BVerfGE 38, 326 - Inkompatibilität/Landtagsmandat |
1. Außerhalb der Ermächtigung in Art. 137 Abs. 1 GG ist eine Beschränkung des passiven Wahlrechts in Anknüpfung an ein Dienstverhältnis durch ein einfaches Gesetz nicht zulässig. |
2. Art. 137 Abs. 1 GG betrifft nicht nur die Wählbarkeit der dort genannten Personengruppen im engeren Sinn - die Möglichkeit, sich um ein Mandat zu bewerben, sich als Kandidat aufstellen zu lassen, gewählt werden zu können und die Wahl anzunehmen -, sondern auch die Wählbarkeit im weiteren Sinn - insbesondere die Möglichkeit das Mandat während der Legislaturperiode innezuhaben und auszuüben. |
3. Zu den Angestellten des öffentlichen Dienstes im Sinn des Art. 137 GG gehören auch die leitenden Angestellten eines privaten Unternehmens - gleichgültig, ob Versorgungsbetrieb oder nicht -, das von der öffentlichen Hand beherrscht wird. |
Beschluß |
(Teilentscheidung) des Zweiten Senats vom 21. Januar 1975 |
- 2 BvR 193/74 - |
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Landtagsabgeordneten Dipl.-Ing. S... - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Horst Lechner und Dr. Arno Walter, Saarbrücken 3, Bahnhofstraße 45 - gegen den Landtag des Saarlandes vom 20. Juni 1973 (Amtsbl. des Saarlandes S. 517). |
Entscheidungsformel: |
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen § 3 Absatz 1 Buchstabe c des Gesetzes Nr. 970 über den Landtag des Saarlandes vom 20. Juni 1973 (Amtsbl. des Saarlandes S. 517) richtet. |
Gründe |
A. - I. |
1. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen § 3 Abs. 1 Buchst. c und § 13 Abs. 1 Nr. 4 des saarländischen Gesetzes Nr. 970 über den Landtag des Saarlandes vom 20. Juni 1973 (LandtagsG) - im folgenden: Landtagsgesetz -, die die Unvereinbarkeit gewisser Tätigkeiten mit dem Abgeordnetenmandat und die damit verknüpfte Entschädigung regeln. |
§ 3 LandtagsG lautet:
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Unvereinbarkeit
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(1) Ein Abgeordneter darf nicht tätig sein als a) Richter des Landes, b) Beamter oder Angestellter des Landes, einer Gemeinde, eines Gemeindeverbandes und einer sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts, c) leitender Angestellter eines privatrechtlichen Unternehmens, an dem das Land oder eine seiner Aufsicht unterstehende Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts mit mehr als 50 vom Hundert beteiligt ist. (2) Richter und Beamte im Sinne des Absatzes 1 sind Richter und Beamte, die einen Anspruch auf Dienstbezüge haben. (3) Leitender Angestellter im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe c ist, wer allein oder mit anderen ständig berechtigt ist, das Unternehmen in seiner Gesamtheit zu vertreten. |
§ 13 LandtagsG lautet:
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Verdienstausfall
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(1) Der den Abgeordneten durch die Ausübung des Mandats entstehende wirtschaftliche Ausfall wird auf Antrag nach folgenden Bestimmungen ersetzt: 1. Abgeordneten, die als Arbeiter beschäftigt sind, wird der nachgewiesene Verdienstausfall erstattet. 2. Abgeordnete, die als Angestellte beschäftigt sind, erhalten den Lohn- und Gehaltsausfall bis zur Hälfte der Bruttobezüge erstattet. 3. Abgeordnete, die weder im öffentlichen Dienst noch in einem anderen Dienst- oder Arbeitsverhältnis stehen, erhalten eine Pauschale. 4. Abgeordnete, die ihre Stellung als leitender Angestellter im Sinne des § 3 zum Zwecke der Annahme des Mandats aufgegeben haben, erhalten 60 vom Hundert des bisher bezogenen steuerpflichtigen Entgelts, höchstens jedoch 60 vom Hundert der Bes.-Gr. 3 der Besoldungsordnung B des Bundesbesoldungsgesetzes einschließlich Ortszuschlag. (2) Das Präsidium setzt den Höchstbetrag für Absatz 1 Nummer 2 und die Pauschale nach Absatz 1 Nummer 3 durch Beschluß fest. Es entscheidet auch über die Anträge nach Absatz 1. (3) Die Entschädigung nach Absatz 1 ist nachträglich auf das Ende des Monats zu zahlen. Sie wird gewährt bis zum Ende des Monats, in dem der Abgeordnete aus dem Landtag ausscheidet. |
§ 3 sowie § 13 Abs. 1 Nr. 4 LandtagsG treten nach § 84 Abs. 3 LandtagsG am Ende der sechsten Wahlperiode des Landtags, das ist spätestens am 13. Juli 1975, in Kraft. § 13 im übrigen ist am 1. Juli 1973 in Kraft getreten (§ 84 Abs. 1 LandtagsG).
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2. Das Landtagsgesetz enthält außerdem folgende Bestimmungen, die mit den angegriffenen Regelungen im Zusammenhang stehen:
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§ 5 Eintritt in den Ruhestand |
Ein in den Landtag gewählter Beamter oder Richter, der ein mit dem Mandat nach § 3 unvereinbares Amt innehat, tritt mit der Annahme der Wahl in den Ruhestand. Bei Wahlbeamten endet die Amtszeit.
