BVerfGE 31, 314 - 2. Rundfunkentscheidung |
1. Die Tätigkeit der Rundfunkanstalten vollzieht sich im öffentlich-rechtlichen Bereich. Die Rundfunkanstalten stehen in öffentlicher Verantwortung, nehmen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr und erfüllen eine integrierende Funktion für das Staatsganze. Ihre Tätigkeit ist nicht gewerblicher oder beruflicher Art. |
2. Der Bund kann nicht kraft seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für die Verkehr- und Verbrauchsteuer durch eine Fiktion die in der Veranstaltung von Rundfunksendungen bestehende Tätigkeit der Rundfunkanstalten für den Bereich des Umsatzsteuerrechts in eine Tätigkeit gewerblicher oder beruflicher Art umdeuten. |
Urteil |
des Zweiten Senats vom 27. Juli 1971 auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 1971 |
-- 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68 -- |
in dem Verfahren 1. zur verfassungsrechtlichen Prüfung des § 2 Abs. 3 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) vom 29. Mai 1967 (BGBl. I S. 545) - Antrag der Hessischen Landesregierung vom 27. September 1968 -, 2. über die Verfassungsbeschwerden a) des Bayerischen Rundfunks, b) des Hessischen Rundfunks, c) des Norddeutschen Rundfunks, d) des Radio Bremen, e) des Saarländischen Rundfunks, f) des Süddeutschen Rundfunks, g) des Südwestfunks, h) des Westdeutschen Rundfunks gegen § 2 Abs. 3 Satz 2 und § 12 Abs. 2 Nr. 7a des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) vom 29. Mai 1967 (BGBl. I S. 545) - Bevollmächtigter zu 1) und 2): Rechtsanwalt Professor Dr. Adolf Arndt, Kassel-Wilhelmshöhe, Im Druseltal 12 -. |
Entscheidungsformel: |
1. § 2 Abs. 3 Satz 2 Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer) vom 29. Mai 1967 (Bundesgesetzbl. I S. 545) ist mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig. |
2. Die Bundesrepublik Deutschland hat den beschwerdeführenden Rundfunkanstalten die notwendigen Auslagen zu erstatten. |
Gründe: |
A. |
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob § 2 Abs. 3 Satz 2 Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer) vom 29. Mai 1967 (BGBl. I S. 545) - im folgenden: UStG 1967 -, nach dem die Tätigkeit der Rundfunkanstalten als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne dieses Gesetzes gilt, mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Unter "Rundfunk" werden im folgenden Hörfunk und Fernsehen verstanden.
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I. |
1. Der Umsatzsteuer unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt (§§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967 wie auch schon Umsatzsteuergesetz vom 16. Oktober 1934 in der Fassung vom 1. September 1951 [UStG 1951] - BGBl. I S. 791 -). |
Nach dem Umsatzsteuergesetz 1951 war die Ausübung der öffentlichen Gewalt keine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit (§ 2 Abs. 3) und unterlag damit nicht der Umsatzbesteuerung. Dazu bestimmte § 19 Abs. 1 Satz 1 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz, daß der Bund, die Länder, die Gemeinden, die Gemeindeverbände, die Zweckverbände und die anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts insoweit nicht gewerblich oder beruflich tätig seien, als sie "öffentlich-rechtliche Aufgaben" erfüllten.
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§ 4 Nr. 7 UStG 1951 erklärte die Umsätze des Bundes im Post- und Fernmeldeverkehr einschließlich des Rundfunks für steuerfrei. Diese aus dem Jahre 1934 stammende, auf die Zuständigkeit des Reiches für das Rundfunkwesen zugeschnittene Bestimmung wurde im Jahre 1957 durch § 4 Nr. 22 UStG 1957 ergänzt (Neuntes Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes vom 18. Oktober 1957 [BGBl. I S. 1743]). Nach dieser Bestimmung waren umsatzsteuerfrei die Umsätze der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, jedoch nur, soweit sie in Rundfunkhörer- und Fernsehteilnehmergebühren bestanden.
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2. Bei Einführung des Mehrwertsteuer-Systems durch das Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer) vom 29. Mai 1967 wurde die Umsatzbesteuerung der Rundfunkanstalten neu geregelt.
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§ 2 Abs. 3 UStG 1967 lautet:
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"Die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Ziff. 6 des Körperschaftsteuergesetzes) und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Die Tätigkeit der Rundfunkanstalten gilt als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne dieses Gesetzes."
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Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7a UStG 1967 in der Fassung des Gesetzes vom 18. Oktober 1967 (BGBl. I S. 991) beträgt der Steuersatz für die Leistungen der Rundfunkanstalten, soweit die Entgelte in Rundfunkgebühren bestehen, 5+ vom Hundert.
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II. |
1. Die Regierung des Landes Hessen hat mit Schriftsatz vom 27. September 1968 beantragt, im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle § 2 Abs. 3 Satz 2 Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer) vom 29. Mai 1967 (BGBl. I S. 545) für nichtig zu erklären.
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Unter Hinweis auf Rechtsgutachten von Rechtsanwalt Dr. Walter Eckhardt, Köln, Professor Dr. Hans Schneider, Heidelberg, und Rechtsanwalt Walter Seuffert, München, die im Gesetzgebungsverfahren erstattet worden sind, führt die Antragstellerin aus:
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Aus dem bundesstaatlichen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland ergebe sich sowohl die gegenseitige Unabhängigkeit und Selbständigkeit der einzelnen Gliedstaaten untereinander und gegenüber dem Bunde als auch der hergebrachte Grundsatz, daß die Ausübung der öffentlichen Gewalt im Sinne von Erfüllung staatlicher Aufgaben nicht steuerbar sei. Der Bund könne, außer durch seine Verfassung, nicht bestimmen, welche Aufgaben als staatliche sich ein Land stelle. Die Kompetenz auf dem Gebiet des Rundfunkwesens, von der Sendetechnik abgesehen, liege ausschließlich bei den Ländern, wie im Fernseh-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 12, 205) näher dargelegt sei. Der Rundfunk in Deutschland sei durch die zuständigen Landesgesetzgeber hoheitlich organisiert. Sobald ein Land als Staat im Rahmen seiner Zuständigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts eine Aufgabe durch Gesetz zuweise, habe die juristische Person des öffentlichen Rechts kraft Zuweisung insoweit eine öffentliche Aufgabe zu erfüllen, das heiße, sie sei in Ausübung öffentlicher Gewalt tätig. An diese Entscheidung der Landesgesetzgeber sei der Bund gebunden und könne auch nicht kraft seiner Umsatzsteuerkompetenz die hoheitliche Tätigkeit der Rundfunkanstalten im Wege einer Fiktion für den Bereich der Umsatzsteuer in eine gewerbliche oder berufliche umdeuten. Die Rundfunk- und Fernsehgebühren, die den Rundfunkanstalten durch Landesrecht zugewiesen würden, seien Mittel der Länder. Diese seien verpflichtet, den Rundfunk zu finanzieren. Der Versuch des Bundes, sich steuerliche Einnahmen aus einer Umsatzbesteuerung der den Rundfunkanstalten zufließenden Einnahmen zu erschließen, sei also im Grunde eine Besteuerung der Länder durch den Bund. Dieser Versuch und die Mißachtung der landesrechtlichen Organisation des Rundfunks durch den Bund stelle zugleich einen Verstoß gegen den Verfassungsgrundsatz dar, daß Bund und Länder wechselseitig zu bundesfreundlichem Verhalten verpflichtet seien. |
Die Kompetenzüberschreitung des Bundes folge auch daraus, daß die angefochtene Bestimmung nicht Steuerrecht, sondern in Wahrheit Rundfunkrecht setze. Die auf die Rundfunk- und Fernsehgebühren erhobene Steuer sei keine Umsatzsteuer. Die Rundfunkanstalten seien keine Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts. Sie verbreiteten ihre Sendungen unabhängig davon, ob sie empfangen würden oder wer sie außerhalb des den Anstalten zugeordneten Bereichs empfange. Die Gebühren bezögen sich nicht auf die Sendungen, die unentgeltlich seien, sondern auf das Veranstalten der Sendungen. In Wahrheit seien die Sendungen nicht dazu bestimmt, Einnahmen zu erzielen, sondern dienten dazu, die den Rundfunkanstalten durch Gesetz zugewiesene öffentliche Aufgabe der "Nachrichtengebung im weitesten Sinne" zu erfüllen. Es fehlten auch die der Umsatzsteuer wesentlichen Tatbestandsmerkmale der Lieferung und des Leistungsaustausches. Schließlich sei der Umsatzsteuer wesenseigen, daß sie auf Abwälzbarkeit hin angelegt sei. Eine Belastung gesetzlicher Gebühren mit Umsatzsteuer könne jedoch rechtlich auf Abwälzbarkeit hin nicht angelegt sein.
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Die angefochtene Bestimmung verstoße weiter gegen das Grundrecht der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG). Die Rundfunkfreiheit schütze auch die Mittel, insbesondere die den Rundfunkanstalten nach Landesrecht zur Verfügung gestellten Gelder. Das folge notwendig aus der Sondersituation im Bereich des Rundfunkwesens, die besondere Vorkehrungen zur Verwirklichung und Aufrechterhaltung der in Art. 5 Abs. 1 GG gewähr leisteten Freiheit des Rundfunks fordere, und aus dem Gewährleistungsauftrag der Länder. Der Bund habe angesichts der Ausschließlichkeit, mit der sich der Gewährleistungsauftrag an die Länder richte, kein Recht, die Höhe der Gebühren zu beeinflussen. |
2. Der Bayerische Rundfunk, der Hessische Rundfunk, der Norddeutsche Rundfunk, Radio Bremen, der Saarländische Rundfunk, der Süddeutsche Rundfunk, der Südwestfunk und der Westdeutsche Rundfunk haben mit Schriftsatz vom 10. Oktober 1968 Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen §§ 2 Abs. 3 Satz 2 und 12 Abs. 2 Nr. 7a Umsatzsteuergesetz 1967 eingelegt. Die beschwerdeführenden Rundfunkanstalten, die sich dem Bund gegenüber für grundrechtsfähig halten, sehen durch § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 ihre Grundrechte aus den Art. 5 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot bundesfreundlichen Verhaltens verletzt.
