BVerfGE 49, 70 - Untersuchungsgegenstand


BVerfGE 49, 70 (70):

Das in Art. 15 Abs. 1 der Landessatzung für Schleswig-Holstein gewährleistete Recht der Minderheit auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses schließt grundsätzlich eine Befugnis der Mehrheit aus, den Untersuchungsgegenstand gegen den Willen der Minderheit durch Zusatzfragen zu erweitern.
 
Beschluß
des Zweiten Senats vom 2. August 1978
- 1 BvK 1/77 -
in dem Verfassungsrechtsstreit über den Antrag auf Feststellung, daß die Beschlüsse des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom 5. Mai 1977, durch die der Antrag der Fraktion der CDU (Drucksache 8/729 des Schleswig-Holsteinischen Landtages) angenommen wurde, gegen Art. 15 Abs. 1 der Landessatzung für Schleswig -Holstein verstoßen, Antragsteller 1-25 - Bevollmächtigte: Dr. Klaus Klingner, Richter a.D., Beschwerdeführer zu 1), Hartmut Lippe, Wissenschaftl. Assistent, Virchowstraße 23, Kiel 1 -, Antragsgegner: Schleswig-Holsteinischer Landtag, vertreten durch den Präsidenten.
Entscheidungsformel:
1. Die Beschlüsse des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom 5. Mai 1977, durch die der Antrag der Fraktion der CDU (Drucksache 8/729 des Schleswig-Holsteinischen Landtages) angenommen wurde, verstoßen gegen Artikel 15 Absatz 1 Satz 1 der Landessatzung für Schleswig-Holstein.


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2. Der Antrag der Antragsteller, die Erstattung ihrer notwendigen Auslagen durch den Antragsgegner anzuordnen, wird abgewiesen.
 
Gründe
 
A. - I.
Art. 15 Abs. 1 der Landessatzung für Schleswig-Holstein lautet:
    Der Landtag hat das Recht und auf Antrag von mindestens einem Viertel der Abgeordneten die Pflicht, zur Aufklärung von Tatbeständen im öffentlichen Interesse Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Die erforderlichen Beweise sind in öffentlicher Verhandlung zu erheben. Die Öffentlichkeit kann mit Zweidrittelmehrheit ausgeschlossen werden.
II.
Der Schleswig-Holsteinische Landtag besteht in der jetzigen 8. Wahlperiode aus 73 Abgeordneten. Unter dem 19. April 1977 beantragten 25 Abgeordnete der SPD die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Der Ausschuß sollte sich mit der "Aufklärung einer möglichen Beeinflussung der Landespolitik durch geschäftliche Interessen des Abg. G... (CDU) oder/und von Firmen des X-Konzerns" befassen. Dabei sollte er folgende Fragen klären:
    1. a) Trifft es zu, daß im Herbst 1972 durch den Bürgermeister der Stadt Glücksburg dem Magistrat ein kritisches Gutachten des Landesrechnungshofs über die Tätigkeit der Gewerbebau Schleswig-Holstein (heute: X-Gewerbebau) bei der Einrichtung des Meerwasserhallenschwimmbades vorenthalten wurde?
    b) Wann hatte die Landesregierung erstmals Hinweise auf diesen Vorgang und welche Konsequenzen wurden daraus im Rahmen landespolitischer Arbeit gezogen?
    c) In welcher Beziehung standen Politiker, Beamte und An

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    gestellte des Landes, der Stadt Glücksburg und des Kreises Flensburg-Land und von Einrichtungen, an denen das Land beteiligt ist, zu Firmen des X-Konzerns oder zu anderen Firmen, die an der Planung und Durchführung des unter a) genannten Projektes beteiligt waren?
    2. a) Trifft es zu, daß in den Jahren 1972-1975 zwischen der Kommunalbau Schleswig-Holstein, vertreten durch den Abg. H... G... (heute: X-Kommunalbau), und dem Rationalisierungsbeauftragten der Landesregierung, der Firma B... & S... ein Exklusivvertrag über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Schulbaus in Schleswig- Holstein bestand?
    b) Welche Bedeutung hatte der Exklusivvertrag im Rahmen der von der Fa. B... & S... durchgeführten Aufgaben als Rationalisierungsbeauftragter der Landesregierung für
    den Schulbau und damit für landespolitische Arbeit auf diesem Gebiet?
    c) Welche Kenntnis hatten Mitglieder der Landesregierung von diesem Vertrag und welche Konsequenzen wurden daraus gezogen?
    d) In welcher Beziehung standen Politiker, Beamte und Angestellte des Landes und von kommunalen Gebietskörperschaften zu Firmen des X-Konzerns?
    3. a) Trifft es zu, daß im Herbst 1975 für die damals vom Abg. H... G... geleitete Firma X-Gewerbebau ein Sanierungs- bzw. Abwicklungskonzept unter Federführung der Schleswig-Holsteinischen Landesbank erarbeitet wurde, an welchem sich die Landesregierung im Rahmen eines sogen. Landeskonzeptes beteiligte?
    b) Wie kam es zu Erstellung dieses Landeskonzeptes und wie wurde es durchgeführt?
    c) Welchen Einfluß hatte es auf davon betroffene Bereiche landespolitischer Arbeit?
    d) In welcher Beziehung standen Politiker, Beamte und Angestellte des Landes und von kommunalen Gebietskörper

