BVerfGE 49, 15 - Volksentscheid Oldenburg
 


BVerfGE 45, 15 (15):

Beschluß
des Zweiten Senats vom 1. August 1978
-- 2 BvR 123/76 --
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde
1. des Landrats Heinz zu J ... 2. des Stadtdirektors Dr. Franz C .. 3. des Rechtsanwalts Fritz E... und weiterer 47 Beschwerdeführer -- Bevollmächtigte: Rechtsanwalt Fritz Enneking und Prof. Dr. Günter Püttner, Freiherr-vom-Stein-Straße 2, Speyer -- gegen das Gesetz über die Regelung der Landeszugehörigkeit des Verwaltungsbezirks Oldenburg und des Landkreises Schaumburg-Lippe nach Art. 29 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes vom 9. Januar 1976 (BGBl. I S. 45).
Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
 


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Gründe:
 
I.
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist das Gesetz über die Regelung der Landeszugehörigkeit des Verwaltungsbezirks Oldenburg und des Landkreises Schaumburg-Lippe nach Art. 29 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes -- im folgenden: Regelungsgesetz -- vom 9. Januar 1976 (BGBl. I S. 45). Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, daß der Bundesgesetzgeber mit diesem Gesetz den im erfolgreichen Volksentscheid vom 19. Januar 1975 zum Ausdruck gekommenen Willen der abstimmungsberechtigten Bevölkerung im Gebiet des ehemaligen Landes Oldenburg in verfassungswidriger Weise überspielt und sie dadurch in ihren Grundrechten verletzt habe.
1. Oldenburg hat seine Stellung als selbständiges Land mit Wirkung vom 1. November 1946 verloren, als es durch die Verordnung Nr. 55 der Britischen Militärregierung (vgl. Amtsbl. für Niedersachsen 1946, S. 103) zusammen mit den Ländern Braunschweig, Hannover und Schaumburg-Lippe zu einem neuen Land Niedersachsen vereinigt wurde. Im Jahre 1956 hatte ein Volksbegehren gemäß Art. 29 Abs. 2 GG i.d.F. vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1) auf Wiederherstellung des früheren Landes Oldenburg als selbständiges Bundesland die Zustimmung von 12,9 v.H. der zum Landtag wahlberechtigten Bevölkerung gefunden. Nach der Änderung des Art. 29 Abs. 2--6 GG durch das 25. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1241) -- im folgenden: Art. 29 GG (F. 1969) -- wurde am 19. Januar 1975 der in Art. 29 Abs. 3 GG (F. 1969) vorgesehene Volksentscheid durchgeführt. Die Mehrheit der Abstimmenden, die zugleich 31 v.H. der zum Landtag wahlberechtigten Bevölkerung umfaßte, sprach sich dafür aus, daß das frühere Land Oldenburg als selbständiges Land wiederhergestellt werde.
§ 1 des hier angegriffenen Regelungsgesetzes bestimmt gleichwohl, daß der Verwaltungsbezirk Oldenburg -- nach dem Gebietsstand vom 9. April 1956 -- beim Land Niedersachsen ver

