mittelbarer Täter oder Anstifter eines Verwahrungsbruchs bestraft werden."
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II.
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Soweit sich die Vorlage auf die Frage einer Strafbarkeit wegen Verwahrungsbruchs erstreckt, ist sie nicht zulässig.
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Mit der vom 5. Strafsenat aufgeworfenen Frage, ob der Angeklagte sich des Verwahrungsbruchs nach § 133 Abs. 1 StGB (als Täter oder Anstifter) schuldig gemacht hat, wenn die zunächst in dienstlicher Verwahrung der Deutschen Post zum Zwecke der Beförderung befindlichen Sendungen dem MfS - den Weisungen des Angeklagten entsprechend - übergeben wurden, hat BGHSt 41, 187 (191):
sich der 4. Strafsenat in seiner Entscheidung vom 9. Dezember 1993 nicht befaßt. Die Ausführungen dieser Entscheidung zu § 133 StGB beschränken sich darauf, zu begründen, daß die Briefe im Zeitpunkt der Vernichtung nicht mehr im Gewahrsam der Deutschen Post gestanden hätten - dem stimmt der vorlegende Senat ausdrücklich zu - und daß ein von § 133 StGB geschützter dienstlicher Gewahrsam des MfS nicht anerkannt werden könne - das zieht der vorlegende Senat nicht in Zweifel.
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Allerdings setzt die Zulässigkeit einer Vorlage nicht voraus, daß die Rechtsansicht, von der der vorlegende Senat abweichen möchte, in der früheren Entscheidung ausdrücklich geäußert worden ist. Vielmehr reicht es nach Sinn und Zweck des Vorlageverfahrens aus, wenn diese Rechtsauffassung der früheren Entscheidung stillschweigend zugrunde gelegt ist, weil deren Ergebnis von der Bejahung oder Verneinung der Frage notwendig abhängt (BGHSt 11, 31, 34; Salger in KK 3. Aufl. § 121 GVG Rdn. 31). Auch diese Voraussetzungen sind indes nicht gegeben:
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Nach den in der Sache des 4. Strafsenats vom Landgericht getroffenen Feststellungen lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die angeklagten Offiziere der Bezirksverwaltung Magdeburg des MfS auf einen möglicherweise im Bereich der Deutschen Post von Postbediensteten begangenen Verwahrungsbruch in irgendeiner Weise Einfluß genommen oder eine solche Tat unterstützt hätten. Dementsprechend bestand für den 4. Strafsenat kein Anlaß, der vom 5. Strafsenat aufgeworfenen Rechtsfrage nachzugehen. Der 4. Strafsenat brauchte auch nicht zu prüfen, ob der Angeklagte S. oder ein anderer Verantwortlicher im Ministerium für Staatssicherheit sich durch Einflußnahme auf die im Bereich der Deutschen Post Verantwortlichen des Verwahrungsbruchs (als mittelbarer Täter oder Anstifter) schuldig gemacht haben kann; denn weder nach den Feststellungen des Landgerichts im damaligen Verfahren noch sonst sprach irgend etwas dafür, daß die vom 4. Strafsenat freigesprochenen Angeklagten sich an einer solchen Tat beteiligt hätten. Unter diesen Umständen liegt dem Urteil des 4. Strafsenats auch nicht stillschweigend eine Auffassung zugrunde, die der Auffassung des 5. Strafsenats zu § 133 StGB entgegensteht.
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BGHSt 41, 187 (192): III.
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Soweit die Vorlagefrage § 246 StGB betrifft, bedarf sie der Präzisierung.