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    schaften und von Einrichtungen, an denen das Land beteiligt ist, zur X-Gewerbebau oder zu anderen am Sanierungs- bzw. Abwicklungskonzept beteiligten Firmen?
    4. a) Trifft es zu, daß ein Ermittlungsverfahren der Kieler Staatsanwaltschaft ergeben hat, daß der Abg. H... G... von einer Berliner Firma Geld erhalten hat, um die schleswig-holsteinische Landespolitik auf dem Gebiet der Abfallbeseitigung zu beeinflussen?
    b) Wenn ja, was waren die Interessen dieser Firma im einzelnen und wie wurden sie vom Abg. G... in die landespolitische Arbeit eingebracht?
Zur Begründung des Antrags wurde vorgebracht: In der Presse und im Fernsehen würden Vorwürfe über eine mögliche Verquickung von geschäftlichen Interessen des CDU-Abgeordneten G... und/oder Firmen des X-Konzerns mit verschiedenen Bereichen der Landespolitik erhoben. Ein Fernsehmagazin habe sogar behauptet, der Abgeordnete G... habe für die Beeinflussung der schleswig-holsteinischen Landespolitik im Bereich der Abfallbeseitigung von einem Berliner Unternehmen Geld erhalten. Diese Vorwürfe seien bisher weder von den Betroffenen noch von anderen Stellen geklärt worden. Da Politik und Geschäft in der landespolitischen Arbeit eindeutig getrennt werden müßten, sei eine Prüfung durch einen Untersuchungsausschuß des Landtages erforderlich.
Unter dem 4. Mai 1977 (Drucksache 8/729 des Schleswig- Holsteinischen Landtages) brachte die Fraktion der CDU, die mit 37 Abgeordneten im Schleswig-Holsteinischen Landtag die Mehrheit besitzt, einen weiteren Antrag ein. Danach sollten dem Untersuchungsgegenstand folgende Fragen hinzugefügt werden:
    1. Hat der Abg. M... (SPD) seine Stellung als Oppositionsführer mißbraucht und im Wettbewerb zwischen der X und der N... einseitig geschäftliche Interessen der N... zum Nachteil der X vertreten, indem er gemeinsam mit einem

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    Geschäftsführer der N... den für Wohnungsfragen zuständigen Abteilungsleiter der Landesregierung über die Geschäftspolitik der X befragt hat?
    2. Sind Akten oder Informationen aus Akten der Steuerbehörden, der Staatsanwaltschaft oder anderer Stellen entwendet worden oder auf andere Weise rechtswidrig beschafft worden, um der politischen Tätigkeit des Abg. G... (CDU) zu schaden oder die X zu behindern? Hat es Versuche dazu gegeben?
Zur Begründung wurde geltend gemacht: Es sei notwendig, die Zusatzfragen zu beantworten, um den Sachverhalt vollständig aufzuklären.
Sprecher der SPD-Fraktion wandten sich in den Sitzungen des Landtages vom 4. und 5. Mai 1977 dagegen, sämtliche Fragen durch e i n e n Ausschuß klären zu lassen. Sie stellten sich auf den Standpunkt, daß zur Behandlung der von der CDU aufgeworfenen Fragen ein besonderer Untersuchungsausschuß bestellt werden möge. Demgegenüber vertrat der Sprecher der CDU-Fraktion die Auffassung, daß es um bloße Zusatzfragen gehe; mit ihrer Untersuchung dürfe der Ausschuß ergänzend beauftragt werden. Eine Sitzung des Ältestenrats brachte keine Annäherung der Meinungen. Am 5. Mai 1977 wurde daraufhin zunächst einstimmig ein Untersuchungsausschuß entsprechend dem Antrag der sozialdemokratischen Abgeordneten eingesetzt. Mit zwei weiteren Beschlüssen fügte sodann die Mehrheit des Landtages - gegen die Stimmen der sozialdemokratischen Landtagsmitglieder - die in dem Antrag der CDU- Fraktion enthaltenen beiden Fragen dem Untersuchungsgegenstand des Ausschusses hinzu.
III.
1. Die Antragsteller - die Abgeordneten der SPD, die den Antrag auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses gestellt hatten -, begehren die Feststellung, daß die Beschlüsse des