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§ 6 Dienstbezüge und Ruhegehalt |
(1) Der Beamte oder Richter erhält für den Monat, in dem er nach § 5 in den Ruhestand tritt, die Dienstbezüge des bis dahin von ihm bekleideten Amtes einschließlich der zur Bestreitung der Dienstaufwandskosten bestimmten Dienstbezüge. (2) Nach Ablauf der Zeit, für die Dienstbezüge gewährt werden, erhält der Beamte oder Richter Ruhegehalt. Sofern das Ruhegehalt weniger als 60 vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge beträgt, erhält der Beamte oder Richter für die Zeit seiner Mitgliedschaft im Landtag, längstens jedoch bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze, eine Ausgleichszulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Ruhegehalt und 60 vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge. (3) Das Land erstattet den Dienstherren die Versorgungsbezüge, soweit nicht die Ruhegehaltskasse des Saarlandes Leistungen gewährt. Für die Zeit der Mitgliedschaft im Landtag zahlen die Dienstherren, die Mitglieder dieser Ruhegehaltskasse sind, die Umlage, die vom Land zu erstatten ist. Das Land beteiligt sich an der Versor gungslast der Stadt Saarbrücken im Verhältnis der Zeit der Mitgliedschaft im Landtag zur gesamten ruhegehaltfähigen Dienstzeit. |
§ 7 Rechtsstellung nach Beendigung des Mandats |
(1) Nach Beendigung der Mitgliedschaft im Landtag ist der Beamte oder Richter (§ 3), wenn er die allgemeinen Voraussetzungen für die Berufung in das Beamtenverhältnis noch erfüllt, auf seinen Antrag, der innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft gestellt werden muß, wieder in das frühere Dienstverhältnis zu übernehmen. Das ihm zu übertragende Amt muß derselben oder einer gleichwertigen Laufbahn angehören wie das zuletzt bekleidete Amt und mindestens mit demselben Endgrundgehalt ausgestattet sein. (2) Stellt der Beamte oder Richter einen Antrag nach Absatz 1 innerhalb einer Frist von drei Monaten, so erhält er von dem Beginn des Monats an, in dem der Antrag gestellt ist, bis zur Übertragung des Amtes die Dienstbezüge, die ihm bei einem Verbleiben in seinem früheren Amte zugestanden hätten, mit Ausnahme der zur Bestreitung von Dienstaufwandskosten bestimmten Einkünfte. (3) Stellt der Beamte oder Richter keinen Antrag nach Absatz 1, so verbleibt er im Ruhestand. Die oberste Dienstbehörde kann ihn jedoch, falls er bei Beendigung seiner Mitgliedschaft im Landtag das fünfundfünfzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unter Übertragung eines den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 2 entsprechenden Amtes wieder in das frühere Dienstverhältnis berufen; lehnt er die Berufung ab, so gilt er als entlassen. Satz 2 findet keine Anwendung, wenn der Beamte oder Richter während der Dauer seiner Mitgliedschaft im Landtag Mitglied der Landesregierung war. (4) Die Bestimmungen der Absätze 1 bis 3 finden keine Anwendung auf Wahlbeamte. |
§ 8 Anrechnung der Mitgliedschaft |
(1) Die Zeit der Mitgliedschaft im Landtag bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze einschließlich der Zeit nach § 7 Abs. 2 gilt bei Wiedereintritt in das frühere Dienstverhältnis (§ 7) oder nach Beendigung der Wahlperiode als Dienstzeit im Sinne des Besoldungs- und Beamtenrechts. (2) Die ruhegehaltfähige Dienstzeit ist mit Ablauf der Wahlperiode neu festzusetzen. |
(1) Die Vorschriften der §§ 4 bis 8 gelten sinngemäß für Angestellte im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchstabe b. Angestellte im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchstabe b, die keinen vertraglichen Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen haben, erhalten vom Arbeitgeber an Stelle des Ruhegehaltes für die Dauer der Mitgliedschaft im Landtag 60 vom Hundert der Vergütung, die ihnen bei Verbleiben im Dienst in ihrer Vergütungsgruppe zugestanden hätte. (2) War ein Angestellter im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchstabe b bis zur Annahme der Wahl in den Landtag in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert, so erstattet ihm der Arbeitgeber im Falle der freiwilligen Weiterversicherung für die Zeit der Mitgliedschaft im Landtag die für die Weiterversicherung aufgewendeten Versicherungsbeiträge bis zur Höhe des gesetzlichen und dienstvertraglichen Arbeitgeberanteils, der auf der Grundlage der Vergütung, die ihm beim Verbleiben im Dienst zugestanden hätte, zu zahlen wäre. Erhielt ein Angestellter bis zur Annahme der Wahl Zuschüsse vom Arbeitgeber zu den Beiträgen zu einer bestehenden freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung, zu einer Versorgungseinrichtung oder zu einer sonstigen mit einem öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmen abgeschlossenen Versicherung, so erstattet ihm der Arbeitgeber für die Zeit der Mitgliedschaft im Landtag die fortgezahlten Beiträge bis zur Höhe der gesetzlichen und tarifvertraglichen Zuschüsse, die ihm beim Verbleiben im Dienst zugestanden hätten. Sätze 1 und 2 gelten für die Beiträge zur Krankenversicherung sinngemäß. Werden Krankenversicherungsbeiträge nach Satz 3 erstattet, so erhält der Abgeordnete im Krankheitsfalle die gleichen Leistungen wie ein im Dienst befindlicher Angestellter des Arbeitgebers, dem ein Zuschuß zu Krankenversicherungsbeiträgen gewährt wird. War ein Angestellter bis zur Annahme der Wahl pflichtversichert in der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Versicherung für die Zeit der Mitgliedschaft im Landtag nach Maßgabe der jeweils für die im Dienst befindlichen Angestellten geltenden gesetzlichen und tarifvertraglichen Bestimmungen fortzuführen. Die Höhe der Versicherungsbeiträge bestimmt sich nach der Vergütung, die dem Abgeordneten bei Verbleiben im Dienst zugestanden hätte. (3) Das Land erstattet dem Arbeitgeber die Leistungen nach den Absätzen 1 und 2. |
Die Entschädigungen zur Abgeltung sonstiger Kosten, die den Abgeordneten in Ausübung des Mandates entstehen, die Aufwandsentschädigungen für besondere parlamentarische Tätigkeiten, sowie die Entschädigung der Fraktionen und der Sachverständigen setzt das Präsidium fest.