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III. |
1. Für die Bundesregierung hat sich der Bundesminister der Finanzen geäußert. Er hält den Antrag der Hessischen Landesregierung und die Verfassungsbeschwerde der Rundfunkanstalten unter Bezugnahme auf ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Konrad Zweigert, Hamburg, für unbegründet und führt aus: § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 enthalte keine Fiktion, sondern stelle nur klar, daß die Tätigkeit der Rundfunkanstalten eine gewerbliche oder berufliche im Sinne des Umsatzsteuerrechts sei. Die auf die Rundfunk- und Fernsehgebühren erhobene Steuer sei ihrem Wesen nach eine Umsatzsteuer, für die dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zustehe. Insbesondere sei ein Leistungsaustausch im Sinne des Umsatzsteuerrechts zwischen Rundfunkanstalten und Rundfunk- bzw. Fernsehteilnehmern anzunehmen. Selbst wenn man der Auffassung zustimme, daß es zu den Wesensmerkmalen der Umsatzsteuer gehöre, die rechtliche Möglichkeit der Abwälzung zu gewährleisten, würde die den Rundfunkanstalten auferlegte Steuer ihren Charakter als Umsatzsteuer nicht verlieren, da die Weiter gabe der Steuerlast allenfalls aus politischen, nicht aber aus rechtlichen Gründen scheitern könnte. Aus der verfassungsrechtlichen Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten ergebe sich zwar eine Schranke für die Ausübung der dem Bund und den Ländern im Grundgesetz eingeräumten Gesetzgebungskompetenzen. Eine Verletzung dieser Rechtspflicht und damit ein verfassungswidriges Verhalten könne aber nur angenommen werden, wenn die Inanspruchnahme der Kompetenz mißbräuchlich sei. Die Formulierung der angegriffenen Vorschrift berühre in keiner Weise die Entscheidung der zuständigen Landesgesetzgeber, in welcher Organisationsform Rundfunk veranstaltet werde. Aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 ergebe sich unzweideutig, daß sich die Wirkung dieser Bestimmung auf das in den Zuständigkeitsbereich des Bundesgesetzgebers fallende Umsatzsteuergesetz beschränken solle. Entschließe sich aber der Bundesgesetzgeber aus Gründen der Praktikabilität zum Gebrauch einer Fiktion für die beschränkten Zwecke eines von ihm im Rahmen seiner Kompetenzen erlassenen Gesetzes, so liege darin ein offenbarer Mißbrauch seiner legislatorischen Freiheit selbst dann nicht, wenn mit der Fiktion das Gegenteil dessen ausgesagt werde, was ein Landesgesetzgeber für seinen Zuständigkeitsbereich festgelegt habe. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zu bundestreuem Verhalten liege auch nicht darin, daß die Rundfunkanstalten überhaupt in die Umsatzbesteuerung einbezogen worden seien. Die Rundfunk- und Fernsehgebühren seien Mittel der Rundfunkanstalten und nicht Mittel der Länder. Es liege daher keine Besteuerung der Länder durch den Bund vor. Entscheidend sei auch nicht, ob eine Besteuerung öffentlich-rechtlicher Funktionen der Länder vorliege, sondern ob der Bund durch eine von ihm erhobene Steuer die Erfüllung der Aufgaben gefährde, die den Ländern vom Grundgesetz übertragen seien. Es lasse sich aber nicht sagen, daß der Bund durch die Einbeziehung der Rundfunkanstalten in die Umsatzbesteuerung die Wahrnehmung der Aufgabe der Länder in unzumutbarer Weise erschwere, für die Veranstaltung von Rundfunk Sorge zu tragen. |
Ein Verstoß gegen Art. 5 GG könne nicht angenommen werden, weil die auf die Rundfunk- und Fernsehgebühren erhobene Umsatzsteuer die wirtschaftliche Basis und damit die Unabhängigkeit und Neutralität der Rundfunkanstalten nicht antaste. Schließlich sei Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt, da sachgerechte Erwägungen die angefochtene Vorschrift rechtfertigten. Die Besteuerung der Rundfunkgebühren sei geeignet, die Wettbewerbsverzerrungen zu mindern, die zwischen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und privaten Massenkommunikationsmitteln aufgetreten seien. |
2. Die Bayerische Staatsregierung, die Regierung des Landes Baden-Württemberg, die Landesregierung des Landes Nordrhein- Westfalen und die Landesregierung von Rheinland-Pfalz haben mitgeteilt, sie hielten den Normenkontrollantrag des Landes Hessen für begründet und schlössen sich den Ausführungen der Hessischen Landesregierung an.
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3. Der Senat hat am 4. Mai 1971 beschlossen, das Normenkontrollverfahren auf Antrag der Hessischen Landesregierung mit dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Rundfunkanstalten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.
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4. Vizepräsident Seuffert hat vor Verabschiedung des Umsatzsteuergesetzes 1967 als Rechtsanwalt für die Rundfunkanstalten ein Rechtsgutachten zur Frage der Umsatzsteuerpflicht für Rundfunk- und Fernsehgebühren erstattet. Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG ist er daher von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen.
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B. |
Gegen die Zulässigkeit des Antrags der Hessischen Landesregierung bestehen keine Bedenken. Auch die Verfassungsbeschwerde der Rundfunkanstalten ist zulässig.
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1. Die beschwerdeführenden Rundfunkanstalten sind rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts. Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Für juristische Personen des öffentlichen Rechts gelten sie jedoch grundsätzlich nicht, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen; der Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde steht ihnen insoweit nicht zu (BVerfGE 21, 362 [369 ff.]). |
Etwas anderes gilt dann, wenn ausnahmsweise die betreffende juristische Person des öffentlichen Rechts unmittelbar dem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich zuzuordnen ist (BVerfGE 21, 362 [373]). Aus diesem Grunde hat das Bundesverfassungsgericht die Grundrechtsfähigkeit der Universitäten und Fakultäten für das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG anerkannt (BVerfGE 15, 256 [262]). Entsprechendes gilt für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Sie sind Einrichtungen des Staates, die Grundrechte in einem Bereich verteidigen, in dem sie vom Staate unabhängig sind. Gerade um die Verwirklichung des Grundrechts der Rundfunkfreiheit zu ermöglichen, sind die Rundfunkanstalten als vom Staat unabhängige, sich selbstverwaltende Anstalten des öffentlichen Rechts durch Gesetze geschaffen worden; ihre Organisation ist derart, daß ein beherrschender Einfluß des Staates auf die Anstalten unmöglich ist. Der Erlaß solcher Gesetze und eine vom Staat unabhängige Organisation der Rundfunkanstalten sind gerade durch Art. 5 Abs. 1 GG unmittelbar gefordert (BVerfGE 12, 205 ff.). Mit der Verfassungsbeschwerde können die Rundfunkanstalten daher zulässig eine Verletzung ihres Grundrechts auf Rundfunkfreiheit geltend machen.
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2. Die beschwerdeführenden Rundfunkanstalten sind durch § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen (BVerfGE 1, 97 [101 ff.]). Aus dieser Bestimmung in Verbindung mit den allgemeinen technischen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes 1967 ergeben sich unmittelbar Pflichten für die Rundfunkanstalten, ohne daß es eines weiteren Vollzugsaktes bedürfte.
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§ 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 unterstellt die Unternehmereigenschaft der Rundfunkanstalten und wirkt sich daher hinsichtlich ihrer Einnahmen aus Rundfunk- und Fernsehgebühren wie ein Steuertatbestand aus. Nach §§ 16 und 18 UStG 1967 haben die Rundfunkanstalten nach Ablauf eines Kalenderjahres eine Steuererklärung und binnen 10 Tagen nach Ablauf jedes Kalendermonats eine Voranmeldung abzugeben, sowie gleichzeitig eine Vorauszahlung zu entrichten. Die Voranmeldung gilt als Steuererklärung. Ein Steuerbescheid ist nicht zu erteilen, wenn die Rundfunkanstalten auf ihn unter der Voraussetzung verzichten, daß die Steuer nicht abweichend von der Steuererklärung festgesetzt wird. Dieser Steuerbescheid ist somit im Veranlagungsverfahren nicht die Regel, sondern kann lediglich von den Rundfunkanstalten dadurch provoziert werden, daß sie ihre Steuerschuld nach Grund und Höhe bestreiten. Ein "provozierter Verwaltungsakt", der nur auf Betreiben des Steuerpflichtigen hin ergeht, ist kein Vollzugsakt im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 1, 97 [101 ff.]), dessen die Vollziehung des Gesetzes notwendig bedürfte. |
C. |
§ 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 ist nichtig, da der Bund nicht zuständig war (Art. 105 Abs. 2 GG a.F.), die in der Veranstaltung von Rundfunksendungen bestehende Tätigkeit der Rundfunkanstalten als eine Tätigkeit gewerblicher oder beruflicher Art der Umsatzsteuer zu unterwerfen.
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I. |
Der Bundesminister der Finanzen ist der Ansicht, die angefochtene Vorschrift habe nur die Bedeutung, klarzustellen, daß die Tätigkeit der Rundfunkanstalten eine gewerbliche oder berufliche im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sei. Für die Rundfunkanstalten gelte § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG 1967 auch ohne die Klarstellung Dies trifft indessen nicht zu.
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1. Aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG 1967 ergibt sich, daß der Umsatzsteuer nur die Umsätze eines Unternehmers unterliegen. Wer Unternehmer ist, bestimmt § 2 Abs. 1 UStG 1967. Für die Körperschaften des öffentlichen Rechts, zu denen auch die Anstalten des öffentlichen Rechts zu rechnen sind, bestehen seit jeher Sonderbestimmungen, da eine Abgrenzung der gewerblichen Tätigkeit einer solchen Körperschaft von der Durchführung ihrer im öffentlich-rechtlichen Bereich liegenden Aufgaben notwendig ist. So hieß es in § 2 Abs. 3 UStG 1951 in Anknüpfung an frühere gesetzliche Regelungen, daß "die Ausübung der öffentlichen Gewalt ... keine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit" ist, während § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG 1967 die Abgrenzung dahin vornimmt, daß Körperschaften des öffentlichen Rechts "nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art ... gewerblich oder beruflich tätig" sind. Die angefochtene Bestimmung des § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 wirkt sich dahin aus, daß ohne weitere Differenzierung die gesamten Tätigkeiten der Rundfunkanstalten, vor allem also auch die Sendetätigkeit, als gewerbliche anzusehen sind. Der weitaus überwiegende Teil, nämlich rund drei Viertel der Finanzmasse, die den Rundfunkanstalten zur Verfügung steht, besteht im Aufkommen aus Funk- und Fernsehgebühren, die der Bundesminister der Finanzen als steuerbaren Umsatz ansieht, weil sie seiner Meinung nach eine Gegenleistung für die Darbietungen der Rundfunkanstalten darstellen. Es kann infolgedessen dahingestellt bleiben, ob gewisse Tätigkeiten der Rundfunkanstalten - etwa entgeltliche Abgabe von Filmen oder die Verwertung überzähligen Inventars - gewerblicher Art sind. Außer Betracht bleibt auch der gesamte Bereich der Hörfunk- und Fernsehwerbung, die von den Rundfunkanstalten durch besondere Gesellschaften mit beschränkter Haftung betrieben wird; die Ausstrahlung der Werbesendungen wird nicht durch Gebühren finanziert. Entscheidend ist allein die Frage, ob die eigentliche Tätigkeit der Rundfunkanstalten, nämlich die Veranstaltung von Rundfunksendungen, eine Betätigung gewerblicher Art ist; denn hiervon hängt es ab, ob § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 lediglich deklaratorisch ist oder nicht. Die Frage ist zu verneinen. |
Der Bundesminister der Finanzen meint, die Rundfunkanstalten seien schon deshalb als Betriebe gewerblicher Art anzusehen, weil ihre Einrichtungen das äußere Bild eines Gewerbebetriebes böten, indem sie sich in den wirtschaftlichen Verkehr einschalteten und eine Tätigkeit entfalteten, die sich ihrem Inhalt nach von der Tätigkeit eines privatgewerblichen Unternehmens nicht wesentlich unterscheide. Natürlich müssen die Rundfunkanstalten ihre Sendungen vorbereiten; sie müssen das Material beschaffen, Aufnahmen machen, Vortragende engagieren, Filme produzieren oder produzieren lassen. Hierzu bedienen sie sich der Mittel des Privatrechts; sie schließen weitgehend bürgerlich-rechtliche Verträge ab. Indessen sind sie Käufer, Besteller, Auftraggeber, Mieter nur als Endverbraucher. Sie handeln hier nicht anders als etwa der Staat, der sich das erforderliche Material für seine Bedürfnisse - so z. B. in besonders großem Umfang für die Polizeikräfte oder die Bundeswehr - mit den Mitteln des Privatrechts beschafft. Es ist offensichtlich, daß aus dieser "Einschaltung in den wirtschaftlichen Verkehr" keinerlei Schlüsse darauf gezogen werden können, ob die Anstalten bei der eigentlichen Erfüllung ihrer Aufgaben eine Tätigkeit gewerblicher Art entfalten. Ob dies der Fall ist oder nicht, kann nur nach den für die Einrichtung Rundfunk geltenden verfassungsrechtlichen Grundsätzen und dem sonstigen öffentlichen Recht, zu dem auch die Rundfunkgesetze der Länder sowie ihre Staatsverträge gehören, beurteilt werden. |
2. a) Der Rundfunk ist, nicht zuletzt infolge der Entwicklung der Fernsehtechnik, zu einem der mächtigsten Kommunikationsmittel und Massenmedien geworden, das wegen seiner weitreichenden Wirkungen und Möglichkeiten sowie der Gefahr des Mißbrauchs zum Zweck einseitiger Einflußnahme auf die öffentliche Meinung nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 28. Februar 1961 (BVerfGE 12, 205 (259 ff.) - im folgenden: Fernseh-Urteil) die sich aus der Besonderheit des Rundfunkwesens ergebende Bedeutung des Art. 5 GG dargelegt. Danach verlangt Art. 5 GG, daß dieses "moderne Instrument der Meinungsbildung" weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe überlassen wird. Zwar spricht Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nur von der "Berichterstattung" durch den Rundfunk. Das besagt indessen nicht, daß sich die neutralisierenden Maßnahmen lediglich auf Nachrichtensendungen und ähnliches zu beschränken hätten. Der Rundfunk wirkt auch mit den Sendungen außerhalb des Bereichs der eigentlichen Information und politischen Unterrichtung an der Meinungsbildung mit. Diese Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung beschränkt sich keineswegs auf die Nachrichtensendungen, politischen Kommentare, Sendereihen über politische Probleme der Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft; Meinungsbildung geschieht ebenso in Hörspielen und musikalischen Darbietungen (BVerfGE a.a.O., S. 260). Auch die Art der Auswahl und der Gestaltung dessen, was gesendet werden soll, ist geeignet, den Teilnehmer in eine bestimmte Richtung zu lenken. Das Sendeprogramm kann infolgedessen nicht in einzelne Teile zerlegt, sondern muß als einheitliche Veranstaltung gesehen werden. |
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet die institutionelle Freiheit des Rundfunks. Wie das Bundesverfassungsgericht im Fernseh- Urteil ausgeführt hat, wird bei Prüfung der Frage, wie die Freiheit des Rundfunks zu sichern sei, die Besonderheit des Rundfunkwesens - insbesondere verglichen mit der Presse - bedeutsam. Im Bereich des Rundfunks ist - jedenfalls vorerst - sowohl aus technischen Gründen als auch wegen der hohen finanziellen Anforderungen, die der Rundfunkbetrieb mit sich bringt, eine dem Pressewesen entsprechende Vielfalt von miteinander konkurrierenden Darbietungen nicht möglich. Dies erfordert besondere Vorkehrungen zur Verwirklichung und Aufrechterhaltung der in Art. 5 GG gewährleisteten Freiheit, die allgemein verbindlich zu sein haben und daher durch Gesetz zu treffen sind. Alle in Betracht kommenden Kräfte müssen auf die Tätigkeit des Rundfunks Einfluß haben und in dem "von einem Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung" bestimmten Gesamtprogramm zu Worte kommen können (BVerfGE a.a.O., S. 261-263).