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Schleswig-Holsteinischen Landtages vom 5. Mai 1977, mit denen der Untersuchungsgegenstand des Untersuchungsausschusses entsprechend dem Antrag der CDU-Fraktion um zwei Fragen erweitert wurde, gegen Art. 15 Abs. 1 der Landessatzung für Schleswig-Holstein (LS) verstießen. Sie beantragen ferner, die Erstattung ihrer notwendigen Auslagen durch den Antragsgegner anzuordnen.
Zur Begründung führen sie aus: Die Landtagsmehrheit dürfe dem von einer qualifizierten Minderheit im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 LS - nämlich einem Viertel der Mitglieder des Landtages - bezeichneten Untersuchungsgegenstand eines Untersuchungsausschusses keinen neuen Gegenstand hinzufügen. Das widerspreche den in Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Grundsätzen; es stehe auch im Gegensatz zu der bisherigen Praxis des Schleswig-Holsteinischen Landtages, insbesondere im Fall Professor H.../Dr. S... Hier beziehe sich der von der Minderheit festgelegte Aufgabenbereich des Ausschusses ausschließlich darauf, eine mögliche Beeinflussung der Landespolitik durch geschäftliche Interessen des Abgeordneten G... und von Unternehmen des X-Konzerns aufzuklären. Damit habe der Sachverhalt, der nach der Zusatzfrage 1) geprüft werden solle, nichts zu tun. Dort gehe es um angebliche Aktivitäten des Oppositionsführers M... Die Zusatzfrage betreffe auch nicht eine mögliche Beeinflussung der Landespolitik, sondern ausschließlich das Konkurrenzverhältnis zwischen der N... und dem X-Konzern. Der Zusatzantrag stelle einen unzulässigen Gegenangriff dar; es werde ein neuer und selbständiger Untersuchungsgegenstand hinzugefügt, um die Untersuchung in eine andere als die von der Minderheit gewünschte Richtung zu lenken. Hinsichtlich der Zusatzfrage 2) bestehe zwar ein lockerer Zusammenhang; sie betreffe ebenfalls den Abgeordneten G... oder den X-Konzern. Die Frage ziele jedoch darauf ab, wie die antragstellende Minderheit die Informationen erhalten habe, die sie dazu bewogen hätten, den Antrag auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses zu stellen. Auch darin

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liege ein Gegenangriff. Ob geschäftliche Interessen eines Abgeordneten oder eines Unternehmens die Landespolitik beeinflußt hätten, sei eine ganz andere Frage als diejenige, ob Akten oder Informationen rechtswidrig beschafft worden seien, um der politischen Tätigkeit dieses Abgeordneten zu schaden oder dieses Unternehmen zu behindern. Die Zusatzfrage beziehe sich darüber hinaus nach ihrem Wortlaut nicht nur auf die Informationsbeschaffung für denjenigen Bereich, der durch den eigentlichen Untersuchungsgegenstand umrissen werde. Es sei zu befürchten, daß die Zusatzfragen eine Aufklärung des eigentlichen Untersuchungsgegenstandes erheblich verzögern würden. Selbst wenn sie an den Schluß der Untersuchung gestellt würden, sei trotzdem zu erwarten, daß der Bericht des Ausschusses erst wesentlich später erstattet werden könne als ohne sie.
2. Der Schleswig-Holsteinische Landtag tritt dem Antrag entgegen. Er legt dar: Weder nach der Landessatzung noch nach der Geschäftsordnung des Landtages sei es verboten, einen Untersuchungsausschuß mit der Prüfung von Zusatzfragen zu beauftragen. Soweit sich die Antragsteller auf das Vorgehen in der Angelegenheit Professor H... / Dr. S... beriefen, handele es sich nicht um einen Präzedenzfall. Die jüngere Praxis des Schleswig-Holsteinischen Landtages zeige, daß Zusatzfragen gestellt werden könnten. Das gelte auch nach § 3 Abs. 2 des Mustergesetzentwurfes für das Verfahren parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, wie er von den Landtagspräsidenten empfohlen worden sei. An ihn habe man sich gehalten. Bei seiner Auslegung sei auf die überlieferte großzügige Übung des Landtages zurückzugreifen. Die Zusatzfragen stünden in engem Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand. Sie beträfen dessen Kern und führten nicht zu einer wesentlichen Verzögerung des Verfahrens. Das ergebe sich auch daraus, daß die Zusatzfragen ohne weiteres im Wege eines Beweisantrages zu den Untersuchungsfragen des SPD-Antrages vorgebracht werden könnten. Im übrigen habe der Untersuchungsausschuß beschlossen, dem Landtag zunächst einen Teilbericht vorzulegen,

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der nur den ursprünglichen Untersuchungsgegenstand umfasse. Auf diese Weise werde jegliche Verzögerung verhindert.
IV.
1. Der Untersuchungsausschuß hat inzwischen seine Arbeit beendet. Soweit sich seine Untersuchungen auf die Fragen bezogen, die dem Antrag der Abgeordneten der SPD zugrundelagen, hat er am 10. Februar 1978 dem Landtag über das Ergebnis berichtet. Hinsichtlich der von der Fraktion der CDU aufgeworfenen Zusatzfragen hat der Landtag in seiner Sitzung vom 8. März 1978 - bei Stimmenthaltung der Abgeordneten der SPD und der F.D.P. sowie gegen die Stimme des Abgeordneten des SSW - den Auftrag an den Ausschuß, bei dem bereits Beweisanträge hierzu eingebracht worden waren, für gegenstandslos erklärt und insoweit einen anderen Untersuchungsausschuß eingesetzt.
2. Antragsteller und Antragsgegner haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.
 
B.
Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich aus Art. 99 GG und § 13 Nr. 10 BVerfGG in Verbindung mit Art. 37 Nr. 1 LS. Die Antragsteller berufen sich auf die ihnen durch Art. 15 Abs. 1 Satz 1 LS eingeräumte Rechtsstellung; sie sind danach befugt, im Verfassungsstreit als Beteiligte aufzutreten (Art. 37 Nr. 1 LS; § 73 Abs. 1 BVerfGG; vgl. BVerfGE 4, 144 [148 f.]; 43, 142 [148]). Daß die von ihnen behauptete Rechtsverletzung in der Vergangenheit liegt - der Untersuchungsausschuß hat seine Tätigkeit beendet -, macht ihren Antrag nicht unzulässig (vgl. BVerfGE 41, 291 [303]; 10, 4 [11]).
 