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Auch §§ 3 bis 8 treten nach § 84 Abs. 3 LandtagsG am Ende der sechsten Wahlperiode des Landtags in Kraft. Bis dahin gelten die Vorschriften des Gesetzes Nr. 726 über die Rechtsstellung der in den Landtag des Saarlandes gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes vom 29. September 1960, die sich auf Beamte und Richter beziehen. § 9 und § 14 LandtagsG sind nach § 84 Abs. 1 LandtagsG am 1. Juli 1973 in Kraft getreten.
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II. |
Mit der am 8. März 1974 eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet der Beschwerdeführer sich unmittelbar gegen § 3 Abs. 1 Buchst. c und § 13 Abs. 1 Nr. 4 LandtagsG. Er rügt die Verletzung der Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 38 Abs. 1 Satz 1 und 137 Abs. 1 GG. Zur Begründung trägt er vor:
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Seit 1964 sei er in mehreren privatrechtlich organisierten Gesellschaften, an denen die Stadt Saarbrücken direkt oder indirekt mit mehr als 50 v. H. beteiligt sei, als Angestellter in leitender Stellung tätig, auf Grund deren er allein oder zusammen mit mit anderen Personen zur Vertretung dieser Gesellschaften berechtigt sei. Er sei Abgeordneter des Saarländischen Landtags. Er sehe sich an einer Bewerbung für ein neues Mandat durch § 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG gehindert.
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§ 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG enthalte eine Einschränkung seines passiven Wahlrechts. Dieses Recht könne nur nach Maßgabe des Art. 137 Abs. 1 GG eingeschränkt werden, nämlich bei Angestellten nur für die dort genannten Angestellten des öffentlichen Dienstes, zu denen der in § 3 Abs. 1 Buchst. c in Verbindung mit § 3 Abs. 3 LandtagsG umschriebene Personenkreis nicht gehöre. Auch im Rahmen des Art. 137 Abs. 1 GG sei außerdem nur eine Beschränkung der Wählbarkeit zulässig, nicht aber ein Ausschluß der Wählbarkeit (Ineligibilität). § 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG bewirke aber für die davon Betroffenen einen faktischen Ausschluß der Wählbarkeit. Während für Beamte in § 5 LandtagsG bestimmt sei, daß sie mit der Annahme der Wahl in den Ruhestand treten, und für Angestellte einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft nach § 9 LandtagsG im Ergebnis das gleiche gelte, müßten die in § 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG genannten Angestellten privatrechtlicher Unternehmen mangels entsprechender Regelung für ihre Dienstverhältnisse - zu der dem Landesgesetzgeber allerdings auch die Kompetenz gefehlt habe - ihr Dienstverhältnis und damit auch Versorgungsansprüche daraus ersatzlos aufgeben, um ein Landtagsmandat übernehmen zu können. Dies werde sogar schon vor der Wahl erfolgen müssen, weil eine Aufkündigung des Dienstvertrags nach der Wahl innerhalb der Annahmefrist nicht möglich sein werde, ohne daß der Angestellte vertragsbrüchig und gegebenenfalls schadensersatzpflichtig werde. Es fehle auch, im Gegensatz zu den in §§ 5, 9 LandtagsG getroffenen Regelungen, an jeder zukünftigen Sicherung des Arbeitsplatzes nach Mandatsbeendigung. Auch die in § 13 Abs. 1 Nr. 4 LandtagsG vorgesehene Ausfallentschädigung setze voraus, daß die Stellung zum Zweck der Annahme des Mandats aufgegeben worden sei. Der in § 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG bezeichnete Angestellte müsse also, um sich bewerben zu können, sein Dienstverhältnis bereits vor der Wahl durch rechtzeitige Kündigung aufgeben und sich damit der Gefahr aussetzen, bei erfolgloser Wahl arbeitslos zu sein, wobei er für diesen Fall überhaupt keine Entschädigung verlangen könne. |
Darin, daß eine Sicherung des Arbeitsplatzes nach Mandatsbeendigung im Gegensatz zu den in § 3 Abs. 1 Buchst. a und b LandtagsG aufgeführten Personen nicht bestehe, liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Auch § 13 Abs. 1 Nr. 4 LandtagsG verletze den Gleichheitssatz, weil hier unabhängig von den zuvor erhaltenen Bezügen eine Höchstbegrenzung auf 60 % der Bezüge nach Besoldungsgruppe B 3 des Bundesbesoldungsgesetzes eingeführt sei, während sonst uneingeschränkt 60 % der bisherigen Bezüge garantiert seien. |
Für die Bestimmung des § 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG fehle auch, mindestens was die leitenden Angestellten von Unternehmen anlange, an denen eine Gemeinde mehrheitlich beteiligt sei, der besondere rechtfertigende Grund, der für eine Wählbarkeitsbeschränkung auch innerhalb des in Art. 137 Abs. 1 GG abgegrenzten Bereichs zu verlangen sei. Eine Begründung fehle auch dafür, daß nur für die vertretungsberechtigten Angestellten der in § 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG bezeichneten Unternehmen die Wählbarkeitsbeschränkung gelten solle, nicht aber für Aufsichtsratsmitglieder und andere Angestellte.
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In dem der Verfassungsbeschwerde zur weiteren Begründung beigegebenen Gutachten von Prof. Ule wird ausgeführt, daß ein nach Art. 137 Abs. 1 GG unzulässiger faktischer Ausschluß der Wählbarkeit sowie eine nach Art. 48 Abs. 2 GG verbotene Behinderung der Mandatsübernahme und ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gegeben sei, wenn ein Beamter oder Angestellter zur Annahme eines Mandats ein Amt oder eine Stellung aufgeben oder sich davon beurlauben lassen müsse, ohne daß er daraus noch Bezüge erhalte.
