BVerfGE 55, 7 - Allgemeinverbindlicherklärung II


BVerfGE 55, 7 (7):

Die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen welche gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorsehen und regeln, ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Sie verletzt die Außenseiter insbesondere nicht in ihrem Grundrecht auf positive und negative Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG).
 
Beschluß
des Ersten Senats vom 15. Juli 1980
- 1 BvR 24/74 und 439/79 -
in den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden 1. des Herrn M... - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Bidinger und Dr. Braun, Zeisselstraße 11, Frankfurt/Main 1 - gegen a) das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Oktober 1973 - 4 AZR 68/73 -, b) das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt/Main vom 22. August 1972 - 3 Sa 674/71 -, c) das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 4. November 1971 - 4 Ca 490/71 - 1 BvR 24/74 -; 2. der Firma W... E...

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- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Prof. Dr. Bernd Bender, Dr. Rolf v. Tietzen, Peter Kopp, Rolf Dohle, Jürgen H. Haarmann und Dr. Joachim N. Stolterfoht, Weiherhofstraße 2 Freiburg i.Br. - gegen a) das Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 24. Januar 1979 - 4 AZR 377/77 -, b) das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt/Main vom 4. Januar 1977 - 3 Sa 824/76 (3 Sa 785/75) - 7 Ca 3914/72 - 1 BvR 439/79 -.
Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.
 
Gründe
 
A.
Gegenstand der Verfassungsbeschwerden ist die Frage, ob die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen, die gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorsehen und regeln, mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
I.
1. In der geltenden Wirtschaftsordnung bilden Tarifverträge eine zentrale Rechtsquelle des Arbeitsrechts. Die Rechtsnormen eines Tarifvertrags gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter seinen Geltungsbereich fallen (§ 4 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes - TVG - in der Fassung vom 25. August 1969 [BGBl I S 1323], zuletzt geändert durch Art. II § 1 des Heimarbeitsänderungsgesetzes vom 29. Oktober 1974 [BGBl I S 2879]); Rechtsnormen über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten auch für Betriebe, bei denen nur der Arbeitgeber tarifgebunden ist (§ 3 Abs. 2 TVG). Mit der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags erfassen dessen Rechtsnormen in seinem Geltungsbereich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 4 TVG). Die Voraussetzungen der Allgemeinverbindlicherklärung sind in § 5 TVG geregelt. Absatz 1 der Vorschrift bestimmt:


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    Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung kann einen Tarifvertrag im
    Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuß auf Antrag einer Tarifvertragspartei für allgemeinverbindlich erklären, wenn
    1. die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 vom Hundert der unter den Geltungsbereich des Tarifsvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen und
    2. die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint.
    Von den Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 kann abgesehen werden, wenn die Allgemeinverbindlicherklärung zur Behebung eines sozialen Notstandes erforderlich erscheint.
2. In Tarifverträgen können auch Regelungen über gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien getroffen werden (vgl. § 4 Abs. 2 TVG). Gemeinsame Einrichtungen sind von den Tarifvertragsparteien geschaffene und von ihnen abhängige Organisationen, deren Zweck und Organisationsstruktur durch Tarifvertrag festgelegt wird. Zwischen einer gemeinsamen Einrichtung und den einzelnen Arbeitgebern und Arbeitnehmern entstehen unmittelbar tarifrechtlich begründete Rechtsverhältnisse. Mit der Gründung gemeinsamer Einrichtungen können die Tarifvertragsparteien Zwecke verfolgen, die in den Rahmen ihrer tariflichen Regelungsmacht fallen (Wiedemann/Stumpf, Tarifvertragsgesetz, 5. Aufl., 1977, § 1 Rdnr. 261, 273).
Das Baugewerbe ist der weitaus bedeutendste Bereich, in dem gemeinsame Einrichtungen der Tarifpartner vorkommen. Die Tatsache, daß in dieser Branche die Arbeitnehmer verhältnismäßig häufig ihren Arbeitsplatz wechseln und infolgedessen die Anspruchsvoraussetzungen einzelner Leistungen bei einem Arbeitgeber nicht erfüllen können (Wiedemann/Stumpf, a.a.O., § 1 Rdnr. 268), führte zur Gründung der sogenannten Sozialkassen (Urlaubskasse, Zusatzversorgungskasse, Lohnausgleichskasse). Deren Mittel werden durch Beiträge der Arbeitgeber nach einem Vomhundertsatz der jeweils an die Arbeitnehmer gezahlten Bruttolohnsumme aufgebracht.


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a) Die Urlaubskasse dient dazu, den Bauarbeitern einen zusammenhängenden Urlaub zu ermöglichen. Zu diesem Zweck bestimmt der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe zum einen, daß die sechsmonatige Wartezeit (§ 4 des Bundesurlaubsgesetzes - BUrlG -) nicht nur in einem Betrieb, sondern in den Betrieben des Baugewerbes insgesamt erfüllt werden kann (zur Zulässigkeit solcher tarifvertraglicher Regelungen vgl. § 13 Abs. 2 BUrlG). Zum anderen wird das Urlaubsentgelt aus der Urlaubskasse dem Arbeitgeber erstattet, der den Urlaub gewährt (vgl. Bötticher, Die gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien, 1966, S. 12; Schelp, Gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien, in: Festschrift für Hans Carl Nipperdey, 1965, Bd. II, S. 579f.). Eine entsprechende Regelung wurde in Tarifverträgen für das Malerhandwerk und Lackiererhandwerk getroffen.
b) Die Zusatzversorgungskasse soll die infolge des berufsüblichen Ausfalls von Arbeitsstunden und damit von Rentenversicherungsbeiträgen entstehenden erheblichen Nachteile durch verringerte Sozialversicherungsleistungen im Alter und im Fall der Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit vermeiden. Dazu gewährt die Kasse den Berechtigten eine Zusatzrente (vgl. Schelp, a.a.O., S. 580).
c) Die Lohnausgleichskasse soll einen Ausgleich für Lohnausfall innerhalb eines Ausgleichszeitraums von mindestens acht Kalendertagen einschließlich der Weihnachtsfeiertage und des Neujahrstages sichern (vgl. Schelp, a.a.O., S. 581). Die Gewährleistung dieses Lohnausgleichs ist eine der Voraussetzungen für die Zahlung des gesetzlichen Schlechtwettergeldes an Arbeitnehmer in Betrieben des Baugewerbes (§ 83 Nr. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes - AFG -).
3. In Literatur und Rechtsprechung hat sich die Auffassung durchgesetzt, daß tarifvertragliche Regelungen, die Rechte und Pflichten der einzelnen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegenüber einer von den Tarifvertragsparteien geschaffenen gemeinsamen Einrichtung begründen, für allgemeinverbindlich erklärt