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Ob ein Abteilungsleiter im Ministerium für Staatssicherheit der DDR, auf dessen Anordnung Geld sowie Wertgegenstände aus Postsendungen dem Staatshaushalt der DDR zugeführt wurden, wegen Unterschlagung bestraft werden kann, ist keine Rechtsfrage im Sinne des § 132 Abs. 2 GVG. Voneinander abweichende Rechtsauffassungen vertreten der 4. und der 5. Strafsenat zu der Bedeutung der Tatbestandsmerkmale "Gewahrsam" und "Sich-Zueignen" in § 246 StGB. Nur die unterschiedlichen Möglichkeiten der Auslegung dieser Merkmale können Gegenstand einer Vorlegung gemäß § 132 GVG sein, nicht das aus ihnen folgende Endergebnis für die Frage der Strafbarkeit in einem konkreten Fall.
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Aus den Besonderheiten der den beiden Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Sachverhaltsgestaltungen ergibt sich die Notwendigkeit weiterer Beschränkungen der Vorlagefrage:
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Soweit es das Tatbestandsmerkmal des Gewahrsams betrifft, kommt eine Abweichung nur hinsichtlich der Sachen in Betracht, die von den Abteilungen M der Bezirksverwaltungen des MfS Postsendungen entnommen und von dort über die Abteilungen Finanzen der Bezirksverwaltungen der Abteilung Finanzen des MfS zugeleitet wurden. Nur der Vorwurf der Unterschlagung solcher Sachen war Gegenstand des Verfahrens, mit dem der 4. Strafsenat befaßt war.
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Auch hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "Sich-Zueignen" sind die Voraussetzungen für die Vorlage nur teilweise gegeben. Der 4. Strafsenat hat sich in seiner Entscheidung ausschließlich mit Zahlungsmitteln befaßt, die dem Staatshaushalt der DDR durch Einzahlung bei der Staatsbank zugeführt wurden. Für die Verwertung anderer Sachen, die Postsendungen entnommen wurden, hat er die Zueignungsfrage nicht (auch nicht mittelbar) erörtert.
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Danach faßt der Große Senat die Vorlagefragen wie folgt:
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1. Haben Mitglieder der politischen Führung der DDR oder der Führungsebene des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR Gelder, die auf ihre Weisung durch nachgeordnete Dienststellen Postsendungen entnommen worden waren, BGHSt 41, 187 (193):
sich zugeeignet im Sinne des § 246 StGB, als sie diese dem Staatshaushalt zuführten?
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Hinsichtlich des Verhältnisses dieser beiden Fragen zueinander gilt folgendes: Die das Merkmal des "Sich-Zueignens" betreffende Frage stellt sich für den 5. Strafsenat auch dann, wenn der Große Senat für Strafsachen die den Gewahrsamsbegriff betreffende Frage verneinen würde. Letztere hat Sachen zum Gegenstand, die in den Bezirksverwaltungen eingegangen waren. Dagegen ist die Zueignungsfrage auch für die Einzahlung der Zahlungsmittel erheblich, die in der - dem Angeklagten des Ausgangsverfahrens unmittelbar unterstellten - Abteilung M der Zentrale des MfS Postsendungen entnommen und von dort an den Staatshaushalt abgeführt wurden. Davon ausgehend ist die den Gewahrsamsbegriff betreffende Frage nur für den Fall erheblich, daß der Große Senat für Strafsachen die umfassendere, das Merkmal des "Sich-Zueignens" betreffende Frage bejaht.
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IV.
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Hinsichtlich der das Tatbestandsmerkmal "Sich-Zueignen" des § 246 StGB betreffenden Frage bestehen gegen die Vorlage keine durchgreifenden Zulässigkeitsbedenken.