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bleibt. In der Begründung des Gesetzentwurfs (BTDrucks. 7/4167, S. 3 ff.) führte die Bundesregierung aus, daß die Schaffung eines nicht ausreichend leistungsfähigen selbständigen Landes Oldenburg den in Art. 29 Abs. 1 GG (F. 1969) niedergelegten Zielen einer zeitgerechten Neugliederung widersprechen würde. Das zur Wahrung dieser Ziele erforderliche Abweichen vom Ergebnis des Volksentscheides sei gemäß Art. 29 Abs. 4 Satz 1 GG (F. 1969) nicht davon abhängig, daß gleichzeitig auch die Gesamtneugliederung des Bundesgebietes in Angriff genommen werde.
Das 33. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 23. August 1976 (BGBl. I S. 2381) hat Art. 29 GG erneut geändert. Der bindende Neugliederungsauftrag ist in eine Ermächtigung umgewandelt worden. Besondere Vorschriften für diejenigen Gebietsteile, die bei der Neubildung der Länder nach dem 8. Mai 1945 ohne Volksabstimmung ihre Landeszugehörigkeit geändert haben, sind in der jetzt geltenden Fassung des Art. 29 GG nicht mehr enthalten.
2. Der Beschwerdeführer zu 1) ist Vorsitzender, die Beschwerdeführer zu 2) und 3) sind Mitglieder des Vorstandes des "Komitees Volksentscheid Oldenburg". Die übrigen Beschwerdeführer sind Abstimmungsteilnehmer aus allen zur Zeit der Abstimmung im Gebiet von Oldenburg bestehenden Stadt- und Landkreisen. Zur Begründung ihrer am 11. Februar 1976 eingegangenen Verfassungsbeschwerde tragen sie -- auch unter Bezugnahme auf ein Gutachten von Prof. Dr. Evers -- im wesentlichen vor:
a) Das angegriffene Gesetz verletze die in Art. 20 Abs. 2, 29 und 38 GG niedergelegten Grundsätze über die Mitwirkung des Volkes bei der Ausübung der Staatsgewalt. Art. 29 Abs. 3 und 4 GG in der für dieses Verfahren weiterhin maßgeblichen Fassung vom 19. August 1969 berechtigte die Beschwerdeführer, vom Bundesgesetzgeber die Beachtung des Volksentscheides im Gesetz über die Regelung der Landeszugehörigkeit zu verlangen. Dieser Anspruch müsse in entsprechender Anwen

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dung des Art. 38 GG mit der Verfassungsbeschwerde verfolgt werden können. Das 25. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes habe den Bürgern in den Abstimmungsgebieten einen detailliert ausgestalteten Aktivstatus in einem echten Volksgesetzgebungsverfahren verliehen. Die entsprechende Anwendung des Art. 38 GG auf Abstimmungen sei deshalb nicht auf die Einhaltung der verfassungsmäßigen Stimmrechtsgrundsätze beschränkt. Er müsse auch den verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch der abstimmungsberechtigten Bürger auf Befolgung des Abstimmungsergebnisse, auf Abschluß des Neugliederungsverfahrens durch ein wirksames Regelungsgesetz, einbeziehen. Dieses grundrechtsgleiche Recht der Bürger sei verletzt, wenn der Volksentscheid von vornherein nicht befolgt werde und das Regelungsgesetz deshalb nach Art. 29 Abs. 4 Satz 1 GG (F. 1969) nichtig sei.
Schutz gegen ein verfassungswidriges belastendes Gesetz, das in ihren Aktivstatus eingreife, gewähre auch Art. 2 Abs. 1 GG. Sofern der Bund aufgrund des Volksentscheides nach Art. 29 Abs. 4 GG (F. 1969) zur Wiederherstellung des Landes Oldenburg verpflichtet sei, übe das Land Niedersachsen überdies seit dem Erlaß des angefochtenen Gesetzes im Gebiet von Oldenburg unzulässigerweise Staatsgewalt aus. Gegen die belastenden Auswirkungen einer solchen verfassungswidrigen Zuständigkeitsordnung müsse sich jeder davon betroffene Bürger wehren können.
Hilfsweise stützen die Beschwerdeführer die Zulässigkeit ihres Antrages, das angegriffene Regelungsgesetz für verfassungswidrig und nichtig zu erklären, auch auf Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 GG.
b) Das angegriffene Gesetz sei mit Art. 29 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 1 GG (F. 1969) und mit Art. 20 Abs. 2 GG unvereinbar. Es verkenne das Gewicht des erfolgreichen Volksentscheides im Rahmen des besonderen Neugliederungsverfahrens, beruhe auf mangelhafter Abwägung und lasse keine hinreichende Begründung erkennen. Die Voraussetzungen für ein nur ausnahms

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weise zulässiges Abweichen vom Ergebnis des Volksentscheides seien nicht erfüllt. Eine konkrete Gesamtkonzeption für die Neugliederung des Bundesgebietes sei gegenwärtig nicht einmal in Grundzügen vorhanden. Die Verfolgung der abstrakten Neugliederungsziele nach Art. 29 Abs. 1 GG (F. 1969) rechtfertige für sich allein die Abweichung vom Volksentscheid nicht. Im übrigen würden auch diese Ziele durch die Schaffung eines selbständigen Landes Oldenburg nicht berührt.
3. Der Bundesminister des Innern, der für die Bundesregierung zur Verfassungsbeschwerde Stellung genommen hat, hält sie -- wie auch die hilfsweise gestellten Anträge -- für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.
 