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b) Nach 1945 betrieben zunächst die Besatzungsmächte den Rundfunk. Der Übergang in die deutsche Zuständigkeit vollzog sich in den westlichen Besatzungszonen in der Weise, daß teils durch Verordnungen der Militärregierungen, teils durch Gesetze der inzwischen neu geschaffenen Länder Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung errichtet wurden. Mit dieser stark von den Besatzungsmächten beeinflußten Rundfunkorganisation sollte die Unabhängigkeit der Anstalten vom Staat und ihre politische Neutralität gesichert werden. Seither sind in allen Bundesländern entweder Gesetze über die Anstalten der betreffenden Länder oder Zustimmungsgesetze zu den Staatsverträgen über die für den Bereich mehrerer Länder errichteten Anstalten erlassen worden. Die Rechtsform der Rundfunkanstalten als Anstalten des öffentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung wurde überall beibehalten. Die gesetzlichen Regelungen der verbindlichen Grundsätze für die Sendungen und der Organisation der einzelnen Rundfunkanstalten stimmen im wesentlichen überein.
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Der Rundfunk ist "Sache der Allgemeinheit". Er muß in voller Unabhängigkeit überparteilich betrieben und von jeder Beeinflussung freigehalten werden. Die Darbietungen sollen "Nachrichten und Kommentare, Unterhaltung, Bildung und Belehrung, Gottesdienst und Erbauung vermitteln und dem Frieden, der Freiheit und der Völkerverständigung dienen". Die verschiedenen weltanschaulichen, wissenschaftlichen und künstlerischen Richtungen sind zu berücksichtigen (vgl. z. B. § 3 des Gesetzes über den Hessischen Rundfunk vom 2. Oktober 1948 [GVBl. S. 123] und § 3 des Staatsvertrages über den Norddeutschen Rundfunk vom 16. Februar 1955 [GVBl. Schl-H S. 92]).
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Hinsichtlich der Organe der Anstalten enthalten die Landesgesetze Bestimmungen, die eine weitgehende Beteiligung und Mit wirkung aller gesellschaftlich relevanten Kräfte gewährleisten sollen. Von Bedeutung ist insbesondere der "Rundfunkrat", das höchste Organ der Anstalt, das die Interessen der Allgemeinheit auf dem Gebiet des Rundfunks vertritt, und dessen Aufgabe in den meisten Anstalten u. a. darin besteht, den Intendanten zu wählen oder seine Wahl zu bestätigen, die Einhaltung der für die Sendungen gegebenen Grundsätze oder Richtlinien zu überwachen und den Haushaltsvoranschlag zu genehmigen. Seine Zusammensetzung ist in den Rundfunkgesetzen zum Teil bis in alle Einzelheiten bestimmt, so in den Ländern der ehemals amerikanisch und französisch besetzten Zonen; in den übrigen Ländern werden die Mitglieder der Rundfunkräte von den Landtagen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. |
Schließlich zeigt sich die besondere Natur des Rundfunks als einer der Allgemeinheit verpflichteten Veranstaltung auch in den von den Ländern getroffenen Maßnahmen zur Zusammenarbeit der Rundfunkanstalten. So sind die Anstalten durch das Länderabkommen über die Koordinierung des Ersten Fernsehprogramms vom 17. April 1959 (vgl. z. B. GVBl. NW S. 151) ermächtigt und verpflichtet worden, gemeinsam ein Fernsehprogramm zu gestalten. Durch das Abkommen über einen Finanzausgleich zwischen den Rundfunkanstalten aus dem Jahre 1969 (vgl. z. B. BayGVBl. 1969 S. 380) wurden die Anstalten ermächtigt und verpflichtet, einen angemessenen Finanzausgleich durchzuführen. Im Staatsvertrag über die Errichtung der Anstalt des öffentlichen Rechts "Zweites Deutsches Fernsehen" vom 6. Juni 1961 (vgl. z. B. GBl. BadWürtt. S. 215) haben die Länder bestimmt, daß diese Anstalt 30 vom Hundert des im Gebiet der vertragschließenden Länder anfallenden Aufkommens aus Fernsehgebühren erhält und daß etwaige Überschüsse an die Länder zur Verwendung für kulturelle Zwecke zurückfließen.
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Die Regelung des Rundfunkwesens in den Ländergesetzen verwirklicht die im Fernseh-Urteil aus Art. 5 GG entwickelten Grundsätze, und es steht mit diesen Verfassungsnormen auch nicht in Widerspruch, daß den mit solchen Sicherungen ausgestatteten Anstalten unter den obwaltenden Umständen für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen ein Monopol eingeräumt wird (BVerfGE a.a.O., S. 262). |
3. Aus den dargelegten Grundsätzen und Grundzügen der Organisation des Rundfunkwesens ergibt sich, daß die Rundfunkanstalten nicht als Unternehmer, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausüben, angesprochen werden können. Sie erfüllen in Wirklichkeit öffentlich-rechtliche Aufgaben.
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Den Ländern ist von Verfassungs wegen aufgegeben, durch allgemein verbindliche Normen zu sichern, daß die "für die Allgemeinheit bestimmte Verbreitung" von Nachrichten und Darbietungen durch den Rundfunk staatsfrei und unter Beteiligung aller relevanten gesellschaftlichen Kräfte erfolgt. Die Durchführung dieser Aufgabe haben die Länder den zu diesem Zweck errichteten Anstalten des öffentlichen Rechts zugewiesen und bisher überlassen. Damit haben sie den Rundfunkanstalten eine "Aufgabe der öffentlichen Verwaltung" (BVerfGE a.a.O., S. 246) übertragen, die sie selbst unmittelbar wegen des Gebots der Staatsfreiheit des Rundfunks nicht wahrnehmen können. Die Tätigkeit der Rundfunkanstalten vollzieht sich daher im öffentlich-rechtlichen Bereich. Die Rundfunkanstalten stehen in öffentlicher Verantwortung und erfüllen, indem sie Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrnehmen, zugleich integrierende Funktionen für das Staatsganze. Ihre Sendetätigkeit ist nicht gewerblicher Art.
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Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß die einzelne Rundfunkanstalt ihre Leistungen gegen eine "Gebühr" erbrächte und auf diese Weise mit dem Rundfunkteilnehmer in eine Beziehung gewerblicher Art träte. Nach § 1 Abs. 2 des Staatsvertrages über die Regelung des Rundfunkgebührenwesens ist Rundfunkteilnehmer, wer ein Empfangsgerät zum Empfang bereithält, also an der allgemeinen Veranstaltung teilzunehmen in der Lage ist. Wie sehr der Rundfunk als eine Gesamtveranstaltung behandelt wird, ergibt sich insbesondere daraus, daß die Länder in verschiedenen Staatsverträgen die Zusammenarbeit der Anstalten, den Finanzausgleich und die gemeinsame Finanzierung eines Zweiten Deutschen Fernsehens vorgesehen haben. Der Teilnehmer seinerseits ist nicht auf die Anstalt seines Landes beschränkt, im Fernsehen schon wegen der Zusammenarbeit der Anstalten und im Rundfunk infolge der Reichweite des Empfangs. Die für das Bereithalten des Empfangsgeräts zu zahlende "Gebühr", die der Anstalt des betreffenden Landes zufließt, ist unter diesen Umständen nicht Gegenleistung für eine Leistung, sondern das von den Ländern eingeführte Mittel zur Finanzierung der Gesamtveranstaltung. Es ist infolgedessen nicht gerechtfertigt, aus dem Vorhandensein einer "Gebühr" Schlüsse auf die gewerbliche Natur der Rundfunkdarbietung zu ziehen. |
Ebensowenig greift der Einwand durch, die Länder könnten bei Zubilligung einer so weiten Gestaltungsfreiheit auch andere Körperschaften des öffentlichen Rechts dem Geltungsbereich des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG 1967 entziehen. Die Besonderheit im Bereich des Rundfunkwesens liegt darin, daß die Ländergesetzgeber an gewisse zwingende Gebote des Art. 5 GG gebunden sind. Daß die Rundfunkanstalten eine öffentlich-rechtliche Aufgabe wahrnehmen und nicht Betriebe gewerblicher oder beruflicher Art sind, ergibt sich aus der noch bestehenden Ordnung des Rundfunkwesens und der Organisation der Rundfunkanstalten. In anderen Fällen der öffentlichen Daseinsvorsorge, in denen öffentliche Körperschaften, insbesondere Gebietskörperschaften beteiligt sind, ergeben sich solche verfassungsrechtlichen Konsequenzen in aller Regel nicht.
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II. |
1. § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 bestimmt, daß die Rundfunkanstalten auf dem Gebiet des Umsatzsteuerrechts so zu behandeln sind, als ob sie eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausübten, obwohl dies, wie zu I dargelegt, in Wirklichkeit nicht der Fall ist. Dies hat zur Folge, daß die Rundfunkanstalten als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts "gelten", obwohl sie in Wirklichkeit nicht Betriebe gewerblicher Art sind, und daß die Gebühren, obwohl sie nicht als Entgelt für die durch den Rund funk gebotenen Leistungen im Sinne eines Leistungsaustausches betrachtet werden können, der Umsatzsteuer unterworfen werden. |
Derartige Fiktionen werden zwar als Mittel der Gesetzestechnik nicht selten verwandt. Es darf indessen nicht außer acht gelassen werden, daß sich der Gesetzgeber nicht beliebig der Fiktion bedienen kann. Ihm sind unter anderem bestimmte Grenzen auch dadurch gesetzt, daß der Verfassungsgesetzgeber, wenn er direkt oder indirekt auf Begriffe Bezug nimmt, die er der allgemeinen Rechtsordnung entlehnt, diese nicht mit einem beliebigen Inhalt füllen kann.