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werden können (Wiedemann/Stumpf, a.a.O., § 1 Rdnr. 289 m.w.N.). Das Bundesarbeitsgericht hat bereits mit Urteil vom 5. Dezember 1958 (AP Nr. 1 zu § 4 TVG - Ausgleichskasse -) entschieden, daß die Allgemeinverbindlichkeitserklärung der tariflichen Regelungen über die Lohnausgleichskasse im Baugewerbe zulässig ist. In zwei Urteilen vom 3. Februar 1965 (AP Nr. 2 zu § 4 TVG - Ausgleichskasse -; AP Nr. 12 zu § 5 TVG) hat es die Zulässigkeit der Allgemeinverbindlicherklärung aller drei Sozialtarife des Baugewerbes bejaht. Ebenso hat es die Allgemeinverbindlicherklärung der Regelungen über die Urlaubskasse des Malerhandwerks und Lackiererhandwerks als zulässig angesehen (Urteil vom 11. Juni 1975, AP Nr. 29 zu § 2 TVG).
4. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat § 5 Abs. 1 TVG (sowie die ergänzenden Vorschriften der Absätze 2 bis 5 und 7 des § 5 TVG) für vereinbar mit dem Grundgesetz erklärt, soweit er sich auf Rechtsnormen bezieht, die den Inhalt von Arbeitsverhältnissen ordnen (BVerfGE 44, 322).
II.
1. a) Der Beschwerdeführer zu 1) ist Inhaber eines Schornsteinisolierunternehmens. Die Einzugsstelle der Sozialkassen für die Bauwirtschaft vertrat die Auffassung, der Betrieb des Beschwerdeführers zu 1) werde vom Geltungsbereich des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe und der diesen Tarif ergänzenden Sozialtarife erfaßt - diese Tarifverträge sind sämtlich für allgemeinverbindlich erklärt - und forderte deshalb den Beschwerdeführer zu 1) (zusammen mit dem früheren Mitinhaber des Unternehmens) auf, die für die Erhebung der Beiträge zur Zusatzversorgungskasse erforderlichen Angaben zu machen. Dies lehnte der Beschwerdeführer zu 1) ab. Er hielt die Tarifnormen des Baugewerbes für nicht anwendbar, da sein Betrieb nicht zu diesem Berufszweig gehöre und im übrigen die Allgemeinverbindlicherklärung der maßgeblichen Tarifverträge verfassungswidrig sei.
b) Das Arbeitsgericht verurteilte den Beschwerdeführer zu

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1) zur Auskunftserteilung. Berufung und Revision blieben erfolglos. Das Bundesarbeitsgericht (AP Nr. 13 zu § 5 TVG) bestätigte die Vorentscheidungen darin, daß der Betrieb des Beschwerdeführers zu 1) zum Baugewerbe gehöre. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Allgemeinverbindlicherklärung der Sozialtarife verwies es auf sein Urteil vom 3. Februar 1965 (AP Nr. 12 zu § 5 TVG) und führte ergänzend aus, die Rechtsetzung durch Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifnormen schaffe Rechtsregeln kraft Anerkennung durch die staatliche Gewalt, wobei der Staat die Einzelheiten der Regelung den in den Tarifvertragsparteien organisierten Arbeitnehmern und Arbeitgebern überlassen habe. Diese Anerkennung habe ihre Wurzel in Art. 9 Abs. 3 GG und sei daher nicht an Art. 80 GG zu messen.
c) Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer zu 1) eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und 3 und Art. 12 Abs. 1 GG:
Durch die Allgemeinverbindlicherklärung der Tarifnormen über die gemeinsamen Einrichtungen des Baugewerbes werde sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, da die ihm auferlegten Auskunftspflichten und Beitragspflichten nicht auf formell und materiell verfassungsmäßigen Rechtsnormen beruhten. Die entsprechenden Tarifverträge und deren Allgemeinverbindlicherklärung seien keine Gesetze im förmlichen Sinn und hätten auch nicht den Charakter einer Rechtsverordnung. Die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge seien Rechtsregeln kraft Anerkennung durch die staatliche Gewalt, könne nicht auf die Allgemeinverbindlicherklärung von solchen Tarifverträgen übertragen werden, die Verpflichtungen der Außenseiter gegenüber juristischen Personen des Privatrechts begründeten.
Die Sozialtarife des Baugewerbes und deren Allgemeinverbindlicherklärung entsprächen auch nicht den Mindestbedingungen, die Art. 82 GG für die Verkündung von Gesetzen und Rechtsverordnungen aufstelle. Weiter liege ein Verstoß gegen

