BVerfGE 60, 360 - Beitragsfreie Krankenversicherung


BVerfGE 60, 360 (360):

Zur Frage der gegenwärtigen Betroffenheit eines Beschwerdeführers als Voraussetzung der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde, die sich unmittelbar gegen ein Gesetz richtet.
 
Beschluß
des Ersten Senats vom 18. Mai 1982
-- 1 BvR 602/78 --
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden 1. des Herrn Dr. O..., 2. des Herrn Sch..., 3. des Herrn L... - Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Philipp, Viktoriastraße 12, Mannheim - gegen § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO in der Fassung des Art. 1 § 1 Nr. 1 Buchst. a des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes (KVKG) vom 27. Juni 1977 (BGBl. I S. 1069).
Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerden werden verworfen.
 
Gründe:
 
A.
Gegenstand der Entscheidung ist die Frage, ob die Beschwerdeführer dadurch gegenwärtig in Grundrechten betroffen sind, daß der Gesetzgeber die Voraussetzungen, unter denen Rentner

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beitragsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, so verschärft hat, daß die Beschwerdeführer diese voraussichtlich nicht werden erfüllen können.
I.
Nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO in der Fassung des Gesetzes zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, II. Teil -- Finanzänderungsgesetz 1967 -- vom 21. Dezember 1967 (BGBl. I S. 1259) waren Personen, welche die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Rentenversicherung der Angestellten erfüllten und diese Rente beantragt hatten, beitragsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Der Kreis dieser Versicherten erweiterte sich, als durch das Rentenreformgesetz vom 16. Oktober 1972 (BGBl. I S. 1965) weiteren Personengruppen, darunter auch den Selbständigen, die Möglichkeit eröffnet wurde, auf Antrag der gesetzlichen Rentenversicherung als Pflichtversicherte beizutreten.
Das Gesetz zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz -- KVKG) vom 27. Juni 1977 (BGBl. I S. 1069) machte die beitragsfreie Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse davon abhängig, daß der Rentner schon vor Eintritt eines Versicherungsfalls der gesetzlichen Krankenversicherung angehört hat. In der Fassung des Art. 1 § 1 Nr. 1 Buchst. a KVKG lautet:
    § 165 RVO
    (1) Für den Fall der Krankheit werden versichert
    1. - 2a. ...
    3. Personen, welche die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Rentenversicherung der Angestellten erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn
    a) sie oder die Person, aus deren Versicherung sie ihren Rentenanspruch ableiten, seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, jedoch frühestens seit dem 1. Januar 1950 bis

    BVerfGE 60, 360 (362):

    zur Stellung des Rentenantrages mindestens die Hälfte der Zeit Mitglied eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung waren oder mit einem Mitglied verheiratet und nicht mehr als nur geringfügig beschäftigt oder geringfügig selbständig tätig waren oder
    b)...
    4. - 6. ...
    (2) - (8) ...
Diese Fassung des Gesetzes hat zur Folge, daß die beitragsfreie Mitgliedschaft der Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung an die Erreichung der Halbbelegung sowie hinsichtlich deren Bemessung an einen zeitlichen Rahmen gebunden wird.
Das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz sieht zugunsten bestimmter Personengruppen, zu denen die Beschwerdeführer nicht gehören, befristete Überleitungsregelungen (Art. 2 § 1 Abs. 1 KVKG) vor. Ferner erhält derjenige, welcher eine Rente aus der Rentenversicherung bezieht und nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist, gemäß § 83e AVG (= § 1304e RVO) zu seinen Krankenversicherungsbeiträgen einen Zuschuß.
II.
1. Der 1918 geborene Beschwerdeführer zu 1) ist Chemiker in einem Industrieunternehmen. Er zahlte seit 1945 teils im Wege der Nachentrichtung Beiträge an die Angestelltenversicherung.
Von August 1945 bis 30. Juni 1953 war er bei einer gesetzlichen Krankenkasse pflichtversichert. Die Pflichtversicherung endete, weil sein Einkommen die Pflichtversicherungsgrenze überschritt. Ab Januar 1971 trat er der Betriebskrankenkasse seiner Firma als freiwilliges Mitglied bei. Nach deren Erklärung kann er dort freiwilliges Mitglied bleiben, wenn er beim Ausscheiden aus dem Erwerbsleben die Voraussetzungen für die beitragsfreie Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner nicht erfüllen sollte. Nach dem Vortrag des

