BVerfGE 54, 173 - Zulassungszahlen Medizinstudium |
1. Grundrechte von Studienbewerbern werden nicht deshalb verletzt, weil die der Kapazitätsberechnung zugrunde gelegten Lehrverpflichtungen weder durch Gesetz noch auf gesetzlicher Grundlage durch eine Rechtsverordnung festgesetzt worden sind. |
2. Für die Höhe der bei der Kapazitätsberechnung zugrunde zu legenden Lehrverpflichtungen und für deren gerichtliche Nachprüfung ist die Vereinbarung der Ständigen Konferenz der Kultusminister vom 10. März 1977 (GMBl. S. 418) von wesentlicher Bedeutung. |
3. Zur Frage eines zeitlichen Anpassungsspielraums in Fällen, in denen die nachträgliche Änderung von Eingabedaten für die Kapazitätsberechnung zu erhöhten Zulassungszahlen führen würde. |
Beschluß |
des Ersten Senats vom 3. Juni 1980 |
– 1 BvR 967, 973, 627, 737/78 – |
in den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden I. der Studenten 1. Werner W... – Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Prof. Dr. Viktor Achter, Dr. Viktor Achter, Sigrid Bach und Henning Haus, Hohenzollernring 55, Köln 1 – gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Juni 1978 – XIII A 441/78 – 1 BvR 967/78 –, 2. Wolfgang A... – Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Klaus Rohwedder, Volker Blitz und Dr. Ortrun Lampe, Kaiserstraße 74, Mainz 1 – gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Juni 1978 – XIII A 442/78 – 1 BvR 973/78 –; II. der Studienbewerber 1. Diedrich A..., 2. Carl-Heinz H... – Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Hiersemann, Neef, Krell und Partner, Münsterstraße 23, Gütersloh 1 – gegen die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Mai 1978 – XIII B 4322/78 und XIII B 4318/78 – 1 BvR 627/78 –; 3. Rainer F..., 4. Marie-Luise F..., 5. Andreas F. .., 6. Volker H..., 7. Christiane L. .., 8. Birte M..., 9. Wolfram Sch..., 10. Jutta W... – Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Redelberger, Dr. Großjohann, Rene Pichon und Ulrich Schlemmer, Kaiserwall 37, Recklinghausen – gegen die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Mai 1978 – XIII B 4155/78, XIII B 4109/78, XIII B 4103/78, XIII B 4100/78, XIII B 4150/78, XIII B 4083/78, XIII B 4054/78, XIII B 4132/78 – 1 BvR 737/78 –. |
Entscheidungsformel: |
Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Juni 1978 – XIII A 441/78 und XIII A 442/78 – verletzen die Beschwerdeführer zu I) in ihren Grundrechten aus Artikel 12 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sachen werden an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. |
Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu II) werden zurückgewiesen. |
Das Land Nordrhein-Westfalen hat den Beschwerdeführern zu I) und II) ihre notwendigen Auslagen zu erstatten. |
Gründe: |
A. |
Die Beschwerdeführer machen geltend, im Studiengang Humanmedizin seien im Wintersemester 1977/78 an den Hochschulen Köln und Essen noch ungenutzte Studienplätze vorhanden gewesen; nach ihrer Auffassung waren die Lehrverpflichtungen, die der Berechnung der Ausbildungskapazitäten zugrunde liegen, zu niedrig bemessen.
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I. |
1. Nach den Vorschriften über die Beschränkung der Hochschulzulassung dürfen Zulassungszahlen nicht niedriger angesetzt werden, als dies unter Berücksichtigung der personellen, räumlichen, sächlichen und fachspezifischen Gegebenheiten zur Aufrechterhaltung einer geordneten Wahrnehmung der Aufgaben der Hochschulen in Forschung, Lehre und Studium unbedingt erforderlich ist (Art. 9 Abs. 2 des Staatsvertrags über die Vergabe von Studienplätzen vom 20. Oktober 1972 [GVBl. NW 1973 S. 221]; § 29 Abs. 2 des Hochschulrahmengesetzes vom 26. Januar 1976 [BGBl. I S. 185]). Zur Ermittlung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten haben die Länder übereinstimmende Kapazitätsverordnungen erlassen, die nach einer Erprobungszeit aufgrund der gewonnenen Erfahrungen fortentwickelt wurden und deren dritte Fassung vom 18. Januar 1977 (GVBl. NW S. 50) erstmals für das Wintersemester 1977/78 anzuwenden und demgemäß für die Ausgangsverfahren maßgeblich war. Nach dieser Regelung werden die vorhandenen Studienplätze im Prinzip auf die Weise ermittelt, daß das Lehrangebot – in Gestalt der vom Lehrpersonal zu erbringenden Semesterwochenstunden – durch die Lehrnachfrage geteilt wird, die sich ihrerseits nach dem Betreuungsaufwand für die Ausbildung eines Studenten bestimmt; zur Erfassung dieses Betreuungsaufwands hat die neue Kapazitätsverordnung Curricular-Normwerte eingeführt. |
Die als Lehrangebot verfügbaren Semesterwochenstunden werden grundsätzlich nach der Zahl der Stellen für das wissenschaftliche Personal berechnet, wobei jeder Stelle ein in Semesterwochenstunden bemessenes Lehrdeputat zugeordnet ist. Zu diesem Stellen- oder Sollprinzip enthält die Kapazitätsverordnung – wie schon in ihren früheren Fassungen – folgende Regelung, die in einer vom nordrhein-westfälischen Minister für Wissenschaft und Forschung Anfang 1978 herausgegebenen Orientierungshilfe "Kapazitätsermittlung und -festsetzung in Nordrhein-Westfalen" näher erläutert wird:
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§ 8
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(1) Für die Berechnung des Lehrangebots sind alle Stellen des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals und der sonstigen Lehrpersonen nach Stellengruppen den Lehreinheiten zuzuordnen. (2) ... (3) Stellen, die im Besetzungszeitraum aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht besetzt werden können, werden nicht in die Berechnung einbezogen. |
§ 9
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(1) Das Lehrdeputat ist die im Rahmen des Dienstrechts festgesetzte Regellehrverpflichtung einer Lehrperson einer Stellengruppe, gemessen in Deputatstunden. (2) Soweit die Regellehrverpflichtung vermindert wird, ist dies zu berücksichtigen ... (3) - (5) ... |
"Der Ermittlung des Lehrangebots einer Lehreinheit liegt nicht die Zahl der Lehrpersonen, sondern die Zahl der Personalstellen zugrunde. Maßgeblich ist dabei grundsätzlich nicht, ob diese Stellen besetzt sind. Dieses Stellenprinzip, das im Einzelfall dazu führen kann, daß tatsächlich ein geringeres Lehrangebot zur Verfügung steht als bei der Berechnung angenommen, ist Ausdruck des normativen Charakters der Kapazitätsermittlung und -festsetzung. Zugleich ist zu berücksichtigen, daß vielfach auch für nicht besetzte Stellen auf Grund von Lehraufträgen ein Lehrangebot zur Verfügung steht. Nicht zuletzt soll mit dieser Regelung erreicht werden, daß die Hochschulen Anstrengungen unternehmen, um unbesetzte Stellen so schnell wie möglich wieder zu besetzen. Bei der Pauschalierung über alle Stellengruppen hinweg wird unterstellt, daß die von den verschiedenen Gruppen von Lehrpersonen erbrachten Lehrleistungen prinzipiell gleichgewichtig sind (sog. 'vertikale Substituierbarkeit'). Daß die Qualität der Lehrleistungen der einzelnen Personengruppen unterschiedlich ist, wird vernachlässigt, weil die Organisation des Lehrbetriebes und die Zuweisung der Lehraufgaben der Hochschule überlassen bleibt. Es wird davon ausgegangen, daß die Personalstruktur so ausgewogen ist, daß die nach Studien- und Prüfungsordnung erforderlichen Lehrleistungen von den Personengruppen erbracht werden können." |
2. Die Lehrverpflichtungen waren in den Ländern nach Form und Umfang unterschiedlich geregelt (vgl. Antwort der Bundesregierung vom 1. Juni 1977 auf eine Kleine Anfrage nach den Lehrverpflichtungen an deutschen Hochschulen [BTDrucks. 8/527]). Um eine gleichmäßige Auslastung der Hochschulen zu erreichen, traf daher die Ständige Konferenz der Kultusminister – KMK – am 10. März 1977 eine Vereinbarung über das bei der Kapazitätsberechnung zugrunde zu legende Lehrangebot (GMBl. 1977 S. 418), in der sich die Kultusminister verpflichteten, "darauf hinzuwirken, daß die Lehrverpflichtungen in den Ländern dienstrechtlich ab Wintersemester 1976/77 nach Maßgabe dieser Vereinbarung einheitlich geregelt werden". Unter Ziff. 2 sieht diese Vereinbarung für Oberassistenten der Besoldungsgruppen H 1 oder H 2 sowie für Wissenschaftliche Assistenten der Besoldungsgruppen H 1 und A 13 je vier Stunden als Regellehrverpflichtungen vor. In einem Klammerzusatz wird ausgeführt, Wissenschaftliche Assistenten seien insbesondere unter Berücksichtigung ihrer Qualifikation und Lehrerfahrung so in der Lehre einzusetzen, daß die durchschnittliche Lehrbelastung je Semester drei Lehrveranstaltungsstunden des Anrechnungsfaktors 1 erreiche, sofern nicht der Kultusminister oder das zuständige Hochschulorgan eine höhere Lehrleistung festlegten. |
In Nordrhein-Westfalen waren die Lehrverpflichtungen nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zunächst nur für Akademische Räte und Oberräte im Erlaßwege bestimmt worden; für andere Personengruppen war lediglich in besoldungsrechtlichen Vorschriften sowie in den auf einer gleichmäßig praktizierten Übung beruhenden Einweisungsverfügungen festgelegt, was als Lehrtätigkeit angemessenen Umfangs galt. Welche Regellehrverpflichtungen aufgrund dieser Gegebenheiten bei den Kapazitätsberechnungen ab Wintersemester 1976/77 zugrunde zu legen waren, hatte der zuständige Minister in einem Erlaß vom 19. November 1976 – I C 3.6514.100 – zusammengefaßt. Danach waren für Assistenten in Übereinstimmung mit der KMK-Vereinbarung vier, für Oberassistenten hingegen lediglich zwei Semesterwochenstunden vorgesehen. Eine Angleichung erfolgte insoweit erst für das Studienjahr 1978/79 durch Erlaß vom 25. Januar 1978 – I B 4 – 3852 –, der erstmals als Übergangsregelung eine "dienstrechtliche Festsetzung der Regellehrverpflichtungen" für alle Lehrenden an den Hochschulen enthielt. Im übrigen wird in diesem Erlaß die Absicht angekündigt, aufgrund der Ermächtigung in § 218 Abs. 1, § 222 des Landesbeamtengesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 13. Dezember 1977 (GVBl. NW S. 456, jetzt § 205 i.d.F. des Gesetzes vom 20. November 1979 [GVBl. NW S. 926]) die Regellehrverpflichtungen durch Rechtsverordnungen festzusetzen.
