BVerfGE 17, 38 - Witwerrente


BVerfGE 17, 38 (38):

1. Auch wenn -- wie im BVG -- in Anknüpfung an zurückliegende Verhältnisse nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes gesetzlich neue Ansprüche geschaffen werden, muß die durch Art. 3 Abs. 2 GG gebotene Gleichbewertung der Unterhaltsleistung der Frau als Mutter, Hausfrau und Mithelfende beachtet werden.
2. Die erschwerenden Voraussetzungen der Witwerrente in § 43 Bundesversorgungsgesetz (BVersG) vom 20. Dezember 1950 - BGBl. S. 791 - (überwiegende Unterhaltsleistung der verstorbenen

BVerfGE 17, 38 (39):

Ehefrau, bedingt durch Erwerbsunfähigkeit des Mannes) sind mit Art. 3 Abs. 2 und 3 GG vereinbar.
3. Die weitere Erschwerung der Witwerrente durch die Voraussetzungen, daß der Unterhalt aus dem Arbeitsverdienst der Frau geleistet worden und daß der Mann gegenwärtig bedürftig sei, ist mit Art. 3 Abs. 2 und 3 GG unvereinbar.
4. Die Erschwerung der Waisenrente in § 45 Abs. 5 Satz 1 BVG allein für die Kinder verheirateter Frauen, die an den Folgen einer Kriegsschädigung gestorben sind, durch die Voraussetzung überwiegender Unterhaltsleistung der Mutter ist mit Art. 3 Abs. 2 und 3 und mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar.
 
Urteil
des Ersten Senats vom 24. Juli 1963
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 1963
-- 1 BvL 101/58 --
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung der §§ 43 und 45 Absatz 5 Satz 1 des Bundesversorgungsgesetzes vom 20. Dezember 1950 (BGBl. S. 791) - Vorlage der 8. Kammer des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. November 1958 - S 8 V 1124/58.
Entscheidungsformel:
1. In § 43 des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz) vom 20. Dezember 1950 (Bundesgesetzbl. S. 791) sind die Worte "für die Dauer der Bedürftigkeit" und "aus ihrem Arbeitsverdienst" nichtig. Im übrigen ist § 43 mit dem Grundgesetz vereinbar.
2. § 45 Absatz 5 Satz 1 des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz) vom 20. Dezember 1950 (Bundesgesetzbl. S. 791) ist nichtig.
 
Gründe:
 
A.
Bis in die neueste Zeit erstreckte sich die staatliche Versorgung wegen durch Kriegsereignisse verursachter gesundheitlicher Schäden ausschließlich auf Kriegsteilnehmer und ihre Hinterbliebenen. Bereits die Versorgungsgesetze der Länder der amerikanischen

BVerfGE 17, 38 (40):

und britischen Zone bezogen jedoch auch die Zivilbevölkerung in die Versorgung ein. Diese Ausdehnung hat das Bundesversorgungsgesetz beibehalten und im einzelnen noch erweitert (§ 1 des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges [Bundesversorgungsgesetz] vom 20. Dezember 1950 [BGBl. S. 791] -- im folgenden: BVersG). Der betroffene Personenkreis unterscheidet sich also nicht nur nach Geschlecht und Familienstand, sondern weist auch starke soziale Verschiedenheiten auf. Im Gesetz sind mit Rücksicht auf Geschlecht und Familienstand die Hinterbliebenenrenten verschieden bemessen (über die Zulässigkeit dieser Differenzierung ist im vorliegenden Verfahren zu entscheiden). Hingegen hat das Gesetz die Frage, ob die sozialen Verschiedenheiten bei der Gewährung von Leistungen berücksichtigt werden sollen, verneint. Es gewährt und bemißt seine Leistungen grundsätzlich ohne Rücksicht auf die soziale Stellung der Betroffenen. Die Versorgung umfaßt nach der Formulierung in § 9 BVersG:
    1. Heilbehandlung, Krankengeld und Hausgeld,
    2. soziale Fürsorge, Arbeits- und Berufsförderung,
    3. Beschädigtenrente und Pflegezulage,
    4. Bestattungsgeld und Bezüge für das Sterbevierteljahr,
    5. Hinterbliebenenrente,
    6. Bestattungsgeld beim Tode von Hinterbliebenen.
Wie schon diese Aufzählung ergibt, wird das Versorgungsrecht von zwei verschiedenen Momenten bestimmt: einmal von dem Opfer, das einem Beschädigten oder den nächsten Angehörigen eines Getöteten auferlegt ist, zum anderen von ihrem Bedarf nach staatlicher Hilfe. Die dadurch bedingte Mischung von Aufopferungs- und Fürsorgeprinzipien zeigt sich auch in der Gestaltung der Renten. Das Gesetz unterscheidet nämlich sowohl für den Beschädigten wie für die hinterbliebenen Ehegatten und Kinder zwischen Grund- und Ausgleichsrenten. Ziel der Ausgleichsrenten ist es, bei Zusammenrechnung mit den Grundrenten den notwendigen Lebensunterhalt zu sichern; sie sind stets vom son

BVerfGE 17, 38 (41):

stigen Einkommen und damit vom individuellen Bedarf abhängig, also vornehmlich Ausdruck des Fürsorgeprinzips. Die Grundrenten hingegen sind vornehmlich vom Aufopferungsprinzip bestimmt und werden grundsätzlich unabhängig vom sonstigen Einkommen und damit unabhängig vom individuellen Bedarf gezahlt.
§ 39 BVersG sagt schlechthin: "Die Witwe und die Waisen haben Anspruch auf eine Grundrente...". Die Witwe, die Waisen eines Mannes und ebenso die Waisen einer verwitweten oder unverheirateten Mutter erhalten demgemäß die Grundrente immer -Halbwaisen stets eine geringere als Vollwaisen (§ 46 BVersG). Hingegen sind die Witwerrente und die Waisenrente beim Kriegstod einer Ehefrau von den weiteren Voraussetzungen nach §§ 43 und 45 Abs. 5 Satz 1 BVersG abhängig; die Bestimmungen lauten:
    § 43
    Der Witwer erhält für die Dauer der Bedürftigkeit eine Rente (§§ 40 und 41), wenn die an den Folgen einer Schädigung gestorbene Ehefrau seinen Lebensunterhalt wegen seiner Erwerbsunfähigkeit überwiegend aus ihrem Arbeitsverdienst bestritten hat.
    § 45
    (1) - (4) ...
    (5) Waisen (Abs. 2), deren Mutter an den Folgen einer Schädigung gestorben ist, erhalten Rente nur, wenn der Vater nicht mehr lebt oder Witwerrente bezieht. Ist die Mutter eines unehelichen Kindes an den Folgen einer Schädigung gestorben, so wird Waisenrente gewährt.
Diese Bestimmungen sind in Art. 1 des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960 (BGBl. S. 453 -- BVersG n.F.) neu gefaßt worden. Das Neuordnungsgesetz ist jedoch erst mit dem 1. Juni 1960 in Kraft getreten (Art. IV § 4 Abs. 1). Für die zurückliegende Zeit bleibt das Bundesversorgungsgesetz in der alten Fassung maßgebend.
 