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B. |
Der Landtag und die Regierung des Saarlandes hatten Gelegenheit zur Äußerung. Der Landtag hat von einer Stellungnahme Abstand genommen. Für die Regierung des Saarlandes hat der Saarländische Minister des Innern sich geäußert. Er hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet und führt aus:
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Für die Auslegung des Begriffes "öffentlicher Dienst" im Sinne des Art. 137 Abs. 1 GG könne nicht das Begriffsverständnis, das für das Arbeits- und Versorgungsrecht gelte, maßgebend sein. In Art. 137 GG gehe es um die verstärkte Durchsetzung und erhöhte Absicherung des organisatorischen Gewaltenteilungsgrundsatzes gegen die Nivellierung der Personalunion zwischen Verwaltung einerseits und Abgeordnetenmandat andererseits. Dabei könne die seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes vermehrte Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben durch mehrheitlich der öffentlichen Hand gehörende, in privatrechtlicher Form organisierte Unternehmen als eine faktische Veränderung in der Verfassungswirklichkeit nicht unberücksichtigt bleiben. Gerade in diesen Fällen könne es zu zahlreichen schwerwiegenden Interessenkollisionen kommen - z. B. wenn ein leitender Angestellter der privatrechtlich organisierten Nahverkehrs- und Versorgungsbetriebe im Parlament und dessen Ausschüssen über organisatorische Maßnahmen in diesem Bereich oder über die Zuteilung von Subventionen zu beraten und mitzuentscheiden habe -, die letztlich Anlaß und Grund für die Schaffung der Ermächtigung in Art. 137 Abs. 1 GG gewesen seien. Nach Sinn und Zweck des Art. 137 Abs. 1 GG sei der Begriff des "öffentlichen Dienstes" in Art. 137 GG daher in dem umfassenderen Sinne auszulegen, daß auch die leitenden Angestellten der privatrechtlich organisierten, aber mehrheitlich im Besitz der öffentlichen Hand befindlichen Unternehmen, sofern diese Unternehmen - wie im Falle des Beschwerdeführers - hoheitlich tätig werden, von der Inkompatibilitätsregelung mit erfaßt werden. |
§ 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG führe auch nicht zu einer faktischen Ineligibilität des betroffenen Personenkreises. Die Differenzierung in der Versorgungsregelung gegenüber derjenigen für Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes "im engeren Sinne" sei von der unterschiedlichen Stellung der beiden Berufsgruppen her gesehen sachlich motiviert und liege im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens. Ein Anspruch auf Rückübernahme in das frühere Arbeitsverhältnis nach Beendigung des Mandats habe mangels Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers nicht statuiert werden können.
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C. - I. |
1. Der Antrag der Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen § 3 Abs. 1 Buchst. c und § 13 Abs. 1 Nr. 4 LandtagsG. Zwar steht der Angriff auf § 3 Abs. 1 Buchst. c im Vordergrund; aber beide Vorschriften zusammen führen nach Auffassung des Beschwerdeführers zum faktischen Ausschluß der Wählbarkeit, weil sich unter den Bedingungen dieser Vorschriften kein Wahlbewerber vernünftigerweise um ein Mandat bewerben könne. Außerdem wird geltend gemacht, daß die Unterlassung der Sicherung des Arbeitsplatzes nach Mandatsbeendigung und die Bindung der Ausfallentschädigung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 LandtagsG an die Aufgabe der Stellung sowie an eine Höchstgrenze einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG im Verhältnis zu den Regelungen für Beamte, Richter und Angestellte öffentlicher Körperschaften darstelle. Damit sind beide Vorschriften angegriffen. |
Da im Bereich der Wahlrechtsgleichheit der Verstoß sowohl in einer ungerechtfertigten Benachteiligung eines Bewerbers als auch in der ungerechtfertigten Begünstigung eines vergleichbaren Falles liegen kann, muß die Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG notwendig auch die Parallelfälle einbeziehen, die in § 3 Abs. 1 Buchst. a und b, §§ 5 bis 9 und §§ 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, 14 LandtagsG geregelt sind. Deshalb hat sich in diesem Verfahren die verfassungsrechtliche Prüfung auch auf §§ 5 bis 9, 14, sowie auf §§ 3 und 13 LandtagsG, soweit sie nicht angegriffen sind, zu erstrecken.
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist rechtzeitig erhoben.
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Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei durch die angegriffenen Vorschriften selbst, unmittelbar und gegenwärtig in seinem passiven Wahlrecht betroffen. Damit rügt er einen Verstoß gegen den Verfassungsgrundsatz der Gleichheit der Wahl, der ein Anwendungsfall des allgemeinen Gleichheitssatzes in Art. 3 Abs. 1 GG ist (vgl. BVerfGE 18, 172 [180]).
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Daß §§ 3 und 13 Abs. 1 Nr. 4 LandtagsG noch nicht in Kraft getreten sind, macht die Verfassungsbeschwerde nicht unzulässig. Sie treten mit dem Ende der sechsten Wahlperiode des Landtags in Kraft. Sie gelten also für die nächste im Saarland stattfindende Wahl und für die aus dieser Wahl hervorgegangenen Abgeordneten. Daraus ergibt sich die unmittelbare und gegenwärtige Be troffenheit des Beschwerdeführers in bezug auf seine Beteiligung an dieser Wahl. |
3. Die angegriffenen Vorschriften lassen sich unabhängig voneinander auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen. Entscheidungsreif ist das Verfahren nur, soweit es sich auf § 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG bezieht. Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 13 Abs. 1 Nr. 4 LandtagsG und der damit in untrennbarem sachlichem Zusammenhang stehenden weiteren Vorschriften des Gesetzes erfordert wegen der Auswirkungen, die die Entscheidung auf die Rechtsstellung der Abgeordneten aller Parlamente der Bundesrepublik Deutschland haben kann, eine mündliche Verhandlung und die Anhörung der Parlamente, der Regierungen und der in den Parlamenten vertretenen politischen Parteien. Deshalb hat das Gericht den Erlaß einer Teilentscheidung gemäß § 25 Abs. 3 BVerfGG beschlossen.