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Hier hat, und zwar in der vor Inkrafttreten des Einundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Finanzreformgesetz) vom 12. Mai 1969 (BGBl. I S. 359) geltenden Fassung, Art. 105 GG als spezielle Kompetenznorm für steuerrechtliche Bestimmungen (BVerfGE 16, 147 [162] mit weiteren Nachweisen) den Bund unter gewissen Voraussetzungen zur konkurrierenden Gesetzgebung auf dem Gebiet der Verbrauch- und Verkehrsteuern und damit auch für deren Hauptanwendungsfall, die Umsatzsteuer, ermächtigt, die von jeher für diesen Bereich typisch war und ihm ihr Gepräge verlieh. Die hierdurch begründete Gesetzgebungskompetenz des Bundes setzte den Gesetzgeber aber nicht in die Lage, nach Belieben einen Tatbestand mit Bindungswirkung einer der in Art. 105 Abs. 2 GG a.F. erwähnten Steuerarten zu unterstellen. Diese waren vom Verfassungsgesetzgeber nicht eigenständig definiert worden. Da er sie der allgemeinen Rechtsordnung entlehnt hat, setzen die diesen Begriffen immanenten objektiven Kriterien auch der Gesetzgebungskompetenz unüberschreitbare Schranken.
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Das Charakteristikum, das das Wesen der hier zur Anwendung kommenden Umsatzsteuer bestimmt, liegt seit jeher in einer allgemeinen Verbrauchsbelastung und Besteuerung jeglichen Leistungsaustausches, der im Wirtschaftsleben vorkommt (Popitz, Umsatzsteuer, in Handwörterbuch für Staatswissenschaften, Bd. 8, 1928, S. 373 f.; Haller, Umsatzsteuer, in Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 10, 1959, S. 433; Alfred Hartmann, Umsatzsteuer, in Staatslexikon, Bd. 7, 1962, S. 1105). Dieser Grundsatz durchzieht nicht zufällig auch das traditionelle deutsche Steuerrecht und alle Regelungen, die dieses Rechtsgebiet bisher durch den Gesetzgeber erfahren hat. |
§ 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes vom 24. Dezember 1919 (RGBl. S. 2157) ging von der Steuerpflicht derjenigen Lieferungen und Leistungen aus, die jemand innerhalb der von ihm selbständig ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit im Inland gegen Entgelt ausführt. Nicht einbezogen war die Betätigung öffentlicher Gewalt durch öffentlich-rechtliche Verbände, in der etwas von der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit Wesensverschiedenes gesehen wurde (Popitz-Kloß-Grabower, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 3. Aufl. 1928, Anm. B I 2 [S. 291] und B V 7 [S. 343] zu § 1 Nr. 1). Auf der gleichen Linie bewegte sich das Umsatzsteuergesetz vom 17. Oktober 1934 (RGBl. I S. 942) - vgl. § 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 a.a.O. -. Es grenzte in § 2 Abs. 3 a.a.O. die Ausübung öffentlicher Gewalt sogar ausdrücklich von der beruflichen oder gewerblichen Sphäre ab. Die Körperschaften des öffentlichen Rechts konnten danach nur dann und insoweit zur Umsatzsteuer herangezogen werden, als sich ihre Tätigkeit im privatwirtschaftlichen Bereich vollzog (Hartmann- Metzenmacher, Das Umsatzsteuergesetz, 1935, Anm. D I zu § 2). Das Umsatzsteuergesetz in der Fassung vom 1. September 1951 (BGBl. I S. 791) - wie im übrigen auch das Umsatzsteuergesetz 1967 (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 a.a.O.) - änderte, wie dargelegt ist, an dieser grundsätzlichen Differenzierung nichts. Auch im Schrifttum wurde die Erfüllung öffentlicher Aufgaben dann bejaht, wenn der Daseinszweck einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht auf privatwirtschaftliche, sondern auf hoheitsrechtliche Betätigung gerichtet ist und die in Frage stehende Tätigkeit in den so umschriebenen Rahmen des Eigenlebens der Körperschaft fällt; als wesentlicher Gesichtspunkt wurde die ausdrückliche Zuweisung der Tätigkeit durch Gesetz oder Verordnung hervorgehoben (Hartmann-Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 2 Nr. 231).
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Ist aber, wie die Rechtsentwicklung bestätigt, die Umsatzsteuergesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2 GG a.F. ihrem Wesen nach dadurch begrenzt, daß nur ein privatwirtschaftlicher Leistungsaustausch besteuert werden darf, so kann der Bundesgesetzgeber diese Schranke nicht durch ein "gelten als" durchbrechen. Er hat damit den Bereich des Umsatzsteuerrechts und auch das System des Umsatzsteuergesetzes 1967 verlassen. Er hat mit Hilfe einer Fiktion eine Umsatzsteuer einzuführen versucht, die mit einer immanenten Sachgebundenheit des vom Verfassungsgesetzgeber implicite übernommenen Begriffs der Umsatzsteuer nicht vereinbar ist, und eine Kompetenz in Anspruch genommen, die er auf Grund des Art. 105 Abs. 2 GG a.F. nicht besitzt. |
2. Da § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 schon wegen Überschreitung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nichtig ist, braucht nicht erörtert zu werden, ob die angefochtene Bestimmung auch gegen andere Verfassungsnormen verstößt.
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III. |
1. Die zulässige Verfassungsbeschwerde führt zu einer Prüfung der angefochtenen Bestimmung unter allen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten. Insbesondere kann das Bundesverfassungsgericht im Verfahren über die Verfassungsbeschwerde gegen ein Bundesgesetz von Amts wegen prüfen, ob eine Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung bestanden hat (BVerfGE 1, 264 [271 und Leitsatz 1]; seither ständige Rechtsprechung; vgl. u. a. auch: BVerfGE 3, 58 [74]; 6, 376 [385]; 17, 319 [329]). Wie sich erwiesen hat, ist § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 schon deshalb nichtig, weil der Bundesgesetzgeber nicht befugt ist, die in der Veranstaltung von Rundfunksendungen bestehende Tätigkeit der Rundfunkanstalten in eine Tätigkeit gewerblicher oder beruflicher Art umzudeuten. Unter diesen Umständen bedarf es nicht mehr der Prüfung der weiteren, von den Rundfunkanstalten vorgetragenen Gesichtspunkte. Mit dem Ausspruch der Nichtigkeit der angefochtenen Vorschrift in dem mit der Verfassungsbeschwerde verbundenen Verfahren der Normenkontrolle ist auch das von den Rundfunkanstalten angestrebte Ergebnis erreicht und ihrem Antrag in dem wesentlichen Punkt Genüge getan. Ein besonderer Ausspruch erübrigt sich. |
2. Weitergehend als der Normenkontrollantrag der Hessischen Landesregierung beantragen die Rundfunkanstalten, auch § 12 Abs. 2 Nr. 7a UStG 1967 für nichtig zu erklären. Diese Bestimmung regelt lediglich die Höhe des Steuersatzes und hat neben § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 keine selbständige Bedeutung. Mit der Nichtigerklärung des § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 wird § 12 Abs. 2 Nr. 7a UStG 1967 gegenstandslos.
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3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34 Abs. 4 BVerfGG. Erstattungspflichtig ist die Bundesrepublik Deutschland, der der von den Rundfunkanstalten erfolgreich gerügte Verfassungsverstoß zuzurechnen ist.
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IV. |
Die Entscheidung zu C ist mit 4 gegen 3 Stimmen ergangen.
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Dr. Leibholz, Geller, Dr. v.Schlabrendorff, Dr. Rupp, Dr. Geiger, Dr. Rinck, Wand |
Abweichende Meinung der Richter Geller und Dr. Rupp zu der Begründung des Urteils des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 1971 |
-- 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68 -- |
Wir stimmen der Begründung des Urteils zu C.II zu, sind jedoch der Meinung, daß die angefochtene Bestimmung schon deshalb nichtig ist, weil dem Bund den Ländern gegenüber die Gesetzgebungskompetenz fehlt.
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1. Eine Gesetzesfiktion ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn der Gesetzgeber einen bestimmten Rechtssatz oder einen Komplex von Rechtssätzen für einen neuen Tatbestand anwend bar macht, indem er diesen Tatbestand seiner wahren Natur zuwider unwiderleglich so "umdenkt" (Enneccerus), daß er alsdann unter den Rechtssatz oder den Komplex von Rechtssätzen fällt. Derartige Fiktionen werden als Mittel der Gesetzestechnik nicht selten verwandt; in den zivilrechtlichen Gesetzen, insbesondere dem Bürgerlichen Gesetzbuch, finden sich bekanntlich zahlreiche Beispiele, in denen sich der Gesetzgeber der Fiktion bedient. Die Frage der Gesetzgebungszuständigkeit stellt sich hier nicht, da sowohl der geregelte Sachverhalt als auch der die Regelung beherrschende Rechtssatz demselben Zuständigkeitsbereich zuzurechnen sind. Anders liegt es dagegen, wenn diese Bereiche auseinanderfallen, wenn also der zu regelnde (wahre) Sachverhalt und die Rechtssätze, denen er durch Umwandlung unterstellt werden soll, verschiedenen Zuständigkeitsbereichen angehören. Dann ergeben sich im bundesstaatlichen Gefüge angesichts der strikten Trennung der Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern Grenzen, die auch auf "dem Schleichwege der Fiktion" (Josef Esser) nicht überwunden werden können. |
Im Fall des § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 liegen der Tatbestand, der "umgedacht" wird, und der Komplex von Rechtssätzen, dem der neue Tatbestand unterworfen werden soll, in verschiedenen Bereichen. Das Umsatzsteuerrecht fällt in die Zuständigkeit des Bundes. Auf dem Gebiet des Rundfunkwesens steht dem Bund dagegen lediglich die Kompetenz zur Regelung des sendetechnischen Bereichs unter Ausschluß der sogenannten Studiotechnik zu. Er ist nicht befugt, die Organisation der Veranstaltung und die innere Organisation der Veranstalter von Rundfunksendungen zu regeln. Insoweit sind ausschließlich die Länder zuständig (BVerfGE 12, 205 [225 ff.]). Hier stellt sich daher die Frage, ob die Umsatzsteuerkompetenz auch die Befugnis einschließt, den Rundfunktatbestand vermittels der Fiktion so "umzudenken", daß er dem Umsatzsteuerrecht unterworfen wird. Diese Frage ist zu verneinen.
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Die Fiktion bedeutet nicht lediglich einen gedanklichen Vorgang derart, daß ein Sachverhalt anders angesehen wird, als er in Wirklichkeit ist. Sie bewirkt auch, daß der nunmehr anders liegende Sachverhalt in einen neuen Zusammenhang gestellt und anderen Rechtsfolgen unterworfen wird. Damit wird der ursprüngliche Sachverhalt verändert. Dies ist im Fall des § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 unverkennbar. Die Länder haben die öffentlich- rechtlichen Anstalten so gestaltet, daß sie nicht Betriebe gewerblicher oder beruflicher Art sind, und ihnen damit eine festumrissene Rechtsstellung eingeräumt. Die Bestimmung, die Anstalten seien trotzdem als gewerblich oder beruflich tätig anzusehen, gestaltet die Anstalten zwar nicht von Grund auf um, greift aber gleichwohl in die von den Ländern geschaffene Rundfunkordnung ein, indem sie die Rechtsstellung der Rundfunkanstalten jedenfalls für den Bereich des Umsatzsteuerrechts ändert. Unter Umständen wirkt diese Änderung im übrigen auch auf die Art und Weise ein, in der die Rundfunkanstalten ihre Aufgabe durchführen. Im Gesetzgebungsverfahren wurde nachdrücklich der wirtschaftspolitische, konzentrationshemmende Effekt der Maßnahme betont, der darin liege, daß "ein ebenfalls steuerpflichtiger Rundfunk an der Übernahme von Vorsteuern ein Interesse hätte" (zu BTDrucks. V/1581 S. 4) und deshalb Produktionen auch von außerhalb beziehen werde. Die Änderung der Rechtsstellung der Rundfunkanstalten, wenn auch nur in einem Teilbereich, sowie Maßnahmen der Lenkung und Einwirkung auf das Verhalten der Rundfunkanstalten sind aber den Ländern vorbehalten. Die beanstandete bundesgesetzliche Regelung greift infolgedessen in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder für das Rundfunkrecht ein. |
2. Der Bundesminister der Finanzen trägt in Übereinstimmung mit dem Gutachten Zweigert vor, daß es auf die Formulierung des § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 nicht entscheidend ankommen könne, da der Bundesgesetzgeber das von ihm gewünschte Ergebnis unschwer auch hätte erreichen können, indem er die Umsätze der Rundfunkanstalten ausdrücklich für steuerbar erklärte.