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Sowohl der frühere Erlaß vom 19. November 1976 als auch der Erlaß vom 25. Januar 1978 sehen übereinstimmend vor, daß auf "Verwalter der Stellen Wissenschaftlicher Assistenten" lediglich ein Lehrdeputat von zwei Semesterwochenstunden entfällt. Nach den maßgeblichen Richtlinien in der Fassung vom 23. Juli 1969 (ABl.KM.NW S. 348) kann zum Verwalter bestellt werden, wer entweder eine durch Prüfung abgeschlossene Hochschulausbildung von mindestens 4 1/2 Jahren Dauer oder eine durch Prüfung abgeschlossene Hochschulausbildung und eine praktische Fachausbildung von zusammen mindestens 4 1/2 Jahren Dauer erhalten hat; auch soll der Bewerber die Vorarbeiten für eine Dissertation so gefördert haben, daß er seine Prüfungsleistungen voraussichtlich innerhalb von zwei, längstens drei Jahren erbringen kann. Nach einem im Auftrag eines Verwaltungsgerichts erstatteten und von einigen Beschwerdeführern vorgelegten Gutachten unterscheiden sich die Verwalter von den Wissenschaftlichen Assistenten dadurch, daß sie noch nicht promoviert sind. Da in Nordrhein-Westfalen ein beträchtlicher Teil der Assistenten-Stellen durch Verwalter besetzt ist, wirkt sich die Herabsetzung ihrer Lehrverpflichtungen spürbar auf die Kapazitätsfestsetzungen aus. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung wird sie verschieden beurteilt; während die für die Hochschulen Bonn, Köln, Aachen und Münster zuständigen Verwaltungsgerichte diese Herabsetzung beanstandet haben, ist sie von den für die Hochschulen Düsseldorf, Essen und Bochum zuständigen Verwaltungsgerichten sowie vom Oberverwaltungsgericht als zulässig angesehen worden. |
3. Für die Universität Köln hatte der zuständige Minister durch Höchstzahlverordnung vom 11. Mai 1977 (GVBl. NW S. 246) die Zahl der Studienplätze für Studienanfänger der Humanmedizin im Wintersemester 1977/78 auf 205 festgesetzt. Dabei waren für 14 der insgesamt 39 Stellen für Wissenschaftliche Assistenten, die durch Verwalter besetzt waren, entsprechend dem Erlaß vom 19. November 1976 lediglich zwei Semesterwochenstunden zugrunde gelegt worden.
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Für die Gesamthochschule Essen war durch die genannte Höchstzahlverordnung in der Fassung vom 21. Juli 1977 (GVBl. NW S. 291) die Zahl der Studienplätze auf 190 festgesetzt worden. Auch hier waren für sieben der insgesamt 11 Stellen für Wissenschaftliche Assistenten, die durch Verwalter besetzt waren, und ebenfalls für zwei Oberassistenten lediglich zwei Semesterwochenstunden zugrunde gelegt worden. |
Diese Höchstzahlfestsetzungen für das Wintersemester 1977/78, die auf der Anwendung des neuen Richtwertverfahrens nach der dritten Fassung der Kapazitätsverordnung beruhten, überstiegen – für Essen ganz erheblich – die amtlichen Zulassungszahlen für das vorangegangene Studienjahr, obwohl als bereinigtes Lehrangebot sogar eine geringere Semesterwochenstundensumme angesetzt worden war. Eine weitere Steigerung erfolgte zum nächsten Wintersemester 1978/79, und zwar in Köln auf 221 und in Essen auf 220 (Verordnungen vom 11. Mai und 25. Oktober 1978 [GVBl. NW S. 230 und 546]), sowie erneut zum Wintersemester 1979/80 auf 229 Zulassungen für Studienanfänger an beiden Hochschulen (Verordnungen vom 11. Mai und 18. Oktober 1979 [GVBl. NW S. 426 und 674]). Diese Steigerungen beruhten teils auf Veränderungen der Personalstruktur, aber auch auf Änderungen der Regellehrverpflichtungen gemäß Erlaß vom 25. Januar 1978; für Verwalter von Assistenten-Stellen blieb es allerdings weiterhin bei zwei Semesterwochenstunden.
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II. |
1. Nach Meinung der Beschwerdeführer führten die Höchstzahlfestsetzungen für das Wintersemester 1977/78 nicht zu einer erschöpfenden Nutzung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten. Nach erfolgloser Bewerbung bei den Hochschulen beantragten sie ebenso wie zahlreiche andere Studienbewerber, ihnen im Wege der einstweiligen Anordnung je einen der ungenutzten Plätze für Studienanfänger zuzuteilen.
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a) Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Köln waren die Zulassungszahlen für die Universität Köln zu niedrig bemessen. Da gemäß § 8 KapVO die Zahl der Stellen und nicht die Rechtsstellung ihrer Inhaber maßgebend sei, müsse für Stellen von Wissenschaftlichen Assistenten auch dann ein Lehrdeputat von vier und nicht von zwei Semesterwochenstunden zugrunde gelegt werden, wenn diese Stellen lediglich von Verwaltern besetzt seien; auch sei bei der Bemessung der Lehrnachfrage zu Unrecht ein sogenannter Vorlesungsvorwegabzug unterblieben. Die danach zusätzlich vorhandenen 40 Studienplätze sind u. a. an die beiden Beschwerdeführer zu I) verlost worden. |
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gelangte demgegenüber zu dem Ergebnis, daß bei der Gesamthochschule Essen lediglich zwei zusätzliche Plätze vorhanden gewesen seien, deren Verlosung es anordnete. Im übrigen legte es bei der Berechnung des Lehrangebots die im ministeriellen Erlaß vom 19. November 1976 vorgesehenen Regellehrverpflichtungen zugrunde und lehnte die Anträge der Beschwerdeführer zu II) auf Erlaß von einstweiligen Anordnungen ab.
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b) Durch die angegriffenen Entscheidungen hat das Oberverwaltungsgericht die Beschwerden der Beschwerdeführer zu II) zurückgewiesen und ferner die erstinstanzlichen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Köln aufgehoben sowie die Anträge der Beschwerdeführer zu I) auf Erlaß von einstweiligen Anordnungen abgelehnt. In der sachlich im wesentlichen übereinstimmenden Begründung wird ausgeführt, die Beschwerdeführer hätten nicht glaubhaft gemacht, daß über die Höchstzahlfestsetzungen hinaus noch weitere Studienbewerber aufgenommen werden könnten. An der dieser Begründung zugrunde liegenden Beurteilung hat das Oberverwaltungsgericht auch in späteren Entscheidungen festgehalten, darunter in einem Urteil zur Hauptsache vom 14. September 1979 – XIII A 618/79 –, das ebenfalls die Verhältnisse des Wintersemesters 1977/78 betraf.
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Das Oberverwaltungsgericht geht in diesen Entscheidungen davon aus, daß die bei der Höchstzahlfestsetzung angewandte dritte Fassung der Kapazitätsverordnung mit dem neu einge führten Richtwertverfahren nicht gegen höherrangiges Recht verstoße. Die Neuregelung entspreche mit hoher Wahrscheinlichkeit dem neuesten Erkenntnisstand der Wissenschaft und sei geeignet, einerseits die Kapazität voll auszuschöpfen, andererseits unter Wahrung der Grundrechte der Lehrpersonen einer ausbildungsschädlichen Überlastung der Hochschulen vorzubeugen. Auch die auf der Kapazitätsverordnung beruhende Berechnung und Festsetzung der konkreten Zulassungszahlen sei im wesentlichen fehlerfrei erfolgt. Insbesondere könne nicht festgestellt werden, daß dabei von unzutreffenden Eingabegrößen, namentlich von zu niedrigen Regellehrverpflichtungen ausgegangen worden sei. |
Im Hinblick auf die Lehrverpflichtungen wird in dem erwähnten Urteil als möglich unterstellt, daß sie durch Gesetz oder zumindest durch Verordnung geregelt werden müßten, weil darin auch wertende Entscheidungen enthalten seien, die dem Normgeber vorbehalten bleiben müßten. Es sei jedoch zumindest für einen begrenzten Zeitraum rechtlich hinnehmbar, wenn derartige Regelungen noch nicht erfolgt seien. Ein optimales Kapazitätsermittlungsverfahren könne letztlich nur aufgrund von Erfahrungen und immer neuen Erkenntnissen und – soweit dienstrechtliche Regelungen in Betracht kämen – auch erst nach Anhörung verschiedener Betroffener erfolgen. Daher sei eine zunächst lückenhafte gesetzliche Regelung und für eine Übergangszeit die Regelung der Lehrverpflichtungen durch Erlasse hinzunehmen.