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II. |
Die Verfassungsbeschwerde gegen § 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG ist nicht begründet.
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§ 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG modifiziert den Verfassungssatz von der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zu den Parlamenten (Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Art. 38 Abs. 1 GG). Das ist in Art. 137 Abs. 1 GG vorgesehen, der bestimmt, daß "die Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes, Berufssoldaten, freiwilligen Soldaten auf Zeit und Richtern im Bund, in den Ländern und den Gemeinden ... gesetzlich beschränkt werden" kann. Außerhalb dieser Ermächtigung ist eine Beschränkung des passiven Wahlrechts in Anknüpfung an ein Dienstverhältnis durch ein einfaches Gesetz nicht zulässig. Deshalb ist die hier zu entscheidende Frage, ob § 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG mit Art. 137 Abs. 1 GG vereinbar ist.
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1. Art. 137 Abs. 1 GG verlangt eine gesetzliche Regelung. § 3 LandtagsG ist in einem Landesgesetz enthalten. Er bestimmt innerhalb einer Regelung, die die Wahl zum Landtag betrifft, nur etwas für Richter, Beamte oder Angestellte des Landes, einer Gemeinde oder einer anderen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts sowie für leitende Angestellte eines privatrechtlichen Unternehmens, an dem das Land oder eine seiner Aufsicht unterstehende Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts mit mehr als 50 vom Hundert beteiligt ist. In dieser Beschränkung ist der Landesgesetzgeber zur Regelung zuständig, weil sie materiell ausschließlich einen Gegenstand betrifft, der Teil des Landeswahlrechts, des Landesparlamentsrechts und des Statusrechts der Landtagsabgeordneten ist. Die Frage, ob auch der Bund eine Regelung nach Art. 137 Abs. 1 GG mit Wirkung für die Länder erlassen könnte, kann hier offen bleiben. Jedenfalls hält sich die Vorschrift auch innerhalb des bundesrechtlichen Rahmens, den § 33 Beamtenrechtsrahmengesetz für die Länder bestimmt. |
Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
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2. Art. 137 Abs. 1 GG betrifft nicht nur die Wählbarkeit der dort genannten Personengruppen im engeren Sinn - die Möglichkeit, sich um ein Mandat zu bewerben, sich als Kandidat aufstellen zu lassen, gewählt werden zu können und die Wahl anzunehmen -, sondern auch die Wählbarkeit im weiteren Sinn - insbesondere die Möglichkeit, das Mandat während der Legislaturperiode innezuhaben und auszuüben. Auch Beschränkungen, die sich auf die Ausübung des Mandats beziehen, sind nur auf Grund des Art. 137 Abs. 1 GG zulässig. Hier liegt sogar der Schwerpunkt des Anwendungsbereichs des Art. 137 Abs. 1 GG: Inkompatibilitäten zwischen Mandat und anderweiter Tätigkeit sollen gesetzlich festgelegt werden können. Es wäre wenig sinnvoll, zwar beschränkende Voraussetzungen für die Wählbarkeit im engeren Sinn nur in den Grenzen des Art. 137 Abs. 1 GG zuzulassen, für die Ausübung des Mandats aber Regelungen zu gestatten, die sich nicht in den Grenzen des Art. 137 Abs. 1 GG halten, insbesondere auch Abgeordnete treffen, die nicht zu den in Art. 137 Abs. 1 GG genannten Gruppen gehören. Damit würde der Ausnahmecharakter des Art. 137 Abs. 1 GG gegenüber Art. 28 Abs. 1 Satz 2 und Art. 38 GG unterlaufen werden können. Das Gesetz über die Rechtsstellung der in den Deutschen Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes vom 4. August 1953 (BGBl. I S. 777) und § 25 des Soldatengesetzes sind denn auch unter Bezugnahme auf Art. 137 Abs. 1 GG ergangen. |
Diese Entscheidung ist mit sieben Stimmen gegen eine Stimme ergangen.
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3. Es bedarf hier nicht der Entscheidung, wo die Grenze zwischen der nach Art. 137 Abs. 1 GG unzulässigen Beseitigung der Wählbarkeit und ihrer nach dieser Vorschrift zulässigen Beschränkung liegt. Jedenfalls im vorliegenden Fall handelt es sich um eine bloße Beschränkung der Wählbarkeit, weil der Bewerber um das Abgeordnetenmandat die freie Wahl zwischen Übernahme und Ausübung des Mandats einerseits und Tätigkeit als leitender Angestellter eines Wirtschaftsunternehmens andererseits hat. Er ist rechtlich weder von der Bewerbung für das Mandat und von dessen Annahme noch von der Ausübung des Mandats ausgeschlossen. Er ist auch faktisch nicht ausgeschlossen. Die Aufgabe der beruflichen Tätigkeit mag je nach den Umständen einmal schwerer, das andere Mal leichter fallen; generell - und darauf kommt es bei der gesetzlichen Regelung an - führt diese Inkompatibilitätsvorschrift nicht dazu, daß sich ein Betroffener außerstande sieht, sich für das Mandat zu entscheiden.