BVerfGE 17, 38 (42):

B. -- I.
Die Frau und Mutter der Kläger des Ausgangsverfahrens ist am 17. August 1945 in Schlesien an Hungertyphus gestorben. Die beiden Kinder waren beim Tode der Mutter 5 und 3 Jahre alt; der Vater erhält jetzt als ehemaliger Berufssoldat die Bezüge eines Hauptmanns a. D. Der am 4. April 1951 gestellte Antrag auf Hinterbliebenenversorgung für Witwer und Waisen wurde von dem Versorgungsamt unter Hinweis auf die §§ 43 und 45 Abs. 5 Satz 1 BVersG abgelehnt, der Widerspruch vom Landesversorgungsamt zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Klage der Hinterbliebenen beim Sozialgericht Stuttgart.
Das Sozialgericht hält den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Tod an Hungertyphus und den Verhältnissen bei der Besetzung Schlesiens für hinreichend wahrscheinlich im Sinne von §§ 1 und 5 Abs. 1 BVersG. Es sieht sich jedoch durch die Bestimmungen der §§ 43 und 45 Abs. 5 daran gehindert, den Klägern Witwer- oder Waisenrente zuzusprechen, da die dort aufgestellten besonderen Anspruchsvoraussetzungen unstreitig nicht erfüllt sind. Das Gericht hält diese für verfassungswidrig: Die Kriegsopferversorgung solle nicht in "erster Linie einen wirtschaftlichen Schaden ausgleichen", sondern diene "vor allen Dingen dazu, einen annähernden Ausgleich für den immateriellen Schaden herbeizuführen"; insbesondere komme der Grundrente der Kriegshinterbliebenen diese Funktion zu. Jedenfalls im Bereich des Immateriellen sei der überlebende Ehegatte gleich schwer betroffen, ob nun der Mann oder die Frau überlebe. Ihre grundsätzlich verschiedene Behandlung verletze also, mindestens soweit es sich um die Grundrente handle, Art. 3 Abs. 1 und 2 GG. Erst recht fehle jede innere Rechtfertigung dafür, den Mutter-Waisen Entschädigung nur unter strengeren Voraussetzungen zu gewähren als den Vater-Waisen, da Kinder den Tod der Mutter eher noch schmerzhafter empfänden als den des Vaters. Hier sei zudem der Verfassungsbefehl des Schutzes der Familie und der Mutterschaft aus Art. 6 Abs. 1, 2 und 4 GG mißachtet.


BVerfGE 17, 38 (43):

Das Sozialgericht hat deshalb durch Beschluß vom 26. November 1958 das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Akten zur Entscheidung darüber vorgelegt, ob § 43 und § 45 Abs. 5 Satz 1 BVersG mit dem Grundgesetz vereinbar sind.
II.
In dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht hat sich die Bundesregierung durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung geäußert. Er hält die beiden gesetzlichen Bestimmungen für vereinbar mit dem Grundgesetz. Der Ansicht des Sozialgerichts, daß mindestens die Grundrente vornehmlich dem Ausgleich immaterieller Schäden diene, könne nicht zugestimmt werden. Die Grundrenten stellten allerdings nicht auf den Ersatz des konkreten Schadens ab; doch stehe das ihrem wirtschaftlichen Zweck nicht entgegen; sie seien Teil eines Systems pauschaler Entschädigungs- und Versorgungsleistungen. Hiervon ausgehend sei aber die verschiedene Gestaltung von Witwen- und Witwerrente berechtigt. Die Erschwerung der Witwerrente durch die Voraussetzung, daß die Frau den Lebensunterhalt ihres Mannes überwiegend bestritten habe, entspreche der typischen Verschiedenheit der Lebensfunktionen von Mann und Frau. Das gelte sinngemäß auch für die Waisenrenten. Zu den sonstigen Erschwerungen ist im einzelnen nicht Stellung genommen.
Das Landesversorgungsamt hat sich den Ausführungen des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung angeschlossen.
III.
Das Bundessozialgericht hat sich durch den 9. Senat geäußert, in dessen Ausführungen Entscheidungen des 8. Senats (BSGE 5, 26) und des 10. Senats (BSGE 9, 36) angezogen sind.
Der 9. Senat lehnt zunächst -- in Übereinstimmung mit den beiden anderen Senaten -- den Gedanken des Sozialgerichts Stuttgart ab, die Grundrenten dienten der Entschädigung für

BVerfGE 17, 38 (44):

ideelle Beeinträchtigungen; auch die Grundrenten sollten wirtschaftliche Folgen der Kriegsschädigung für die Zukunft mildern.
Die gesetzliche Regelung müßte aber gerade deshalb für Witwe und Witwer nicht unbedingt gleich sein; das folge aus der Funktionsverschiedenheit der Unterhaltsleistungen, die zur Folge habe, daß die Frau in der Regel "auf den Geldgeber angewiesen" sei. Doch habe der Senat gegen die Regelung im einzelnen Bedenken, da sie nicht in allen Punkten dieser funktionalen Verschiedenheit entspreche. In den angezogenen Entscheidungen der beiden anderen Senate wird die Beschränkung der Witwerrente insoweit gebilligt, als Erwerbsunfähigkeit des Mannes (8. Senat) und Unterhaltsleistung der Frau für den Mann oder ein Unterhaltsanspruch gegen sie (10. Senat) vorliegen müssen; zu den übrigen Erschwerungen der Witwergrundrente war nach Lage der damals entschiedenen Fälle nicht Stellung zu nehmen.
Was die Waisenrente anlangt, so hält der 9. Senat die Vorschrift des § 45 Abs. 5 BVersG für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG. Die wirtschaftliche Lage des Witwers könne mit der der Waise nach dem Tode der Frau und Mutter nicht gleichgestellt werden, da die Waise durch den Tod "wirtschaftlich in anderer Weise betroffen" sei als der Witwer. Der Unterhaltsanspruch der Waise richte sich nach § 1606 BGB n.F. gleichrangig gegen beide Elternteile. Art und Umfang des Unterhaltsbeitrags von Vater und Mutter seien allerdings verschieden. Doch habe der Beitrag der Mutter nicht nur ideellen, sondern auch meßbaren wirtschaftlichen Wert. Die Waise sei regelmäßig nicht imstande, den Ausfall dieses Unterhaltsbeitrags der Mutter zu ersetzen. Die verschiedene Versorgung der Waisen sei auch nicht mit der Verschiedenartigkeit der Unterhaltsbeiträge der Eltern zu rechtfertigen; denn für den Unterhalt der Waise seien beide Beiträge von gleicher wirtschaftlicher Bedeutung. Die Waise sei regelmäßig sowohl durch den Tod des Vaters als auch durch den Tod der Mutter geschädigt, die Differenzierung jedenfalls der Grundrente daher ohne sachliche Berechtigung.
Dagegen war in der Entscheidung des 8. Senats die Ein

BVerfGE 17, 38 (45):

schränkung der Waisenrente als Folge der Einschränkung der Witwerrente gebilligt worden, ohne daß der vom 9. Senat behandelte Unterschied erörtert worden wäre. Der 10. Senat hatte über Waisenrente nicht zu befinden.
 