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In den angegriffenen Entscheidungen wird sodann weiter ausgeführt, daß die in § 9 Abs. 1 KapVO vorgeschriebene Anknüpfung der kapazitätsrechtlichen Deputatsbemessung an das jeweilige Dienstrecht unter dem Gesichtspunkt höherrangigen Rechts nicht zu beanstanden sei. Das Dienstrecht regele, in welchem Umfang die einzelnen Lehrpersonen zur Abhaltung von Unterrichtsveranstaltungen verpflichtet seien; eine darüber hinausgehende Lehrtätigkeit könne von diesen nicht verlangt werden. Eine Kapazitätsberechnung, die von höheren als den dienst rechtlich vorgeschriebenen Lehrdeputaten ausgehe, wäre daher unzutreffend und würde zu einer Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Ausbildung führen. Da in Nordrhein-Westfalen eine dienstrechtliche Festlegung der Regellehrverpflichtungen ausstehe, seien bei der Anwendung des § 9 Abs. 1 KapVO die im Erlaß vom 19. November 1976 mitgeteilten Lehrverpflichtungen zugrunde zu legen, die auf einer im Lande gleichmäßig praktizierten ständigen Übung beruhten. |
Das Anknüpfen an diese Übung habe gegenüber einem Vorgriff auf die in der KMK-Vereinbarung vorgesehenen Lehrverpflichtungen den Vorzug, daß darauf der Lehr- und Forschungsbetrieb abgestimmt sei, während die Regellehrverpflichtungen der Vereinbarung bisher keinen Eingang in das Dienstrecht des Landes gefunden hätten. In deren Präambel sei ausdrücklich vermerkt, daß sie kein geltendes Recht sei, sondern erst durch die zuständigen Länderorgane verbindlich gemacht werden müsse. Bei überschlägiger Prüfung sei zudem nicht zu erkennen, daß die in Nordrhein-Westfalen der Kapazitätsberechnung zugrunde gelegten Werte rechtswidrig zu niedrig bemessen seien. Bloße Zahlenvergleiche reichten hierzu schon deshalb nicht aus, weil die Verhältnisse an den verschiedenen Hochschulen nicht ohne weiteres vergleichbar seien. Im Hinblick auf die teilweise höheren Lehrverpflichtungen nach der KMK-Vereinbarung möge zwar die Annahme naheliegen, daß Personen mit niedrigeren Lehrverpflichtungen bisher nicht im Rahmen des dienstrechtlich und verfassungsrechtlich Gebotenen in Anspruch genommen seien. Es lasse sich aber nicht ausschließen, daß den entsprechenden Personen in anderen Ländern neben ihrer Lehrtätigkeit weniger sonstige Aufgaben übertragen seien als in Nordrhein-Westfalen. Zudem müsse in Betracht gezogen werden, daß die Einführung von Lehrverpflichtungen nach der Vereinbarung dienstrechtliche und organisatorische Änderungen erfordere, die nicht von heute auf morgen durchgeführt werden könnten.
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Die Herabsetzung der Lehrverpflichtungen für Verwalter von Assistenten-Stellen werde durch § 9 Abs. 2 KapVO gerechtfertigt. Diese Vorschrift sei nicht etwa verfassungswidrig. Insbesondere verstoße es nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG, daß auch Verminderungen zu berücksichtigen seien, die nicht in engem Zusammenhang mit dem Auftrag der Hochschule zur Lehre und Forschung stünden. Zwar fingiere die Kapazitätsverordnung teilweise das Bestehen von Lehrdeputaten, indem sie auf die Zahl der Stellen und nicht auf die Zahl der Lehrpersonen abstelle. Grundsätzlich solle aber mit der in ihr enthaltenen Rechenweise die tatsächliche Lehrkapazität ermittelt werden – mehr fordere auch Art. 12 Abs. 1 GG nicht –, so daß prinzipiell jede Verminderung der Regellehrverpflichtung berücksichtigt werden dürfe. Die Gründe, die den zuständigen Minister bewogen hätten, die Lehrverpflichtungen der Verwalter zu vermindern, seien nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 KapVO unbeachtlich. Selbst wenn dadurch den Verwaltern die Promotion ermöglicht werden solle, sei dies bei der Berechnung des Lehrangebots zu berücksichtigen. Schließlich dürfe nicht verkannt werden, daß die Verminderung der Lehrverpflichtungen für Verwalter von Assistenten-Stellen auch bezwecke, überhaupt Lehrpersonen für diese Stellen zu bekommen. Die Schwierigkeiten, die die Universitäten bei der Besetzung dieser Stellen hätten, seien dem Senat aus anderen Verfahren bekannt. |
2. Gegen diese Entscheidungen haben die Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerden eingelegt, mit denen sie eine Verletzung ihres verfassungsrechtlich geschützten Zulassungsanspruchs geltend machen.
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Zur Begründung beziehen sich die Beschwerdeführer insbesondere auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Münster. In der Frage der Lehrverpflichtungen rügen sie im wesentlichen übereinstimmend, das Oberverwaltungsgericht habe keine Konsequenzen daraus gezogen, daß in Nordrhein-Westfalen keine formal ausreichenden dienstrechtlichen Regelungen bestanden hätten; ihr verfassungsrechtlich geschützter Zulassungsanspruch dürfe nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden. In Ermangelung solcher Regelungen sei auf allgemeine Erfahrungssätze, insbesondere auf die KMK-Vereinbarung zurückzugreifen. Demgemäß sei – wie auch andere Oberverwaltungsgerichte ausgesprochen hätten – davon auszugehen, daß Assistenten-Stellen vier Semesterwochenstunden zuzuordnen seien. Durch eine Ermäßigung dieser Lehrverpflichtung für Verwalter, die es in keinem anderen Bundesland gebe, werde die Pflicht zur erschöpfenden Nutzung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten verletzt und das Zulassungsrecht der Beschwerdeführer unzulässig dem Recht der Stelleninhaber auf Fortbildung nachgeordnet. Daß einer vollständigen Kapazitätsausnutzung keine organisatorischen Schwierigkeiten entgegengestanden hätten, werde durch die Erhöhung der amtlichen Zulassungszahlen für die Folgesemester bestätigt. |
Ebenso wie andere Studienbewerber, die gegen weitere Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Verfassungsbeschwerden eingelegt haben, beanstanden die Beschwerdeführer zu I) darüber hinaus, daß bei der Anwendung des neuen Richtwertverfahrens kein Vorlesungsvorwegabzug erfolgt sei.
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3. Den Vollzug der zum Nachteil der Beschwerdeführer zu I) ergangenen Beschwerdeentscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über ihre Verfassungsbeschwerden ausgesetzt (BVerfGE 49, 189). Demgemäß sind diese beiden Beschwerdeführer seit dem Wintersemester 1977/78 einstweilen zum Studium in Köln zugelassen.
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III. |
Zur Beurteilung des neuen Richtwertverfahrens und zur Entwicklung und zum Stand des Zulassungswesens im Bereich der Medizin haben sich der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft sowie im Auftrag aller Bundesländer der Senator für Wissenschaft und Kunst der Freien und Hansestadt Hamburg geäußert. Ferner haben die Bundesländer auf Anfrage mitgeteilt, wie sich die Anwendung des Richtwertverfahrens auf die Zulassungszahlen ausgewirkt hat. Zur Frage der Lehrverpflichtungen sind folgende Stellungnahmen eingegangen: |
1. Der Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, der sich im Einvernehmen mit dem nordrhein-westfälischen Justizminister geäußert hat, hält die Verfassungsbeschwerden für unbegründet. Er beurteilt die Neufassung der Kapazitätsverordnung formell und materiell als verfassungsmäßig. Für die Bemessung der Lehrdeputate seien in Nordrhein-Westfalen wie auch in anderen Ländern Grundsätze maßgebend gewesen, die auf langjähriger gleichmäßiger Übung beruht hätten und die bereits 1972 von der Landesrektorenkonferenz in einem Leitfaden zur Kapazitätsermittlung in Engpaßfächern niedergelegt worden seien. Die sich daraus sowie aus besoldungs- und dienstrechtlichen Bestimmungen ergebenden Lehrdeputate seien bereits im Jahre 1975 und sodann im Erlaß vom 19. November 1976 zusammengefaßt worden. Um die erheblichen Unterschiede zwischen den in den einzelnen Ländern gewachsenen Regelungen zu beseitigen, sei die Vereinbarung der Kultusministerkonferenz abgeschlossen worden. Diese habe keine unmittelbaren Rechtswirkungen haben können, sondern bedürfe der Umsetzung in das Landesrecht nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Bestimmungen. Bei ihrer Endfassung sei übersehen worden, daß sich die ursprüngliche Zielvorstellung, sie bereits mit Wirkung für das Wintersemester 1976/77 umzusetzen, aus Zeitgründen nicht mehr habe verwirklichen lassen. Nach Eintritt erheblicher Verzögerungen habe es dem Willen der Konferenz entsprochen, die Vereinbarung in den Ländern so bald wie möglich wirksam werden zu lassen. Im Land Nordrhein-Westfalen solle die dienstrechtliche Festsetzung der Lehrverpflichtungen durch Rechtsverordnung erfolgen, so daß der damit verbundene erhebliche Eingriff in die Rechtsverhältnisse der Beamten auf die rechtlich gebotene .Grundlage einer normativen Regelung gestellt werde. Dies werde durch die am 24. Dezember 1977 in Kraft getretene Verordnungsermächtigung des Landesbeamtengesetzes ermöglicht. Der Erlaß der Rechtsver ordnung verzögere sich allerdings; die grundlegend veränderte Personalstruktur nach dem Hochschulrahmengesetz erfordere eine neue Vereinbarung der Kultusministerkonferenz, deren Inhalt abgewartet werden solle. Als Übergangsregelung sei daher der inzwischen verlängerte Erlaß vom 25. Januar 1978 ergangen. |
Die in Nordrhein-Westfalen der Kapazitätsberechnung zugrunde liegenden Lehrverpflichtungen verstießen nicht gegen das Gebot der erschöpfenden Nutzung der Ausbildungskapazität. Nach den zutreffenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts reichten bloße Zahlenvergleiche schon deshalb nicht aus, weil die Hochschulverhältnisse der einzelnen Länder aus vielen Gründen nicht ohne weiteres miteinander vergleichbar seien. Anders als in anderen Bundesländern gebe es in Nordrhein-Westfalen den Verwalter der Stelle eines Wissenschaftlichen Assistenten, der in Qualifikation und Einsatzfähigkeit mit dem Wissenschaftlichen Assistenten nicht gleichzusetzen sei. Deshalb sei es – wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend begründe – gerechtfertigt, den Verwaltern eine verminderte Lehrverpflichtung zuzuweisen.