C.
Der Antrag ist begründet. Es war unzulässig, den Untersuchungsausschuß gegen den Willen der Antragsteller mit der Untersuchung der Zusatzfragen zu beauftragen.


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I.
Die Landessatzung für Schleswig-Holstein enthält hierüber keine ausdrückliche Regelung. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 LS bestimmt lediglich, daß auf Antrag von mindestens einem Viertel der Abgeordneten der Landtag die Pflicht hat, zur Aufklärung von Tatbeständen im öffentlichen Interesse Untersuchungsausschüsse einzusetzen. § 10 Satz 1 Geschäftsordnung des Schleswig- Holsteinischen Landtages wiederholt die Regelung. Dem Wortlaut beider Vorschriften ist über die Zulässigkeit von Zusatzfragen nichts zu entnehmen. Darauf allein kann jedoch nicht abgestellt werden.
Als der schleswig-holsteinische Verfassungsgesetzgeber die Landessatzung schuf, lehnte er sich bewußt an das Grundgesetz an (vgl. den Entwurf einer Landessatzung, Landtagsvorlage Nr. 263/3, S. 188 ff.). Er ließ sich von dem Gedanken leiten, daß die Länder im Bundesstaat um so reibungsloser zusammenwachsen würden, je mehr nicht nur die allgemeinen Grundsätze, sondern auch die zu ihrer Verwirklichung im einzelnen getroffenen Lösungen einander glichen (vgl. a.a.O. S. 188, Ziff. VIII). Zu den Vorschriften über den Landtag - insbesondere auch zu Art. 15 LS - wurde ergänzend dargelegt, daß es sich um Grundsätze handele, die bereits in früheren deutschen Verfassungen verankert gewesen seien (vgl. a.a.O. S. 192, Ziff. XII). Um die Übereinstimmung verfassungsrechtlicher Grundgedanken im Bund und in den Ländern zu fördern, wurde das Bundesverfassungsgericht für zuständig erklärt, Verfassungsstreitigkeiten innerhalb des Landes zu entscheiden (vgl. a.a.O. S. 189 f., Ziff. VIII).
Art. 15 LS ist deshalb in größerem Zusammenhang zu sehen. Für die Auslegung der Vorschrift kann auf frühere Verfassungsgrundsätze, auf das kurz vor der Landessatzung in Kraft getretene Grundgesetz und auf die Regelungen anderer Bundesländer zurückgegriffen werden. Dabei ergibt sich, daß dem Recht der Minderheit auf Einsetzung eines Untersuchungsaus

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schusses die Befugnis zur Seite steht, grundsätzlich allein den Gegenstand der Untersuchung zu bestimmen.
II.
1. Das Recht einer Parlamentsminderheit, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auch gegen den Willen der Parlamentsmehrheit durchzusetzen, findet sich erstmals in der Weimarer Republik.
a) Art. 34 Abs. 1 Satz 1 der Weimarer Reichsverfassung bestimmte, daß der Reichstag das Recht und auf Antrag von einem Fünftel seiner Mitglieder die Pflicht habe, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Das Recht der Minderheit war noch besonders verstärkt: Der Ausschuß hatte die Beweise zu erheben, die er oder die Antragsteller für erforderlich erachteten (Art. 34 Abs. 1 Satz 2 WRV). Ähnliche Regelungen galten in den meisten deutschen Ländern (vgl. den Überblick bei Sackers, Das parlamentarische Minderheitenrecht in Deutschland, Diss. 1933, S. 26 f.).
b) Obwohl ausdrückliche Bestimmungen fehlten, bestand Einigkeit darüber, daß allein die antragstellende Minderheit die Aufgaben des Untersuchungsausschusses festlegen durfte und daß es der Mehrheit grundsätzlich nicht gestattet war, den Untersuchungsgegenstand gegen den Willen der Antragsteller zu erweitern.
Diesen Standpunkt vertrat insbesondere auch der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich in einer Entscheidung vom 18. Juni 1927 (vgl. RGZ Bd. 116, Anhang S. 45), bei der es um die Auslegung einer entsprechenden Regelung in der Verfassung des Freistaates Braunschweig ging. Nach Auffassung des Staatsgerichtshofs hat derjenige, auf dessen Antrag ein Untersuchungsausschuß einzusetzen ist, auch das Recht, die diesem zuzuweisenden Aufgaben zu bestimmen. Dazu führte das Gericht aus, daß zwar die Fassung des Untersuchungsthemas nicht stets unverändert zu bleiben brauche - der Mehr