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Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
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4. Nach Art. 137 Abs. 1 GG können nur bestimmte Personengruppen in ihrer Wählbarkeit beschränkt werden. Dazu gehören die "Angestellten des öffentlichen Dienstes". Es gibt keinen für alle Rechtsbereiche gleichen Begriff des Angestellten des öffentlichen Dienstes; bald kommt es dabei entscheidend auf den öffentlich-rechtlichen Dienstherrn an, bald auf die Erledigung einer öffentlichen Aufgabe. Für Art. 137 Abs. 1 GG ergibt sich die Bedeutung und Reichweite des Begriffs "Angestellter des öffentlichen Dienstes" aus der ratio der Vorschrift: Sie soll in Richtung auf Verwirklichung und Aufrechterhaltung des Verfassungsprinzips der Trennung der Gewalten zwischen Legislative und Exekutive wirken. Konkreter geht es darum, zu verhindern, daß durch "Personalunion" die Kontrolleure der Verwaltung sich selbst kontrollieren, insofern sie zugleich Aufgaben und Verantwortung innerhalb der Verwaltung wahrnehmen, und damit die Gefahr von Entscheidungskonflikten und daraus möglicherweise resultierender Verfilzungen abzuwehren (vgl. BVerfGE 12, 73 [77]; 18, 172 [183]). Dieses Problem entsteht nicht nur, wenn Richter, Beamte und Angestellte eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn oder Angestellte, die hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, gleichzeitig Abgeordnete eines Parlaments sind, sondern in gleicher Weise auch, wenn leitende Angestellte eines in öffentlicher Hand befindlichen oder durch die öffentliche Hand beherrschten privaten Unternehmens gleichzeitig Abgeordnete sind. Für die öffentlichen Versorgungsbetriebe, die sowohl öffentlichrechtlich wie privatrechtlich organisiert sein können, liegt es auf der Hand, daß es dabei auf den formalen Unterschied der Organisationsform nicht ankommen kann. Nicht weniger gefährlich im Sinn des dargestellten verfassungsrechtlichen Gesichtspunkts liegen die Dinge, wenn die öffentliche Hand ein - regelmäßig nicht unbedeutendes - Wirtschaftsunternehmen führt oder beherrscht. Auch diese Wirtschaftsunternehmen werden von der öffentlichen Hand nicht willkürlich aus einem bloßen Gewinnstreben heraus, sondern in der Regel wegen ihrer Verantwortung für die wirtschaftliche Entwicklung, also in Wahrnehmung einer sozialen, wirtschaftspolitischen, insofern dem Gemeinwohl dienenden und deshalb "öffentlichen" Verpflichtung übernommen. Zu den Angestellten des öffentlichen Dienstes im Sinn des Art. 137 Abs. 1 GG gehören deshalb auch die leitenden Angestellten eines privaten Unternehmens - gleichgültig, ob Versorgungsbetrieb oder nicht -, das von der öffentlichen Hand beherrscht wird. In diesem Rahmen hält sich § 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG, wenn er die leitenden Angestellten eines privatrechtlichen Unternehmens einbezieht, an dem das Land oder eine seiner Aufsicht unterstehende Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts mit mehr als 50 vom Hundert beteiligt ist. |
5. § 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG betrifft nur die leitenden Angestellten, zu denen nach Absatz 3 gehört, "wer allein oder mit anderen ständig berechtigt ist, das Unternehmen in seiner Gesamtheit zu vertreten". Das Gesetz stellt also auf die im Privat-, Handels- und Gesellschaftsrecht geregelte Vertretungsmacht nach außen ab, läßt also außerhalb seiner Regelung die Angehörigen anderer Unternehmensorgane, die nach den privat-, handels- und gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen intern bestimmenden Einfluß auf die Unternehmensentscheidungen haben. Das ist nicht willkürlich, weil die damit getroffene Unterscheidung zwischen solchen Unternehmensorganen, die das Unternehmen nach außen vertreten und anderen Unternehmensorganen, die nur intern mitentscheiden, sachbezogen und sachlich vertretbar ist, ohne daß damit entschieden wäre, daß Angehörige der letztgenannten Organe nicht in die Regelung des § 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG einbezogen werden könnten. Jedenfalls ist die Gesetz gewordene Regelung geeignet, die oben umschriebene Gefahr wirksam zu verringern. Wie der Wortlaut des Art. 137 Abs. 1 GG ("kann") ergibt, muß der Gesetzgeber diese Ermächtigung nicht ausschöpfen.
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Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
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6. Andererseits bedarf es für eine Regelung, die sich im Rahmen des Art. 137 Abs. 1 GG hält, nicht noch des Nachweises eines besonderen zwingenden rechtfertigenden Grundes, der nach der Rechtsprechung des Gerichts zur Einschränkung der egalitären Wahlrechtsgleichheit gefordert werden muß. Die Entscheidung der Verfassung, daß die Wahlrechtsgleichheit und die Allgemeinheit der Wahl im Rahmen der Ausnahmevorschrift des Art. 137 Abs. 1 GG eingeschränkt werden kann, ersetzt jenen von der Rechtsprechung entwickelten, in der Verfassung nicht ausdrücklich geregelten Grundsatz für die Einschränkung der egalitären Wahlrechtsgleichheit. Zugleich läßt diese Verfassungsentscheidung dem Gesetzgeber Raum, in welchem Umfang und in welcher Weise er die Beschränkung verwirklicht.