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Art. 72 GG vor. Die Sozialtarife des Baugewerbes regelten einen Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung im Sinne des Art. 74 Nr. 11 und 12 GG. Insoweit habe der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch gemacht. Stehe aber auf den durch die Tarifverträge geregelten Gebieten den Ländern die Gesetzgebungsbefugnis nach Art. 72 Abs. 1 GG zu, dürfe der Bund auch nicht indirekt durch die Allgemeinverbindlicherklärung in den den Ländern vorbehaltenen Bereich eingreifen.
Sehe man die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge als geltende Rechtsnormen an, verstießen sie gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Dem Beschwerdeführer zu 1) würden gegenüber der Zusatzversorgungskasse Verpflichtungen auferlegt, die es in verwandten Gewerben, zum Beispiel den Bereichen des Bautenschutzes, des Stahlbaus und des Heizungsbaus, nicht gebe. Auch das Recht auf negative Koalitionsfreiheit sei verletzt. Er werde zwar formal nicht Mitglied einer Tarifvertragspartei. Jedoch werde mit der Beitragspflicht ein besonders schwerwiegender Ausschnitt aus dem Pflichtenkreis eines Tarifvertragsmitglieds auf die Außenseiter übertragen, so daß diese von der Sache her wie Mitglieder der Tarifvertragsparteien behandelt würden. Zugleich werde sein Recht auf positive Koalitionsfreiheit beeinträchtigt. Da er sehr erhebliche Beiträge an die Zusatzversorgungskasse leisten müsse, begebe er sich der Chancen und Möglichkeiten, diese Mittel im Rahmen einer selbstgewählten anderen Koalition zur Förderung der ihn interessierenden Arbeitsbedingungen und Wirtschaftsbedingungen zu verwenden.
Die durch die Allgemeinverbindlicherklärung der Sozialtarife begründete Beitragspflicht zu der Zusatzversorgungskasse stelle einen unzulässigen Eingriff in das Recht der Freien Berufsausübung dar. Das mit den Tarifnormen hergestellte Verhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und der Zusatzversorgungskasse sei Bestandteil seiner Berufsausübung. Diese könne nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden. Die Tarifnormen seien unbe

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schadet ihrer Qualifikation als Rechtsregeln jedenfalls kein Gesetz im förmlichen Sinn und auch keine Regelung aufgrund eines Gesetzes und deshalb nicht geeignet, das Grundrecht auf freie Berufsausübung einzuschränken. Der Eingriff in Form der Beitragsverpflichtung sei so erheblich, daß er für den Zugang zum Beruf des Schornsteinisolierers prohibitiv wirken könne.
2. a) Die Beschwerdeführerin zu 2) betreibt ein Unternehmen des Malerhandwerks. Für diesen Berufszweig besteht die Gemeinnützige Urlaubskasse für das Malerhandwerk und Lackiererhandwerk e.V. Sie beruht auf dem Rahmentarifvertrag für das Malerhandwerk und Lackiererhandwerk sowie dem Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub im Malerhandwerk und Lackiererhandwerk. Diese Tarifverträge wurden zwischen dem Hauptverband des Deutschen Malerhandwerks und Lackiererhandwerks, einem Bundesinnungsverband, und der IG Bau-Steine-Erden abgeschlossen und von dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung für allgemeinverbindlich erklärt.
Die Beschwerdeführerin zu 2) gehört weder der örtlich zuständigen Malerinnung noch einem Arbeitgeberverband an. Die Urlaubskasse verlangte von ihr die für die Erhebung der Beiträge erforderlichen Angaben. Die Beschwerdeführerin zu 2) lehnte dies ab. Sie hielt die Tarifverträge für unwirksam, da der Bundesinnungsverband bei ihrem Abschluß seine Zuständigkeit überschritten habe; außerdem wiesen die Allgemeinverbindlicherklärungen rechtliche Mängel auf, da die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 TVG nicht erfüllt gewesen seien.
b) Das Arbeitsgericht verurteilte die Beschwerdeführerin zu 2) zur Auskunft. Das Landesarbeitsgericht wies dagegen die Klage der Urlaubskasse ab; in einem weiteren Urteil wies es die in der Berufungsinstanz erhobene Widerklage der Beschwerdeführerin zu 2) ab, mit der diese die Feststellung begehrt hatte, daß die Urlaubskasse über die geltend gemachten Ansprüche hinaus keine weiteren Ansprüche gegen die Beschwerdeführerin zu 2) habe. Das Bundesarbeitsgericht hob beide Entscheidungen

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auf. In seinem Urteil vom 11. Juni 1975 (AP Nr. 29 zu § 2 TVG) gelangte es zu dem Ergebnis, daß der Bundesinnungsverband zum Abschluß der Tarifverträge befugt gewesen sei. Es verwies die Sache hinsichtlich der Klage und - mit weiterem Urteil vom 12. Mai 1976 - hinsichtlich der Widerklage an das Landesarbeitsgericht zurück, da dieses die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung der beiden Tarifverträge nicht überprüft hatte. Nunmehr wies das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beschwerdeführerin zu 2) zurück und die Widerklage ab.
Die dagegen gerichtete Revision der Beschwerdeführerin zu 2) wies das Bundesarbeitsgericht durch das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Urteil als unbegründet zurück (EzA § 5 TVG Nr. 6): Die allgemeinen rechtsstaatlichen und verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführerin zu 2) gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG seien gewichtig, aber unbegründet. Allerdings müsse von Gesetzen ein unabdingbares Maß an Meßbarkeit und Voraussehbarkeit gefordert werden. Auch erscheine es unbefriedigend, daß der Gesetzgeber in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG bestimmte Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Allgemeinverbindlicherklärungen normiert, es jedoch unterlassen habe, den Nachweis der Voraussetzungen zu gewährleisten. Dies könne in Grenzfällen zu großen praktischen Schwierigkeiten und bedenklicher Rechtsunsicherheit führen. Das ändere aber nichts daran, daß der Gesetzgeber die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärungen nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend deutlich bestimmt habe und die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG deswegen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei (BVerfGE 44, 322). Allein der Umstand, daß sowohl der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung bei Allgemeinverbindlicherklärungen und die Gerichte bei deren Nachprüfung auf Schätzungen angewiesen seien, könne für den vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis führen. Das Landesarbeitsgericht habe nämlich trotz der bestehenden Unsicherheitsfaktoren mit den Mitteln des Zi