C. -- I.
Die Beantwortung der im vorliegenden Verfahren zu entscheidenden Frage, ob die Hinterbliebenen-Grundrenten nach Geschlecht und Familienstand verschieden bemessen werden dürfen, hängt davon ab, welcher Charakter ihnen nach dem Bundesversorgungsgesetz zukommt. Wären die Grundrenten, wie das vorlegende Gericht meint, dazu bestimmt, vor allen Dingen einen annähernden "Ausgleich" für den immateriellen Schaden herbeizuführen (ebenso der VII. Senat des Bundesgerichtshofs, BGHZ 30, 162 [171] und MDR 1962, 472 Nr. 41, jedoch in Abweichung von der Ansicht des III. Senats, BGHZ 20, 61 [69]), dann wäre in der Tat schon deshalb eine Differenzierung dieser Renten nicht zu rechtfertigen; denn im Bereich des Immateriellen besteht kein rechtlich zu erfassender Unterschied in Opfer und Situation der Hinterbliebenen, ob nun Mann oder Frau, ob Vater oder Mutter, und ob eine verheiratete, verwitwete oder unverheiratete Mutter getötet worden ist. Der Ansicht des vorlegenden Gerichts kann jedoch nicht beigepflichtet werden.
Gewiß sind die Grundrenten nach der allgemeinen Regel nur an das Verwitwet- oder Verwaistsein der Hinterbliebenen geknüpft, also vom Verlust bestimmter Unterhaltsansprüche im Einzelfall unabhängig. Es liegt daher auf der Hand, daß die Grundrenten nicht den Charakter eines Ersatzes für den Fortfall des im konkreten Fall geschuldeten oder geleisteten Unterhalts haben. Doch ist ihre wirtschaftliche Bedeutung als Beihilfe zum Ausgleich gewisser typischer Einbußen in der Unterhaltssituation -- mit dem Bundessozialgericht -- zu bejahen.
Die Interpretation, es handle sich um Ausgleich immateriellen Schadens, würde den allgemeinen in unserer Rechtsordnung ausgeprägten Vorstellungen (1) ebenso widersprechen wie dem Leit

BVerfGE 17, 38 (46):

gedanken des Bundesversorgungsgesetzes (2) und dem Systemzusammenhang innerhalb dieses Gesetzes (3).
1. Die Kriegsopferversorgung als Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung der staatlichen Gemeinschaft ist zwar eine Aufgabe eigener Art, die mit anderen Aufgaben nicht allgemein verglichen werden kann. Das wurde auch bei der Beratung im Bundestag betont (BT I/1949 Prot. vom 13. September 1950 S. 3168 [A]). Es ist jedoch nicht zu übersehen, daß Gesetzgebung und Rechtsprechung in anderen Rechtsgebieten Ansprüche gegen den Staat auf den Ersatz materieller Schäden beschränken, auch wenn eine sittliche Verpflichtung der staatlichen Gemeinschaft zu erfüllen ist (vgl. das Urteil des Bundesgerichtshofs über die staatliche Ersatzpflicht für Schäden aus einer nach öffentlichem Recht zu duldenden ärztlichen Behandlung -- BGHZ 20, 61 [69] mit umfassendem Gesetzesnachweis). Diese Erwägung schließt selbstverständlich eine gesetzliche Sonderregelung nicht aus, die etwa gerade bei der Kriegsopferversorgung den Ausgleich auch immaterieller Schäden vorsehen würde; sie verbietet aber, den Gedanken immateriellen Schadensausgleichs im Wege der Interpretation ohne zwingenden Grund in eine Gesetzesbestimmung hineinzulegen. Ein so außergewöhnlicher Gedanke hätte im Gesetz klar ausgedrückt werden müssen. Das ist nicht geschehen.
2. Vielmehr folgt gerade die wirtschaftliche Bedeutung auch der Hinterbliebenen-Grundrenten bereits aus dem Leitgedanken des Bundesversorgungsgesetzes. Dieses ist bestimmt von dem Ziel des Ausgleichs für die Opfer, die der Krieg dem Leistungsempfänger auferlegt hat. Wie § 1 Abs. 1 für die Versorgung des Beschädigten selbst eine Kriegsbeschädigung, so setzt § 1 Abs. 5 für die Versorgung der Hinterbliebenen den Tod des Kriegsbeschädigten voraus. Durch diese die Versorgung auslösenden Ereignisse wird die Gruppe der Versorgungsberechtigten bestimmt; doch werden schon die Versorgungsansprüche des Beschädigten selbst nicht nach Art eines Schmerzensgeldes oder Ehrensoldes wegen der Schädigung als solcher, sondern -- § 1 Abs. 1 BVersG -- "wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung"

BVerfGE 17, 38 (47):

gewährt. Eine entsprechende ausdrückliche Bestimmung des Gegenstandes des Ausgleichs fehlt zwar in Absatz 5; es kann aber nicht unterstellt werden, daß das Gesetz für die Hinterbliebenen den Gegenstand des Ausgleichs weiter oder anders auffaßt als für den Beschädigten selbst; vielmehr muß der ganze § 1 des Bundesversorgungsgesetzes zusammenhängend verstanden, der Gegenstand des Ausgleichs also aus Absatz 1 sinngemäß auf Absatz 5 übertragen werden. Das aber heißt -- da gesundheitliche Folgen in der Person der Hinterbliebenen ausscheiden --, daß die Hinterbliebenenversorgung als Ausgleich der wirtschaftlichen Folgen des Kriegstodes des Beschädigten für die Hinterbliebenen gedacht ist.
Auf diesen wirtschaftlichen Zweck aller Versorgungsleistungen, auch der Grundrenten der Hinterbliebenen, weist zudem die amtliche Begründung des Regierungsentwurfs des Bundesversorgungsgesetzes hin (BT I/1949 Drucks. Nr. 1333 S. 43 = BVersBl. 1951, 46 f.). Dort heißt es:
    "Das neue Gesetz kann nur in beschränktem Maße einen Ersatz wirtschaftlichen Schadens bieten und das sonstige zur Verfügung stehende Einkommen des Versorgungsberechtigten nicht außer Betracht lassen. Wer sich aus eigener Kraft zu helfen in der Lage ist, muß mit seinen Wünschen gegenüber der Notwendigkeit zurücktreten, die für die Versorgung der Kriegsopfer zur Verfügung stehenden beschränkten Mittel in erster Linie denjenigen zukommen zu lassen, die auf die Hilfe des Staates besonders angewiesen sind."
3. Aber auch die Struktur der Grundrenten im einzelnen läßt ihre wirtschaftliche Bedeutung deutlich erkennen. Schon die Grundrente des Beschädigten selbst wird nicht wegen der Beschädigung, sondern wegen der als ihre Folge auftretenden Minderung der Erwerbsfähigkeit gewährt, ist nach dieser gestaffelt und nur solange zu zahlen, wie die Erwerbsfähigkeit um mindestens 25% gemindert ist (§ 29 Abs. 1 BVersG). Vollends tritt der wirtschaftliche Charakter der Hinterbliebenen-Grundrenten bei der Bestimmung des Kreises der Berechtigten unverkennbar in Erscheinung. Wäre die Grundrente als Ersatz immateriellen Schadens gemeint, so wäre unverständlich, daß sie auch der geschiede