II.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdeführer können nicht geltend machen, durch das angegriffene Regelungsgesetz vom 9. Januar 1976 in einem der in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt zu sein.
a) Das mit der Verfassungsbeschwerde in Anspruch genommene subjektive Recht des abstimmungsberechtigten Gebietsvolkes oder des einzelnen abstimmungsberechtigten Bürgers auf Beachtung des Volksentscheides durch den Bundesgesetzgeber nach Maßgabe des Art. 29 Abs. 4 Satz 1 GG (F. 1969) läßt sich aus dem Grundgesetz nicht herleiten. Es kann deshalb nicht in entsprechender Anwendung des Art. 38 Abs. 1 GG mit der Verfassungsbeschwerde verfolgt werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat zwar die in Art. 38 Abs. 1 GG niedergelegten Stimmrechtsgrundsätze als ungeschriebenes demokratisches Verfassungsrecht auch auf sonstige politische Abstimmungen angewandt. Ihre Verletzung bei einem Volksentscheid kann mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden (vgl. BVerfGE 13, 54 [91 f.]; 28, 220 [224]; 41, 1 [12]). Darum geht es hier jedoch nicht. Ob Art. 29 Abs. 3 GG (F. 1969) den Abstimmungsberechtigten ein Recht auf Durchfüh

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rung eines fälligen Volksentscheides eingeräumt hat (vgl. hierzu BVerfGE 13, 54 [90 ff.]; C. Arndt, AöR 87, 197 [239] und -- zu Art. 29 GG [F. 1969] -- Evers in Bonner Kommentar, Art. 29 [Zweitbearbeitung], Rdnr. 62), bedarf hier keiner Entscheidung. Auch ein solches Recht ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die Beschwerdeführer machen vielmehr ein Recht auf Sicherung des Erfolgswerts ihrer beim Volksentscheid abgegebenen Stimmen in dem Sinne geltend, daß der Bundesgesetzgeber ihnen gegenüber verpflichtet sei, dem Regelungsgesetz nach Art. 29 Abs. 3 Satz 2 GG (F. 1969) das Ergebnis des Volksentscheides zugrundezulegen und von ihm nur abzuweichen, soweit dies zur Erreichung der Ziele der Neugliederung nach Art. 29 Abs. 1 GG erforderlich ist (Art. 29 Abs. 4 Satz 1 GG [F. 1969]). Ein Recht dieses Inhalts kennt das Grundgesetz nicht.
In Art. 29 GG (F. 1969) war dem Bund aufgegeben, das Bundesgebiet unter Beachtung vorgegebener verfassungsrechtlicher Ziele und Richtbegriffe (Abs. 1 Satz 2) und unter Berücksichtigung einzeln aufgezählter verschiedenartiger Belange (Abs. 1 Satz 1) neu in Länder einzuteilen. Die dem staatlichinstitutionellen Bereich zuzuordnende Neugliederung dient weder den Interessen bestehender oder früherer Länder noch denjenigen bestimmter Bevölkerungsgruppen oder einzelner Bürger. Sie erfolgt vielmehr ausschließlich im Interesse und zum Wohl des Ganzen (vgl. BVerfGE 13, 54 [74, 76, 86]). Dies gilt auch für das besondere Neugliederungsverfahren nach Art. 29 Abs. 2-4 GG (F. 1969) in den von Maßnahmen der Besatzungsmächte betroffenen Gebieten.
Befragung und Mitsprache der Bevölkerung in der Form von Volksbegehren und Volksentscheid sind ein Mittel zur Erreichung des Neugliederungszwecks. Das Grundgesetz sieht die Ermittlung und Berücksichtigung des Willens der von Neugliederungsmaßnahmen betroffenen Bevölkerung nicht um der Rechte der einzelnen Bürger willen, sondern im objektiven Interesse einer sachgerechten Erfüllung des Verfassungsauftrages