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Zur Entscheidungserheblichkeit der unterschiedlichen Rechtsauffassungen hat der vorlegende Senat vertretbar dargelegt, daß die Verfolgung der dem Angeklagten vorgeworfenen Taten nicht verjährt wäre und daß auf sie § 246 StGB (und nicht etwa § 177 StGB-DDR) Anwendung findet (BGHSt 40, 8, 18). Ob die Entnahme von Zahlungsmitteln, insbesondere von DM-Devisen, aus Postsendungen und deren Abführung an den Staatshaushalt der DDR eine rechtswidrige Zueignung darstellte und der Angeklagte dies auch wußte oder jedenfalls für möglich hielt, könnte allerdings mit Blick auf die maßgeblichen zoll- und devisenrechtlichen Bestimmungen der DDR (§ 11 i.V.m. § 6 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 Nr. 1, §§ 17 ff. des Devisengesetzes vom 19. Dezember 1973 [GBl I 574], § 2 Abs. 3 Satz 1 und 2 der Ver BGHSt 41, 187 (194):
ordnung über die Verfolgung von Zoll- und Devisenverstößen und das Beschwerdeverfahren gegen Entscheidungen im grenzüberschreitenden Waren-, Devisen- und Geldverkehr vom 24. Juni 1971) zweifelhaft erscheinen (vgl. Volze/Renger NJ 1995, 467, 470). Die Frage braucht aber nicht entschieden zu werden. Die Auffassung des vorlegenden Senats, der die Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung und einen entsprechenden Vorsatz des Angeklagten bejaht, erscheint vertretbar. Das reicht für die Zulässigkeit der Vorlage aus (vgl. BGHSt 22, 94, 100; 25, 325, 328).
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V.
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Der Große Senat für Strafsachen beantwortet die Vorlagefrage zu 1. wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich.
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1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Täter eine fremde Sache auch dadurch im Sinne des § 246 StGB sich zueignen, daß er diese einem Dritten zur eigentumsgleichen Nutzung überträgt. Geschieht das gegen Entgelt, so führt er damit den wirtschaftlichen Wert der Sache in sein Vermögen über und eignet sie sich zu. Indessen kann der Täter die Sache ihrem wirtschaftlichen Werte nach auch dadurch sich zueignen, daß er sie einem Dritten unentgeltlich zuwendet. Hierbei ist jedoch Voraussetzung, daß er davon einen Nutzen oder Vorteil im weitesten Sinne, wenn auch nur mittelbar, hat (BGHSt 4, 236, 238; 17, 87, 88; ebenso schon RGSt 61, 228, 233; 62, 15, 17; 67, 334, 335). Damit ist - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der betreffenden Entscheidungen ergibt und in anderen Entscheidungen ausdrücklich klargestellt ist (BGHSt 17, 87, 92 f.; BGH NJW 1954, 1295; 1985, 812; 1987, 77; BGHR StGB § 242 Abs. 1 Zueignungsabsicht 2, 4, 8) - nicht gemeint, daß jeder, auch ein ideeller Zweck genügt. Vielmehr muß der erstrebte Vorteil regelmäßig wirtschaftlicher Art sein und unmittelbar oder mittelbar mit der Nutzung der Sache zusammenhängen (BGHSt 17, 87, 92 f.; BGH NJW 1985, 812).
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Nach einer im Schrifttum verbreiteten Auffassung kommt es demgegenüber in Fällen der Drittzueignung für die Tatbestandsmäßigkeit der Handlung nicht darauf an, ob der Verfügende einen eigenen Vorteil erzielt; die Zueignung der Sache an einen Dritten setze nämlich zwangsläufig eine vorangegangene, wie auch immer geartete Selbstzueignung voraus, so daß die Dritt BGHSt 41, 187 (195):
zueignung stets durch den Wortlaut des Gesetzes erfaßt sei (vgl. u.a. Wachenfeld ZStW 40 [1919], 321, 324; Rudolphi GA 1965, 33, 41).
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2. a) Die Vorlage gibt keine Veranlassung, die bisherige Rechtsprechung grundsätzlich in Frage zu stellen. Mit der Erwägung, daß niemand einem anderen eine Sache zueignen könne, ohne sie sich vorher selbst zugeeignet zu haben, kann in den hier zur Prüfung gestellten Fällen ein "Sich-Zueignen" durch die Funktionäre des MfS nicht bejaht werden (a.A. Wolfslast NStZ 1994, 542, 544; Hauf DRiZ 1995, 144, 146). Sie haben die Zahlungsmittel nicht gleichsam zunächst ihrem eigenen Vermögen einverleibt und sodann als dessen Bestandteil der DDR zugeleitet. Die Vorstellung, der Angeklagte des Ausgangsverfahrens habe der DDR die aus den Postsendungen entnommenen Zahlungsmittel etwa schenkungsweise zugewendet, wird den Vorgängen ersichtlich nicht gerecht.