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vilprozesses und mit revisionsrechtlich nicht angreifbarer Begründung feststellen können, daß in den Innungsbetrieben wenigsten 50vH der vom tariflichen Geltungsbereich erfaßten Arbeitnehmer beschäftigt würden.
Auch das weitere gesetzliche Erfordernis des öffentlichen Interesses (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG) sei erfüllt. Eine entsprechende Regelung habe sich im Baugewerbe bereits praktisch bewährt und als den gesetzlichen Voraussetzungen genügend erwiesen. Die äußeren Verhältnisse im Baugewerbe und im Malerhandwerk und Lackiererhandwerk seien ähnlich, insbesondere hinsichtlich der Fluktuation der Arbeitnehmer.
Bei der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen sei dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ein weiter Beurteilungsspielraum einzuräumen. Demgemäß komme eine gerichtliche Nachprüfung nur in Betracht, wenn die Allgemeinverbindlicherklärung mit wesentlichen Fehlern behaftet sei. Solche Fehler habe die Beschwerdeführerin zu 2) hinsichtlich des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG nicht gerügt. Einer möglichen finanziellen Belastung und Mehrarbeit der oft kleinen, handwerklich strukturierten Malerbetriebe und Lackiererbetriebe ständen die tatsächlichen und rechtlichen Vorteile für die betroffenen Arbeitnehmer gegenüber. Das öffentliche Interesse für die Allgemeinverbindlicherklärung sei deshalb aus Rechtsgründen nicht auszuschließen. Wie sich aus dem zweiten Satz des § 5 Abs. 1 TVG ergebe, komme eine Allgemeinverbindlicherklärung nach dem Willen des Gesetzgebers nicht erst dann in Betracht, wenn sonst ein sozialer Notstand einträte. Es bestehe auch kein Anhaltspunkt dafür, daß der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung bei der Allgemeinverbindlicherklärung der vorliegenden Tarifverträge den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beachtet habe.
c) Die Beschwerdeführerin zu 2) rügt eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und 3 und Art. 19 Abs. 4 GG:
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts beeinträchtige sie in ih

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rem Grundrecht, einer Koalition fernzubleiben und von deren Normsetzung nicht erfaßt zu werden. Die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags sei als besondere staatliche Rechtsetzungsform nur zulässig, wenn die für allgemeinverbindlich erklärte Regelung durch Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt sei. Sonst müsse es bei dem Gebot für die staatliche Gewalt bleiben, Rechtsnormen nur durch Gesetz oder Rechtsverordnung zu setzen. In diesem Zusammenhang könne auch Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sein. Die Verpflichtung, durch Normsetzung für gleiche Verhältnisse gleiche Rechtsfolgen anzuordnen, entspreche dem immanenten Charakter rechtsetzender Gewalt und setze der Möglichkeit staatlicher Organe Grenzen, partielles Verbandsrecht auf Außenseiter zu übertragen.
Im vorliegenden Fall sei zu erwägen, ob die Allgemeinverbindlicherklärung der Tarife des Malerhandwerks und Lackiererhandwerks bereits unzulässig sei, weil die Tarifverträge auf der Arbeitgeberseite von einem Innungsverband abgeschlossen worden seien. Innungsverbände seien keine echten arbeitsrechtlichen Vereinigungen, da ihnen die Tariffähigkeit durch einfaches Gesetz, nicht durch Art. 9 Abs. 3 GG eingeräumt sei. Die entscheidenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifnormen über gemeinsame Einrichtungen ergäben sich jedoch daraus, daß es sich um Verbandsregelungen handele, die von vornherein auch auf die Außenseiter bezogen seien und nur funktionierten, wenn die Allgemeinverbindlicherklärung hinzutrete. Wenn aber die arbeitsrechtlichen Koalitionen Regelungen schafften, die von vornherein auch für die Außenseiter wirken sollten, verließen sie den ihnen durch Art. 9 Abs. 3 GG zugewiesenen Bereich. Art. 9 Abs. 3 GG bilde keine verfassungsrechtliche Grundlage für eine über den Kreis der eigenen Mitglieder hinausgehende Normsetzung, die - allein auf die Mitglieder bezogen - ihren Regelungssinn verliere.
Eine weitere Beeinträchtigung verfassungsrechtlich geschützter Positionen der Außenseiter ergebe sich daraus, daß bei der

