BGHSt 44, 251 - Erpressung durch Schmiergeldforderungen


BGHSt 44, 251 (251):

Zur Erpressung bei Durchsetzung von Schmiergeldforderungen mittels Androhung des Abbruchs von Geschäftsbeziehungen (im Anschluß an BGHSt 31, 195; BGHSt 44, 68).
StGB § 253
5. Strafsenat
 
Urteil
vom 11. November 1998 g.R.
- 5 StR 325/98 -
Landgericht Bochum
 
Aus den Gründen:
I.
Die Schuldsprüche wegen Untreue und Einkommensteuerhinterziehung unterliegen keinen sachlichrechtlichen Bedenken.
Der Angeklagte R. schädigte seinen Arbeitgeber, die Opel AG, indem er als verantwortlicher Leiter des Zubehör- und Teilelagers mit einem Jahresbudget von etwa 40 Millionen DM zwischen 1992 und 1995 für im wesentlichen von einer Firma des Mitangeklagten H. vorgenommenes Auslagern und "Handling" von Stoßfängern und Glasscheiben die Bezahlung eines im Gesamtzeitraum um mehrere Millionen DM überhöhten Entgelts veranlaßte, aus dem ihm die Geschäftspartner Schmiergelder bezahlen sollten (Fall 2). Aus demselben Motiv veranlaßte er in der ersten Hälfte des Jahres 1993, daß die Opel AG Bremsbeläge von der Firma P. bezog, die im Vergleich zum Angebot eines Konkurrenten um über 100000 DM überteuert waren (Fall 4). Wiederum aus denselben Beweggründen veranlaßte er von 1993 bis 1995 für die Lagerung von Blech- und Karosserieteilen durch die Firma des Mitangeklagten H. die zusätzliche Bezahlung von Bewachungskosten in Höhe von mehr als einer halben Million DM, die tatsächlich nicht angefallen waren (Fall 6).


BGHSt 44, 251 (252):

II.
Die Verurteilung des Angeklagten R. wegen Erpressung unterliegt hingegen in zwei der drei so abgeurteilten Fälle durchgreifenden sachlichrechtlichen Bedenken.
1. Dies gilt allerdings nicht für die Ausgangsüberlegung des Landgerichts: Wird die Vergabe eines Auftrages von der Zahlung eines Schmiergeldes abhängig gemacht, kann darin die Drohung mit einem empfindlichen Übel im Sinne des Erpressungs- bzw. Nötigungstatbestandes liegen.
Dies wird in erster Linie in Betracht kommen, wenn die Schmiergeldforderung mit der Drohung verknüpft wird, bei Nichterfüllung werde eine bestehende Bindung vertragswidrig aufgekündigt. Bei laufenden Geschäftsbeziehungen, auf deren Fortdauer der Adressat der Schmiergeldforderung wirtschaftlich existentiell angewiesen ist, gilt für die Drohung mit deren Abbruch bei Verweigerung der Schmiergeldzahlung nichts anderes (vgl. Herdegen in LK 11. Aufl. § 253 Rdn. 4). Ob dies auch in Fällen noch nicht dauerhaft gewachsener Geschäftsbeziehungen gelten kann, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung.
Jedenfalls steht dem nicht etwa von vornherein der Gesichtspunkt entgegen, daß die Annahme einer Strafbarkeit wegen Nötigung oder Erpressung in denjenigen Fällen problematisch ist, in denen die tatbestandliche Drohung mit einem empfindlichen Übel in der Ankündigung liegt, ein rechtlich nicht gebotenes Handeln zu unterlassen (vgl. BGHSt 44, 68, 74 ff. im Anschluß an BGHSt 31, 195). Sofern der Adressat der Drohung ohne den Geschäftsabschluß in existentielle wirtschaftliche Not geriete und eben diese Notlage zur Durchsetzung des Schmiergeldverlangens ausgenutzt wird, scheitert die Annahme einer Drohung mit einem empfindlichen Übel im Sinne des Erpressungs- bzw. Nötigungstatbestandes nicht etwa an den Grundsätzen von BGHSt 31, 195; anderes ist auch dem Senatsbeschluß BGHSt 44, 68 nicht zu entnehmen.
2. Bei dieser Sachlage ist der Schuldspruch wegen Erpressung im Fall 5 nicht zweifelhaft. Hier verknüpfte der Angeklagte Schmiergeldforderungen an die Firma Hö. mit der Drohung, bei Nichtzahlung werde er die Räumung von Hallen, welche die Opel AG bei dieser Firma gemietet hatte, ungeach