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b) Daß der Angeklagte des Ausgangsverfahrens die einbehaltenen Zahlungsmittel durch die Abführung an den Staatshaushalt sich zugeeignet hat, läßt sich auch nicht damit begründen, daß er die ihm vorgeworfenen Maßnahmen zugunsten einer juristischen Person vorgenommen hat, für die er dabei - wenn auch nicht als Organ, so doch als Bediensteter in leitender Stellung - tätig geworden ist.
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Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen sich wegen Unterschlagung auch strafbar macht, wer als Organ oder Angestellter einer juristischen Person, einer Personenvereinigung oder einer sonstigen Organisation eine fremde Sache deren Vermögen zuführt, ist in der bisherigen Rechtsprechung noch nicht geklärt. Insofern wird einerseits betont, daß der Geschäftsführer oder ein sonstiger Angestellter eines Unternehmens grundsätzlich keine Unterschlagung begehe, wenn er über fremde Sachen, die er für das Unternehmen im Gewahrsam habe, in dessen Interesse verfüge, es sei denn, das wäre in erheblichem Maße oder ausschließlich sein eigenes Interesse (BGHSt 4, 236, 239; RGSt 62, 15, 17; 74, 1, 2); dabei wird nicht ausdrücklich mitgeteilt, ob es sich um eigene wirtschaftliche Interessen handeln muß oder ob in den Fällen des Handelns für ein Unternehmen, eine juristische Person oder sonstige Vereinigung - BGHSt 41, 187 (196):
anders als in anderen Fällen der Drittzueignung - auch die Verfolgung eigener ideeller Interessen ausreicht (so wohl BGH GA 1959, 373). In anderen Entscheidungen wird hingegen darauf abgestellt, daß der Täter mit der Zuwendung zugunsten der von ihm vertretenen juristischen Person regelmäßig ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolge (vgl. OLG Karlsruhe Justiz 1975, 314, 315), oder es wird der Gesichtspunkt des erheblichen eigenen Interesses überhaupt nicht erörtert (vgl. BGH wistra 1982, 107).
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Der Frage der Tatbestandsmäßigkeit einer "Unterschlagung" zugunsten einer Organisation, deren Vertreter oder Angestellter der Täter ist, braucht hier nicht für alle denkbaren Fallgestaltungen nachgegangen zu werden. Es erscheint zwar bei wertender Betrachtung nicht grundsätzlich ausgeschlossen, daß Organwalter, Mitglieder oder Bedienstete einer Organisation eine fremde Sache sich zueignen, wenn sie diese der Organisation zuwenden. Das liegt etwa bei dem Einmanngesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH nahe, kann aber auch bei dem Mitglied einer Vereinigung zur Förderung bestimmter Gruppeninteressen in Betracht kommen (vgl. BGH GA 1959, 373). In der Fallgestaltung, in der die Täter Sachen für einen Staat vereinnahmt haben, liegt es aber anders. Führt der Funktionär eines Staates Sachen dem Staatshaushalt zu, so kann - soweit er nicht ausnahmsweise eigene wirtschaftliche Anliegen verfolgt (vgl. BGHSt 24, 115) - nicht angenommen werden, daß er die Sachen damit sich zueignet, wie es § 246 StGB voraussetzt. Allerdings mag ihm - was insbesondere bei Angehörigen der staatlichen Führungsebene regelmäßig naheliegt - die Förderung der Staatsziele durch sein Handeln in besonderem Maße ein Anliegen sein. Das ändert aber nichts daran, daß er letztlich nicht eigene, sondern - tatsächliche oder vermeintliche - allgemeine Interessen wahrnehmen will. § 246 StGB stellt - wie § 242 StGB - ein Handeln mit egoistischer Innentendenz unter Strafandrohung. Eine solche liegt bei dem Staatsfunktionär nicht vor, der unter Enteignung der Berechtigten dem Staatshaushalt und damit der Allgemeinheit Mittel zuführt. Diese Frage ist auch für Funktionäre der DDR nicht anders zu beurteilen.