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2. Zu den mit den Verfassungsbeschwerden aufgeworfenen Problemen haben sich ferner die Rektoren der Hochschulen Bochum, Bonn, Essen, Köln und Münster geäußert. Sie halten die Beurteilung des Oberverwaltungsgerichts für zutreffend.
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a) Nach Auffassung des Rektors der Universität Köln waren für die Berechnung der Ausbildungskapazität die im Erlaß vom 19. November 1976 zusammengefaßten Regellehrverpflichtungen maßgeblich; da diese auf einer im Lande herrschenden Übung beruht hätten, habe keine Notwendigkeit zur Ausfüllung eines angeblich rechtsfreien Raumes bestanden. Die Verminderung der Lehrdeputate für Verwalter stehe in Einklang mit § 9 Abs. 2 KapVO. Sie beruhe entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer nicht in erster Linie darauf, daß die Verwalter Gelegenheit zur Promotion erhalten sollten, sondern auf ihrer mangelnden Eignung zur Ausübung einer vollwertigen Assisten tenfunktion. Deren verminderte Einsetzbarkeit bedinge eine verminderte Lehrverpflichtung, um die erforderliche Qualität der Ausbildung künftiger Mediziner nicht zu gefährden. Geeignete Personen könnten nur dann gewonnen werden, wenn durch die Möglichkeit wissenschaftlich-experimenteller Arbeit und gegebenenfalls durch die Ermöglichung der Promotion genügende Anreize geschaffen würden. Auch sei zu berücksichtigen, daß die vorklinischen Institute große Schwierigkeiten hätten, medizinisch ausgebildete Kräfte zu gewinnen. In Köln seien von den Inhabern der 36 besetzten Assistenten-Stellen 23 keine Ärzte, sondern Biologen, Zoologen, Chemiker, Mathematiker oder Diplom-Ingenieure gewesen; von diesen wiederum seien vier weniger als ein und elf weniger als zwei Jahre tätig gewesen. Nichtärzte brauchten erfahrungsgemäß zwei Jahre Tätigkeit in den vorklinischen Instituten, um das vorklinische Fachwissen vermitteln zu können. Daß auch die Kultusministerkonferenz die Einsetzbarkeit Wissenschaftlicher Assistenten als Problem empfunden habe, lasse der Klammerzusatz für Assistenten in der Vereinbarung erkennen. |
b) Der Rektor der Gesamthochschule Essen hebt zunächst hervor, daß bereits die Generalisierung des Kapazitätsermittlungsrechts erheblich in die Autonomie der Hochschulen eingreife und nicht zureichend die örtlichen Besonderheiten berücksichtige. Die Kapazitätsverordnung begünstige die Studienbewerber, belaste aber in ihren tatsächlichen Auswirkungen auf den Lehrbetrieb die Lehrenden über Gebühr und beeinträchtige die Qualität der Ausbildung. Das Zulassungsrecht der Bewerber und das Grundrecht auf Freiheit von Forschung und Lehre müßten nunmehr in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden. Vor allem die Forschungsfreiheit werde erheblich gefährdet, wenn über das bisherige Maß an Zulassungen hinaus der Universität noch weitere Ausbildungskapazitäten unterstellt würden. Eine Ausweitung des Lehrbetriebs sei unter den gegebenen Personalumständen nicht tragbar.
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Wenn nach dem "Sollkonzept" der Kapazitätsverordnung die Nichtbesetzung von Stellen als nicht existent behandelt werde, führe das in der Praxis zu einer ungebührlichen Belastung der Lehrenden; auch sei es realitätsfern, wenn die Berechnungsmethoden entgegen der hohen Spezialisierung von einer "Substituierbarkeit" verschiedener Lehrpersonen ausgehe. Die Absicht des Gesetzgebers, die Hochschulen zur raschen Wiederbesetzung freier Stellen zu zwingen, sei nur zu verwirklichen, wenn geeignete Bewerber vorhanden seien. Angesichts der Belastung durch den Lehrbetrieb und der gering eingeschätzten Forschungsmöglichkeiten werde es immer schwieriger, medizinisch ausgebildete Assistenten im Bereich der vorklinischen Lehreinheiten zu gewinnen. Darum würden die vorhandenen Planstellen zunehmend mit sachfremden Assistenten besetzt. In Essen seien in der Vorklinik lediglich neun approbierte Ärzte tätig, eine Zahl, die nicht einmal einem Drittel der zu besetzenden Stellen entspricht. Wenn diejenigen Assistenten, die noch nicht promoviert seien, nur die Hälfte der Deputatstunden zu leisten hätten, werde darin die Absicht deutlich, die Interessen der Forschung nicht zu vernachlässigen. Eine sofortige volle Lehrbelastung von Hochschulabgängern ohne wissenschaftliche Arbeitserfahrung, die mit der Erarbeitung der Promotion erst erworben werden solle, müsse das Prinzip der Substituierbarkeit erheblich in Zweifel ziehen. |
3. Der Präsident des Hochschulverbandes gibt in seiner Stellungnahme eine allgemeine Situationsanalyse, die auf Untersuchungen und Erfahrungen der dem Verband angehörenden Mitglieder dieser Hochschulen beruhe und deutlich machen solle, welche Verhältnisse in der Medizinerausbildung an den nordrhein-westfälischen Hochschulen herrschten. Danach hätten die von den Hochschullehrern gebilligten Bemühungen um eine optimale Kapazitätsausnutzung und die rigorose schematische Erhöhung der Zulassungszahlen nach der neuen Kapazitätsverordnung die Ausbildungskapazitäten bis an die Grenze des noch Erträglichen und teilweise noch darüber hinaus ausgeschöpft. Nach der starken Zunahme der Studentenzahlen in den letzten Jahren sei ein Qualitätsverlust in der medizinischen Ausbildung eingetreten, der durch Prüfungsergebnisse der ärztlichen Prüfung für Ausländer in den USA bestätigt werde. Die Praxis, den Hochschulzugang und die Qualität der zu erbringenden Lehrleistungen über das pauschalierende Verfahren der Kapazitätsverordnung zu regeln, habe bereits zu tiefgreifenden Veränderungen der Hochschulen geführt. Besonders kritisch seien die Verhältnisse bei Neugründungen wie in Essen, bei denen sich aus dem Aufbau zusätzliche Belastungen ergäben. |
Das Prinzip, auf die Verfügbarkeit und nicht auf die Besetzbarkeit der Stellen abzustellen und von einer "Substituierbarkeit" der Lehrpersonen auszugehen, ignoriere den unterschiedlichen Ausbildungs- und Kenntnisstand. Die bei den Regellehrverpflichtungen angenommene rechnerische Gleichsetzung eines Universitätsprofessors mit zwei Assistenten sei unrealistisch. Das Beispiel der Anatomischen Institute in der Bundesrepublik zeige, daß hier nur etwa die Hälfte aller Lehrverpflichtungen für qualifizierte Hochschullehrer vorgesehen sei. Die andere Hälfte werde von Assistenten übernommen, die noch in der Ausbildung stünden und von denen wiederum annähernd die Hälfte Nichtmediziner seien, die zum Teil als Ausländer Sprachschwierigkeiten hätten. Wegen der ungünstigen Arbeitsbedingungen wanderten die medizinischen Nachwuchskräfte in immer stärkerem Maße nach ihrer Promotion in attraktivere Tätigkeiten ab. Um die Relation nicht noch weiter zuungunsten der Mediziner absinken zu lassen, müßten berufsunerfahrene medizinische Hochschulabsolventen mit der Verwaltung von Assistenten-Stellen betraut und mit dem Hinweis auf eine künftige Hochschullehrertätigkeit zu einem längeren Aufenthalt bewogen werden. Für sie als Anfänger sei der Zeitaufwand für Vor- und Nachbereitung einer Lehrveranstaltung wesentlich größer als bei erfahrenenen Hochschullehrern. Daher sei es vollauf berechtigt, das Lehrdeputat der Verwalter erheblich niedriger anzusetzen.
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4. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hält in der Frage der Lehrverpflichtungen den Standpunkt der Beschwer deführer für zutreffend und führt ergänzend aus: Eine Umfrage unter ihren Mitgliedern habe ergeben, daß die Belastung der wissenschaftlichen Mitarbeiter mit Lehraufgaben im Durchschnitt höher liege als die vorgesehenen vier Semesterwochenstunden. Das beruhe nicht nur darauf, daß Hochschullehrerstellen nicht besetzt seien oder daß deren Inhaber anderweitig in Anspruch genommen seien, sondern auch darauf, daß die Übernahme von Lehraufgaben im Interesse der weiteren Qualifikation und des Weiterkommens verlangt werde. Sechs Semesterwochenstunden Lehre – also zwölf Zeitstunden wegen vorzugsweisen Einsatzes in Kursen und Praktika mit dem halben Anrechnungsfaktor – seien keine Seltenheit. Soweit in den Stellungnahmen auf die Nachwuchssituation in der Anatomie abgestellt werde, müsse berücksichtigt werden, daß hier eine ausgesprochene Sondersituation bestehe. |
B. |
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig.