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heit sei es gestattet, das Thema genauer zu fassen -: das Recht der Minderheit werde jedoch verletzt, wenn die Mehrheit des Landtages dem von der Minderheit bezeichneten Untersuchungsgegenstand einen neuen Gegenstand hinzufüge (a.a.O. S. 52 ff.).
Soweit das Schrifttum die Frage behandelte, vertrat es dieselbe Auffassung wie der Staatsgerichtshof (vgl. Lammers in Anschütz/Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, 1932, Bd. II S. 465; ders. in Anm. zum Urteil des Staatsgerichtshofs JW 1928, S. 1058 [1061]; Hatschek/Kurtzig, Deutsches und preußisches Staatsrecht, 2. Aufl., 1930, Bd. I, S. 697; Alsberg, Gutachten für den 34. Deutschen Juristentag, Verh. 34 DJT Bd. I, S. 332 [338]). Ihr entsprach auch die Praxis des Reichstages. In seiner Sitzung vom 20. Februar 1925 waren die Redner einhellig der Meinung, daß der von einer qualifizierten Minderheit festgelegte Untersuchungsgegenstand grundsätzlich nicht abgeändert werden dürfe; Uneinigkeit bestand nur darüber, ob dies auch dann gelte, wenn die durch den Minderheitsantrag bestimmte Fassung ihrer Form wegen als unzulässig angesehen werden müsse (vgl. Verhandlungen des Reichstages, III. Wahlperiode 1924, StenBer. Bd. 384, S. 851-855).
2. An diesen Rechtszustand knüpften das Grundgesetz und die Verfassungen der deutschen Länder nach 1945 an (vgl. für Art. 44 GG den Schriftl. Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland [Anlage zum StenBer. der 9. Sitzung des Parlamentarischen Rates am 6. Mai 1949], S. 23; für Art. 15 der Landessatzung für Schleswig- Holstein: Landtagsvorlage Nr. 263/3, S. 192, Ziff. XII).
a) Wiederum wurde ausdrücklich das Recht der Minderheit eingeführt, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu verlangen. So hat nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG der Bundestag auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen. Entsprechende Regelungen finden sich - Bremen ausgenommen - in den Bundesländern.
Es blieb außerdem dabei, daß die Mehrheit nur begrenzt auf

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einen von der Minderheit festgelegten Untersuchungsgegenstand Einfluß nehmen darf. Mehrere Bundesländer legten dies gesetzlich fest. So bestimmt § 2 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Untersuchungsausschüsse des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 22. Juni 1970 (GVBl. S. 925), daß der in dem Einsetzungsantrag genannte Untersuchungsgegenstand lediglich dann gegen den Willen der Antragsteller erweitert werden darf, wenn dadurch keine wesentliche Verzögerung des Untersuchungsverfahrens zu erwarten ist. In Bayern, Rheinland-Pfalz und im Saarland wurden die Befugnisse der Mehrheit weiter eingeschränkt: Danach darf der in einem Minderheitsantrag bezeichnete Untersuchungsgegenstand durch Zusatzanträge nur dann erweitert und ergänzt werden, wenn dadurch keine wesentliche Verzögerung des Untersuchungsverfahrens eintritt u n d wenn der Kern des ursprünglichen Untersuchungsgegenstandes gewahrt bleibt (vgl. Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes über die Untersuchungsausschüsse des Bayerischen Landtages vom 23. März 1970 (GVBl. S. 95); § 89 Abs. 4 und Anlage 2, Abschn. II Ziff. 5 Satz 1 der Geschäftsordnung des Landtages Rheinland- Pfalz in der Fassung des Beschlusses vom 20. Mai 1975 (BS 1101-2); § 39 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes Nr. 970 über den Landtag des Saarlandes vom 20. Juni 1973 [ABl. S. 517]). Die strengste Vorschrift findet sich in Baden-Württemberg. Hier darf der durch den Minderheitsantrag festgelegte Untersuchungsgegenstand gegen den Willen der Antragsteller überhaupt nicht geändert werden (vgl. § 3 Abs. 2 des Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtages vom 3. März 1976 [GBl. S. 194]). Nicht eindeutig ist die Regelung in Hessen. Dort heißt es zwar, daß der in dem Antrag bezeichnete Untersuchungsgegenstand durch Zusatzanträge erweitert und ergänzt werden könne (vgl. § 26 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Hessischen Landtages vom 31. Januar 1973 [GVBl. I S. 63]). Es wird aber nicht ausgeführt, ob dies selbst gegen den Willen der ursprünglichen Antragsteller geschehen darf (vgl. insoweit einschränkend Rupp-v. Brünneck/