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als Bestandteil eines sinnvollen Neugliederungsverfahrens, vor. Mit Hilfe des Volksentscheides im besonderen Neugliederungsverfahren nach Art. 29 Abs. 3 GG (F. 1969) sollte insbesondere ermittelt werden, wie stark die bei der Neugliederung zu berücksichtigende landsmannschaftliche Verbundenheit in den Abstimmungsgebieten noch ausgeprägt war, nachdem seit den Umgliederungsmaßnahmen der Besatzungsmächte und den Volksbegehren von 1956 bereits geraume Zeit verstrichen war. Auch die in Art. 29 Abs. 4 Satz 1 GG (F. 1969) vorgesehene grundsätzliche Bindung des Bundesgesetzgebers an das Ergebnis des Volksentscheides sollte dazu beitragen, das Ziel der Neugliederung und die Beachtung der dabei zu wahrenden Belange zu sichern.
Zugleich läßt sich die verfassungsrechtlich vorgesehene Mitwirkung der betroffenen Bevölkerung an Neugliederungsmaßnahmen auch als Ausdruck des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 2 GG) begreifen. Insbesondere die Volksbegehren und Volksentscheide in den in Art. 29 Abs. 2 und 3 GG (F. 1969) genannten Gebietsteilen sollten den Eingriff in das Demokratieprinzip ausgleichen, als den der Grundgesetzgeber die ohne Befragung der betroffenen Bevölkerung durch Maßnahmen der Besatzungsmächte herbeigeführten Veränderungen der Landeszugehörigkeit gewertet hat. Daraus folgt jedoch nicht, daß das Grundgesetz den Abstimmungsberechtigten damit voll ausgebildete subjektive Mitgestaltungsrechte eingeräumt hat.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juli 1961 (BVerfGE 13, 54 [91 ff.]) ließ sich aus Art. 29 GG in seiner ursprünglichen Fassung kein analog Art. 38 GG geschütztes Recht des Bürgers im Abstimmungsgebiet auf Erlaß eines Neugliederungsgesetzes zum Zweck der Stimmabgabe in einem daraufhin zu veranstaltenden Volksentscheid herleiten. Das Gericht hat in der genannten Entscheidung betont, Art. 29 GG vermeide in seiner Formulierung jede Wendung, die auf ein subjektives Recht hindeuten könnte. Bei der den Bürgern in Art. 29 Abs. 2 und 3 GG eingeräumten Möglichkeit, ihre Meinung über

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die Landeszugehörigkeit zu äußern, handele es sich um Sätze des objektiven Verfassungsrechts, die den Gang des Gesetzgebungsverfahrens regulieren, nicht aber ein gegen den Staat gerichtetes ursprüngliches Selbstbestimmungsrecht der regionalen Bevölkerung anerkennen sollten.
An dieser Rechtslage hat auch die Verfassungsnovelle vom 19. August 1969 nichts Grundlegendes geändert. Obwohl das Volk Staatsgewalt auch in Abstimmungen ausübt (Art. 20 Abs. 2 GG), erkennt Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG mit der Verfassungsbeschwerde durchsetzbare Individualrechte nur im Zusammenhang mit Wahlen (Art. 38 GG) an. Ein als Grundrecht geschütztes "Selbstbestimmungsrecht" mit dem Ziel, im Rahmen der Neugliederung des Bundesgebietes über die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Bundesland selbst entscheiden oder auch nur maßgeblich mitbestimmen zu dürfen, hat auch die Verfassungsänderung von 1969 nicht geschaffen. Die besondere Neugliederung in den Abstimmungsgebieten war weiterhin primär keine Angelegenheit der Gebietsbevölkerung; sie diente deren regional begrenzten Interessen allenfalls im Rahmen des bundesstaatlichen Gesamtinteresses. Im Urteil vom 11. Juli 1961 (BVerfGE 13, 54 [92 f.]) hat das Gericht ferner auf grundlegende Unterschiede zwischen Wahlen und Abstimmungen abgehoben, die eine entsprechende Anwendung des Art. 38 GG auf die Abstimmungen nach Art. 29 GG ausschlössen: Der regionale Volksentscheid bei Gebietsveränderungen innerhalb eines Bundesstaates sei auch für die Verfassung einer Demokratie nicht notwendig; über die Landeszugehörigkeit entscheide nicht die Gebietsbevölkerung im Volksentscheid unmittelbar, sondern letztlich der Bundesgesetzgeber. Hieran hat die Verfassungsnovelle von 1969 im Kern ebenfalls nichts geändert. Schließlich ergeben sich auch aus den Materialien zum 25. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (vgl. BTDrucks. V/2470, 4515) keine Anhaltspunkte dafür, daß in grundsätzlicher Abkehr von der dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juli 1961 zugrundeliegenden Rechtslage nun