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7. Das Tätigkeitsverbot des § 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG ist somit eine nach Art. 137 Abs. 1 GG zulässige gesetzliche Wählbarkeitsbeschränkung. Ihre Verfassungsmäßigkeit wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß möglicherweise andere Vorschriften des Gesetzes verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegen. Demgemäß war zu entscheiden, daß § 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
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Die Kostenentscheidung bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
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Seuffert v. Schlabrendorff Rupp Geiger Hirsch Rinck Rottmann Wand |
Abweichende Meinung des Richters Seuffert zu dem Beschluß des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Januar 1975 - 2 BvR 193/74 - |
1. Bei dem Tätigkeitsverbot des § 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG handelt es sich - ebensowenig wie bei der Zurruhesetzung in das Parlament gewählter Beamter (vgl. Mangoldt-Klein, Anm. III 5 zu Art. 48 GG) - nicht um eine Wählbarkeitsbeschränkung im Sinne des Art. 137 Abs. 1 GG, sondern um eine Regelung für die Mandatsausübung gewählter Abgeordneter, die schon rein sprachlich nicht als Wählbarkeitsbeschränkung verstanden werden kann. Derartige Regelungen sind nicht an den Bereich des öffentlichen Dienstes im Sinne des Art. 137 Abs. 1 GG gebunden; es könnten z. B. an sich auch Unvereinbarkeiten bezüglich der Mitgliedschaft in anderen Parlamenten oder anderen Vertretungskörperschaften oder bezüglich sonstiger Berufs- oder Dienst tätigkeiten ausgesprochen werden. Sie sind darauf zu prüfen, ob eine verbotene Behinderung der Mandatsübernahme oder Mandatsausübung (Art. 48 Abs. 2 GG) vorliegt. Sie berühren mit dem freien Zugang zum Mandat das allgemeine und gleiche passive Wahlrecht und bewegen sich in dem Bereich, in welchem Differenzierungen eines besonderen rechtfertigenden Grundes bedürfen (BVerfGE 12, 10 [25]; 11, 266 [272] mit weiteren Nachweisen). |
Als besonderer rechtfertigender Grund kommt hier - in gleichem Rang wie die Gründe, die Sperrklauseln gegen Parteienzersplitterung oder Vorschriften für Wahlvorschläge zur Prüfung ihrer Ernsthaftigkeit zulassen - die Absicherung der Funktion des Parlaments gegen mögliche Interessenkollisionen in Frage. Diese Begründung kann auch für den in § 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG umschriebenen Personenkreis akzeptiert werden. Das allgemeine und gleiche passive Wahlrecht und der freie Zugang zum Mandat verlangen jedoch weiter, daß die für die Mandatsübernahme gesetzten Bedingungen erfüllbar sind und daß die Chancengleichheit sowohl gegenüber denjenigen Bewerbern, die kein Tätigkeitsverbot zu beachten haben, wie bei den in den einzelnen Fällen an die Aufgabe einer für unvereinbar erklärten Tätigkeit geknüpften Folgeregelungen gewahrt ist.
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2. Die Zugehörigkeit des in § 3 Abs. 1 Buchst. c bezeichneten Personenkreises zu den Angestellten des öffentlichen Dienstes im Sinne des Art. 137 Abs. 1 GG - auf die es nach der hier vertretenen Meinung nicht ankommt -, ist zu Unrecht bejaht worden. Nach Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des Art. 137 Abs. 1 GG sowie nach der bisherigen Rechtsprechung des Gerichts kommen als solche nur Personen in Frage, die in einem Dienstverhältnis zu einem Dienstherrn öffentlich-rechtlicher Rechtsform stehen.
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3. Die Folgeregelung für die vom Tätigkeitsverbot des § 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG betroffenen leitenden Angestellten eines privatrechtlichen Unternehmens, an dem die öffentliche Hand mit Mehrheit beteiligt ist, wahrt die Chancengleichheit weder im Verhältnis zu der Regelung für Angestellte anderer privatrechtlicher Unternehmen, die einen Verdienstausfall erleiden, noch im Verhältnis zu den Regelungen für die vom gleichen Tätigkeitsverbot betroffenen, in § 3 Abs. 1 Buchst. a und b genannten Gruppen. Das mußte zur Feststellung führen, daß § 3 Abs. 1 Buchst. c LandtagsG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Da die Verfassungswidrigkeit auf verschiedene Weise beseitigt werden kann und die Entscheidung darüber dem Gesetzgeber überlassen bleiben muß, mußte das Gericht sich auf diese Feststellung beschränken, ohne eine Nichtigkeit auszusprechen. |
Seuffert |
Abweichende Meinung des Richters Wand zum Beschluß des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Januar 1975 - 2 BvR 193/74 - |
I. |
§ 3 Abs. 1 Buchst. c des Gesetzes Nr. 970 über den Landtag des Saarlandes vom 20. Juni 1973 ist nur teilweise mit dem Grundgesetz vereinbar.
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Soweit die in dieser Vorschrift bezeichneten Unternehmen im Rahmen der Daseinsvorsorge öffentliche Aufgaben wahrnehmen, ist die gesetzliche Beschränkung der Wählbarkeit ihrer leitenden Angestellten durch Art. 137 Abs. 1 GG gerechtfertigt.
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Sind solche Unternehmen hingegen ausschließlich im erwerbswirtschaftlichen Bereich tätig, ist es verfassungswidrig, das passive Wahlrecht ihrer leitenden Angestellten zu beschränken.
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II. |
1. Es gibt keinen allgemeingültigen Begriff des öffentlichen Dienstes (BVerfGE 15, 46 [61]). Was Art. 137 Abs. 1 GG unter öffentlichem Dienst versteht, ist anhand des Normzwecks durch Auslegung zu ermitteln.