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Feststellung des öffentlichen Interesses (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG) zu geringe Anforderungen gestellt würden. Regelmäßig dürfte schon ein gemeinsamer Antrag der Tarifvertragsparteien ausreichen. Der Begriff "im öffentlichen Interesse geboten" müsse aber so ausgelegt werden, daß Einschränkungen der negativen Koalitionsfreiheit nur nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig seien.
Schließlich könne das Recht auf negative Koalitionsfreiheit der Außenseiter im gerichtlichen Verfahren kaum durchgesetzt werden. Zum einen lege das Bundesarbeitsgericht seiner Rechtsprechung eine zu weite Auslegung des Begriffs "im öffentlichen Interesse geboten" zugrunde. Zum anderen werde dem Außenseiter, der die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung geltend mache, praktisch die volle Beweislast dafür auferlegt, daß die tarifgebundenen Arbeitgeber weniger als 50vH der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer beschäftigten. Die erforderlichen statistischen Daten seien für den Außenseiter nur schwer zu erlangen, zumal sie nicht in seinem Verfügungsbereich anfielen. Durch solche verfahrensrechtlichen Hindernisse werde die tatsächliche Geltung eines Grundrechts ebenso wie durch materielle Eingriffe beeinträchtigt. Im vorliegenden Fall habe das Landesarbeitsgericht als Tatsacheninstanz wegen der Unzulänglichkeit und Ungenauigkeit des ihm zur Verfügung stehenden Materials nur eine grobe Schätzung vornehmen können. Eine derartige Schätzung, und sei sie auch noch so sorgfältig, könne ausreichendes statistisches Material, das als Grundlage benötigt werde, nicht ersetzen.
III.
1. Zu den Verfassungsbeschwerden hat namens der Bundesregierung der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Stellung genommen. Nach seiner Auffassung werden die Beschwerdeführer durch die Allgemeinverbindlicherklärung der Sozialtarife in ihren Grundrechten, insbesondere der Hand

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lungsfreiheit, der negativen Koalitionsfreiheit und der Berufsfreiheit, nicht verletzt. Im Fall der Beschwerdeführerin zu 2) seien Verstöße gegen Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG nicht ersichtlich. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG entspreche den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normenklarheit und Justitiabilität. Das dort aufgestellte Erfordernis der Mindestgeltung eines für allgemeinverbindlich zu erklärenden Tarifvertrags unterliege in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht einer vollständigen gerichtlichen Nachprüfung. Damit sei ein möglichst lückenloser Schutz der Außenseiter gewährleistet. Die Erfüllung der Voraussetzungen einer Allgemeinverbindlicherklärung werde von dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung eigenverantwortlich von Amts wegen geprüft. Dabei stehe hinsichtlich der Fünfzig-Prozent-Klausel des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG in aller Regel hinreichendes statistisches Material zur Verfügung, insbesondere Daten des Statistischen Bundesamtes sowie anderes amtliches Zahlenmaterial und die von den antragstellenden Tarifvertragsparteien genannten Daten. In den zahlenmäßig geringen Fällen, in denen die Erfüllung der Fünfzig-Prozent-Klausel nicht ermittelt werden könne, unterbleibe die Allgemeinverbindlicherklärung. Nur in wenigen Grenzfällen, in denen nach dem zur Verfügung stehenden Zahlenmaterial allein keine Gewißheit erlangt werden könne, werde eine sorgfältige Schätzung, zT unter Berücksichtigung von Hilfstatsachen (z.B. Umsatzzahlen), vorgenommen. Dieses Vorgehen sei der geltenden Rechtsordnung nicht fremd, wie die Vorschriften der §§ 286, 287 ZPO zeigten. Eine absolute Gewißheit über die Erfüllung der Fünfzig-Prozent-Klausel sei niemals zu erreichen. Es müsse als Nachweis eine so hohe Wahrscheinlichkeit genügen, daß vernünftige Zweifel nicht bestehen könnten.
2. Die Einzugsstelle der Sozialkassen für die Bauwirtschaft und die Gemeinnützige Urlaubskasse für das Malerhandwerk und Lackiererhandwerk haben als Beteiligte der vorangegangenen arbeitsgerichtlichen Verfahren Stellung genommen. Sie halten die Ver

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fassungsbeschwerde, von der sie jeweils betroffen sind, für unbegründet. Zu der Erfüllung der Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG im Fall der Beschwerdeführerin zu 2) führt die Urlaubskasse noch aus:
Im Malerhandwerk und Lackiererhandwerk sei lediglich unklar, ob 70, 80 oder 90 v.H. der Beschäftigten bei tarifgebundenen Arbeitgebern tätig seien; es gehe nicht um den kritischen Grenzbereich um 50vH. Nach allen erreichbaren Daten bestehe ein Organisationsgrad der Malerbetriebe um 80vH. Es gebe keine Hinweise darauf, daß überwiegend kleinere Betriebe Mitglieder der Innungen würden und große personalstarke Unternehmen überproportional häufig außerhalb der Berufsorganisationen blieben. Die Erfahrung spreche eher für das Gegenteil. Deshalb sei mit Sicherheit auszuschließen, daß die Allgemeinverbindlicherklärung der Urlaubskassentarifverträge nur aufgrund einer falschen Schätzung der Gerichte bestätigt worden sei.
3. Im Rahmen des Verfahrens 1 BvR 24/74 haben die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Deutsche Gewerkschaftsbund Stellungnahmen abgegeben. Sie halten die Verfassungsbeschwerde übereinstimmend für unbegründet.
 
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind nicht begründet.
I.
Die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen ist im Verhältnis zu den ohne sie nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein Rechtsetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtsetzung, der seine eigenständige Rechtsgrundlage in Art. 9 Abs. 3 GG findet (vgl. BVerfGE 34, 307 [316ff.]; 44, 322 [340]) und nicht an Art. 80 Abs. 1 GG zu messen ist (BVerfGE 44, 322 [349]). Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu 1) geben keinen Anlaß, diese Rechtsprechung zu ändern.
Auch die Rüge des Beschwerdeführers zu 1), die Allgemein