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mehr ein subjektives Recht der abstimmungsberechtigten Bürger auf Beachtung des Volksentscheides durch den Gesetzgeber begründet werden sollte.
b) Die Beschwerdeführer können eine zulässige Verfassungsbeschwerde auch nicht auf die behauptete Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG stützen. Die allgemeine Handlungsfreiheit ist umfassender Ausdruck der persönlichen Freiheitssphäre und zugleich Ausgangspunkt aller subjektiven Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Politische Mitentscheidungs- und Mitgestaltungsrechte, wie sie mit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden, sind im Grundgesetz jeweils besonders garantiert (vgl. z.B. Art. 38 GG). Über solche besonderen Gewährleistungen hinaus können sie nicht dem Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit zugeordnet werden.
Das angegriffene Gesetz ist andererseits nach Struktur und Inhalt nicht geeignet, die Beschwerdeführer in unzulässiger Weise in ihrem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit zu beschränken (vgl. BVerfGE 40, 141 [156]). Es erschöpft sich in der bundesorganisationsrechtlichen Bestimmung, daß das Gebiet des ehemaligen Landes Oldenburg Teil des Landes Niedersachsen bleibt. Eine solche Regelung kann die Beschwerdeführer nicht gegenwärtig und unmittelbar in ihrer persönlichen Freiheitssphäre treffen. Sie sind deshalb nicht befugt geltend zu machen, daß das Gesetz wegen Verstoßes gegen objektives Verfassungsrecht nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung gehöre.
Auch soweit die Beschwerdeführer weiterhin der Hoheitsgewalt von Behörden und sonstigen Hoheitsträgern des Landes Niedersachsen unterworfen sind, können sie dadurch keine verfassungswidrigen Nachteile erleiden. Selbst wenn der Bund gemäß Art. 29 Abs. 4 Satz 1 GG (F. 1969) gehalten sein sollte, entsprechend dem Ergebnis des Volksentscheides ein Land Oldenburg zu schaffen oder doch eine Gesamtneugliederung des Bundesgebietes einzuleiten, so könnte dies nicht dazu führen,

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daß die Hoheitsträger des Landes Niedersachsen ihre Legitimation gegenüber den Bürgern im Abstimmungsgebiet verlören und die von ihnen im übrigen formell und materiell rechtmäßig erlassenen Hoheitsakte nicht mehr verfassungsmäßig wären (vgl. BVerfGE 1, 14 [38]).
2. Die hilfsweise gestellten Anträge sind ebenfalls unzulässig. Weder für ein Organstreitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG (§§ 63 ff. BVerfGG) noch für eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit zwischen dem Bund und einem Land nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG (§ 71 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG) sind die Beschwerdeführer -- sei es als Einzelpersonen, sei es als Prozeßstandschafter des abstimmungsberechtigten Gebietsvolkes -- parteifähig (vgl. BVerfGE 13, 54 [81 f., 84 f., 95 f.]). Die Verfassungsänderung vom 19. August 1969 hat auch weder dem abstimmungsberechtigten Gebietsvolk noch dem ehemaligen Land Oldenburg eigene Rechte gegen den Bund eingeräumt, die Gegenstand einer die Beschwerdeführer als Partei einbeziehenden Streitigkeit vor dem Bundesverfassungsgericht sein könnten.
Zeidler, Rinck, Wand, Hirsch, Dr. Rottmann, Dr. Dr. h. c. Niebler, Steinberger