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BGHSt 41, 187 (197):
c) Schließlich kann die Vorlagefrage zu 1. auch nicht im Hinblick darauf bejaht werden, daß sich die Verantwortlichen einen - sei es auch nur mittelbaren - eigenen wirtschaftlichen Vorteil oder Nutzen verschaffen wollten.
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Daß dem Staat zusätzliche Mittel zufließen, reicht für die Annahme eines eigenen wirtschaftlichen Vorteils des Bediensteten, der diese Einnahmen veranlaßt, grundsätzlich nicht aus (a.A. anscheinend Schroeder JR 1995, 95, 97). Solche Einnahmen kommen dem verantwortlichen Funktionär nicht mehr als anderen Staatsbürgern zugute. Daß dieser sein Gehalt vom Staat empfängt, vermag daran nichts zu ändern.
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Eine andere Beurteilung ist auch nicht für die an der Verwertung von Postsendungen beteiligten Angehörigen der Führungsebene des MfS möglich. Allerdings mögen sie, wie der vorlegende Senat betont, die Zuwendungen an den Staatshaushalt in besonderem Maße in dem Bewußtsein veranlaßt haben, durch systemkonformes persönliches Verhalten ihre berufliche Existenz und Stellung abzusichern. Auch dieses Anliegen kann aber die Annahme einer tatbestandsmäßigen Unterschlagung nicht rechtfertigen. Die Sicherung des eigenen Einkommens bedeutet zwar einen wirtschaftlichen Vorteil. Im Sinne der Rechtsprechung zur Drittzueignung kann dieser aber für die Annahme eines "Sich-Zueignens" nicht genügen. Das Erfordernis eines, wenn auch nur mittelbaren, "wirtschaftlichen Vorteils aus der Nutzung der Sache" (BGHSt 17, 87, 92 f.; BGH NJW 1985, 812) wäre aufgegeben; die Grenzen, die der Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Sich-Zueignen der Sache" gesetzt sind, wären überschritten.
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Zu Überlegungen, ob eine Unterschlagung in Betracht käme, wenn der Angeklagte des Ausgangsverfahrens oder andere mit der Entnahmepraxis befaßte Angehörige des MfS ihre Beiträge in dem Bewußtsein geleistet hätten, nur auf diese Weise die sonst drohende Zahlungsunfähigkeit der DDR und damit verbunden den Verlust ihrer Gehälter abwenden zu können, geben der Vorlagebeschluß und die Feststellungen des zugrunde liegenden Urteils der Strafkammer keinen Anlaß. Im übrigen wäre auch dies kein eigener wirtschaftlicher Vorteil im Sinne der Rechtsprechung.
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BGHSt 41, 187 (198):
3. Soweit der vorlegende Senat für Fälle, in denen der Täter im Rahmen der Tätigkeit für eine Organisation dieser Sachen zueignet, ohne sie dadurch sich im Sinne des § 246 StGB zuzueignen, die Anwendung von § 14 StGB in Erwägung ziehen möchte, vermag der Große Senat für Strafsachen diesem Ansatz nicht zu folgen. Die egoistische Tendenz, deren Vorliegen Voraussetzung tatbestandsmäßigen Handelns nach den §§ 242, 246 StGB ist, stellt kein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 14 StGB dar (vgl. BGHSt 40, 8, 19).
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VI.
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Die das Tatbestandsmerkmal des Gewahrsams betreffende Frage bedarf danach keiner Entscheidung mehr (vgl. III.).
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