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Zwar richten sie sich gegen Beschwerdeentscheidungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren. Von den Beschwerdeführern kann jedoch auch unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität nicht verlangt werden, daß sie vor einer Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts das verwaltungsgerichtliche Verfahren in der Hauptsache durchführen (vgl. BVerfGE 51, 130 [136, 143 ff.]; ferner BVerfGE 49, 189 [191]). Die von den Verwaltungsgerichten verschieden beantwortete Frage, welche Lehrverpflichtungen für die Kapazitätsberechnung maßgeblich sind, ist von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung. Die Höhe dieser Lehrverpflichtungen bestimmt wesentlich den Umfang des den Hochschulen möglichen Lehrangebots und damit den Umfang der Ausbildungskapazität, deren Schaffung und Nutzung das Bundesverfassungsgericht stets als den eigentlichen Schwerpunkt der Zulassungsproblematik gewertet hat (vgl. BVerfGE 43, 291 [325 f.]). Ohne beschleunigte Klärung der strittigen Problematik ist zu befürchten, daß möglicherweise vorhandene Ausbildungskapazitäten in erheblichem Umfang für längere Dauer ungenutzt bleiben. Auch sind weitere tatsächliche Ermittlungen nicht erforderlich; die zuständigen Verwaltungsgerichte haben inzwischen die gleiche Beurteilung auch in Hauptsache-Entscheidungen vorgenommen. |
C. |
Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I) sind begründet.
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I. |
Die Höhe der Lehrverpflichtungen des wissenschaftlichen Personals ist zulassungsrechtlich ohne Belang, solange für Studienbewerber keine Zulassungsbeschränkungen bestehen. Erst als Folge absoluter Zulassungsbeschränkungen, durch die unter krasser Ungleichbehandlung der Bewerber deren Zulassungsanspruch empfindlich eingeschränkt wird, stellt sich die Frage, ob die Höchstzahlfestsetzungen von angemessenen Lehrverpflichtungen ausgehen. Maßstab für die verfassungsrechtliche Überprüfung ist der in ständiger Rechtsprechung aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitete Grundsatz, daß absolute Zulassungsbeschränkungen nur dann verfassungsmäßig sind, wenn sie zum Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsguts – Funktionsfähigkeit der Universitäten in Wahrnehmung ihrer Aufgaben in Forschung, Lehre und Studium – und nur in den Grenzen des unbedingt Erforderlichen unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen, mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Ausbildungskapazitäten angeordnet werden (BVerfGE 33, 303 [338 ff.]; 39, 258 [265 ff.]; 43, 34 [45]; 43, 291 [325 ff.]). Mit diesem Grundsatz stimmen auch die eingangs zitierten Vorschriften des Staatsvertrags über die Vergabe von Studienplätzen und des Hochschulrahmengesetzes überein.
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Aus diesem Grundsatz lassen sich keine konkreten Lehrverpflichtungen für bestimmte Personengruppen herleiten. Seine Konkretisierung obliegt vielmehr zunächst dem Normgeber und der Hochschulverwaltung. Sie ist vor allem durch die Kapazi tätsverordnung erfolgt, die in den §§ 8 und 9 auch Vorschriften über die Berechnung des Lehrangebots enthält. Diese Vorschriften werden von den Beschwerdeführern nicht angegriffen. Es ist auch nicht erkennbar, daß sie mit der Pflicht zur erschöpfenden Kapazitätsnutzung unvereinbar wären. Der Schwerpunkt der verfassungsgerichtlichen Überprüfung liegt demgemäß bei der Frage, ob bei der Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften der genannten Pflicht Rechnung getragen worden ist. |
II. |
Nach § 9 Abs. 1 KapVO sind bei der Berechnung des Lehrangebots die im Rahmen des Dienstrechts festgesetzten Regellehrverpflichtungen zugrunde zu legen. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführer werden ihre Grundrechte nicht schon dadurch verletzt, daß in Nordrhein-Westfalen ebenso wie in den meisten anderen Bundesländern diese Lehrverpflichtungen bislang weder vom Gesetzgeber selbst noch auf gesetzlicher Grundlage durch Rechtsverordnung geregelt worden sind.
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1. Eine derartige normative Regelung wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung im allgemeinen für erforderlich gehalten. Dem kann insoweit beigepflichtet werden, als der Gesetzgeber oder der von ihm ermächtigte Normgeber an einer solchen Regelung nicht gehindert wären. Das stünde nicht nur in Einklang mit der bisherigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, wonach die Sicherung eines ausreichenden Ausbildungsangebots einschließlich der Setzung normativer Regelungen für eine erschöpfende Kapazitätsermittlung in erster Linie in den Verantwortungsbereich des Gesetzgebers fällt (vgl. BVerfGE 33, 303 [338 ff.]; 43, 291 [327]; ebenso BVerwG, NJW 1978, S. 2609 [2610]). Vielmehr folgt dies insbesondere daraus, daß sich in der Frage der Lehrverpflichtungen des wissenschaftlichen Personals zwei verschiedene Interessen- und Rechtskreise überschneiden, die beide grundrechtsrelevant sind: einerseits die erwähnte, durch den verfassungsrechtlichen Zulassungsanspruch der Studienbewerber bestimmte Pflicht zur er schöpfenden Kapazitätsnutzung und andererseits die nicht allein durch das Dienstrecht, sondern zugleich durch das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit bestimmte Rechtsposition des Lehrpersonals. Beide stehen in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander. Einschränkungen des Zulassungsrechts hängen wesentlich davon ab, welche Lehrverpflichtungen dem Lehrpersonal abverlangt werden; Festlegungen dieser Lehrverpflichtungen führen zugleich zu einer Reglementierung der Arbeitszeit und Arbeitsweise des wissenschaftlichen Personals im Rahmen des Ausbildungsbetriebs der Universität. Schon im Hinblick auf dieses Spannungsverhältnis erscheint am ehesten der Gesetzgeber, gegebenenfalls auf einer geeigneten gesetzlichen Grundlage der Verordnungsgeber, dazu berufen, für alle Beteiligten die Grenzen des Zumutbaren festzulegen und die damit verbundenen Wertungen zu treffen. |
Auf der Linie dieser Erwägungen bewegt sich bereits die Staatspraxis. So haben die Bundesländer Hessen (Verordnung vom 29. September 1976 [GVBl. S. 400]) und Bayern (Verordnung vom 21. September 1977 in der Fassung vom 27. September 1978 [GVBl. S. 676]) die Lehrverpflichtungen förmlich durch Rechtsverordnungen geregelt. In Nordrhein-Westfalen hat der Landesgesetzgeber entsprechende Ermächtigungen geschaffen. Diese Regelungen präzisieren die im Hochschulrahmengesetz bereits vorgesehenen Dienstpflichten (vgl. §§ 43, 47 und 53). Wird bei ihnen die grundsätzliche Entscheidung der Verfassung für eine freie wissenschaftliche Betätigung (vgl. BVerfGE 35, 79 [114 f.]) und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der gebotenen Weise beachtet, sind gegen derartige Festlegungen durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht erkennbar (vgl. Dallinger/Bode/Dellian, Hochschulrahmengesetz, Anm. 11 zu § 43; ferner Reich, Hochschulrahmengesetz, 2. Aufl., 1979, Anm. 9 zu § 43).
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Eine solche Grundrechtsverletzung läßt sich insbesondere nicht damit begründen, eine normative Regelung der Lehrverpflichtungen sei aus beamten- und hochschulrechtlichen Gründen erforderlich. Auf derartige Gründe ist daher nicht einzugehen. Insoweit genügt ein Hinweis auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zum numerus clausus und zu den Lehrverpflichtungen (BTDrucks. 8/527 S. 3). Darin wird es als wünschenswert bezeichnet, wenn die Hochschulen im Rahmen der unvermeidlichen staatlichen Vorgaben eine größere Dispositionsfreiheit behielten; das berechtigte Anliegen, die Lehrdeputate grundsätzlich zu vereinheitlichen, dürfe nicht zu einer unnötigen Detailreglementierung führen, die die Eigenverantwortung der Hochschulen und besonders die Leistungsbereitschaft des wissenschaftlichen Personals schwäche.