BGHSt 44, 251 (253):

tet einer jüngst vereinbarten Vertragsverlängerung veranlassen und die alsbaldige Beendigung des Mietverhältnisses durchsetzen.
3. Hingegen haben die Schuldsprüche in den Fällen 1 und 3 keinen Bestand.
a) Im Fall 3 (Erpressung zum Nachteil der Firma des Mitangeklagten H.) bestand vor dem Abschluß der Verträge, die Lagerung und "Handling" von Ersatzteilen (Stoßfänger und später Glasscheiben) für die Opel AG zum Gegenstand hatten, zwar wirtschaftliches Interesse, aber keinerlei Vorerfahrung der Firma des H. hinsichtlich derartiger Tätigkeit.
aa) Danach fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, daß die Firma des H. den Abschluß dieser Verträge - deren Preisgestaltung zum Nachteil der Opel AG entsprechend den Vorgaben des Angeklagten R., maßgeblich ausgerichtet nach dessen Schmiergelderwartungen, erfolgte (Schuldspruch wegen Untreue im Fall 2) - zu Beginn wirtschaftlich existentiell angewiesen gewesen wäre. Vielmehr liegt auf der Hand, daß sich H. - nicht anders als im Falle seiner Verurteilung wegen Beihilfe zur Untreue des R. im Fall 6 - zum wirtschaftlichen Vorteil seiner Firma zu deren Mitwirkung an einem die Opel AG schädigenden Geschäft bereit gefunden hatte, welches R. - zum eigenen Vorteil durch Schmiergeldbeteiligung - treuwidrig initiiert hatte.
Vor diesem Hintergrund unterliegt es durchgreifenden Bedenken anzunehmen, die anschließende Durchsetzung so verabredeter Schmiergeldzahlungen durch den Angeklagten R. - indem er H. drohte, andernfalls die zum Nachteil der Opel AG abgeschlossenen, teils erst vorgesehenen Geschäfte rückgängig zu machen - als Erpressung zu bestrafen. Es ist nicht unbedenklich, die Drohung mit dem Abbruch eines zum Nachteil eines Dritten abgeschlossenen, zudem strafbaren Geschäfts als tatbestandliche Drohung mit einem empfindlichen Übel zu verstehen. Das muß jedenfalls für die vom Tatrichter auch einbezogene Drohung mit dem Nichtabschluß entsprechender künftiger drittschädigender Geschäfte gelten. Zudem bedurfte es im Blick auf eine zwar nicht fehlende (vgl. BGH, Urt. vom 26. Oktober 1998 - 5 StR 746/97), jedoch

BGHSt 44, 251 (254):