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Dies hätte indessen bedeutet, daß die Rundfunkanstalten anders als die sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften zur Um satzsteuer auch insoweit herangezogen worden wären, als sie nicht gewerblich oder beruflich tätig sind. Ob eine solche Systemwidrigkeit und Ungleichbehandlung der Rundfunkanstalten aus zureichenden sachlichen Gründen gerechtfertigt werden könnte, muß dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls hat der Gesetzgeber diesen Weg nicht beschritten. Er hat davon abgesehen, die Systematik des Umsatzsteuergesetzes zu durchbrechen und hat statt dessen unter Aufrechterhaltung des Umsatzsteuersystems einen fiktiven Sachverhalt geschaffen, an den die Umsatzsteuervorschriften anknüpfen konnten. Nur diese durch Verwendung einer Fiktion getroffene Regelung kann hier der Nachprüfung unterliegen. Wie zu 1) dargelegt, läßt sich die Befugnis des Bundesgesetzgebers zu einer derartigen Regelung nicht mehr aus der Zuständigkeit für die Umsatzsteuergesetzgebung herleiten. |
Geller, Dr. Rupp |
Abweichende Meinung der Richter Dr. Geiger, Dr. Rinck und Wand zum Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 1971 |
-- 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68 -- |
§ 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 ist mit dem Grundgesetz vereinbar:
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I. |
1. Die Veranstaltung von Rundfunk- und Fernsehdarbietungen ist eine öffentliche Aufgabe. Daran ist mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1961 (BVerfGE 12, 205 [243, 246]) festzuhalten. Sie kann nach Art. 5 GG nicht Sache des Staates sein, also weder unmittelbar noch mittelbar zur staatlichen Aufgabe gemacht werden. Art. 5 GG verweist sie in den Raum der Gesellschaft. Sie darf auch nicht ausschließlich oder einseitig einer Gruppe der Gesellschaft überlassen werden. Vielmehr verlangt Art. 5 GG, daß an dieser öffentlichen Aufgabe alle gesellschaftlich relevanten Gruppen mit ihren Vorstellungen, Überzeugungen, Meinungen und Wertungen beteiligt werden und in einem ausgewogenen Verhältnis zu Wort kommen. Jede vermeidbare Monopolisierung dieser Aufgabe ist deshalb mit Art. 5 GG unvereinbar (BVerfGE 12, 205 [262 f.]). |
2. Zur Veranstaltung von Rundfunk- und Fernsehdarbietungen bedarf es eines Trägers, einer technisch und wirtschaftlich leistungsfähigen Institution, die die Gewähr bietet, daß im Rahmen des Möglichen die öffentliche Aufgabe in Einklang mit den genannten Forderungen des Art. 5 GG erfüllt wird. Die Errichtung solcher Einrichtungen kann im Hinblick auf die Eigenart des Rundfunks und Fernsehens, insbesondere im Hinblick auf die technischen Gegebenheiten (beschränkte Zahl der für diesen Zweck zur Verfügung stehenden Frequenzen, Rücksicht auf störungsfreien Empfang usw.) und die Kostspieligkeit der Studiotechnik sowie den außerordentlich großen Aufwand für die Programmgestaltung zur Zeit nicht dem freien Belieben von Einzelnen oder von Gruppen überlassen werden, da dies mit Sicherheit dazu führen würde, daß sich einige wenige kapitalkräftige Interessierte oder einseitig nur die eine oder andere gesellschaftlich mächtige Gruppe jener öffentlichen Aufgabe bemächtigte. Das würde sich erst ändern, wenn allen daran interessierten Gruppen oder allen Gemeinschaften von kooperationswilligen Gruppen eine Frequenz zugewiesen werden könnte und sich auf diese Weise ein Pluralismus der Meinungen und Anschauungen ähnlich wie im Bereich der Presse auch im Bereich von Rundfunk und Fernsehen herstellen ließe.
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Deshalb fordert Art. 5 GG, indem er sich für die Freiheit im Bereich der Massenkommunikationsmittel entscheidet, daß zur Zeit noch der Gesetzgeber besondere Rechtsformen für die Organisierung von Trägern von Rundfunk- und Fernsehdarbietungen schafft, die die genannte Gefahr abwehren. Es gibt also zwar keine staatliche Zuständigkeit, auf die Veranstaltung von Rundfunk- und Fernsehdarbietungen, auf ihre inhaltliche Gestaltung, auf das Programm, also auch nur mittelbar auf die Art der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe einzuwirken, wohl aber - solange es notwendig ist - eine staatliche Zuständigkeit, die Organisations- form der Träger jener öffentlichen Aufgabe gesetzlich zu regeln, und zwar immer und ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Art. 5 GG, Rundfunk- und Fernsehdarbietungen staatsfrei zu halten und gleichzeitig die Mitwirkung und das Zuwortekommen aller gesellschaftlich relevanten Gruppen in einem ausgewogenen Verhältnis innerhalb des gesamten Rundfunk- und Fernsehwesens zu sichern. Die derart gegenständlich beschränkte Gesetzgebungszuständigkeit auf dem Gebiet des Rundfunk- und Fernsehwesens kommt in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich den Ländern zu. Das Bundesverfassungsgericht hat als eine dem Art. 5 GG genügende Organisationsform von Trägern von Rundfunk- und Fernsehdarbietungen die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, wie sie zur Zeit gesetzlich fixiert ist, anerkannt. Es hat aber damit nicht ausgeschlossen, daß auch in dieser Form der öffentlich-rechtlichen Anstalt die Mitwirkung und das Zuwortekommen der verschiedenen gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen in anderer Weise als bisher üblich verwirklicht werden kann, und es hat insbesondere ausdrücklich auch eine privatrechtliche Organisation der Träger von solchen Veranstaltungen als mit Art. 5 GG vereinbar erklärt (BVerfGE 12, 205 [262]). |
Durch die gesetzgeberische Entscheidung für die eine oder andere Organisationsform des Trägers ändert sich nichts an der rechtlichen Charakterisierung der öffentlichen Aufgabe, wie sie unter 1) dargestellt und durch Art. 5 GG bestimmt ist. Öffentlichrechtliche Anstalten - gleichgültig, in welcher Ausformung der ausgewogenen Mitwirkung der gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen - und privatrechtliche Einrichtungen nehmen rechtlich dieselbe öffentliche Aufgabe in derselben von Art. 5 GG gebotenen Weise wahr. Wenn Art. 5 GG fordert, daß die öffentliche Aufgabe der Darbietung von Rundfunk- und Fernsehveranstaltungen staatsfrei zu erfüllen ist und jede nach dem Stand der Technik und der wirtschaftlichen Vernunft mögliche Verwirklichung von Freiheit auf diesem Gebiet auch zu gewähren ist, dann hat der staatliche Gesetzgeber alle dazu nötigen Organisationsformen zur Verfügung zu stellen. Das Niveau des Programms haben die gesellschaftlich relevanten Gruppen nach dem Maße ihrer Mitwirkung und Beteiligung über die dazu bestellten repräsentativen Trägerorgane und außerhalb dieser Einrichtungen die Rundfunk- und Fernsehteilnehmer durch individuelle und kollektive Aktivitäten gegenüber den Trägereinrichtungen und durch ihre Entscheidungen bei der Wahl und der Auswahl des Programms zu bestimmen und zu verantworten. Aus all dem folgt, daß die Träger für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe nicht eigentlich "Herr" des Rundfunks und Fernsehens sind, und daß noch weniger die berufsmäßigen Akteure innerhalb der Träger sich als Herr des Rundfunks und Fernsehens verstehen dürfen, sondern daß diese Träger nur Instrument sind, mittels dessen die gesellschaftlich relevanten Kräfte und Gruppen die öffentliche Aufgabe erfüllen. Solange die Freiheit des Rundfunks, die in der freien Beteiligung aller gesellschaftlich relevanten Kräfte und Gruppen an der Gestaltung des Programms besteht, nur durch eine bestimmte Binnenstruktur der Trägerorganisationen verwirklicht werden kann, würde es eine Verkehrung des in Art. 5 GG enthaltenen Prinzips der Rundfunkfreiheit sein, die öffentliche Aufgabe als eine von dem Träger souverän oder selbstherrlich, d. h. maßgeblich von seiner Auffassung über das rechte Verständnis von dieser Aufgabe und ihrer Erfüllung bestimmte Aufgabe zu verstehen, statt die gesellschaftlich relevanten Kräfte und Gruppen als die über Form, Inhalt und Gestaltung der Rundfunkdarbietung Bestimmenden anzusehen, denen sich die Träger zu öffnen haben und denen sie zu dienen haben. |
Das verfassungsrechtlich Besondere an den deutschen öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten ist: Hier wird nicht, wie es die Regel ist, eine öffentliche Aufgabe zur staatlichen Aufgabe gemacht und aus Gründen der Zweckmäßigkeit einer dem Staat inkorporierten öffentlich-rechtlichen Anstalt zur staatsmittelbaren Verwaltung gegeben - genau das verbietet, wie das Bundesverfassungsgericht früher dargelegt hat, Art. 5 GG -, sondern die öffentliche Aufgabe als eine staatsfremde einem Träger überantwortet, der nach seiner Organisationsform die Gewähr dafür bietet, daß die gesellschaftlich relevanten Gruppen in ausgewogenem Verhältnis an der Darbietung von Rundfunk- und Fernsehveranstaltungen teilnehmen. |
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 1961 (BVerfGE 12, 205) wird also mißverstanden, wenn angenommen wird, die öffentliche Aufgabe, der die öffentlich-rechtlichen Anstalten dienen und die sie zu erfüllen haben, werde in ihrer Hand zu einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe und zu einem Stück mittelbarer Staatsverwaltung. Die Ausführungen des Gerichts zu E.-I. der Begründung dieses Urteils (BVerfGE 12, 205 [243 ff.]) betreffen ausschließlich die Frage der Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern im Bundesstaat nach Art. 30 GG. In diesem Zusammenhang und nur für diesen Zusammenhang ist einleitend gesagt: "Wenn sich der Staat mit dieser Aufgabe befaßt, wird sie zu einer 'staatlichen Aufgabe', deren Erfüllung nach Art. 30 GG Sache der Länder ist"; dabei sind die Worte "staatliche Aufgabe" mit Bedacht in Anführungszeichen gesetzt. Der Satz sagt deutlich, daß nur, wenn - und selbstverständlich nur insoweit - der Staat überhaupt eine Kompetenz besitzt, die kompetenzgemäßen Maßnahmen (z. B. Erlaß eines Organisationsgesetzes, limitierte Rechtsaufsicht über die Trägerorganisationen von Rundfunk- und Fernsehdarbietungen, gesetzliche Fixierung der Rundfunkgebühr) staatliche Aufgaben werden. Folgerichtig heißt es weiter (a.a.O., S. 244): Unter die Kompetenznorm des Art. 30 GG fällt "diejenige Betätigung des Staates, die der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob Mittel des öffentlichen oder des privaten Rechts verwendet werden". Und zusammenfassend wird festgestellt, "daß der Rundfunk zu einer öffentlichen Einrichtung geworden ist und in öffentlicher Verantwortung steht. Wenn sich der Staat mit dem Rundfunk in irgendeiner Form befaßt, so nimmt er damit eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung wahr" (a.a.O., S. 246).