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Da Studienbewerber nur die Verletzung ihrer eigenen Grundrechte rügen können, kommt es für die Entscheidung über ihre Verfassungsbeschwerden allein auf die begrenzte Frage an, ob die zulassungsrechtliche Pflicht zur erschöpfenden Kapazitätsnutzung zu normativen Regelungen der Lehrverpflichtungen zwingt. Bei der Beantwortung dieser Frage ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber seiner zuvor genannten Verantwortung in verschiedener Weise nachkommen kann. Er muß selbst regeln, ob und unter welchen Voraussetzungen das Zulassungsrecht von Studienbewerbern einschränkbar ist. Die damit nur mittelbar verbundenen weiteren Einzelentscheidungen im Zusammenhang mit der Ermittlung der vorhandenen Kapazitäten kann er hingegen auch anderen jedenfalls so lange überlassen, wie eine erschöpfende Nutzung sichergestellt ist. Für eine solche Zurückhaltung des Gesetzgebers spricht vor allem die Natur des Kapazitätsermittlungsrechts als eines Notrechts zur Verwaltung eines Mangels (vgl. BVerfGE 39, 258 [271]). Es liefert für den Fall von Zulassungsbeschränkungen zweckgebundene Hilfsmaßstäbe für die Bemessung der für die Hochschulen tragbaren Ausbildungsverpflichtungen, soll sich aber nicht in dem Sinne verselbständigen, daß es den Hochschulbetrieb und die Rechtsstellung des wissenschaftlichen Personals mehr als unvermeidlich reglementiert. Das bedeutet nicht etwa, daß sich in solchen Notlagen die Verantwortung des Gesetzgebers mindert. Er wird dieser Verantwortung aber auch dann gerecht, wenn er dafür Sorge trägt, daß die jeweils gebotenen konkreten Maßnahmen flexibel in einem zielgerichteten Entwicklungsprozeß unter Auswertung gewonnener Erfahrung getroffen werden, statt sie von vornherein bis in die Einzelheiten normativ festzulegen. Anlaß zu einem weiter gehenden gesetzgeberischen Eingreifen besteht erst dann, wenn dieser Prozeß nicht funktioniert, wenn etwa die Hochschulen außerstande wären, bei ihren Angehörigen diejenigen Lehrverpflichtungen durchzusetzen, die zur Erfüllung des Lehrangebots bei erschöpfender Kapazitätsausnutzung erforderlich sind. |
Für den Zeitpunkt des Wintersemesters 1977/78 und ebenso für den derzeitigen Zeitpunkt ist nicht erkennbar, daß zwingender Anlaß für eine gesetzgeberische Normierung der Lehrverpflichtungen besteht. Dem vom Gesetzgeber ermächtigten Normgeber ist es – wirksamer als anfangs zu erwarten war – gelungen, auf der Grundlage von Erfahrungen und in einem mehrjährigen Entwicklungsprozeß ein praktikables Kapazitätsermittlungsrecht zu schaffen, das, wie noch darzulegen sein wird, zur ständigen Erhöhung der Zulassungszahlen beigetragen hat. Er hat dabei in Gestalt des Stellen- oder Sollprinzips eine Berechnungsmethode entwickelt, durch welche die Kapazitätsermittlung einerseits und die Festlegung von Lehrverpflichtungen andererseits soweit wie möglich entkoppelt werden und welche eine für die einzelnen Lehrpersonen verbindliche Normierung der Lehrverpflichtungen entbehrlich macht. Denn die Kapazitätsverordnung knüpft nicht an die individuellen Lehrverpflichtungen der Stelleninhaber an, sondern begnügt sich damit, lediglich nach Art und Zahl der Stellen zum Zwecke der Berechnung zu ermitteln, wie viele Bewerber der Hochschule im Falle von Zu lassungsbeschränkungen zugeteilt werden können. Im übrigen bleibt der Hochschule überlassen, wie sie im einzelnen die ihr danach obliegenden Ausbildungsverpflichtungen erfüllt. |
Im Unterschied zu anderen denkbaren Berechnungsmethoden hat dieses Stellenkonzept aus der Sicht der Hochschulen und des Lehrpersonals den Vorteil, daß es eine für sie unerwünschte Einzelreglementierung der Lehrverpflichtungen erübrigt. Der in einigen Stellungnahmen befürchteten Gefahr einer übermäßigen Belastung wird bei dieser Berechnungsmethode dadurch entgegengewirkt, daß nicht nur haushaltsrechtlich gesperrte Stellen außer Ansatz bleiben, sondern daß darüber hinaus unter Auflockerung des reinen Stellenprinzips sonstige Verpflichtungen bestimmter Stelleninhaber berücksichtigt werden können. Aus der Sicht der Studienbewerber läßt sich dieses Stellenprinzip erst recht verfassungsrechtlich nicht beanstanden, da es sich zulassungsfreundlich auswirkt und eine größtmögliche Kapazitätsausnutzung anstrebt; es wird demgemäß von den Beschwerdeführern auch nicht angegriffen. Aus ihrer Sicht ist nur erforderlich, daß die den jeweiligen Stellen zugeordneten Lehrdeputate ihrer Höhe nach dem Gebot der erschöpfenden Kapazitätsausnutzung gerecht werden, nicht hingegen eine förmliche, für den jeweiligen Stelleninhaber verpflichtende Normierung dieser mittelbaren Berechnungsfaktoren.
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III. |
Kann nach alledem auf eine normative Festlegung der Lehrverpflichtungen jedenfalls so lange verzichtet werden, wie das Stellenprinzip eine erschöpfende Kapazitätsausnutzung auch ohne solche Festlegungen ermöglicht, kommt es entscheidend auf die sachlich-rechtliche Frage an, ob dieses Stellenprinzip auch verfassungskonform angewendet wird, ob also die den Stellen als Berechnungsfaktoren zugeordneten Lehrdeputate der Pflicht zur erschöpfenden Kapazitätsausnutzung entsprechen. Insoweit kann der Beurteilung des Oberverwaltungsgerichts nicht in vollem Umfang gefolgt werden.
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1. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung besteht keine einheitliche Auffassung darüber, in welchem Umfang und nach welchen Kriterien die Höhe von Lehrverpflichtungen überhaupt gerichtlich nachprüfbar ist. In seinem Hauptsacheurteil vom 14. September 1979 hebt das Oberverwaltungsgericht hervor, die Bemessung von Lehrverpflichtungen sei von verschiedenen Wertungen abhängig, die ihrerseits nur begrenzt einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich seien. Diesen wertungsabhängigen Charakter verkennen indessen auch andere Oberverwaltungsgerichte nicht; sie halten sich gleichwohl zu der Überprüfung für befugt, ob die der Kapazitätsberechnung als Berechnungsfaktoren zugrunde gelegten Lehrverpflichtungen der gesetzlich anerkannten, verfassungsrechtlich gebotenen Pflicht zur erschöpfenden Kapazitätsausnutzung genügen. Eine solche Nachprüfbarkeit erscheint erst recht statthaft und geboten, wenn einerseits ein von den individuellen Lehrverpflichtungen losgelöstes Sollprinzip angewendet wird und wenn andererseits das Dienstrecht überhaupt keine normativen Festsetzungen von Regellehrverpflichtungen enthält. Auch und gerade dann stellt sich die Frage, ob die Wissenschaftsverwaltung der Kapazitätsberechnung angemessene Lehrverpflichtungen zugrunde gelegt hat. Der wertungsabhängige Charakter ihrer Entscheidungen mag zwar die verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte beeinflussen; er entbindet aber die Wissenschaftsverwaltung im Streit um die Angemessenheit ihrer Wertungen jedenfalls nicht von der nachprüfbaren Darlegung, daß sie bei ihren Wertungen höherrangigen Geboten und dem für deren Konkretisierung wesentlichen Erkenntnis- und Erfahrungsstand Rechnung getragen hat. |
Es sind keine schwerwiegenden Bedenken dagegen erkennbar, für diese Überprüfung die Vereinbarung der Kultusministerkonferenz über Regellehrverpflichtungen als Kriterium heranzuziehen. Eine Orientierung an dieser Vereinbarung hält auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 8. Februar 1980 (BVerwG 7 C 93.77) für geboten. Zwar ist die Vereinbarung kein unmittelbar geltendes Recht; sie enthebt die Wissenschafts verwaltung nicht einer eigenverantwortlichen Wertung bei der Kapazitätsermittlung. Andererseits stellt sie – wie namentlich das Verwaltungsgericht Münster unter Darlegung der Entstehungsgeschichte näher dargetan hat und wie auch der Verwaltungsgerichtshof München sowie die Oberverwaltungsgerichte Lüneburg und Hamburg in den von ihnen übersandten Entscheidungen hervorheben – die umfassendste Zusammenfassung aller bisher gewonnenen Erfahrungswerte dar und verkörpert einen Konsens darüber, was von dem Expertengremium der Kultusministerkonferenz: für die Hochschulen als vertretbar und zur gleichmäßigen Kapazitätsausnutzung als erforderlich angesehen wird. Gerade wenn das Kapazitätsermittlungsrecht als das Ergebnis einer zielgerichteten, am jeweiligen Erfahrungs- und Erkenntnisstand orientierten Entwicklung verstanden wird, erscheint es geboten, diese Eingabedaten beschleunigt dem jeweils erreichten Erkenntnisstand anzupassen. Die in der KMK-Vereinbarung vorgesehenen Lehrverpflichtungen können zudem nicht als überhöht angesehen werden, da sie im Grunde nur bereits praktizierte Werte ohne generelle Erhöhung aneinander angleichen. Bei dieser Sachlage ist die Wissenschaftsverwaltung gehalten, von diesem Erfahrungsstand auszugehen und nur dann davon abzuweichen, wenn dafür gewichtige Gründe nachgewiesen werden. |
2. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, daß es nicht gerechtfertigt war, bei der Höchstzahlfestsetzung für die nordrhein-westfälischen Hochschulen eine geringere als die in der KMK-Vereinbarung für Oberassistenten-Stellen vorgesehene Semesterwochenstundenzahl zugrunde zu legen. Zwingende Gründe für diese Unterschreitung sind weder vorgetragen noch erkennbar. Demgemäß sind mit Wirkung für das Studienjahr 1978/79 die den Oberassistenten-Stellen zugeordneten Lehrdeputate auf den Stand der KMK-Vereinbarung angehoben worden.