BVerfGE 55, 7 (21):

verbindlicherklärung der Sozialtarife des Baugewerbes verstoße gegen Art. 72 GG, ist nicht begründet. Die in Art. 70 bis 75 GG enthaltenen Kompetenzvorschriften betreffen die Befugnis zum Erlaß von förmlichen Gesetzen. Da die allgemeinverbindlichen tariflichen Rechtsnormen nicht als förmliche Gesetze erlassen werden, sondern auf einem Rechtsetzungsakt eigener Art beruhen, wird der Regelungsbereich der Art. 70 bis 75 GG nicht berührt.
II.
1. Die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifnormen unterliegen der Bindung an die Grundrechte nach Art. 1 Abs. 3 GG. Bei der Normsetzung durch die Tarifvertragsparteien handelt es sich um Gesetzgebung im materiellen Sinn (BVerfGE 44, 322 [341]). Nach der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags gelten dessen Rechtsnormen auch für die nichtorganisierten Arbeitgeber und Arbeitnehmer, soweit sie unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen.
2. Das Begehren der Beschwerdeführer, den Normsetzungen der Tarifvertragsparteien über die gemeinsamen Einrichtungen nicht unterworfen zu werden, ist in erster Linie an Art. 9 Abs. 3 GG zu messen. Dieses Grundrecht schützt für jedermann und für alle Berufe das Recht, sich zu Koalitionen zusammenzuschließen, sowie auch die Koalition als solche und ihr Recht, durch spezifisch koalitionsmäßige Betätigung die in der Vorschrift genannten Zwecke zu verfolgen (BVerfGE 19, 303 [312]). Die Koalitionsfreiheit als individuelles Freiheitsrecht umfaßt auch das Recht des Einzelnen, einer Koalition fernzubleiben (vgl. BVerfGE 50, 290 [367]).
a) Die für allgemeinverbindlich erklärten Sozialtarife des Baugewerbes oder des Malerhandwerks und Lackiererhandwerks begründen für die Beschwerdeführer weder eine Mitgliedschaft in den jeweils beteiligten Arbeitgeberverbänden noch in den gemeinsamen Einrichtungen. Mitglieder der gemeinsamen Einrichtungen werden nur die Berufsverbände selbst (Wiedemann/Stumpf, a.a.O., § 5 Rdnr. 77; § 4 der Satzung der Zusatzversorgungs

BVerfGE 55, 7 (22):

kasse des Baugewerbes VVaG; § 3 der Satzung der Urlaubskasse und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft; § 4 der Satzung der Zusatzversorgungskasse des Malerhandwerks und Lackiererhandwerks VVaG). Die Beitragspflicht für die Zwecke der gemeinsamen Einrichtungen führt allein nicht zu einem Personenverband der beitragspflichtigen Arbeitgeber (vgl. für die Beitragspflicht zur Bayerischen Ärzteversorgung BVerfGE 10, 354 [362]). Es handelt sich insoweit nicht um Mitgliedsbeiträge, sondern um Leistungen für die branchenzugehörigen Arbeitnehmer, die entsprechend den Zielsetzungen der gemeinsamen Einrichtungen über diese als überbetriebliche Verrechnungsstellen den Anspruchsberechtigten zugeleitet werden. Ein gemeinsames ständiges Zusammenwirken irgendwelcher Art, das zum Wesen eines Personenverbandes gehört, ist in den Tarifnormen nicht vorgesehen.
Das Fehlen eines Mitgliedschaftsverhältnisses hat für die Beschwerdeführer allerdings den Nachteil, daß sie die ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer Interessen durch die gemeinsamen Einrichtungen nicht wie organisierte Arbeitgeber mittelbar über die Berufsverbände, die Mitglieder der gemeinsamen Einrichtungen sind, kontrollieren können. Eine Teilhabe an den verbandsinternen, sich unmittelbar aus der Mitgliedschaft ergebenden Mitwirkungsrechten steht den Beschwerdeführern nicht zu, wenn sie nicht zugleich auch die Mitgliedspflichten erfüllen wollen. Dies könnte für die Beschwerdeführer ein Anlaß sein, ihrer an den gemeinsamen Einrichtungen beteiligten Berufsorganisation beizutreten. Soweit sich daraus ein gewisser Druck, Mitglied einer Koalition zu werden, ergibt, ist dieser nicht so erheblich, daß die negative Koalitionsfreiheit verletzt würde (vgl. BVerfGE 20, 312 [321f.]). Es kann überdies angenommen werden, daß zumindest die gegenseitige Kontrolle der Sozialpartner, die Mitglieder der gemeinsamen Einrichtungen sind, im Ergebnis auch Außenseitern - wie den Beschwerdeführern - zugute kommt (vgl. Zöllner, Gutachten für den 48. DJT, Bd. I, Teil G, S. 96f.; ferner Ballerstedt [Referat für die ar

BVerfGE 55, 7 (23):