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Die formale Organisation der Träger von Rundfunk- und Fernsehdarbietungen als öffentlich-rechtliche Anstalten kann - unbeschadet dessen, daß sie ausnahmsweise einmal an sehr peripheren materiellrechtlichen Punkten durchschlägt (Kompetenz zum Erlaß einer Satzung in § 3 Abs. 1 des Staatsvertrags über die Regelung des Rundfunkgebührenwesens vom 31. Oktober 1968, ARD-Handbuch 1970, S. 299; Zuteilung von Sendezeiten an politische Parteien im Wahlkampf als mit Verfassungsbeschwerde angreifbarer Akt der öffentlichen Gewalt, BVerfGE 7, 99 [104]; 14, 121 [129 f.]) - nicht darüber hinweg täuschen, daß sie nach ihrem Aufbau, ihren Organen und der Abwicklung ihrer Geschäfte jedes spezifisch öffentlich-rechtlichen Elements ermangeln: sie kennen nicht einmal Beamte oder öffentlich-rechtliche Bedienstete; sie verfügen dem Staatsbürger gegenüber über keinerlei hoheitliche Gewalt; ihre Aufgabe gehört nicht zu den dem Staat vorbehaltenen Aufgaben; sie konkurrieren de constitutione lata potentiell mit privaten Trägern. Sie gleichen also insoweit jedem beliebigen anderen Großunternehmen. |
3. Die öffentliche Aufgabe, die in der dargestellten Weise die Massenkommunikationsmittel erfüllen, umfaßt alle Darbietungen des Sendeprogramms, also Information, Kritik und Kommentar über aktuelle politische Vorgänge, über gesellschaftliche Prozesse und über kulturelle Erscheinungen im weitesten Sinn, Darbietungen kultureller und bildender Art - Konzerte, Fernsehspiele, Theater und wissenschaftliche Vorträge -, Unterrichts- und Fortbildungsprogramme (z. B. das Schulfernsehen) und Darbietungen der Unterhaltung (Film, Kabarett, Revue, Sportschau und Showgeschäft). Die Erfüllung dieser Aufgabe impliziert die Konzipierung des Programms, die einschließt die Planung und Entscheidung über den Anteil der genannten Arten von Darbietungen am Gesamtprogramm und über ihre Unterbringung in der Sendefolge sowie über die Entwicklung von Form und Inhalt der einzelnen Sendung und die Verwirklichung des Programms, also die "Herstellung" des sendereifen Manuskripts des Fernsehspiels, des Dokumentarfilms, der Aufzeichnung einer Unterhaltungssendung usf. Die Erfüllung der Aufgabe erfordert einen umfangreichen, komplizierten, aufwendigen Produktionsprozeß, der endet mit der Ausstrahlung des fertigen Programms. Diese Tätigkeit enthält insgesamt und in jeder ihrer Einzelheiten ihrer Natur nach nichts Hoheitliches. Es ist eine Leistung, die zwar von öffentlichem Interesse ist, die gesellschaftlich bedeutsam ist, die nicht rein kommerziell gesehen werden kann, die ihren Standard aus der Rücksicht auf das Gemeinwohl gewinnt und diese Besonderheit, aus der sich ihre Charakterisierung als "öffentliche Aufgabe" ergibt, mit anderen Dienstleistungen oder Tätigkeiten von öffentlichem Interesse teilt (angefangen von der Lieferung elektrischer Kraft über die Bereitstellung leistungsfähiger Krankenhäuser, die freie Presse, die Beurkundungstätigkeit des Notars bis zur Tätigkeit beispielsweise der Gewerkschaften). Die Träger von Rundfunk- und Fernsehdarbietungen sind riesige Dienstleistungsunternehmen, die unter den gegenwärtig gesellschaftlich-politischen Verhältnissen unentbehrlich sind. |
4. Die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe durch die Träger von Rundfunk- und Fernsehdarbietungen kostet Geld. Der Gesamtaufwand aller Rundfunk- und Fernsehanstalten der Bundesrepublik Deutschland belief sich 1970 auf weit über 1 Milliarde DM. Das Rückgrat ihrer Einnahmen bilden die Rundfunk- und Fernsehgebühren, soweit sie den Anstalten zufließen. 1969 (vor der Erhöhung der Rundfunk- und Fernsehgebühr) betrug bei den Landesrundfunkanstalten das Nettoeinkommen aus Gebühren rund 786 Millionen DM, der Nettogewinn aus Werbung rund 117 Millionen DM (vgl. Tabelle 3 und 17, 18 der Finanzstatistik im ARD-Jahrbuch 1970, S. 252, 267).
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Was die Rundfunk- und Fernsehgebühr anlangt, ist soviel sicher: Sie ist keine Lizenzgebühr für die Aufstellung und Inbetriebnahme des Empfangsgeräts als einer "Sendeanlage". Sie ist festgesetzt und ab 1. Januar 1970 erhöht worden im Hinblick auf den Finanzbedarf der Träger der Rundfunk- und Fernsehdarbietungen. Sie fließt nicht der Bundespost zu als Behörde, die die Erlaubnis zum Aufstellen und Inbetriebnehmen des Empfangsgeräts erteilt; die Bundespost ist nur "Einzugsstelle" für die Gebühren. Gläubiger der Gebühr sind die Rundfunkanstalten, nicht das Land. Über Erhebung und Festsetzung der Gebühr entscheidet allerdings das Land unter Inanspruchnahme seiner Kompetenzen im Bereich des Rundfunk- und Fernsehwesens. Wie die Gebühr oder der den Rundfunkanstalten zufließende Gebührenanteil im übrigen rechtlich zu qualifizieren ist, kann hier im einzelnen dahinstehen. Materiell ist sie eine gesetzlich begründete Leistung der Rundfunk- und Fernsehteilnehmer an die Rundfunkanstalten, die das Entgelt darstellt "für die Entgegennahme des Programms und der für seine Ausstrahlung zur Verfügung gestellten Fazilitäten" (Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 502). Daß sie von den Ministerpräsidenten als "politischer Preis" verstanden wird, also aus politischen (sozialen und gesellschaftspolitischen) Gründen so niedrig wie möglich gehalten wird, ändern an dem Entgeltcharakter nicht das geringste. Daß sie in extremer Weise pauschaliert und ohne Rücksicht darauf, ob und in welchem Umfang und innerhalb welchen Programms die Rundfunk- und Fernsehleistung auch tatsächlich in Anspruch genommen wird, zu zahlen ist, ändern ebensowenig etwas am Entgeltcharakter der Gebühr. Vergleichbares gibt es auch anderweit, beispielsweise das Theaterabonnement oder die Jahresnetzkarte der Bundesbahn. |
Für die Finanzierung der Träger von Rundfunk- und Fernsehdarbietungen, die ihr Programm ausstrahlen (also nicht die Technik der Kassette und der Verkabelung wählen), gibt es praktisch nur einen Weg, der verfassungsrechtlich unbedenklich und praktikabel ist. Die Finanzierung aus dem öffentlichen Haushalt der Länder (oder des Bundes) wäre im Hinblick auf die von Art. 5 GG geforderte Freiheit und Unabhängigkeit aller potentiellen Träger - auch der Rundfunkanstalten! - vom Staat ebenso unzulässig wie die unbegrenzte oder überwiegende Finanzierung der politischen Parteien aus den öffentlichen Haushalten; denn dadurch gerieten die Anstalten (jedweder rechtlichen Organisationsform) hinsichtlich ihrer öffentlichen Aufgabe, Rundfunk- und Fernsehdarbietungen anzubieten und auszustrahlen, in eine Abhängigkeit vom Staat (vgl. BVerfGE 20, 56 [97-112]). Soll die Verweisung der Anstalten auf eine Finanzierung durch Werbung unterbleiben, weil die einseitige Kommerzialisierung des Rundfunk- und Fernsehwesens in Widerstreit geraten könnte mit der Rücksicht auf das Öffentlichkeits- und Gemeinwohlinteresse, die die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe erfordert, so bleibt nur die Finanzierung aus Geldleistungen der Bürger, die das Angebot der Rundfunk- und Fernsehanstalten akzeptieren und sich am Empfang der ausgestrahlten Programme beteiligen. Dem entspricht die Einhebung einer "Gebühr", wie sie die Anstalten derzeit durch die Bundespost kassieren lassen. Ihre Höhe wird nicht, wie es dem Grundsatz der Freiheit und Unabhängigkeit vom Staat entsprechen würde, von den Organen der Anstalt, sondern vom Staat festgesetzt; die Ministerpräsidenten der Länder vereinbaren sie, die Länder schließen einen entsprechenden Staatsvertrag und die Landesparlamente stimmen dem Staatsvertrag zu. Die darin liegende Einschränkung des Grundsatzes der Freiheit und Unabhängigkeit vom Staat ist gerechtfertigt im Hinblick darauf, daß das jedem Großunternehmen mit einer faktischen Monopolstellung eigentümliche Interesse an Erhöhung seiner Finanzmittel die Gefahr in sich birgt, daß bei der Bestimmung der Gebührenhöhe nicht nach dem Grundsatz größtmöglicher Sparsamkeit verfahren wird, die Monopolstellung ausgenutzt wird und die Interessen der Rundfunk- und Fernsehteilnehmer zu kurz kommen. Die Festsetzung der Gebühr durch den Staat ist andererseits mit jenem Grundsatz der Freiheit und Unabhängigkeit der Anstalt vom Staat so lange vereinbar, als dieser nicht über seine Entscheidungszuständigkeit Einfluß auf das Programm zu nehmen versucht, also eine ausreichende Finanzierung der Anstalten sichert. |
II. |
1. Im System der deutschen Umsatzsteuer sind seit je auch öffentlich-rechtlich organisierte Unternehmen steuerbar (Popitz in Popitz-Kloß-Grabower, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 3. Aufl., 1928, S. 100, 342 ff.). Es gibt keinen verfassungsrechtlichen Satz, der die Besteuerung in Rücksicht auf die öffentlich rechtliche Organisation des Unternehmens verbietet. Ob und inwieweit öffentlich-rechtliche juristische Personen umsatzsteuerpflichtig sein sollen, ist zunächst eine Frage der Zweckmäßigkeit, der wirtschaftlichen Vernunft und der Finanzpolitik; erst wenn sie grundsätzlich bejaht wird und es dann um die Ausgestaltung der Umsatzsteuerpflicht für die öffentlich-rechtliche juristische Person geht, erheben sich u. U. verfassungsrechtliche Fragen (beispielsweise unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes). Die Einbeziehung oder Ausklammerung öffentlich-rechtlicher Körperschaften in die Regelung eines Umsatzsteuergesetzes ist insbesondere keine Frage der Grenzen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf dem Gebiet des Steuerrechts im allgemeinen oder des Umsatzsteuerrechts im besonderen. Der Bund ist fraglos kompetent zum Erlaß eines Umsatzsteuergesetzes und in den Rahmen dieser Kompetenz fällt auch die Bestimmung, ob und welche Körperschaften des öffentlichen Rechts und unter welchen Voraussetzungen sie umsatzsteuerpflichtig sein sollen. Das ergibt sich daraus, daß von Anfang an früher der Reichsgesetzgeber und heute der Bundesgesetzgeber im Umsatzsteuergesetz öffentlichrechtliche Körperschaften in wechselndem Umfang steuerpflichtig gemacht und umgekehrt ihnen, ebenfalls in wechselndem Umfang, expressis verbis Umsatzsteuerbefreiung gewährt hat; das gilt speziell auch für den Rundfunk, der zeitweise mit seinem Gebühreneinkommen umsatzsteuerpflichtig und zeitweise von der Umsatzsteuerpflicht befreit war. Allein aus dem Gesichtspunkt der Grenzen der grundgesetzlichen Kompetenz des Bundes zum Erlaß eines Umsatzsteuergesetzes läßt sich also die Verfassungswidrigkeit der Regelung, die das Gebührenaufkommen der Anstalten umsatzsteuerpflichtig macht, nicht herleiten. |
2. Soweit öffentlich-rechtliche Körperschaften (Anstalten und Stiftungen) als steuerpflichtige Unternehmen in Betracht gezogen werden, entsteht das Problem der Abgrenzung der Steuerpflicht. Öffentlich-rechtliche Körperschaften erzielen im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Aufgaben in der verschiedensten Weise Einkünfte: aus der Veräußerung von Verwaltungsmaterial (Kraft wagen, Maschinen, Mobiliar, amtliche Druckschriften usw.), aus Dienstleistungen (Bank- und Sparkassengeschäfte, Vermietung von Kühlhäusern, Verpachtung von Grabstellen, Lieferung von Strom, Gas und Wasser, Unterhaltung von Theatern, Ratskellern, öffentlichen Bädern usf.), aus laufenden und einmaligen Gebühren und Beiträgen für Konzessionen usf. Die Aufgaben einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft können so umschrieben sein, daß derartige Einkünfte nur bei der Erfüllung eines bestimmten Teils ihrer Aufgaben anfallen; die Aufgabe der öffentlichen Körperschaft kann auch so begrenzt sein, daß ihre Erfüllung insgesamt gegen Entgelt stattfindet. Im Hinblick auf diese Vielfältigkeit möglicher Einnahmen einer Körperschaft läßt sich von Anfang an das Bemühen des Gesetzgebers erkennen, im Umsatzsteuergesetz zwischen "Ausübung öffentlicher Gewalt" und einer "gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit" zu unterscheiden. Das ist im Laufe der Zeit mit unterschiedlichen Formulierungen des Gesetzes versucht worden. Die Grenze blieb, wie es der Reichsfinanzhof und der Bundesfinanzhof wiederholt ausgedrückt haben, "flüssig". Die Rechtsprechung und Literatur dazu war und ist unsicher, unklar und nicht immer folgerichtig. Die Schwierigkeiten konnten bisher auch nicht durch Durchführungsverordnungen und Verwaltungsvorschriften völlig behoben werden. Unverkennbar aber ist bei allen Abgrenzungsversuchen die Orientierung an der Frage, ob das Verwaltungshandeln seiner Art nach nahe kommt und vergleichbar ist einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit, ob es, soweit es in dieser Weise gleich zu bewerten ist, innerhalb der Gesamtkompetenz der Körperschaft von einiger Bedeutung ist oder gar der Körperschaft ihr charakteristisches Gepräge gibt. |