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Bei der weiteren Prüfung, welche Lehrverpflichtungen für Assistenten-Stellen anzusetzen sind, die durch Verwalter besetzt sind, ist davon auszugehen, daß auf Assistenten-Stellen eine Regellehrverpflichtung von vier Semesterwochenstunden entfällt. Das entspricht nicht nur –. wie namentlich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof dargelegt hat (BayVBl. 1978, S. 305) – der KMK-Vereinbarung und der herrschenden Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte, sondern war und ist für Nordrhein-Westfalen sowohl in dem früheren Erlaß vom 19. November 1976 als auch im Erlaß vom 25. Januar 1978 vorgesehen, der erstmals als Übergangsregelung eine "dienstrechtliche Festlegung der Regellehrverpflichtungen" enthält. Es besteht – wie einige Gerichte durch Arbeitszeitanalysen dargetan haben – auch kein Anlaß, eine solche Lehrverpflichtung als überhöht anzuzweifeln. |
Wenn aber Assistenten-Stellen eine Lehrverpflichtung von vier Semesterwochenstunden zugeordnet ist, dann läßt es sich mit dem geltenden Kapazitätsermittlungsrecht schwerlich vereinbaren, für Stellen, die von Verwaltern besetzt sind, immer nur zwei Semesterwochenstunden zugrunde zu legen. In den von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts abweichenden erstinstanzlichen Entscheidungen wird ausgeführt, dies widerspreche dem Stellenkonzept der Kapazitätsverordnung; denn wenn für unbesetzte Stellen sogar ein volles Lehrdeputat anzusetzen sei, könne bei einer Besetzung der Stellen mit Verwaltern keine Halbierung dieses Deputats Rechtens sein. Dies verkennt auch das Oberverwaltungsgericht nicht. Es will daher diese generelle Halbierung mit der Vorschrift des § 9 Abs. 2 KapVO rechtfertigen, wonach unter Auflockerung des Stellenprinzips Verminderungen der Regellehrverpflichtungen bei der Kapazitätsberechnung zu berücksichtigen sind. Ob diese Rechtfertigung – wie die erwähnten erstinstanzlichen Gerichte darlegen – schon nach einfachem Recht angreifbar ist, kann dahinstehen. Denn jedenfalls läßt sich eine pauschale Halbierung der Lehrverpflichtungen für alle von Verwaltern besetzten Assistenten-Stellen, die, soweit ersichtlich, in keinem anderen Bundesland praktiziert wird, nicht mit einer verfassungskonformen An wendung und Auslegung der genannten Vorschrift vereinbaren (vgl. auch die Bedenken der Bundesregierung gegenüber einer pauschalen Reduzierung von Lehrverpflichtungen, BTDrucks. 8/527 S. 4). |
Dem Oberverwaltungsgericht kann zwar darin zugestimmt werden, daß die verfassungsrechtliche Pflicht zur erschöpfenden Nutzung der Ausbildungskapazitäten grundsätzlich nur die Ermittlung der tatsächlich vorhandenen Lehrkapazität gebietet, daß demgemäß das Sollprinzip unbeschadet seiner bereits erörterten Vorzüge kein unbedingtes verfassungsrechtliches Gebot darstellt und daß seine Auflockerung durch die Vorschrift des § 9 Abs. 2 KapVO verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Das Oberverwaltungsgericht läßt aber bei der Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift zweierlei außer acht:
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Angesichts der Pflicht zur erschöpfenden Kapazitätsausnutzung erscheint es bereits in hohem Maße bedenklich, wenn die haushaltsmäßig ausgewiesenen Assistenten-Stellen in derart großer Zahl, wie das an den nordrhein-westfälischen Hochschulen geschehen ist, nicht durch Assistenten, sondern durch teilweise fachfremde Verwalter besetzt werden. Dies läßt sich jedenfalls nicht ausreichend mit dem Gesichtspunkt der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses rechtfertigen; denn dann würde das Recht des Stellenverwalters auf Weiterbildung dem Zulassungsanspruch von Bewerbern vorgezogen, obwohl zugunsten des wissenschaftlichen Nachwuchses eine besondere Graduiertenförderung geschaffen worden ist. Eine für das Ausbildungsangebot nachteilige Unterbesetzung der vorhandenen Stellen kann sich allenfalls dann auf die Kapazitätsermittlung auswirken, wenn die Universitäten im Einzelfall nachweisen, daß sich qualifizierte Bewerber trotz gebotener Anstrengungen nicht haben finden lassen.
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Soweit eine Unterbesetzung von Assistenten-Stellen durch Verwalter unvermeidbar sein sollte, stellt sich die weitere Frage, inwieweit dieser Umstand eine Verminderung der Lehrverpflichtungen gemäß § 9 Abs. 2 KapVO rechtfertigt. Bei ver fassungskonformer Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift erscheint dies jedenfalls nicht in dem in Nordrhein-Westfalen praktizierten und vom Oberverwaltungsgericht gebilligten Ausmaß hinnehmbar. Nach ihrer Zweckbestimmung soll die Regelung – wie in der eingangs zitierten Orientierungshilfe des nordrhein-westfälischen Ministers für Wissenschaft und Forschung dargelegt wird (vgl. S. 24 ff.) – die Berücksichtigung solcher Verminderungen der Lehrverpflichtungen ermöglichen, die wegen anderweitiger hochschulrechtlicher Inanspruchnahmen, namentlich bei Funktionsträgern, erforderlich sind. Angesichts der Pflicht zur erschöpfenden Nutzung der vorhandenen Kapazitäten wird sie nur mit großer Zurückhaltung auf solche Fälle erstreckt werden können, in denen der Stelleninhaber eine mindere Qualifikation und geringere Lehrerfahrung aufweist. Mit Recht wird in der erstinstanzlichen Rechtsprechung hervorgehoben, es sei Sache der Universität, der geringeren Qualifikation in erster Linie durch eine Differenzierung bei den Lehraufgaben Rechnung zu tragen, wie dies tatsächlich auch geschieht. Soll darüber hinaus auch eine Verminderung des zeitlichen Lehrdeputats erfolgen, bedarf dies zumindest im Einzelfall einer näheren Begründung. Eine solche auf den Einzelfall abgestellte Begründung fehlt bislang. Der zuständige Minister hat sich damit begnügt, pauschal und undifferenziert eine Halbierung der Lehrverpflichtungen für sämtliche Verwalter unabhängig von ihrem Ausbildungsstand anzuordnen. Auch in den Stellungnahmen der Hochschulen zu den Verfassungsbeschwerden werden lediglich allgemeine Erwägungen angestellt. Die Verwalter von Assistenten-Stellen unterscheiden sich aber nach Qualifikation und Verweildauer derart erheblich voneinander, daß bei der Ermittlung der Ausbildungskapazitäten jedenfalls keine unterschiedslose Halbierung ihrer Lehrverpflichtungen gerechtfertigt erscheint. |
IV. |
Die vorstehenden Ausführungen nötigen den Normgeber, die in den Höchstzahlverordnungen festgesetzten Zulassungszahlen für die Zukunft zu überprüfen. Von Verfassungs wegen erscheint es hingegen nicht geboten, die Zulassungszahlen auch für die zurückliegenden Semester, insbesondere für das hier strittige Wintersemester 1977/78 einer solchen Überprüfung zu unterziehen. Zwar steht der Ablauf dieser Semester einer nachträglichen Überprüfung nicht entgegen, da über Zulassungsanträge nach ständiger Rechtsprechung nach den Bedingungen des Bewerbungssemesters zu entscheiden ist (BVerwGE 42, 296; BVerfGE 39, 258 [274 f.]). Dies hätte indessen angesichts der beträchtlichen Zahl der durch Verwalter besetzten Assistenten-Stellen und zahlreicher verwaltungsgerichtlicher Verfahren zur Folge, daß sich die nordrhein-westfälischen Hochschulen in erheblichem Umfang auf zusätzliche nachträgliche Zulassungen einstellen müßten. Die damit verbundenen Schwierigkeiten auf sich zu nehmen, kann von den Hochschulen unter Berücksichtigung der allgemeinen und der besonderen nordrhein-westfälischen Zulassungssituation nur ausnahmsweise verlangt werden. |
1. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt ausgesprochen, daß dem Normgeber bei komplexen, in der Entwicklung begriffenen Sachverhalten ein zeitlicher Anpassungsspielraum gebührt und daß seine Regelungen erst dann verfassungsrechtlich zu beanstanden sind, wenn er trotz ausreichender Erfahrungen und Erkenntnisse eine sachgerechte Lösung unterläßt (vgl. BVerfGE 33, 171 [189 f.]; 37, 104 [118]; 43, 291 [321]). Um einen solchen Sachverhalt handelt es sich – wie bereits angedeutet – gerade auch bei der Entwicklung eines Kapazitätsermittlungsrechts, das die erschöpfende Nutzung der vorhandenen Kapazitäten gewährleisten soll. Hier kommt noch hinzu, daß die Änderung von Eingabedaten zu Berechnungsergebnissen führen kann, deren alsbaldige Umsetzung in erhöhte Zulassungszahlen eine geordnete Wahrnehmung der Aufgaben der Universität erschwert. Die Kapazitätsverordnung trägt diesem Umstand ihrerseits dadurch Rechnung, daß sie gemäß § 14 eine Überprüfung der Berechnungsergebnisse anhand verschiedener Einflußfaktoren, u. a. der tatsächlichen Entwicklung der Zahl der Stu dienanfänger und Studenten vorsieht (vgl. dazu BVerwG, NJW 1978, S. 2609 [2611 ff.]). Dem liegt ein allgemeiner, auch verfassungsrechtlich erheblicher Rechtsgedanke zugrunde, der es aus folgenden Gründen rechtfertigt, dem Normgeber der nordrhein-westfälischen Höchstzahlverordnungen für die zurückliegenden Semester einen Anpassungsspielraum zuzubilligen: |
a) Im Rahmen der vorliegenden und ähnlich gelagerter weiterer Verfahren hat das Bundesverfassungsgericht Angaben über die allgemeine Entwicklung der Zulassungsverhältnisse angefordert, die folgendes ergeben haben:
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Die erheblichen Investitionen im Bereich der medizinischen Ausbildung (vgl. dazu BVerfGE 39, 258 [266 f.]; 43, 291 [326 f.]; Neunter Rahmenplan für den Hochschulbau 1980 bis 1983, S. 12 f.) sowie die ständige Verbesserung des Kapazitätsermittlungsrechts und ferner die strenge verwaltungsgerichtliche Uberprüfungspraxis haben zu einer beträchtlichen Steigerung der Zulassungszahlen für Mediziner geführt. Während diese nach einem anfänglichen Höchststand im Jahre 1962 zunächst stark gesunken waren und erst 1973 wieder den früheren Stand erreicht hatten (vgl. BVerfGE 39, 258 [266]), sind sie in der Folgezeit, insbesondere auch in den letzten Jahren, erheblich gestiegen. Eine Umfrage bei den Ländern hat ergeben, daß dieser Anstieg auch nach Einführung des Richtwertverfahrens durch die dritte Fassung der Kapazitätsverordnung angehalten hat. So haben sich die amtlichen Zulassungszahlen für Studienanfänger in den letzten 10 Jahren etwa verdoppelt; sie erreichten im Studienjahr 1978/79 den Stand von 10301 (Neunter Rahmenplan, S. 13). Hinzu kommt eine beträchtliche Zahl zusätzlicher Zulassungen durch die Gerichte (vgl. BVerfGE 51, 130 [132]).