beitsrechtliche Arbeitsgemeinschaft des 48. DJT, Bd. II, Teil Q, S. 20f.], der sogar unter Hinweis auf BGHZ 39, 87 nicht nur die Pflicht zur Rechnungslegung, sondern eine weitergehende Pflicht zur Rechenschaft der gemeinsamen Einrichtungen gegenüber allen Beitragspflichtigen, in besonderem Maße gegenüber den Außenseitern für gegeben hält).
b) Die Tarifvertragsparteien haben mit der Vereinbarung der Tarifnormen über die gemeinsamen Einrichtungen ihre aus Art. 9 Abs. 3 GG abgeleitete Normsetzungsbefugnis nicht überschritten. Die Koalitionen sind im Rahmen ihres durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Status insbesondere berechtigt, zur Erreichung der verfassungsmäßig geschützten Zwecke in Tarifverträgen Rechtsnormen mit bindender Wirkung für ihre Mitglieder zu vereinbaren (vgl. BVerfGE 28, 295 [304f.]). Diese Autonomie erfaßt nicht von vornherein alle Angehörigen des jeweiligen Berufskreises (vgl. BVerfGE 44, 322 [344]). Es kann hier davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien von vornherein die Tarifnormen über die gemeinsamen Einrichtungen der in Rede stehenden Art. über den Kreis ihrer Mitglieder hinaus auf die Einbeziehung der Außenseiter angelegt haben. Der wesentliche Grund für die Schaffung der Sozialkassen als gemeinsame Einrichtungen besteht darin, dem Arbeitnehmer tarifliche Ansprüche zu verschaffen, die von dem einzelnen Arbeitgeber nicht erfüllt werden können (vgl. Zöllner, a.a.O., S. 22). Dazu ist es erforderlich, zur Tragung der finanziellen Lasten alle Arbeitgeber eines Berufszweigs heranzuziehen, um die Gefahr einer zufällig überhöhten Belastung des einzelnen zu verhindern.
Eine solche Gestaltung der Tarifnormen enthält aber keine unzulässige Überschreitung der verfassungsrechtlichen Befugnisse der Koalitionen. Zum einen erfüllen die Koalitionen mit der Schaffung von Tarifnormen, die der Allgemeinverbindlicherklärung zugänglich sind und deren allgemeine Geltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG), in besonderem Maße die ihnen durch Art. 9 Abs. 3 GG

BVerfGE 55, 7 (24):

zugewiesene öffentliche Aufgabe (vgl. BVerfGE 28, 295 [304]), die Arbeitsbedingungen und Wirtschaftsbedingungen in eigener Verantwortung und im wesentlichen ohne staatliche Einflußnahme zu gestalten (vgl. BVerfGE 44, 322 [340]; 50, 290 [367]). Zum anderen setzt die Verbindlichkeit für Außenseiter die staatliche Mitwirkung an der Normsetzung für die Außenseiter voraus.
c) Die Allgemeinverbindlicherklärung der Tarifnormen über die gemeinsamen Einrichtungen läßt die positive Koalitionsfreiheit der Beschwerdeführer, also ihr Recht, unberührt, zur Wahrung und Förderung der Arbeitsbedingungen und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden oder anderen als den vertragschließenden Koalitionen beizutreten. Es besteht kein Vorrang allgemeinverbindlicher Tarifverträge gegenüber solchen, die nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden sind. Soweit eine Koalition einen Tarifvertrag für ihre Mitglieder abgeschlossen hat, deren Arbeitsverhältnisse gleichzeitig unter den räumlichen, betrieblichen, fachlichen, persönlichen und zeitlichen Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags fallen, ist die Frage, welcher Tarifvertrag maßgebend ist, ohne Rücksicht auf die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Lösungsgrundsätzen für die Tarifkonkurrenz zu entscheiden (vgl. Wiedemann/Stumpf, a.a.O., § 4 Rdnr. 159; zu den Grundsätzen im einzelnen vgl. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., 1967, Bd. II 1, S 648ff.; Wiedemann/Stumpf, a.a.O., § 4 Rdnr. 161 - 166). Durch die tatsächlichen Schwierigkeiten, die sich aus der Existenz der bestehenden für die Gründung neuer Koalitionen ergeben, wird die Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigt; ob eine Koalition sich im Arbeitsleben bilden und behaupten kann, wird durch den Wettbewerb unter den verschiedenen Gruppen bestimmt (vgl. BVerfGE 18, 18 [33]; Scholz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 9 Rdnr. 253).
3. Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, daß die Geltung der allgemeinverbindlichen Tarifnormen über die gemeinsamen

BVerfGE 55, 7 (25):

Einrichtungen in den vorliegenden Fällen auf die Berufsbereiche des Baugewerbes oder des Malerhandwerks und Lackiererhandwerks beschränkt ist. Diese Beschränkung des Geltungsbereichs hat nach den Feststellungen im arbeitsgerichtlichen Verfahren einen ausreichenden sachlichen Grund darin, daß in den von den Regelungen erfaßten Berufszweigen hinsichtlich der Fluktuation der Arbeitnehmer besondere Verhältnisse gegeben sind. Daraus erklärt sich die im Verhältnis zu anderen Gewerbezweigen große Bedeutung der gemeinsamen Einrichtungen im Baugewerbe (vgl. Zöllner, a.a.O., S. 22), die für andere Berufszweige beispielhaft gewirkt haben (vgl. Bötticher, a.a.O., S. 12), auch für das mit dem Bauhauptgewerbe eng verwandte Malerhandwerk und Lackiererhandwerk.
Verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich auch nicht daraus, daß die Abgrenzung des Geltungsbereichs der Tarifnormen sich nach der Tarifzuständigkeit der vertragschließenden Parteien richtet. Die Tarifzuständigkeit erstreckt sich hier auf Berufszweige, in denen der Anlaß für die tarifvertragliche Regelung, die erhöhte Fluktuation der Arbeitnehmer, vorhanden ist. Ob in anderen Berufsbereichen ein entsprechendes Bedürfnis besteht, haben die insoweit zuständigen Koalitionen in eigener Verantwortung zu klären. Im Einzelfall auftretende Zweifel über die Zugehörigkeit eines Arbeitgebers zum Geltungsbereich eines Tarifvertrags, wie im Fall des Beschwerdeführers zu 1), sind allein nicht geeignet, die mit der Tarifzuständigkeit verbundene Abgrenzung des Geltungsbereichs der Tarifnormen als willkürlich erscheinen zu lassen. Im Randbereich der Geltung einer Norm lassen sich Unschärfen nicht immer vermeiden. Dadurch wird jedoch die Sachgerechtigkeit der hier gewählten Abgrenzungsregelung nicht in Frage gestellt. Den berechtigten Interessen der Betroffenen kann durch eine gerichtliche Feststellung der Tarifgeltung im Einzelfall ausreichend Rechnung getragen werden.
4. Die Auferlegung der Zahlungspflichten zu den Sozialkassen ist nicht an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, da objektiv eine