Das Umsatzsteuergesetz 1967 bestimmt - in Einklang mit der allgemeinen Tendenz der Bemühungen in der Vergangenheit - die Abgrenzung zwischen umsatzsteuerpflichtiger Tätigkeit und nicht umsatzsteuerpflichtiger Tätigkeit einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft durch die neue Formulierung, daß Körperschaften des öffentlichen Rechts "nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerb licher Art (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftssteuergesetzes) und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig" sind (§ 2 Abs. 3 Satz 1 UStG 1967). Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG kann also eine öffentlich-rechtliche Körperschaft "gewerbliche Betriebe" haben oder, wenn ihre Aufgabe insgesamt diese Qualifizierung rechtfertigt, ein gewerblicher Betrieb sein ("Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts", § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG; § 5 Abs. 1, § 6 KStDV). Folgt man der Durchführungsverordnung zum Körperschaftsteuergesetz, so gehören zu den Betrieben gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts "alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ... dienen. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich" (§ 1 Abs. 1); die Einrichtung muß sich (falls die Körperschaft weiterreichende Aufgaben hat) "innerhalb der Gesamtbetätigung der Körperschaft wirtschaftlich herausheben" und eine gewisse wirtschaftliche Selbständigkeit besitzen (§ 1 Abs. 2). Aus § 2 KStDV ergibt sich, daß das Erfordernis der Einrichtung "einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen" zu dienen, nicht in dem Sinn gemeint sein kann, daß diese Einrichtung in erster Linie zur Erzielung von Einkünften errichtet und unterhalten sein muß. Sie ist Betrieb gewerblicher Art auch dann, wenn sie von ihrer Aufgabe her zuerst und vor allem bestimmten öffentlichen Zwecken dient (der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb) und diese Leistungen gegen Entgelt, also auch "zur Erzielung von Einnahmen" gewährt. Ob § 4 KStDV eine dem Gesetz entsprechende Auslegung des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG und § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG enthält, kann dahinstehen. Jedenfalls muß die zur Charakterisierung der "Hoheitsbetriebe" verwendete Formel, daß sie "überwiegend der Ausübung öffentlicher Gewalt dienen" müssen, enger verstanden werden als "hoheitliches Handeln" oder "Handeln in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe". Wie sich aus dem folgenden Satz ergibt, muß es sich mindestens um ein hoheitliches Han deln unter Einsatz von obrigkeitlichem Zwang handeln ("Leistungen, zu deren Annahme der Leistungsempfänger auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist"); dem entspricht auch der Erlaß vom 3. Januar 1968 betreffend Besteuerung der Körperschaften des öffentlichen Rechts nach § 2 Abs. 3 und § 15 Abs. 1 UStG 1967 (BStBl. 1968 I S. 182). |
Nur Verwaltungen, die obrigkeitlich (unter Einsatz von Befehl, Gebot und Zwang) handeln, nicht auch Verwaltungen, die "schlicht hoheitlich" handeln, sind seit je von der Umsatzsteuerpflicht ausgenommen, selbst wenn sie dabei Einnahmen erzielen. "Dem Begriff der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit widerspricht lediglich diejenige Tätigkeit öffentlicher Körperschaften, die in Ausübung der öffentlichen Gewalt erfolgt. Insoweit hierbei also in der Form von Gebühren oder sonstigen Zahlungen Entgelte vereinnahmt werden, tritt keine Steuerpflicht ein" (Popitz, a.a.O., S. 101). "Grundsätzlich auszuscheiden aus der Umsatzsteuerpflicht, als nicht gewerblich oder beruflich, ist die Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Verbände, die sich als Ausfluß der öffentlich-rechtlichen Gewalt darstellt... Statt von öffentlich-rechtlicher Gewalt kann man auch von obrigkeitlicher Tätigkeit im Gegensatz zur sozialen Tätigkeit des Staates sprechen (vgl. Jellinek, Recht des modernen Staates, 3. Aufl. 1919, S. 606)... Das entscheidende Merkmal kann allein der Wirkung des Verwaltungsakts entnommen werden: Er muß auf eine öffentlich-rechtliche Wirkung gerichtet sein. Diese Wirkung wird stets unmittelbar oder mittelbar mit der allein der öffentlichen Gewalt wesentlichen Macht, die sich in Zwang äußern kann, in Verbindung stehen ..." (Popitz a.a.O., S. 343 f.).
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3. Die bisher deutlich gewordene Schwierigkeit der Abgrenzung, in welchem Umfang die Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Umsatzsteuer heranzuziehen ist, beseitigt für die Rundfunk- und Fernsehanstalten § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG, indem er bestimmt: "Die Tätigkeit der Rundfunkanstalten gilt als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne dieses Gesetzes". Der Gesetzgeber verwendet hier die rechtstechnische Figur einer Fik tion. Seit der Untersuchung von Esser über "Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen" ist nicht nur geläufig, daß es im Recht Fiktionen der verschiedensten Art gibt, sondern auch ausgemacht, daß die Rechtsfiktion (jeder Art) etwas anderes ist als die Fiktion innerhalb der Erkenntnistheorie. Im Recht hat die Fiktion stets die Bedeutung einer Verweisung, durch die verschiedene Sachverhalte rechtlich (in je verschiedenem, im Einzelfall näher zu bestimmendem Umfang) gleich bewertet und behandelt werden. Es handelt sich "bei der Rechtsfiktion nicht um tatsächliche Identifikation des Verschiedenen, sondern nur um die Aufforderung zur rechtlichen Gleichbewertung verschiedener Tatbestände" (Esser a.a.O., S. 32). Es wird also durch die Fiktion keine Umdeutung des wirklichen Sachverhaltes, keine "Vergewaltigung der Wirklichkeit" (Esser a.a.O.), keine Umprägung des wirklichen Sachverhalts vorgenommen, sondern nur angeordnet, daß ein bestimmter (unverändert gelassener und von der Fiktion unberührter) Sachverhalt in bestimmten Zusammenhängen rechtlich ebenso zu beurteilen ist wie ein anderer ausführlicher gesetzlich geregelter Tatbestand. Im vorliegenden Fall handelt es sich unter den von Esser genannten verschiedenen Rechtsfiktionen um eine "definitorische Fiktion" (vgl. Esser a.a.O., S. 98 ff.); der vom Lebenssprachgebrauch abweichende Rechtsbegriff eines "Betriebs gewerblicher Art" wird eindeutiger gemacht durch die Fiktion des § 2 Abs. 3 Satz 2, in dem bestimmt und dadurch gleichzeitig außer Zweifel gestellt wird, daß die Tätigkeit der Rundfunkanstalten, soweit sie in Form der Gebühren Einkommen erzielen, umsatzsteuerrechtlich ebenso zu behandeln ist wie ein Betrieb gewerblicher Art. Der Gesetzgeber hätte ebensogut (und zwar ohne daß es rechtlich im geringsten eine andere Bedeutung als die von ihm benutzte Form der Fiktion gehabt hätte) formulieren können "Die Tätigkeit der Rundfunkanstalten ist gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne des Gesetzes" oder "Die Tätigkeit der Rundfunkanstalten ist als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne des Gesetzes anzusehen" oder auch in einem besonderen Absatz "Die Rundfunkanstalten unterliegen hinsichtlich ihrer Gebühreneinnahmen der Umsatzsteuerpflicht nach diesem Gesetz". Unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zum Erlaß eines Umsatzsteuergesetzes ist die angegriffene Fiktion also verfassungsrechtlich unproblematisch. |
4. Die Vorschrift könnte nur noch verfassungsrechtlich bedenklich sein, wenn die Regelung, weil unvereinbar mit der Systematik des Umsatzsteuergesetzes, inhaltlich willkürlich wäre. Davon kann keine Rede sein: Die Systematik des alten und neuen Umsatzsteuergesetzes ist eindeutig die, daß in § 2 allgemein der Kreis der steuerrechtlich erfaßten Unternehmen bestimmt ist und in § 4 für eine Reihe der zu jenem Kreis gehörenden Unternehmen in bestimmtem Umfang Steuerbefreiung gewährt wird. Wenn also durch das Umsatzsteueränderungsgesetz vom 18. Oktober 1957 in § 4 Nr. 22 UStG für steuerfrei erklärt wurden "die Umsätze der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, jedoch nur, soweit sie in Rundfunkhörer- und Fernsehteilnehmergebühren bestehen", so kann das nur dahin verstanden werden, daß auch nach der Systematik des Umsatzsteuergesetzes 1957 die Rundfunk- und Fernsehanstalten an sich zum Kreis der umsatzsteuerbaren Unternehmen gehören. Und das stimmt materiell mit der Systematik des Umsatzsteuergesetzes in allen seinen verschiedenen Fassungen der Vergangenheit überein, die von einem "Unternehmen" ausgeht, das Umsätze bewirkt durch Lieferungen oder sonstige Leistungen gegen Entgelt. Genau das trifft, wie unter I dargelegt, für die Rundfunk- und Fernsehanstalten zu.
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5. Der Bundesgesetzgeber hat mit der Vorschrift des § 2 Abs. 3 Satz 2 auch in keiner Weise in die Ordnung des Rundfunk- und Fernsehwesens eingegriffen. Ein und derselbe Tatbestand kann in verschiedenen rechtlichen Zusammenhängen auch verschieden bewertet werden; eine Institution verliert nicht ihre rechtliche Bestimmung dadurch, daß sie auch Objekt einer gesetzlich begründeten Last wird; es ändert sich beispielsweise an der Charakterisierung der politischen Partei als einer notwendigen Institution des Verfassungslebens nichts dadurch, daß sie registerrechtlich u.U. als eingetragener Verein zu behandeln ist. Indem der Bun desgesetzgeber die Rundfunk- und Fernsehanstalten mit ihrem Gebühreneinkommen umsatzsteuerpflichtig macht, läßt er völlig unberührt ihre Organisationsform als Anstalt des öffentlichen Rechts, völlig unberührt ihre durch Landesgesetz fixierten Rechte und Pflichten und völlig unberührt ihre öffentliche Aufgabe einschließlich der Art und Weise ihrer Erfüllung. Die Freiheit und Zuständigkeit des Landesgesetzgebers zur Ordnung des Rundfunk- und Fernsehwesens, soweit ihm dazu überhaupt nach Art. 5 GG Raum für gesetzliche Regelungen bleibt, wird durch die angegriffene Vorschrift in keiner Weise beschränkt. Unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses von Bundes- und Landeszuständigkeit zur Gesetzgebung im Bereich des Rundfunk- und Fernsehwesens ist § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 also verfassungsrechtlich unbedenklich. |
Die Sache läge anders, wenn der Bund es unternommen hätte, mit der Heranziehung der Rundfunk- und Fernsehanstalten zur Umsatzsteuer "Rundfunkpolitik zu machen" oder - wie im Falle einer sog. Erdrosselungssteuer - versucht hätte, die Arbeit der Rundfunk- und Fernsehanstalten zu erschweren oder sie daran zu hindern, ihr Programm in dem von ihnen für richtig gehaltenen Umfang und mit dem von ihnen für richtig gehaltenen Aufwand zu verwirklichen. Davon kann jedoch keine Rede sein. Eine "normale" Belastung mit der Umsatzsteuer stellt für niemanden, auch nicht für die Rundfunk- und Fernsehanstalten, eine rechtlich unzulässige Beschränkung ihrer in Art. 5 GG garantierten Freiheit dar.