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Angesichts dieser Entwicklung machen die Hochschulen nunmehr geltend, die Grenzen ihres Fassungsvermögens seien erreicht; weitere Erhöhungen müßten zwangsläufig die Qualität namentlich der praxisbezogenen Ausbildung sowie die Forschung gefährden. Soweit dabei ausschließlich Zahlenangaben aus den letzten Jahren verwendet werden und das zeitweilige Mißverhältnis zwischen der Vermehrung des wissenschaftlichen Personals und der Entwicklung der Zulassungszahlen und die daraus folgenden, von den Gerichten aufgedeckten früheren Kapazitätsreserven im Bereich der Medizin außer acht bleiben, mögen diese Behauptungen nicht in jeder Hinsicht überzeugend sein. Aber auch der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft gelangt in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis, daß das Ziel einer erschöpfenden Kapazitätsausnutzung erreicht sei und daß eine weitere Steigerung der Zulassungszahlen die Ausbildungsqualität ernsthaft gefährden werde (vgl. die Beurteilung des Bund-Länder-Planungsausschusses für den Hochschulbau, S. 17 des Neunten Rahmenplans). Aus seiner Sicht sind die Schwierigkeiten in der Ausbildungssituation insbesondere darauf zurückzuführen, daß die deutliche Steigerung der Zulassungszahlen zusammengetroffen sei mit der Neuordnung der ärztlichen Ausbildung, die einen erheblichen Anpassungs- und Umstellungsprozeß von den Hochschulen erfordert habe; vor allem die Möglichkeiten eines patientenbezogenen Unterrichts im klinischen Ausbildungsabschnitt hätten sich in der Praxis verschlechtert. Das neue Richtwertverfahren habe sich an den Hochschulen mit dem niedrigsten Betreuungsaufwand und der höchsten Auslastung orientiert; dabei sei im Vorgriff unterstellt worden, daß die anderen Hochschulen das Ausbildungsangebot optimal organisieren würden, was sich aber in Anbetracht der erreichten Quantitäten nur schwer habe realisieren lassen. Die Hochschulen benötigten nunmehr Zeit und Spielraum für eine Anpassung des Ausbildungsangebots entsprechend den Anforderungen der Approbationsordnung und im Hinblick auf die gestiegenen Zulassungszahlen; zur Beseitigung der derzeitigen Mängel seien im übrigen Maßnahmen wie die Einbeziehung der allgemeinen Krankenhäuser und eine Neuregelung des Prüfungssystems erforderlich. |
Zu einer ähnlichen Beurteilung gelangt die im Auftrag aller Bundesländer vom Senator für Wissenschaft und Kunst der Freien und Hansestadt Hamburg abgegebene Stellungnahme. Darin wird zunächst dargelegt, Ziel der schrittweisen Entwicklung des Kapazitätsrechts sei es insbesondere gewesen, mehr Studienplätze als bisher anzubieten sowie die erheblichen Unterschiede zwischen den verschiedenen Hochschulen abzubauen und zugleich eine zu weit gehende Reglementierung der Hochschulen zu vermeiden. Der in der dritten Fassung der Kapazitätsverordnung festgesetzte Curricular-Richtwert von 6,5 habe gegenüber früheren Vorstellungen den Ausbildungs- und Betreuungsaufwand um ca. 20 % niedriger angesetzt und damit zu einer spürbaren Erhöhung der Zulassungszahlen geführt; durch den Entwurf eines Beispielstudienplans sei dargetan worden, daß mit diesem Betreuungsaufwand eine Ausbildung möglich sei, die unter harten Numerus-clausus-Bedingungen den Anforderungen der Approbationsordnung genüge. Das angestrebte Höchstmaß an Auslastung sei nach Auffassung der Länder durch die Neufassung der Kapazitätsverordnung erreicht worden; diese setze Maßstäbe, die bis zur Grenze des noch Vertretbaren und von den Hochschulen organisatorisch noch Durchführbaren gingen. Der im Vergleich zu den Zulassungszahlen überproportionale frühere Anstieg des wissenschaftlichen Personals erkläre sich vor allem aus der Verbesserung der Krankenversorgung und der qualitativen Verbesserung der Ausbildung nach der neuen Approbationsordnung. |
b) Schon dieser allgemeine Überblick über die Entwicklung des Zulassungswesens erhellt die Schwierigkeiten, denen die betroffenen Universitäten durch eine rückwirkende spürbare Steigerung der Zulassungen ausgesetzt waren. In Nordrhein-Westfalen kommen noch zusätzliche Umstände hinzu, die eine Unterschreitung der Lehrverpflichtungen für eine Übergangsphase als hinnehmbar erscheinen lassen.
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Die Umfragen bei allen Bundesländern über die Entwicklung der Zulassungszahlen haben ergeben, daß gerade in Nordrhein-Westfalen die Anwendung der neuen Kapazitätsverordnung ab Wintersemester 1977/78 an allen Hochschulen zu einem sprung haften Ansteigen der amtlichen Zulassungszahlen bei im wesentlichen gleichbleibendem oder sogar geringerem Lehrangebot geführt hat, während dieser Anstieg bei fast allen anderen Universitäten deutlich geringer blieb. Auch in den folgenden Studienjahren wurden die Zulassungszahlen für die Universitäten Köln und Essen weiter erhöht. Dieser Anstieg erklärt sich daraus, daß der Betreuungsaufwand, der nach der Rechenweise der Kapazitätsverordnung ebenso wie das Lehrangebot wesentlichen Einfluß auf die Zulassungszahlen hat, in Nordrhein-Westfalen schon damals niedriger angesetzt worden ist als in den meisten anderen Bundesländern. Dies wird bestätigt durch Ermittlungen, die der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg durchgeführt und in mehreren Entscheidungen ausgewertet hat (vgl. insbesondere die Entscheidungen vom 9. Oktober 1979 – NC IX 1182/79 – und vom 27. November 1979 – IX 3751/78 –). Danach lag in Nordrhein-Westfalen den Höchstzahlfestsetzungen schon im Wintersemester 1977/78 der für den vorklinischen Studienabschnitt im ZVS-Beispielstudienplan vorgeschlagene Curricular-Anteil von 1,7 zugrunde, der die in den meisten anderen Bundesländern normierten oder angewandten Werte teilweise deutlich unterschritt und der sogar unter der Geltung der vierten Fassung der Kapazitätsverordnung an der unteren Grenze bleibt. Darüber hinaus hat der zuständige Minister anscheinend bei der Wertung der von der Lehreinheit Vorklinische Medizin erbrachten Eigenleistungen die Werte des Beispielstudienplans noch unterschritten (vgl. S. 12 f. der angegriffenen Entscheidungen vom 8. Mai 1978 [Umdruck]). Auf diese Weise hat der Umstand, daß die Lehrdeputate ihrerseits zu niedrig angesetzt waren, in der Vergangenheit nicht dazu geführt, daß die nordrhein-westfälischen Hochschulen geringer belastet waren als die anderen Hochschulen im Bundesgebiet. Dieser niedrige Ansatz des Curricular-Anteils für den vorklinischen Studienabschnitt hat sich nicht etwa ungünstig für die Zulassungen zum klinischen Abschnitt ausgewirkt. Zwar hat ein niedrigerer Curricular-Anteil für den vorklinischen Abschnitt zur Folge, daß sich im Rahmen des Gesamtrichtwertes von 6,5 der Anteil für den klinischen Abschnitt entsprechend erhöht und hier zu einer Verringerung der Aufnahmekapazität führt. Dies konnte sich jedoch in Nordrhein-Westfalen nicht auswirken, da hier Höchstzahlfestsetzungen auf den vorklinischen Studienabschnitt beschränkt waren. |
2. Bei dieser Sachlage erscheint es nur ausnahmsweise geboten, auch für zurückliegende Semester Konsequenzen daraus zu ziehen, daß die der Kapazitätsberechnung zugrunde gelegten Lehrdeputate zu beanstanden sind.
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Eine solche Ausnahme ist im Falle der Beschwerdeführer zu I) gegeben, die die Höchstzahlfestsetzungen für die Universität Köln im Wintersemester 1977/78 angegriffen hatten. Hier hatte das erstinstanzliche Verwaltungsgericht das Vorhandensein zahlreicher zusätzlicher Studienplätze errechnet. Zwei dieser Plätze erhielten die Beschwerdeführer, die bereits seit dem Wintersemester 1977/78 aufgrund von einstweiligen Anordnungen studieren, ohne daß dies zu einer untragbaren Belastung der Universität geführt hat. In ihrem Fall können die Erwägungen, die grundsätzlich die Zubilligung eines Anpassungsspielraums rechtfertigen, um so weniger durchgreifen, als es faktisch nur um die künftige Fortsetzung ihres Studiums geht und für die Zukunft ohnehin eine Überprüfung der Lehrverpflichtungen geboten ist. Den Verfassungsbeschwerden der beiden Beschwerdeführer zu I) war daher stattzugeben.
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Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen beruht auf § 34 Abs. 3 und 4 BVerfGG.
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(gez.) Dr. Benda Dr. Böhmer Dr. Simon Dr. Faller Dr. Hesse Dr. Katzenstein Dr. Niemeyer Dr. Heußner |