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Art. 137 Abs. 1 GG will die organisatorische Gewaltenteilung gegen Gefahren sichern, die durch eine Personalunion zwischen Exekutivamt und Abgeordnetenmandat entstehen können (BVerfGE 12, 73 [77]; 18, 172 [183]). Diesem Normzweck wird eine Auslegung nicht gerecht, die den Begriff des öffentlichen Dienstes ausschließlich am öffentlich-rechtlichen Charakter des Dienstherrn ausrichtet. Dies zeigt besonders das Beispiel der "leitenden Angestellten" von Daseinsvorsorgeeinrichtungen der öffentlichen Hand, die privatrechtlich organisiert sind. In neuerer Zeit gehen insbesondere "die Kommunen immer mehr dazu über, ihre bisher unselbständigen gemeindlichen Einrichtungen der Daseinsvorsorge ... in juristische Personen des bürgerlichen Rechts (Stadtwerke AG u. ä.) dergestalt umzumünzen, daß die betreffende Einrichtung der Daseinsvorsorge rechtstechnisch mit den Mitteln des Zivilrechts als juristische Person des privaten Rechts förmlich verselbständigt, jedoch nach wie vor von der Kommune bestimmend beeinflußt wird" (Ulsamer, Zur Geltung der Grundrechte für juristische Personen des öffentlichen Rechts, in: Festschrift für Willi Geiger, 1974, S. 199 [204 f.]). Dieser Entwicklung kann sich die Auslegung des Art. 137 Abs. 1 GG nicht verschließen. Die öffentliche Hand hat die Freiheit der Wahl, Aufgaben der Daseinsvorsorge entweder selbst zu erfüllen, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zu übertragen oder einer von ihr beherrschten juristischen Person des Privatrechts anzuvertrauen. Welchen dieser denkbaren Wege sie beschreitet, hängt ausschließlich davon ab, auf welche Weise die sich heute zwangsläufig in das wirtschaftliche Produktionsleben hinein erstreckende moderne Verwaltung die ihr gestellten "öffentlichen Aufgaben" am besten zu bewältigen vermag. Die beliebige Wahl der Rechtsform ist also vor dem Zweck des Art. 137 Abs. 1 GG ersichtlich unerheblich. Wird der leitende Angestellte eines mit öffentlichen Aufgaben betrauten und von der öffentlichen Hand bestimmend beeinflußten Unternehmens in eine Vertretungskörperschaft gewählt, so besteht die Gefahr einer Interessenkollision im Bereich von "Amt" und Mandat unabhängig davon, ob das Unternehmen öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisiert ist. |
2. Dagegen ermächtigt Art. 137 Abs. 1 GG - innerhalb der Grenzen seines möglichen Wortsinnes - den Gesetzgeber nicht, leitende Angestellte solcher privatrechtlich organisierter Unternehmen in ihrer Wählbarkeit zu beschränken, an denen die öffentliche Hand zwar mehrheitlich beteiligt ist, die aber keinerlei öffentliche Aufgaben wahrnehmen, sondern jenseits der Daseinsvorsorge erwerbswirtschaftlich tätig sind. |
Diese Personengruppe kann dem "öffentlichen Dienst" nicht mehr zugerechnet werden; ihre Aufgabe und Tätigkeit haben, selbst wenn man den Begriff "öffentlicher Dienst" im weitesten Sinne versteht, keinerlei Bezug zur "Exekutive".
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Daran ändert sich nichts, wenn der Fiskus die Anteilsrechte am erwerbswirtschaftlichen Unternehmen mit Rücksicht auf öffentliche Interessen erwirbt; denn die Erwägungen, aus denen die öffentliche Hand sich zu einer Beteiligung an einem Wirtschaftsunternehmen entschließt, sind nicht geeignet, den Charakter des Unternehmens zu bestimmen. Beteiligt sich der Staat z. B. an einer Automobilfabrik, um ihre Veräußerung an das Ausland zu verhindern, so mag er darin zwar die Erfüllung einer "öffentlichen Verpflichtung" sehen; der rein erwerbswirtschaftliche Charakter der von dem Unternehmen und seinen Angestellten wahrgenommenen Aufgabe wird hiervon jedoch nicht berührt.
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III. |
§ 3 Abs. 1 Buchst. c Landtagsgesetz hätte teilweise für nichtig erklärt werden müssen.
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1. Die Norm ist teilbar: Der gültige und der nichtige Teil der Norm lassen sich mit hinreichender Bestimmtheit voneinander abgrenzen. Der Kreis der öffentlichen Aufgaben, die ein privatrechtlich organisiertes, mehrheitlich im Besitz der öffentlichen Hand befindliches Unternehmen wahrnehmen kann, deckt sich mit dem unter dem Begriff der Daseinsvorsorge zusammengefaßten Aufgabenbereich. Tragendes Motiv der Daseinsvorsorge ist die Befriedigung allgemeiner Bedürfnisse zu sozial angemessenen Bedingungen, nicht dagegen die Gewinnerzielung (Forsthoff, Verwaltungsrecht, 10. Auflage 1973, S. 567). Ein Unternehmen dient der Daseinsvorsorge, wenn es unmittelbar dem Einzelnen Leistungen und Vorteile gewährt (Forsthoff, a.a.O., S. 372; BVerwG, DVBl. 1958, S. 869 [870]). Dies ist ein hinreichend brauchbares Abgrenzungsmerkmal. |
2. Der saarländische Gesetzgeber hätte bei zutreffender Würdigung der Rechtslage die beanstandete Vorschrift mit Sicherheit in ihrem auf den verfassungsmäßigen Teil eingeschränkten Inhalt erlassen. Bereits bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs am 22. März 1972 (S. 1039 der Sitzungsniederschrift) war im Zusammenhang mit der geplanten Wählbarkeitsbeschränkung von den "leitenden Angestellten eines privatrechtlich organisierten gemeindlichen oder staatlichen Versorgungsunternehmens" die Rede, während andere Beispiele - wie übrigens auch in den Ausschußsitzungen - nicht genannt wurden. Dementsprechend erwähnt auch der Saarländische Minister des Innern in seiner Stellungnahme zur Verfassungsbeschwerde als Beispiel für die sachliche Tragweite der Regelung lediglich den "leitenden Angestellten der privatrechtlich organisierten Nahverkehrs- und Versorgungsbetriebe"; er verteidigt die angegriffene Inkompatibilitätsregelung aus dem Sinn und Zweck des Art. 137 Abs. 1 GG, der es erfordere, auch die leitenden Angestellten privatrechtlich organisierter, von der öffentlichen Hand maßgeblich beeinflußter Unternehmen in die Beschränkung der Wählbarkeit einzubeziehen, sofern diese Unternehmen "hoheitlich" tätig würden. Selbst wenn man unterstellt, daß der Gesetzgeber mit der beanstandeten Norm die leitenden Angestellten auch solcher Unternehmen erfassen wollte, die sich ausschließlich erwerbswirtschaftlich betätigen, so zeigen diese Äußerungen doch deutlich, daß es ihm entscheidend darauf ankam, eine Wählbarkeitsbeschränkung für leitende Angestellte im Bereich der Daseinsvorsorge zu schaffen.
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Wand |