BVerfGE 17, 38 (48):

nen Frau und dem unehelichen Kind -- wenn die Vaterschaft nur glaubhaft gemacht ist -- zusteht. Hingegen ist die Abgrenzung des Kreises der Berechtigten folgerichtig, wenn man davon ausgeht, daß den Grundrenten Unterhaltsfunktion zukommt; denn berechtigt sind neben den gesetzlich Unterhaltsberechtigten nur Stief- und Pflegekinder, die meist tatsächlich unterhalten werden. Beim Pflegekind wird zudem der Nachweis der Unterhaltsleistung durch den Getöteten verlangt. Allerdings gewährte das Bundesversorgungsgesetz die Grundrente unehelichen Kindern bereits ebenso wie ehelichen Kindern bis zum 18. Lebensjahr, während nach dem damals noch gültigen § 1708 BGB a.F. (geändert erst durch das Familienrechtsänderungsgesetz vom 11. August 1961 -- BGBl. I S. 1221) der Erzeuger nur bis zum 16. Lebensjahr unterhaltspflichtig war. Die Gruppe der unehelichen Vater-Waisen zwischen 16 und 18 Jahren erhielt auf diese Weise durchweg Grundrente, ohne daß sie -- bis 1961 -- einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch oder tatsächliche Unterhaltsleistungen eingebüßt hatte. Diese Besonderheit beruhte jedoch darauf, daß der Gesetzgeber im Bundesversorgungsrecht vorwegnehmend dem Gebot des Art. 6 Abs. 5 des Grundgesetzes Rechnung trug, unehelichen Kindern "durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern", während § 1708 BGB a.F. dieser Forderung nicht entsprach und erst später geändert wurde. Wenn der Gesetzgeber der Verfassungsvorschrift im Versorgungsrecht früher als im bürgerlichen Recht durch eine einheitliche Altersgrenze für die Waisenrente ehelicher und unehelicher Kinder Rechnung getragen hat, so spricht das nicht dagegen, sondern gerade dafür, daß nach dem gesetzlichen Leitgedanken die Grundrenten allgemein als Ausgleich für die durch den Tod des Beschädigten verschlechterte Unterhaltsposition gedacht sind.
Schließlich zeigt die niedrige Bemessung der Ausgleichsrente nicht nur die tatsächliche Unterhaltsfunktion der Grundrenten, sondern auch ihre rechtliche Struktur als Unterhaltsersatz; denn es ist derselbe Gesetzgeber, der die Grundrenten und die Aus

BVerfGE 17, 38 (49):

gleichsrenten geschaffen und beide so bemessen hat, daß sie nur zusammen zur Deckung des Unterhaltsbedarfs ausreichen.
4. Das Sonderopfer, das den Rechtsgrund der Hinterbliebenenrenten überhaupt abgibt, ist nach alledem nicht das stets gleiche Lebensopfer des Getöteten, sondern das durchaus verschiedene wirtschaftliche Opfer der Hinterbliebenen selbst, das in der Minderung ihrer Unterhaltschancen besteht, und die Hinterbliebenenrenten sind dazu bestimmt, diese Minderung auszugleichen. Die Aufspaltung der Renten in die am Bedarf des Einzelnen orientierten Ausgleichsrenten einerseits und die typisierten, vergleichsweise niedrigen Grundrenten andererseits kennzeichnet diese ferner als Hilfe, die das Vorhandensein sonstiger Mittel zur Bestreitung des Unterhalts voraussetzt, mit anderen Worten als den pauschalierten Teilausgleich einer typischen Verschlechterung des Unterhaltsstandards der Hinterbliebenen, wie sie sich im Zeitpunkt des Todes darstellt.
Dienen die Hinterbliebenenrenten nicht dem Ausgleich immateriellen Schadens, sondern haben sie die Funktion von Unterhaltsersatz -- wenn auch nur in diesem allgemeinen Sinne --, so ist ihre Differenzierung jedenfalls nicht insgesamt aus dem von dem vorlegenden Gericht angenommenen Grunde mit Art. 3 und 6 GG unvereinbar.
II.
Doch stehen aus anderen Gründen Teile der Differenzierung in Widerspruch zu Normen des Grundgesetzes.
Maßgebend für diese Entscheidung sind weitgehend die gleichen Erwägungen wie in dem gleichzeitig verkündeten Urteil über die Regelung der Witwer- und Waisenrenten im Sozialversicherungsrecht, 1 BvL 11/61 und 30/57. Es wird nämlich hier wie dort die Grundrechtsverletzung in der Erschwerung von Renten für Ehemann und Kinder einer Ehefrau erblickt; hier wie dort wird andererseits versucht, diese Rechtsungleichheit allein mit der funktionellen Verschiedenheit der Unterhaltsleistungen von Mann

BVerfGE 17, 38 (50):

und Frau füreinander und für die Kinder zu rechtfertigen. In der Tat sind dies die entscheidenden Gesichtspunkte; es kann also weitgehend auf die Gründe des genannten Urteils verwiesen werden. Doch ergeben sich Besonderheiten für die Renten nach dem Bundesversorgungsgesetz, einmal, weil die Beschränkung der Rentenzahlungen hier weiter geht als im Sozialversicherungsrecht, zum andern, weil die Renten verschiedenes Gewicht haben: im Sozialversicherungsrecht als Existenzsicherung nach Maßgabe des versicherten Einkommens, im Versorgungsrecht als bloße Beihilfe zur Bewältigung einer typischen Bedarfslage.
III.
Wie in dem Urteil zur Witwer- und Waisenrente im Sozialversicherungsrecht so liegt hier der verfassungsrechtliche Maßstab zunächst in Art. 3 Abs. 2 und 3 und daneben in Art. 6 Abs. 1 GG (1 BvL 11/61 und 30/57, C, C IV, C V). Aus den gleichen Gründen wie in jenem Urteil kann ferner das Abwägen der Unterhaltsleistungen beider Ehegatten nicht als Verstoß gegen das in Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistete Prinzip der Einheit der Familie gewertet werden (aaO C II). Hier wie dort bedarf es einer getrennten Untersuchung der Regelung von Witwer- und Waisenrente (aaO C).
Ferner kann der Unterhaltsbegriff -- den auch das Bundesversorgungsgesetz nicht selbständig definiert -- hier nur ebenso verstanden werden wie in den Sozialversicherungs- Neuregelungsgesetzen (aaO C III). Es macht keinen Unterschied, daß die tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungen von Mann und Frau in der Familie, auf die der Begriff der Unterhaltsleistung anzuwenden ist, hier meist in den Kriegsjahren oder den ersten Nachkriegsjahren lagen. Zwar können staatliche Hoheitsakte, die vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes endgültig wirksam geworden