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Konow in Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen, Art. 92 Anm. 4e).
b) Auch die Rechtsprechung hat die in der Weimarer Republik entwickelten Grundsätze übernommen. So tritt das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in einem Urteil zur Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung (OVGE 7, 489 = DVBl. 1954, S. 574) den Ausführungen des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich bei und legt dar, daß die Einrichtung der Untersuchungsausschüsse ihren Wert weitgehend verlieren würde, wenn es der Mehrheit des Parlaments gestattet sei, den Untersuchungsgegenstand in seinem Kern zu verändern (a.a.O. S. 498); dem von einer Minderheit beantragten Untersuchungsausschuß dürfe nicht die Untersuchung von Tatbeständen übertragen werden, die über den ursprünglichen Gegenstand des Minderheitsantrags hinausgingen (a.a.O. S. 497 f.). Denselben Standpunkt vertritt der Bayerische Verfassungsgerichtshof (VerfGH 30, 48 [61]). Er führt ebenfalls aus, daß dem Antrag der Minderheit nicht neue Gegenstände der Untersuchung hinzugefügt werden dürften, weil dadurch das Minderheitsrecht vereitelt oder zumindest unvertretbar beeinträchtigt werden könnte.
Das Schrifttum billigt diese Auffassung der Rechtsprechung (vgl. Rechenberg in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 44 Rdnr. 8; Maunz in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 44 Rdnr. 36; Klein in v. Mangoldt/Klein, GG, 2. Aufl., Art. 44 Anm. III 4 b; Kleinrahm Rpfleger 1962 S. 6 [7]; Pietzner in Ev. Staatslexikon, 2. Aufl., 1975, Sp. 2670 [2673]; Gehrig, Parlament - Regierung - Opposition, 1969, S. 289; sogar noch enger: Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, 1977, § 63 GO Rdnr. 12; Laforet in "Gegenwartsprobleme des Rechts", Festschrift für Ebers, 1950, S. 53 [63]). Es wendet sie auch bei der Auslegung der Landesverfassungen an (vgl. Drexelius/Weber, Die Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg vom 6. Juni 1952, 2. Aufl., 1972, Art. 25 Anm. 4; Rupp-v. Brünneck/Konow in Zinn/Stein, Verfassung des

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Landes Hessen, Art. 92 Anm. 4 e; Dickersbach/Geller in Kleinrahm, Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl., Art. 41 Anm. 5).
c) Die parlamentarische Praxis hält sich im allgemeinen ebenfalls an die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (vgl. die Übersicht bei Partsch, Gutachten für den 45. Deutschen Juristentag, Verh. 45 DJT Bd. I, Teil 3, S. 38-42; ferner die gutachtliche Äußerung des Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Bundestages Dr. Laforet vom 31. Januar 1950, abgedruckt bei Ritzel/Koch, Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, S. 122 [123]). Das gilt insbesondere auch für den Schleswig-Holsteinischen Landtag. Bei der Behandlung des Falles Professor H.../Dr. S... erstrebte die Mehrheit nach Auffassung der antragstellenden Minderheit eine Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes. Daraufhin wurde zur Behandlung der Zusatzfragen ein besonderer, zweiter Untersuchungsausschuß eingesetzt (vgl. die Beratungen des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom 14. und 15. Dezember 1959, StenBer. 4. Wp., S. 844-874; ferner Partsch a.a.O. S. 41 f.; Leonardy SchlHA 1964, 184 [188]). Die vom Antragsgegner genannten Verfahren vor den Untersuchungsausschüssen "Klinikapotheke" und "Abteilungsleiter Verfassungsschutz" (Drucks. 8/108, 8/ 170 und 8/495 [neu], 8/503 des Schleswig-Holsteinischen Landtages) können nicht als Beweis für eine gegenteilige Praxis angeführt werden. Hier waren die Antragsteller jeweils mit der Ausweitung des Untersuchungsgegenstandes einverstanden (Sitzungen des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom 10. Dezember 1975 und 28. Oktober 1976, PlenarProt. 8. Wp., S. 701, 1909).
d) In dieselbe Richtung gehen schließlich mehrere neuere Gesetzgebungsvorschläge:
Schon nach den "Empfehlungen der Konferenz der Präsidenten der deutschen Länderparlamente zur Regelung des Verfahrens von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen" vom 4. Mai 1961 (abgedr. in Burhenne [Herausg.], Recht und

BVerfGE 49, 70 (84):

Organisation der Parlamente, 2. Bd., S. 23 1005 ff.), sollte der in einem Minderheitsantrag bezeichnete Untersuchungsgegenstand nur dann erweitert oder ergänzt werden dürfen, wenn der Kern des ursprünglichen Untersuchungsgegenstandes gewahrt bleibt und dadurch keine wesentliche Verzögerung des Untersuchungsverfahrens eintritt (Abschn. II Ziff. 5). Zur Begründung wurde ausdrücklich auf die oben angeführten Entscheidungen des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich und des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg hingewiesen (vgl. die Erläuterungen B zu Abschn. II Ziff. 5, Fußnote 22, a.a.O. S. 23 1012). Diese Regelung wird auch vorgeschlagen in dem - nicht Gesetz gewordenen - Entwurf eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Bundestages, der in der 5. Wahlperiode des Bundestages eingebracht wurde (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 des Entwurfs eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Bundestages - Antrag der Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal], Bading, Mertes, Hirsch und Genossen -, BTDrucks. V/4209). Sie wurde übernommen in § 3 Abs. 2 des Mustergesetzentwurfs der deutschen Länderparlamente, der von der Konferenz der Präsidenten der deutschen Länderparlamente am 19. Oktober 1972 verabschiedet wurde (abgedr. in Burhenne, a.a.O. S. 23 1021). Noch strenger ist der Entwurf eines Gesetzes über das Untersuchungsverfahren, der in der 8. Wahlperiode des Deutschen Bundestages eingebracht worden ist (vgl. § 3 Abs. 2 des Gesetzentwurfs der Fraktion der CDU/CSU, BTDrucks. 8/1181). Danach kann der in einem Minderheitsantrag bezeichnete Untersuchungsgegenstand gegen den Willen der Antragsteller weder erweitert noch ergänzt werden.
III.
1. Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 15 LS und dem daraus ersichtlichen Zusammenhang mit vergleichbaren Regelungen und Entscheidungen folgt demnach, daß das Recht der Minderheit, einen Untersuchungsausschuß zu beantragen