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6. Keine Frage der Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeit im Bundesstaat, sondern eine Frage der Begrenzung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes wird aufgeworfen, wenn das Land Hessen vorträgt, "mit der Besteuerung des Umsatzes der Rundfunk- und Fernsehanstalten verstoße der Bund gegen den Verfassungsgrundsatz der Impermeabilität". Was immer darunter als Verfassungsgrundsatz verstanden werden mag, hier soll er verbieten, daß der Bund im Wege der Gesetzgebung eindringt in das Internum des Gliedstaates, indem er unmittelbar gegenüber einer diesem Gliedstaat inkorporierten öffentlich-rechtlichen Anstalt etwas verbindlich anordnet, statt den Gliedstaat dazu anzuhalten oder es ihm zu überlassen, ob er seiner öffentlich-rechtlichen Anstalt das verbindlich machen will, was der Bund für nötig hält. Aus diesem Grundsatz ist entwickelt worden, daß der Bund grundsätzlich nicht im Wege des Durchgriffs unmittelbar eine in seine Gesetzgebungszuständigkeit fallende Angelegenheit zur Aufgabe der Gemeinden machen oder sie unmittelbar den Gemeinden als Auftrags- oder Selbstverwaltungsangelegenheit (als Angelegenheit im eigenen oder übertragenen Wirkungskreis) übertragen kann (vgl. auch BVerfGE 22, 180 [209 f.]). Sicher ist, daß jenes Prinzip keine absolute Schranke für den Bundesgesetzgeber enthält, sondern als Grundsatz (also vorbehaltlich ausdrücklicher Regelungen in der Verfassung) sich beschränkt auf das Verbot der Einmischung des Bundes in die innere Organisation (in die Organisationsgewalt) des Gliedstaates. Der Grundsatz steht also nicht im Wege, wenn der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner Zuständigkeiten zum Erlaß von allgemeinen Steuergesetzen auch Körperschaften, Anstalten und Stiftungen nach Landesrecht steuerpflichtig macht. |
7. Schließlich ist die Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 auch nicht unvereinbar mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Der Gleichheitssatz verbietet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Willkür, d.h. eine Wertung, die sich loslöst von der Orientierung am Gedanken der Gerechtigkeit und bar jeder sachlich zureichenden Begründung ist; eine gesetzliche Regelung ist dann willkürlich, wenn sich für sie ein sachlich vertretbarer, plausibler Grund nicht anführen läßt. Der Gleichheitssatz verlangt nicht, daß die gesetzgeberische Lösung die beste, vollkommenste, dem Ideal am nächsten kommende Lösung ist. Wo es mehrere inhaltlich verschiedene, sachlich vertretbare Regelungen für einen Tatbestand gibt, hat der Gesetzgeber die Freiheit der Wahl und der Entscheidung. Daß die Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 nach der Anlage des Umsatzsteuergesetzes systemgerecht ist, ist schon dargelegt. Im übrigen spricht für die Regelung, daß nach der Intention des Gesetzgebers die Rundfunk- und Fernsehanstalten nicht besser und nicht schlechter gestellt werden sollen als ähnliche Unternehmen, die ebenfalls eine öffentliche Aufgabe erfüllen und ebenfalls wirtschaften müssen mit dem, was sie als Entgelt für ihre Leistung (ihre Dienste) erhalten: die Presse vor allem hat eine ebenso wichtige öffentliche Aufgabe in der Demokratie wie Rundfunk und Fernsehen und zahlt Umsatzsteuer; ähnlich verhält es sich mit kulturellen Einrichtungen wie Theatern (soweit ihnen nicht Steuerbefreiung gewährt ist); öffentliche Aufgaben erfüllen auch gemeindliche Versorgungsbetriebe, erfüllt der Rechtsanwalt und der Notar. Sie alle sind umsatzsteuerpflichtig. Es kommt also nicht entscheidend darauf an, daß die Besteuerung des Gebührenaufkommens der Rundfunk- und Fernsehanstalten gerade aus Gründen eines Wettbewerbs, eines Monopols mit partiell konkurrierenden Unternehmungen oder aus Gründen der Herstellung einer wirtschaftlichen Startgleichheit oder ähnlichen Gründen geboten ist; es ist auch nicht entscheidend, daß der Gesetzgeber für die Ausnahme von der grundsätzlichen Umsatzsteuerpflicht gute Gründe hätte, also die Rundfunk- und Fernsehanstalten von der Umsatzsteuer befreien könnte. Es genügt, daß seine Entscheidung für die Umsatzsteuerpflicht der Rundfunk- und Fernsehanstalten, wie dargelegt, von in der Sache liegenden vertretbaren Gründen getragen wird. |
8. Hält sich der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz und ist seine Regelung materiellrechtlich mit dem Grundgesetz vereinbar - wenn auch nur eine unter verschiedenen möglichen verfassungsrechtlichen unbedenklichen Regelungen -, so kann sie im Bundesstaat noch kollidieren mit dem Verfassungsgrundsatz der Bundestreue, d.h. unvereinbar sein mit der Pflicht des Bundesgesetzgebers zu bundesfreundlichem Verhalten. Der Grundsatz entspringt dem eigentümlichen Grundverhältnis von Gesamtstaat und Gliedstaaten im Bundesstaat; es ist ein spezifisch bundesstaatlicher Verfassungsrechtssatz. Er kann aus diesem Zusammenhang nicht herausgelöst werden. Seine Funktion ist die Festigung des Bundesstaates, zu der Bund und Länder beizutragen haben. Er hält die Egoismen des Bundes und der Länder in Grenzen, soweit sie kraft der ihnen eingeräumten Kompetenzen die Freiheit und Möglichkeit hätten, "rücksichtslos" ihre eigenen Vorstellungen zu verwirklichen und nur ihren eigenen Interessen zu folgen. Er bindet Bund und Länder im Rahmen ihrer Kompetenzen in der Art und Weise der Ausübung dieser Kompetenzen, indem er fordert, daß sich Bund und Länder in gewissen Grenzen wechselseitig helfen (vgl. BVerfGE 1, 117 [131]), daß sie sich eines Mindestmaßes an fairem Verhandlungsstil, wo immer sie zusammenarbeiten müssen, befleißigen (vgl. BVerfGE 12, 205 [255]), daß sie den anderen Teil nicht in die Verlegenheit bringen, vertragsbrüchig zu werden, oder daran hindern, seine Kompetenzen in Freiheit wahrnehmen zu können (BVerfGE 6, 309 [328, 361 f.]; 8, 122 [138 ff.]), daß sie unterlassen, was in seiner Auswirkung zu unzumutbaren Belastungen der Finanzkraft einzelner Länder (oder des Bundes) oder zur empfindlichen Störung oder Zerrüttung des Gesamtgefüges der Haushalte von Bund und Ländern führen würde (BVerfGE 3, 52 [57]; 4, 115 [140]). Nach dem Prinzip der Bundestreue ist also bei jeder Wahrnehmung einer Kompetenz des Bundes oder der Länder zu beachten, daß sie neben der Rücksicht auf die eigenen Belange auch die Rücksicht auf die Belange der übrigen Teile des Bundesstaates, in diesem Sinn die Rücksicht auf das wohlverstandene Gesamtinteresse des Bundesstaates verlangt. Das Prinzip greift also dort ein, wo die Interessen des Bundes und der Länder auseinanderlaufen, und zwar so, daß der eine Teil (und damit mittelbar das Ganze) Schaden nimmt, wenn der andere Teil seine Maßnahmen (seine gesetzliche Regelung) ausschließlich seinen Interessen entsprechend treffen würde. |
Der Verfassungsgrundsatz der Bundestreue kann auch einmal im Steuerrecht eine Rolle spielen. Beispielsweise wenn der Bund bei der Regelung der Verteilung des Steueraufkommens aus der Umsatzsteuer einseitig nur die Deckung seiner Ausgaben im Auge hätte und die Länder dadurch außerstande gesetzt würden, ihre notwendigen Aufgaben ausreichend zu erfüllen. |
Im vorliegenden Fall ist aber der Grundsatz der Bundestreue nicht tangiert: Es fehlt schon im Ansatz an einem dem bundesstaatlichen Bund-Länder-Verhältnis eigentümlichen Interessengegensatz, bei dem der Bund seine eigenen Interessen zum Nachteil und unter Vernachlässigung oder Außerachtlassung von spezifischen Landesinteressen mit seiner Regelung in § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 durchgesetzt hat. Der Bund hat ein Unternehmen mit seinen Umsätzen (die Rundfunk- und Fernsehanstalten mit ihrem Gebührenaufkommen) steuerpflichtig gemacht; steuerliche Interessen des Landes oder der Länder können dadurch nicht verletzt sein: Sie partizipieren an diesem Steueraufkommen wie an dem übrigen Aufkommen aus der Umsatzsteuer; sie verlieren mit dieser Regelung auch sonst keine Steuerquelle; sie haben nicht einmal zu fürchten, daß ein steuerbares Unternehmen wegen dieser Regelung seinen Sitz in ein anderes Land oder ins Ausland verlegt. Die Länder können nicht einmal ein besonderes eigenes Interesse geltend machen, daß der Bund darauf verzichtet, die Rundfunk- und Fernsehanstalten umsatzsteuerpflichtig zu machen; dieses letztere Interesse ist nicht ein Interesse des Landes im Bundesstaat, sondern ein Interesse der Rundfunk- und Fernsehanstalten selbst. Auch die Entscheidung des Landes, ihre Rundfunk- und Fernsehanstalten als Anstalten des öffentlichen Rechts zu organisieren, ist nicht getroffen worden, um sie der Umsatzsteuerpflicht zu entziehen; sie beruht, wie dargelegt, auf ganz anderen Überlegungen. Und diese anderen Überlegungen - nämlich entsprechend der Forderung des Art. 5 GG, sicherzustellen, daß die Aufgabe, Rundfunk und Fernsehen zu veranstalten, staatsfrei bleibt und nicht in die Hand einzelner potenter gesellschaftlicher Kräfte fällt, sondern unter angemessener und ausgewogener Beteiligung aller gesellschaftlich relevanten Kräfte erfüllt wird - sind ebenso ein Interesse der Länder wie ein Interesse des Bundes, also ein gemeinsames Interesse, hinsichtlich dessen die Länder und der Bund überhaupt nicht in einen Widerstreit geraten können und das durch die Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG 1967 vom Bund in keiner Weise beeinträchtigt oder gefährdet wird. Divergierende allgemeine "politische Auffassungen" des Bundes und der Länder, ob eine gesetzliche Regelung (im Bund oder im Land) politisch richtig, klug, zweckmäßig, in ihrer Auswirkung wirtschaftlich schädlich oder kulturell vorteilhaft ist, begründen noch keinen Konflikt der Interessen zwischen Bund und Ländern, der im Bundesstaat durch den Rückgriff auf das Prinzip der Bundestreue auszugleichen wäre und den Bund oder ein Land verfassungsrechtlich verpflichten würde, sich in der Ausübung seiner Kompetenz zurückzuhalten und eine bestimmte Regelung zu unterlassen. |
Dr. Geiger, Dr. Rinck, Wand |