mindere Schutzwürdigkeit des "Genötigten" in einem solchen Fall - welcher der erzwungenen Durchsetzung vereinbarter Beuteteilung nahekommt - sorgfältigerer Prüfung der Rechtswidrigkeit im Sinne des § 253 Abs. 2 StGB.
bb) Ferner weist die Revision im Ergebnis zutreffend darauf hin, daß auch die Annahme eines Vermögensnachteils der Firma des Mitangeklagten H. im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB durchgreifenden Bedenken unterliegt. Der Vermögensnachteil kann nicht isoliert in der Schmiergeldzahlung gesehen werden; was der Firma des H. für deren Abrede als "Gegenleistung" zugesagt wurde und auch zufloß, ist vielmehr bei der gebotenen wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung mitzuberücksichtigen (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 253 Rdn. 9). In die Preisgestaltung für die Lagerung und Behandlung der Ersatzteile gegenüber der Opel AG waren die Schmiergeldforderungen des Angeklagten R. von vornherein eingestellt. Das legt die Annahme nahe, daß die Firma des H. letztlich den von ihr ausgehandelten Ertrag aus den ihr erwünschten Geschäften mit der Opel AG ungeschmälert um das an R. abzuführende Schmiergeld zog, mit dem letztlich die Opel AG belastet wurde (s. Schuldspruch wegen Untreue im Fall 2).
b) Ähnliche Bedenken gegen die Annahme eines Vermögensnachteils im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB - wie die Revision auch insoweit im Ergebnis zutreffend geltend macht - bestehen hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Erpressung im Fall 1, in dem gegen die Firma P. gerichtete Schmiergeldforderungen vom Angeklagten mit der Drohung verknüpft wurden, bei Nichtzahlung werde er die weitere Abnahme von Bremsbelägen dieses Zulieferunternehmens durch die Opel AG verhindern.
aa) Diese Bedenken folgen aus den Feststellungen, welche die Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue im Fall 4 tragen (und zwar ungeachtet einer wesentlich geringeren Dimension im Vergleich zum Fall 2). Danach bezog die Opel AG auf Veranlassung des Angeklagten die Bremsbeläge der Firma P. zu Preisen, die im Vergleich zu Konkurrenzangeboten überhöht waren. Dies legt die Annahme nahe, daß auch die Firma P. nach Akzeptierung der Schmiergeldforderungen des Angeklagten bei den anschließenden Geschäften mit der Opel AG

BGHSt 44, 251 (255):

zu deren Nachteil in der Preiskalkulkation so frei war, daß sie ihre Preise im Ergebnis letztlich um die Beträge der vom Angeklagten geforderten Schmiergelder erhöhen konnte und folglich keinen Vermögensnachteil erlitt. Ob sich darüber hinaus bereits aus einem Wettbewerbsvorteil, den die Firma P. mit Akzeptierung der Schmiergeldforderungen des Angeklagten infolge der damit einhergehenden Auftragsgarantie zu ihren Gunsten erreichte, Bedenken gegen die Annahme eines Vermögensnachteils im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB ergäben, bedarf danach keiner Vertiefung.
bb) Abgesehen davon sind auch in diesem Fall die Feststellungen im Zusammenhang mit den vom Angeklagten ausgesprochenen Drohungen unzulänglich. Dies betrifft die Absprache beträchtlicher Mehrlieferungen der Firma P. vom letzten Quartal 1992 an, wofür der Angeklagte die Erhöhung des Anteils seiner "Provision" verlangte. In der nur unter dieser Voraussetzung angebotenen Garantie eines derartigen "Zusatzabrufs" liegt grundsätzlich keine Drohung mit dem Nichtabschluß von Geschäften, auf welche die Firma wirtschaftlich existentiell angewiesen gewesen wäre. Vielmehr liegt darin die Gewährung einer Chance, sich eine wirtschaftliche Verbesserung zu "erkaufen"; dies ist als Nötigung oder Erpressung auch dann nicht strafbar, wenn damit eine unangemessene Gegenleistung verbunden wird (BGHSt 44, 68, 75).
4. Daß ein neuer Tatrichter zu den Fällen 1 und 3 weitergehende ausreichende Feststellungen wird treffen können, die einen Schuldspruch wegen Erpressung - oder auch nur wegen Nötigung - gegen den Angeklagten R. tragen könnten, liegt eher fern, bedarf aber keiner vertieften Erörterung; eine Durchentscheidung auf Freispruch kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil möglicherweise noch eine Verurteilung des Angeklagten R. nach § 12 Abs. 2 UWG a.F. in Betracht kommt.
In diesem Zusammenhang merkt der Senat an, daß Fälle der hier vorliegenden Art zukünftig eine kriminalpolitisch wünschenswerte angemessene Ahndung bereits durch Anwendbarkeit der nunmehr verschärften Strafnormen über die Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§§ 299, 300 StGB) erfahren dürften.