BVerfGE 49, 70 (85):

und dessen Untersuchungsgegenstand zu bezeichnen, gleichzeitig die Befugnis der Mehrheit begrenzt, den Untersuchungsgegenstand gegen den Willen der Minderheit durch Zusatzfragen zu erweitern.
2. Nur diese Auslegung der Landessatzung wird auch der Sache gerecht.
Untersuchungsverfahren haben in der parlamentarischen Demokratie eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Durch sie erhalten die Parlamente die Möglichkeit, unabhängig von Regierung, Behörden und Gerichten mit hoheitlichen Mitteln, wie sie sonst nur Gerichten und besonderen Behörden zur Verfügung stehen, selbständig die Sachverhalte zu prüfen, die sie in Erfüllung ihres Verfassungsauftrags als Vertretung des Volkes für aufklärungsbedürftig halten. Aufgabe der Untersuchungsausschüsse ist es, das Parlament bei seiner Arbeit zu unterstützen und seine Entscheidungen vorzubereiten. Das Schwergewicht der Untersuchungen liegt naturgemäß in der parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung, insbesondere in der Aufklärung von in den Verantwortungsbereich der Regierung fallenden Vorgängen, die auf Mißstände hinweisen. Gerade solcher Kontrolle kommt im Rahmen der Gewaltenteilung besonderes Gewicht zu (vgl. BVerfGE 22, 106 [111]; 9, 268 [279]). Sie ist nur gewährleistet, wenn zwischen Parlament und Regierung ein politisches Spannungsverhältnis besteht. Ein Untersuchungsverfahren, das nicht von dieser Spannung ausgelöst und in Gang gehalten wird, kann seinem Zweck nicht gerecht werden. In der Sicherstellung dieser Kontrolle liegt die verfassungsrechtliche Bedeutung des Minderheitsrechts. Das ursprüngliche Spannungsverhältnis zwischen Parlament und Regierung, wie es in der konstitutionellen Monarchie bestand, hat sich in der parlamentarischen Demokratie, deren Parlamentsmehrheit regelmäßig die Regierung trägt, gewandelt. Es wird nun vornehmlich geprägt durch das politische Spannungsverhältnis zwischen der Regierung und den sie tragenden Parlamentsfraktionen einerseits und der Opposition andererseits.

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Im parlamentarischen Regierungssystem überwacht daher in erster Linie nicht die Mehrheit die Regierung, sondern diese Aufgabe wird vorwiegend von der Opposition - und damit in der Regel von einer Minderheit - wahrgenommen. Das durch die Verfassung garantierte Recht der Minderheit auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses darf, soll vor diesem Hintergrund die parlamentarische Kontrolle ihren Sinn noch erfüllen können, nicht angetastet werden.
Mit dem Recht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses allein ist jedoch das Kontrollrecht der Minderheit noch nicht gewährleistet. Seine ungehinderte Ausübung setzt weitere Sicherungen voraus. So muß es vor allem der Minderheit überlassen bleiben, den Gegenstand der von ihr beantragten Untersuchung festzulegen. Der Untersuchungsgegenstand darf grundsätzlich auch nicht gegen den Willen der Minderheit verändert oder erweitert werden.
Für eine solche Ausprägung des Rechts der Minderheit spricht, daß jede Ausdehnung des Untersuchungsgegenstandes die Notwendigkeit zusätzlicher Aufklärung mit sich bringt und die Arbeit des Untersuchungsausschusses vermehrt. Mit ihr könnte unschwer die Untersuchung blockiert, zumindest aber erheblich verzögert werden. Auf diesen Gesichtspunkt haben bereits der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich und das Oberverwaltungsgericht Lüneburg abgestellt (vgl. RStGH RGZ 116 Anh. S. 45 [54]; OVG Lüneburg OVGE 7, 489 [497 f.]). Er liegt ferner den oben erwähnten gesetzlichen Regelungen und Gesetzentwürfen zugrunde, die Zusatzfragen für unzulässig halten, sobald das Untersuchungsverfahren dadurch verzögert würde. In der Tat kann schon eine bloße Verzögerung die Wirksamkeit der parlamentarischen Kontrolle entscheidend in Frage stellen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Ausschuß mit dem Ende der jeweiligen Wahlperiode zu bestehen aufhört, er seine Arbeit also - insbesondere zum Schluß der Wahlperiode - so schnell wie möglich erledigen muß. Jeder zusätzliche "Ermittlungsauftrag" kann sich hier als ein Hemmnis