BVerfGE 17, 38 (51):

sind, nicht rückwirkend am Grundgesetz gemessen werden. Werden aber nach diesem Zeitpunkt Gesetze erlassen, die neue Ansprüche, sei es auch in Anknüpfung an zurückliegende Verhältnisse schaffen, dann müssen hierbei die Wertungsgebote des Grundgesetzes beachtet werden. Maßgebend für die durch Art. 3 Abs. 2 GG gebotene Gleichbewertung der Unterhaltsleistungen der Mutter, Hausfrau und Mithelfenden mit Sach- und Geldleistungen ist also, daß das Bundesversorgungsgesetz ebenso wie die Sozialversicherungs-Neuregelungsgesetze nach Inkrafttreten des Grundgesetzes neu erlassen worden ist.
In Leitgedanken und Systemzusammenhang des Versorgungsrechts spricht nichts dafür, daß etwa gerade auf diesem Rechtsgebiet der Begriff des Unterhalts, für dessen Minderung das Gesetz Ersatz schafft, allgemein nur Geld- und Sachleistungen umfasse. Die Hinterbliebenenrenten des Versorgungsrechts beruhen auf dem Rechtsgedanken, daß die Allgemeinheit verpflichtet ist, den durch Krieg bedingten Verlust von Familienleistungen durch entsprechende öffentliche Leistungen zu mildern. Dieser Rechtsgedanke gibt für eine Diskriminierung unmittelbarer, aber geldwerter Arbeitsleistungen gegenüber Sach- und Geldleistungen nichts her, denn der wirtschaftliche Verlust entsteht an den einen ebenso wie an den anderen. Die Berücksichtigung der unmittelbaren Arbeitsleistungen der Frau und Mutter ist auch kein Fremdkörper im System des Versorgungsrechts. So steht für die Gewährung der Beschädigtenrente (§ 30 BVersG) die Tätigkeit der Hausfrau einem Beruf gleich (vgl. die Verwaltungsvorschrift Nr. 1 Abs. 3 zu § 30 BVersG a.F., ebenso in der Fassung vom 14. August 1961); das Bundessozialgericht hat dementsprechend anerkannt, daß eine Armamputation, die eine Frau bei Hausarbeit und Wartung des Kindes beeinträchtigt, zur Erhöhung ihrer Rente wegen "besonderen beruflichen Betroffenseins" führen kann (BSGE 12, 20 [23]). Vor allem erhalten Vater-Waisen, solange die Mutter lebt, in Berücksichtigung ihrer Unterhaltsleistungen -- auch der unmittelbaren Arbeitsleistungen -- statt der vollen Waisengrundrente nur die Halbwaisengrundrente, die ursprünglich 10 DM

BVerfGE 17, 38 (52):

statt 15 DM ausmachte und zur Zeit 30 DM statt 60 DM beträgt (Gesetz vom 27. Juni 1960, BGBl. I S. 453).
IV.
Die Witwerrente ist im Versorgungsrecht, besonders in der hier zu prüfenden alten Fassung, weitergehend eingeschränkt als im Sozialversicherungsrecht; statt einer erschwerenden Voraussetzung stellt es deren vier auf:
    1. überwiegende Unterhaltsleistung für den Mann durch die verstorbene Ehefrau,
    2. Leistung dieses Unterhalts aus ihrem Arbeitsverdienst,
    3. Erwerbsunfähigkeit des Mannes als Grund der Unterhaltsleistung,
    4. gegenwärtige Bedürftigkeit des Mannes.
1. Im Jahre 1960 sind die Voraussetzungen zu 2), "aus ihrem Arbeitsverdienst", und zu 4), "für die Dauer der Bedürftigkeit", durch die Neufassung des § 43 im Ersten Neuordnungsgesetz gestrichen worden. Der Regierungsentwurf (BT III/1957 Drucks. 1239 S. 29) begründet diese Änderung damit, daß die bisherige Einschränkung zu 2) "mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau unvereinbar" erscheine. Dieser Begründung ist zuzustimmen; sie trifft ebenso für die Beseitigung der Voraussetzung zu 4) zu. Beide Erschwerungen der Witwerrente waren weder aus der Familiensituation noch aus Idee und Struktur des Versorgungsrechts gerechtfertigt. Die Einbuße am Unterhalt, deren Milderung die Grundrente bezweckt, ist unabhängig davon, ob die eingebüßten Unterhaltsleistungen aus Arbeitsverdienst oder aus einer anderen Quelle geflossen sind, und die Beschränkung auf die Dauer der Bedürftigkeit steht in Widerspruch zum Wesen der Grundrente, die aus der zeitlichen Sicht des Todesfalles gestaltet und im Gegensatz zur Ausgleichsrente gerade vom künftigen Einkommen unabhängig ist. Beide Erschwerungen der Witwerrente waren daher schon

BVerfGE 17, 38 (53):

im Bundesversorgungsgesetz alter Fassung mit Art. 3 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes unvereinbar.
2. Die beiden anderen Einschränkungen der Witwerrente hingegen sind mit dem Grundgesetz vereinbar, da sie der funktionalen Verschiedenheit der typischen Unterhaltsleistungen von Mann und Frau und der typischen Verschiedenheit der Ausgangssituation von Witwe und Witwer im Erwerbsleben entsprechen.
a) Die Voraussetzung, daß die Verstorbene den Lebensunterhalt ihres Mannes überwiegend bestritten haben muß, ist im Versorgungs- und Sozialversicherungsrecht im wesentlichen inhaltsgleich, obwohl die Formulierungen voneinander abweichen: überwiegende Unterhaltsleistung für die "Familie" im Sozialversicherungsrecht, für den "Mann" im Versorgungsrecht; denn bei der natürlichen Einheit des Unterhalts der in Hausgemeinschaft lebenden Familie (jetzt auch BGB § 1360 n.F.) kann der Lebensunterhalt des Mannes nur als sein Anteil aus dem Familienunterhalt bestimmt werden. Das Reichsversicherungsamt hat -- in anderem Zusammenhang -- schon 1929 in einer Grundsatzentscheidung (EuMRVA 1929, 175) ausgeführt, daß bei Ehegatten, die in häuslicher Gemeinschaft leben, der Unterstützende stets zugleich ein Unterstützter sei, sofern er seinen Verdienst in die Verbrauchsgemeinschaft einwerfe und gleichzeitig mit von dem lebe, was der so Unterstützte zu dem gemeinsamen Unterhalt seinerseits beisteuere; daher sei Gewährung des "überwiegenden Unterhalts" durch einen Ehegatten immer dann anzunehmen, wenn sein eigener Unterhaltsbeitrag mehr als die Hälfte der Gesamtunterhaltsleistungen beider Ehegatten betrage. Diese Methode, den Unterhalt des einzelnen aus dem Gesamtunterhalt beider Ehegatten zu errechnen, wird auch in der "Änderung der Richtlinien nach § 155 Abs. 3 Satz 2 des Bundesbeamtengesetzes" vom 26. September 1958 (Beilage zum BAnz. 1958 Nr. 188) vorgeschrieben und wird vom Bundessozialgericht, Bundesverwaltungsgericht und Bundesgerichtshof, im Prinzip übereinstimmend, auf verschiedenen Rechtsgebieten angewandt (vgl. BSGE 10, 28 [31, 32] und 11, 198 [201 f.], beide zur Familienhilfe nach § 205 RVO, sowie