BVerfGE 55, 7 (26):

Tendenz zur Regelung unternehmerischer Tätigkeiten wie derjenigen der Beschwerdeführer nicht erkennbar ist.
a) Die Zahlungspflichten berühren nicht das Recht der Beschwerdeführer auf freie Berufswahl. Sie beschränken weder unmittelbar den Zugang zu einer Tätigkeit im Bereich des Baugewerbes oder des Malerhandwerks und Lackiererhandwerks, noch machen sie mittelbar die sinnvolle Ausübung einer solchen Tätigkeit unmöglich (vgl. BVerfGE 41, 251 [262]). Die Zahlungspflicht des einzelnen Arbeitgebers zu den Sozialkassen steht in engem Zusammenhang mit den Lohnansprüchen, die er gegenüber den bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern zu erfüllen hat. Die branchenbedingte Besonderheit besteht darin, daß die Arbeitnehmer aufgrund häufigen Wechsels des Arbeitgebers Teilansprüche gegen mehrere Arbeitgeber erwerben. Die Sozialkassen treten zur Erfüllung der Teilansprüche an die Stelle dieser mehreren Arbeitgeber wie eine Art Gesamtarbeitgeber. Dadurch wird zum einen bewirkt, daß die Arbeitnehmer ihre Ansprüche geltend machen können, wie wenn sie ununterbrochen bei demselben Arbeitgeber tätig gewesen wären. Dies gilt insbesondere für den Urlaubsanspruch, bei dem die anspruchsbegründende Erfüllung der gesetzlichen Wartezeiten (§ 4 BUrlG) in einem einzigen Unternehmen häufig nicht möglich ist; für das Baugewerbe und verwandte Wirtschaftszweige läßt deshalb § 13 Abs. 2 Satz 1 BUrlG von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Regelungen in Tarifverträgen ausdrücklich zu. Zum anderen wird durch die Heranziehung aller Arbeitgeber verhindert, daß die wirtschaftliche Belastung nur von dem Arbeitgeber getragen werden muß, bei dem der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Anspruchserfüllung gerade beschäftigt ist (vgl. Bötticher, a.a.O., S. 12f.; Zöllner, a.a.O., S. 22f., 73f.). Diese Wirkung liegt im Interesse der Arbeitgeber, da Wettbewerbsnachteile durch die zufällige Inanspruchnahme einzelner Arbeitgeber vermieden werden. Wirtschaftlich gesehen müssen die Arbeitgeber mit Hilfe der Verrechnung über die Sozialkassen nur die Aufwendungen erbringen, die auf die Beschäftigungs

BVerfGE 55, 7 (27):

dauer der einzelnen Arbeitnehmer in ihren Betrieben entfallen. Es handelt sich somit nicht um eine verlorene Abgabe an die Kasse, sondern die Gegenleistung für die in Anspruch genommene Arbeitsleistung der Arbeitnehmer. Es kann danach keine Rede davon sein, daß die Auferlegung der Beitragsverpflichtung gegenüber den Sozialkassen für den Zugang zu einer Tätigkeit im Bereich des Baugewerbes oder des Malerhandwerks und Lackiererhandwerks in besonderer Weise prohibitiv wirke. Es gehört vielmehr zum allgemeinen Risiko eines Unternehmers, zu beurteilen, ob der erforderliche Aufwand für die beschäftigten Arbeitskräfte für das Unternehmen tragbar ist.
b) Die allgemeinverbindlichen Tarifnormen über die Beitragspflicht zu den Sozialkassen enthalten keine Berufsausübungsregelung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie beziehen sich nicht auf die berufliche Tätigkeit von Unternehmern im Bereich des Baugewerbes oder des Malerhandwerks und Lackiererhandwerks, sondern regeln nur den Interessenausgleich zwischen den branchenzugehörigen Arbeitgebern untereinander und zu den Arbeitnehmern auf übertariflicher Ebene. Die Tätigkeit des einzelnen Arbeitgebers als gewerblicher Unternehmer wird dadurch nicht berührt.
III.
Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) hat auch keinen Erfolg, soweit sie einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG geltend macht, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung der Tarifnormen über die Urlaubskasse des Malerhandwerks und Lackiererhandwerks nicht vorgelegen hätten.
Die Allgemeinverbindlicherklärung der Tarifnormen über die Urlaubskasse beruht auf § 5 Abs. 1 TVG. Die Vorschrift ist mit dem Grundgesetz vereinbar (BVerfGE 44, 322). Dies wird von der Beschwerdeführerin zu 2) auch nicht in Frage gestellt. Ob im Einzelfall die Voraussetzungen der Vorschrift als erfüllt angesehen werden können, ist grundsätzlich eine Frage der Aus

BVerfGE 55, 7 (28):

legung und Anwendung des einfachen Rechts. Die Nachprüfung der Entscheidung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung unterliegt deshalb in erster Linie den dafür zuständigen Gerichten der Arbeitsgerichtsbarkeit (vgl. BVerfGE 18, 85 [92]). Deren Entscheidungen lassen einen Verfassungsverstoß nicht erkennen.
Es ist auch nichts dafür ersichtlich, daß das Bundesarbeitsgericht das Gebot des effektiven Rechtsschutzes verletzt hat. Die Beschwerdeführerin zu 2) verkennt, daß das Bundesarbeitsgericht - ebenso wie das Landesarbeitsgericht - die gesetzliche Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG als erwiesen angesehen und nicht auf die Verteilung der Beweislast abgestellt hat.
Benda Böhmer Simon Hesse Katzenstein Niemeyer Heußner