BVerfGE 49, 70 (87):

erweisen, das die Untersuchung gänzlich vereitelt. Eine solche Behinderung ist verfassungsrechtlich nicht vertretbar; sie braucht von der antragstellenden Minderheit nicht hingenommen zu werden. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob sich etwa die Mehrheit damit einverstanden erklärt, daß der Ausschuß zunächst nur die von der Minderheit aufgeworfenen Fragen untersucht und darüber einen Teilbericht erstattet. Denn ob sich der Ausschuß bei seiner späteren Arbeit an diese Verfahrensweise hält, hängt vom Willen der Ausschuß m e h r h e i t ab, die wiederum von der M e h r h e i t des Parlaments gestellt wird. Wenn das Minderheitsrecht - und mit ihm das parlamentarische Kontrollrecht - nicht über Gebühr geschwächt werden soll, darf die Minderheit in dieser Frage nicht auf das Wohlwollen der Mehrheit angewiesen sein. Das könnte sie daran hindern, rückhaltlos die Umstände aufzuklären, deren Aufdeckung der jeweiligen Mehrheit unangenehm ist. Der parlamentarischen Opposition würde so ein Instrument genommen, das ihr nicht nur in ihrem eigenen Interesse, sondern in erster Linie im Interesse des demokratischen Staates - nämlich zur öffentlichen Kontrolle der von der Mehrheit gestützten Regierung und ihrer Exekutivorgane - in die Hand gegeben ist. Das ist mit der Verfassung nicht vereinbar. Unberührt bleibt selbstverständlich das Recht der Mehrheit, ihrerseits Sachverhalte, die sie im Hinblick auf das von einer Minderheit betriebene Untersuchungsverfahren politisch für aufklärungsbedürftig hält, zum Gegenstand einer selbständigen Untersuchung zu machen.
3. Damit aber ergeben sich die verfassungsrechtlichen Grenzen, innerhalb derer Zusatzfragen zugelassen werden können.
Grundsätzlich darf die Mehrheit den Untersuchungsausschuß nicht gegen den Willen der Antragsteller mit der Untersuchung von Zusatzfragen beauftragen. Dadurch könnten die Arbeit des Ausschusses ungerechtfertigt verzögert sowie Ziel und Ergebnis der Untersuchung verschleiert werden. Diese Regel gilt allerdings nicht ausnahmslos. Das Ausschußverfahren verliert

BVerfGE 49, 70 (88):

seinen Sinn, wenn der Ausschuß den zu überprüfenden Sachverhalt von vornherein nur unter einem eingeengten Blickwinkel untersucht und damit dem Parlament - und auch der Öffentlichkeit - allenfalls eine verzerrte Darstellung vermitteln kann. Von Verfassungs wegen sind deshalb Zusatzfragen gegen den Willen der Antragsteller zulässig - und zwar selbst dann, wenn dies zu einer Verzögerung der Ausschußarbeit führt -, wenn sie nötig sind, um ein umfassenderes - und wirklichkeitsgetreueres - Bild des angeblichen Mißstandes zu vermitteln. Auch dann müssen sie jedoch denselben Untersuchungsgegenstand betreffen und diesen im Kern unverändert lassen. Bei jeder Ergänzung ist Zurückhaltung geboten. Daß ihre Voraussetzungen gegeben sind, muß offen zu Tage liegen. Ist das nicht der Fall, geht dies zu Lasten der Mehrheit: die Zusatzfragen sind unzulässig. Diese deutliche Abgrenzung ist erforderlich, um das Recht der Minderheit zu schützen. Einen anderen Maßstab darf auch das Verfassungsgericht nicht anlegen. Es kann nicht die Aufgabe übernehmen, vielleicht doch bestehende - verborgene - Zusammenhänge aufzudecken und dazu eigene Nachforschungen anzustellen; damit würde die Arbeit parlamentarischer Untersuchungsausschüsse auf das Verfassungsgericht verlagert.
IV.
Prüft man die Beschlüsse des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom 5. Mai 1977 anhand dieser Grundsätze, so ergibt sich, daß die von der Mehrheit beschlossenen Zusatzfragen dem Gegenstand des Untersuchungsverfahrens nicht hinzugefügt werden durften. Die Beschlüsse sind mit Art. 15 Abs. 1 Satz 1 LS nicht vereinbar.
Den Antragstellern ging es darum, Mißstände aufzudecken, die nach ihrer Meinung im Zusammenhang mit einer Beeinflussung der schleswig-holsteinischen Landespolitik durch geschäftliche Interessen des Abgeordneten G... und des X-Konzerns aufgetreten sein konnten. Ob sich der Oppositionsführer

BVerfGE 49, 70 (89):

M... ähnliche Praktiken hat zuschulden kommen lassen, ist eine andere Frage. Beides hat miteinander nichts zu tun. Entsprechendes gilt für die Zusatzfrage 2). Sie steht zwar in losem Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand. Mit ihr sollte - jedenfalls auch - geklärt werden, wie die Opposition die Information erhielt, die sie zu den Angriffen auf den Abgeordneten G... und den X-Konzern veranlaßten. Trotzdem betrifft die Frage einen anderen Gegenstand. Denn der Mißstand, der hier aufgedeckt werden sollte, liegt auf dem Gebiet der Informationsbeschaffung und etwa dabei aufgetretener Unregelmäßigkeiten. Es ging nicht um die Frage, ob geschäftliche Interessen des Abgeordneten G... und des X-Konzerns die schleswig-holsteinische Landespolitik beeinflußt haben.
V.
Nach § 34 Abs. 3 BVerfGG kann das Gericht volle oder teilweise Erstattung der einem Beteiligten erwachsenen Auslagen anordnen. Zu einer derartigen, nur als Ausnahme vorgesehenen Anordnung besteht nach der Prozeßlage kein Anlaß. Der Kostenantrag der Antragsteller war daher abzuweisen.
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