BVerfGE 17, 38 (54):

14, 129 [133] zur Witwerrente aus RVO; Bundesverwaltungsgericht in FamRZ 1962, 143 zur Witwerpension im Beamtenrecht; Bundesgerichtshof z.B. in NJW 1957, 537 und 1959, 2062 sowie FamRZ 1960, 23 i.V.m. §§ 844, 845 BGB). Obwohl weder die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften noch, soweit festgestellt, das Bundessozialgericht sich zu § 43 BVersG ausdrücklich hierüber geäußert haben, ist entsprechend jener allgemeinen und allein sachgerechten Auffassung auch hier von dieser Berechnungsweise auszugehen, so daß die Voraussetzungen überwiegender Unterhaltsleistungen für die Familie im Sozialversicherungsrecht und überwiegender Unterhaltsleistungen für den Mann im Versorgungsrecht praktisch die gleiche Bedeutung haben.
Die Vereinbarkeit dieser Erschwerung der Witwerrente im Versorgungsrecht mit Art. 3 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes ist daher aus denselben Gründen zu bejahen wie in dem zum Sozialversicherungsrecht ergangenen Urteil in den Sachen 1 BvL 11/61 und 30/57. Auf die Ausführungen dort zu C IV wird verwiesen.
b) Auch die Voraussetzung, daß die überwiegende Unterhaltsleistung der Frau wegen der Erwerbsunfähigkeit des Mannes erfolgt sein muß, ist verfassungsrechtlich hinzunehmen. Sie entsprach -- nicht im Wortlaut, aber der Sache nach -- dem Bürgerlichen Gesetzbuch alter Fassung, das der Frau nur dann eine Unterhaltspflicht auferlegte, wenn der Mann außerstande war, sich selbst zu unterhalten (§ 1360 Abs. 2 BGB a.F.). Nach der an Art. 3 Abs. 2 GG orientierten Rechtsauffassung ist heute die erwerbstätige Frau neben ihren häuslichen Unterhaltsleistungen zu einem angemessenen Geldbeitrag zum Unterhalt verpflichtet, auch wenn der Mann imstande ist, sich selbst zu unterhalten. Es kann also auch der Mann eine Einbuße an seinem Unterhaltsstandard erleiden, ohne daß er erwerbsunfähig wäre. Die Arbeiter- und Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetze aus dem Jahre 1957 -- § 1266 Abs. 1 ArVNG und § 43 AnVNG -- und das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30. April 1963

BVerfGE 17, 38 (55):

(BGBl. I S. 241) -- § 593 -- haben dementsprechend die früher auch dort aufgestellte Voraussetzung der Erwerbsunfähigkeit gestrichen, "weil sie sich mit dem Gleichberechtigungsgrundsatz schlecht vereinbaren" lasse, wie es im Entwurf der CDU/CSU zum Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz heißt (BT IV/1961 Drucks. 120 zu § 591 S. 59). Hingegen ist in § 43 des Ersten Neuordnungsgesetzes die Erwerbsunfähigkeit des Mannes in leicht abgewandelter Form -- "weil seine Arbeitskraft und seine Einkünfte... nicht ausreichen" -- erneut als Voraussetzung der Witwerrente normiert.
Die an Art. 3 Abs. 2 GG orientierten neuen Regelungen auf verwandten Gebieten des öffentlichen Rechts unterstreichen gewiß die Bedenken gegen die erschwerende Voraussetzung der "Erwerbsunfähigkeit". Doch führen spezifisch versorgungsrechtliche Erwägungen dazu, daß wegen der in aller Regel wesentlich verschiedenen Situation von Witwe und Witwer im Erwerbsleben eine Verletzung von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG nicht festgestellt werden kann.
Unbeschadet der wechselseitigen und prinzipiell gleich bewerteten Unterhaltspflicht der Ehegatten trägt auch das bürgerliche Recht dieser Verschiedenheit Rechnung: In Übereinstimmung mit sittlichen und gesellschaftlichen Anschauungen verpflichtet es den Mann generell, seinen Beitrag zum Unterhalt durch Erwerbsarbeit zu leisten, die Frau nur dann, wenn die Arbeitskraft des Mannes zur Unterhaltsbeschaffung nicht ausreicht -- § 1360 BGB n.F. Demgemäß kann bei Auflösung der Ehe durch Scheidung oder Trennung der schuldlose Mann, sofern er erwerbsfähig ist, stets darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch Erwerbstätigkeit zu verdienen, die Frau nur, wenn die Arbeitskraft des Mannes nicht ausreicht oder seine Inanspruchnahme nach den besonderen Umständen des Falles grob unbillig wäre -- § 1361 BGB n.F. Erwerbstätigkeit wird der Frau also auch familienrechtlich nur in engen Grenzen zugemutet, ihr im Vergleich zum Mann erweiterter Bedarf nach Unterhaltshilfe bei Auflösung der Ehe durch Scheidung oder Trennung auch familienrechtlich anerkannt. Diese

BVerfGE 17, 38 (56):

Verschiedenheit des Bedarfs besteht in gleicher Weise bei Auflösung der Ehe durch den Tod (vgl. zu den Grenzen der Zumutbarkeit von Erwerbstätigkeit für die verwitwete Frau grundlegend BGHZ 4, 170 [175, 176]; ferner 10, 18 [20] und Bundesgerichtshof in NJW 1955, 785 und FamRZ 1960, 23 [25 Sp. 2]). Bei der Zielsetzung der Grundrente, den Verlust von Unterhaltsansprüchen zu mildern, liegt es in der Natur der Sache, daß von dieser familienrechtlichen Verschiedenheit auch hier ausgegangen wird. Hinzu kommt als ein bestimmendes Element des ganzen Versorgungsrechts der Grundsatz, daß derjenige mit seinen Wünschen nach staatlicher Hilfe zurücktreten muß, der "sich aus eigener Kraft zu helfen in der Lage ist" (vgl. das umfassendere Zitat aus BT I/1949 Drucks. Nr. 1333 oben zu C I 2). Die Pflicht, einen Verlust, dessen Ersatz die Gemeinschaft zu tragen hat, selbst zu mildern, soweit das zumutbar ist, hat unser Sozialrecht vielfach geformt und kann geradezu als ein Ausfluß des Prinzips der Sozialstaatlichkeit bezeichnet werden (Bogs, Verhandl. des 43. Deutschen Juristentages 1962, Bd. 2 G 36). Im Versorgungsrecht hat sie in erster Linie darin Ausdruck gefunden, daß der Beschädigte selbst nicht für jede Beschädigung, deren Überwindung aus eigener Kraft billigerweise erwartet werden kann, eine Rente erhält, sondern erst dann, wenn die Beschädigung eine Erwerbsminderung von mindestens 25% zur Folge gehabt hat. Auch die erschwerende Voraussetzung der Erwerbsunfähigkeit für die Witwerrente findet in der Pflicht zu zumutbarer Minderung der Einbuße am Unterhalt aus eigener Kraft ihre Rechtfertigung. Denn die erwerbswirtschaftliche Situation von Witwe und Witwer kann, wie in dem Urteil zur Witwer- und Waisenrente in der Sozialversicherung 1 BvL 11/61 und 30/57 zu C IV 1 b dargelegt ist, wegen der Fortwirkung ihrer verschiedenen Funktionen während der Ehe nach ihrer allgemeinen Erscheinung nicht gleich behandelt werden: In aller Regel ist für den erwerbsfähigen Witwer die Chance, eine Unterhaltseinbuße durch eigene,

BVerfGE 17, 38 (57):

zumutbare Erwerbstätigkeit wettzumachen, viel größer als für die Witwe; selbst wenn sie erwerbstätig war, stünde sie der Aufgabe, ihren Verlust durch eigene Kraft auszugleichen -- die nach dem Charakter der Grundrente als Beihilfe auch ihr gestellt ist --, unter wesentlich ungünstigeren Bedingungen gegenüber als der Witwer. Sie bedarf also in aller Regel einer Hilfe, deren der erwerbsfähige Witwer nicht bedarf.
Bei der Bedeutung des Gedankens der Abhilfe aus eigener Kraft im Versorgungsrecht und der Aufgabe der Grundrente, hierbei nur eine Beihilfe zu leisten, kann es nicht beanstandet werden, wenn dieser Verschiedenheit durch die zusätzliche Voraussetzung der Erwerbsunfähigkeit für die Witwerrente Rechnung getragen wird. Der Witwer wird dadurch nicht im Sinne von Art. 3 Abs. 2 und 3 GG benachteiligt, sondern es wird eine wesentliche Verschiedenheit der Lebenssituation berücksichtigt.
c) Die verfassungsrechtlichen Grenzen zulässiger Typisierung sind auch nicht überschritten; das ergibt sich -- wie schon für die Sozialversicherung in dem Urteil 1 BvL 11/61 und 30/57 zu C IV 2 aufgezeigt -- aus der besonderen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei staatlichen Darreichungen.
Da Erwerbsunfähigkeit des Mannes Voraussetzung der Witwerrente ist, kann es hier, anders als im Sozialversicherungsrecht, allerdings vorkommen, daß ein Mann "benachteiligt" wird, wenn er sich nämlich ausschließlich dem Haushalt gewidmet hatte, obgleich er nicht erwerbsunfähig war, während die Geldleistungen ausschließlich von der Frau aufgebracht wurden. In solchem Fall erleidet der Mann durch den Tod der Frau eine empfindliche Einbuße am Unterhaltsstandard, ohne aber eine Witwerrente zu bekommen (vgl. den im Urteil des Bundessozialgerichts vom 14. März 1957 -- BSGE 5, 26 -- entschiedenen Fall). Solche Fälle sind jedoch selten. Der Gesetzgeber durfte von ihnen auch deshalb absehen, weil die Härteklausel des § 89 BVersG für solche bei der Typisierung nicht vorgesehenen Fälle einen Weg zur Milderung eröffnet.


BVerfGE 17, 38 (58):

Häufiger werden Witwen Grundrente bekommen, ohne daß der Tod des Mannes ein empfindliches wirtschaftliches Opfer verursacht hätte und ohne daß ihre Erwerbschancen schlechter wären als die eines Mannes in vergleichbarer Situation. Die Zahl solcher Fälle wird im Versorgungsrecht größer sein als im Sozialversicherungsrecht, weil jenes vor allem die Witwen von Soldaten betrifft, die öfter jung und kinderlos sind. Erträglich wird das, weil die Grundrente schon ihrer Anlage und Bestimmung nach nicht den effektiv entstandenen Ausfall decken, sondern nur pauschal der Erleichterung des wirtschaftlichen Fortkommens dienen soll. Dies führt relativ oft -- und nicht nur bei Witwen -- dazu, daß Personen die Grundrente erhalten, die keinen effektiven wirtschaftlichen Nachteil haben. Es ist bekannt, daß viele Beschädigte die Grundrente -- die ja nur an eine körperliche Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 25% geknüpft ist -- beziehen, obwohl sie von Anfang an durch keinerlei Erwerbsausfall betroffen sind. Als Teilerscheinung dieser allgemeinen Eigentümlichkeit der Grundrente kann auch die mit der Typisierung verbundene Bevorzugung einer Gruppe von Witwen noch hingenommen werden.
V.
Die Erschwerung der Renten für Kinder verheirateter Frauen, die an den Folgen einer Kriegsschädigung gestorben sind, ist jedoch mit dem Grundgesetz unvereinbar.
1. Die Gründe dafür sind im wesentlichen dieselben wie beim Waisengeld und Kinderzuschuß im Sozialversicherungsrecht (vgl. das Urteil 1 BvL 11/61 und 30/57 zu C V). Die verschiedene Formulierung der Erschwerungen führt allerdings im Versorgungsrecht in zwei Punkten zu anderen Folgen: Hier erhalten auch die Waisen der geschiedenen Frau, ebenso wie die der Ehefrau, beim Überleben des Vaters keine Halbwaisenrente -- während sie sie im Sozialversicherungsrecht ebenso wie uneheliche Kinder erhalten -; ferner bekommen die Waisen nach Ehefrauen

BVerfGE 17, 38 (59):

und geschiedenen Frauen, wenn später auch der Vater stirbt, ebenso wie alle anderen Kinder Vollwaisenrente -- während es im Sozialversicherungsrecht auch dann bei der Versagung der Waisenrente nach der verstorbenen Mutter bleibt. Diese Verschiedenheiten sind jedoch Randerscheinungen, die gegenüber der in beiden Gesetzen parallellaufenden verfassungswidrigen Differenzierung nichts ausmachen.
Die Erschwerung der Waisenrente knüpft ferner im Versorgungsrecht -- anders als im Sozialversicherungsrecht -- schon ihrem Wortlaut nach an die Erschwerung der Witwerrente an. Der Regierungsentwurf des Bundesversorgungsgesetzes sagt zur Begründung der Bestimmung nur:
    "Ist die Mutter eines ehelichen Kindes gestorben, lebt aber der Vater noch, so erscheint wegen der Unterhaltungspflicht des Vaters die Gewährung einer Waisenrente nur dann vertretbar, wenn der Vater selbst bedürftig ist und deshalb Witwerrente bezieht." (BT I/1949 Drucks. 1333 S. 60.)
Doch ist im Sozialversicherungsrecht, wie in dem Urteil 1 BvL 11/61 und 30/57 zu C V 3 dargelegt, die Erschwerung von Witwer- und Waisenrenten der Sache nach in gleicher Weise verknüpft. Es kann deshalb hier wiederum weitgehend auf die Ausführungen in jenem Urteil verwiesen werden: Hier wie dort ist die ungleiche Regelung der Waisenrente auch an Art. 3 Abs. 2 und 3 GG zu messen (aaO zu C V 1); und hier wie dort sind die für die Vereinbarkeit der Witwerrenten-Regelung mit der Verfassung maßgebenden Gründe ungeeignet, auch die Regelung der Waisenrente zu rechtfertigen (aaO zu C V 3).
2. Wie dort (aaO zu C V 4) vermag schließlich auch keiner der drei anderen denkbaren Rechtfertigungsversuche die Benachteiligung der Waisen nach Ehefrauen zu rechtfertigen. Hier tritt beim Versorgungsrecht folgendes hinzu:
a) Die Berechtigung der Voraussetzung "überwiegender Unter

BVerfGE 17, 38 (60):

haltsleistung" ist, wie dargelegt, bei der Witwerrente in der Wechselseitigkeit der ehelichen Unterhaltsleistungen begründet. Die Übertragung dieser Voraussetzung auf die Waisenrente durch die Verknüpfung mit der Witwerrente ist hingegen sinnwidrig, weil hier die Wechselseitigkeit fehlt: Die Unterhaltsleistungen der Eltern für das Kind laufen nebeneinander her. Ein allgemeiner Gedanke, nach dem die Grundrente den Verlust des überwiegenden Unterhalts voraussetzen würde, ist dem Versorgungsrecht ebenso fremd wie dem Sozialversicherungsrecht: Der Beschädigte selbst erhält die Grundrente bereits, wenn seine Erwerbsunfähigkeit um 25% (nicht überwiegend) gemindert ist; die schuldlos geschiedene Frau erhält sie, wenn der Verstorbene nach den eherechtlichen Vorschriften Unterhalt zu gewähren hätte -- es genügt also ihr Anspruch auf einen nicht überwiegenden Unterhaltszuschuß; das uneheliche Kind bekommt Waisenrente nach der Mutter, obwohl die Pflicht zu geldlicher Unterhaltsleistung allein dem Vater obliegt (§ 1708 BGB), und eheliche Kinder erhalten nach dem Tode des Vaters lediglich Halbwaisenrente und erst beim Tode beider Eltern die Vollrente, unabhängig davon, ob und welcher Elternteil sie überwiegend unterhalten hat. Immer ist nicht der Verlust des überwiegenden Unterhalts, sondern ein -- nicht unbeachtliches -- Opfer am Unterhaltsstandard überhaupt Voraussetzung der Hinterbliebenengrundrente. Daß ein solches Opfer auch beim Tode der Mutter vorliegt, wird allgemein anerkannt. Zutreffend sagt der 9. Senat des Bundessozialgerichts in seiner Äußerung in diesem Zusammenhang, daß die Beiträge von Vater und Mutter zum Unterhalt des Kindes "beide von gleicher wirtschaftlicher Bedeutung sind".
b) Ebensowenig kann die Erschwerung der Waisenrente durch die Verknüpfung mit der Witwerrente damit gerechtfertigt werden, daß der überlebende eheliche Vater als Unterhaltspflichtiger die Leistungen der getöteten Mutter zusätzlich zu übernehmen habe. Auch dieser Gedanke der Abwälzung entspricht nicht dem Wesen der Grundrente.
Die Grundrente wird, wie schon verschiedentlich hervorgeho

BVerfGE 17, 38 (61):

ben, ohne Rücksicht auf die laufenden Einkünfte des Berechtigten gewährt. Demgemäß erhält die Waise oder Halbwaise die Grundrente nicht nur unabhängig von eigenem Arbeitseinkommen oder Vermögen, sondern auch unabhängig davon, ob der Getötete oder ein verstorbener Elternteil für den Unterhalt des Kindes vorgesorgt hat. Es ist also gerade Ausdruck eines allgemeinen Gedankens des Versorgungsrechts, daß die Grundrente nicht von Leistungen anderer Unterhaltspflichtiger abhängig gemacht ist. Im Gegensatz dazu wurde bis 1960 bei der Ausgleichsrente der Waise vorausgesetzt, daß der Lebensunterhalt "nicht auf andere Weise sichergestellt war"; hier mußte geprüft werden, ob und inwieweit der durch den Tod eines Elternteils erhöhte Unterhaltsbedarf des Kindes bereits durch eigene Arbeit oder Vermögen, durch Waisenpension oder Sozialrente oder auch durch Leistungen eines Unterhaltspflichtigen zu befriedigen war. Diesen Gedanken in die Grundrente hinüberzunehmen geht nicht an. In der Neufassung des § 47 durch das Erste Neuordnungsgesetz ist das Fehlen anderweitiger Sicherung des Lebensunterhalts sogar für die Ausgleichsrente als allgemeine Voraussetzung gestrichen worden; auch mindern Leistungen Unterhaltspflichtiger -- mit alleiniger Ausnahme von Leistungen der überlebenden Mutter -- die Ausgleichsrente nicht im Wege der Anrechnung (§ 2 Abs. 1 Ziff. 19 und § 15 Abs. 3 DVO zu § 33 BVersG vom 11. Januar 1961 [BGBl. I S. 19]).
Es ist also aus Sinn und Struktur des Versorgungsrechts kein Grund dafür zu entnehmen, warum die Chance, daß der überlebende und erwerbsfähige eheliche Vater zusätzlich die Unterhaltsleistungen der ehelichen Mutter übernehmen werde, für die Halbwaisen nach der ehelichen Mutter zur Versagung der Halbwaisenrente führen soll, während alle anderen Halbwaisen sie ohne weiteres erhalten, das heißt ohne Rücksicht auf ihre laufenden Subsistenzmittel überhaupt und auf die Leistungen des überlebenden Elternteils insbesondere.
c) Daß der Vater die mütterlichen Leistungen ohne zusätzliche Aufwendungen nicht ersetzen kann, vielmehr -- als Faustregel --

BVerfGE 17, 38 (62):

beim Tode der Mutter etwa mit einer Verdopplung des Baraufwandes für den Unterhalt eines Kindes rechnen muß, ist schließlich in dem Urteil 1 BvL 11/61 und 30/57 -- zu C V 4 c -- ebenfalls bereits dargelegt.
d) Auch gilt für das Versorgungsrecht wie für das Sozialversicherungsrecht, daß kein Grund für die Benachteiligung der Waisen nach Ehefrauen gegenüber den Waisen nach Witwen und unverheirateten Müttern zu erkennen ist.
3. Die Erschwerung der Rente für Waisen beim Tode von Ehefrauen ist hiernach unvereinbar mit Art. 3 Abs. 2 und 3 GG wegen der Benachteiligung gegenüber Kindern beim Tode von Vätern. Da das Bundesversorgungsgesetz die Waisenrente allein für die Waisen erschwert, deren Mütter "Ehefrauen" sind, verletzt es zugleich Art. 6 Abs. 1 GG (vgl. das Urteil 1 BvL 11/61 und 30/57 zu C V 4 e). Zu den Ehefrauen in diesem Sinne gehören auch die Geschiedenen, da das Bundesversorgungsgesetz zwischen Kindern von verheirateten und geschiedenen Müttern nicht unterscheidet (vgl. oben zu C V 1). In Anwendung des Rechtsgedankens des § 78 Satz 2 BVerfGG erscheint es geboten, die Nichtigkeit des § 45 Abs. 5 Satz 1 BVersG ohne Einschränkung auszusprechen, obwohl es sich im Ausgangsverfahren um eine verheiratete Frau handelt.