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Beschwerdeführers zu 1) wird dieser Fall eintreten, weil er bei Vollendung des 65. Lebensjahres allenfalls 16 Jahre Pflichtversicherungszeit nach dem 1. Januar 1950 nachweisen könne und damit die für ihn notwendige Halbbelegung von 16 3/4 Jahren nicht erreichen werde.
Der Beschwerdeführer zu 1) errechnet seinen Gesamtschaden -- bezogen auf einen fiktiven Versicherungsfall vom 31. Dezember 1978 -- mit 282,76 DM monatlich; das seien 16,1% seiner zu erwartenden Rente. Sein Beitrag an die Betriebskrankenkasse von 297,- DM sei um den Beitragszuschuß zu vermindern, den er in Höhe von 175,34 DM nach § 83e AVG zu erwarten habe. Der so errechnete Schadensbetrag erhöhe sich um 161,10 DM, weil bei ihm infolge der Neufassung des § 32a AVG durch das 20. Rentenanpassungsgesetz eine Abwertung seiner Ausbildungs- Ausfallzeiten eingetreten sei (vgl. BVerfGE 58, 81 [87]). Sollte er entgegen der Erklärung seiner Krankenkasse dort seine freiwillige Mitgliedschaft nicht fortsetzen können, sei der Schaden weit höher.
2. Der 1932 geborene Beschwerdeführer zu 2) ist angestellter Diplom-Ingenieur. Der gesetzlichen Krankenversicherung hat er nie angehört, unterlag aber seit 1958 der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung. 1968 ließ er sich von der Pflichtversicherung befreien, verzichtete jedoch mit Wirkung vom 1. Juli 1974 wieder auf diese Befreiung und entrichtet seitdem Pflichtbeiträge.
Der Beschwerdeführer zu 2) und seine Ehefrau sind gegen Krankheit privat versichert. Für beide besteht keine Möglichkeit, der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig beizutreten. Das gilt für den Beschwerdeführer mutmaßlich auch beim Eintritt des Versicherungsfalls in der Rentenversicherung, denn sein Einkommen wird dann voraussichtlich die Grenze überschreiten, die ihm nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 RVO noch den freiwilligen Beitritt zur gesetzlichen Krankenversicherung ermöglichen könnte.
Der Beschwerdeführer zu 2) errechnet seinen Gesamtschaden

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-- bezogen auf den fiktiven Zeitpunkt vom 31. Dezember 1978 -- mit 553,20 DM monatlich; das seien 45% seiner fiktiven Rente von 1 230,50 DM. Dieser Schaden ergebe sich daraus, daß er für sich und seine Ehefrau im Zeitpunkt des Inkrafttretens der angegriffenen Regelung eine private Versicherungsprämie von 504,20 DM hätte entrichten müssen. Dem stehe ein zu erwartender Beitragszuschuß von 117,07 DM gegenüber. Dazu komme ein Schaden in Höhe von 166,20 DM, der ihm dadurch erwachsen sei, daß seine Ausbildungs-Ausfallzeiten durch das 20. Rentenanpassungsgesetz abgewertet seien (vgl. BVerfGE 58, 81 [88]).
3. Der 1921 geborene Beschwerdeführer zu 3) ist selbständiger Handelsvertreter. Er hat der gesetzlichen Krankenversicherung zu keinem Zeitpunkt angehört.
Im November 1973 machte er von der durch das Rentenreformgesetz 1972 geschaffenen Möglichkeit Gebrauch, der Rentenversicherung der Angestellten auf Antrag als Pflichtversicherter beizutreten. Er entrichtet seither Beiträge in der höchsten Beitragsklasse. Für die Zeit von Januar 1956 bis Oktober 1973 hat er zudem Beiträge in einer Gesamthöhe von 46 476,- DM nachentrichtet.
Für seine private Krankenversicherung, in die seine Ehefrau und sein Sohn eingeschlossen sind, bezahlt der Beschwerdeführer eine monatliche Prämie von 401,10 DM.
Der Beschwerdeführer zu 3) errechnet seinen Schaden unter Berücksichtigung eines Beitragszuschusses von etwa 126,- DM mit etwa 520,- DM monatlich; der Betrag liege damit bei annähernd 50% seiner -- fiktiven -- Rente. Dieser Rechnung legt er eine fiktive Prämie von 647,80 DM zugrunde, die er im Falle eines Neueintritts in eine private Krankenversicherung entrichten müßte.
III.
Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihren auf die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20, Art. 14 und Art. 3 Abs. 1 GG gestützten Verfassungsbeschwerden gegen die Neu

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fassung des § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO durch das Krankenversicherungs- Kostendämpfungsgesetz.
1. Sie machen geltend, durch diese Regelung seien sie selbst, unmittelbar und gegenwärtig in ihrer Rechtsposition betroffen.
Der Eingriff sei unbeschadet dessen, daß bei ihnen ein Rentenversicherungsfall noch nicht eingetreten sei, gegenwärtig. Ihre aktuelle Beschwer durch die angegriffene Norm ergebe sich schon daraus, daß bei jedem von ihnen der Versicherungsfall der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit jederzeit eintreten könne. Für diesen Fall, aber auch für den Versicherungsfall des Alters müßten sie jetzt schon ausgleichende Dispositionen treffen, wenn der Fortfall ihrer rechtlichen Positionen vor der Verfassung Bestand hätte. Man könne die Klärung dieser Frage nicht bis zum Eintritt des Versicherungsfalls aufschieben, denn das würde bedeuten, daß sie erst nach Rechtswegerschöpfung und damit viel zu spät Klarheit darüber gewinnen könnten, ob die Beeinträchtigung ihrer Aussichten verfassungsgemäß sei. Die Gegenwärtigkeit eines Eingriffs in den Leistungsbereich eines Versicherungsverhältnisses bei gleichbleibenden Prämienbelastungen bestimme sich aus dem Grundgedanken einer Versicherung, Schutz für den jederzeit möglichen Risikofall zu bieten. Als Gegenleistung für die Prämie verspreche die Versicherung Deckung beim Eintritt des Versicherungsfalls. Dieses im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegenwärtige Versprechen sei durch die Neufassung des § 165 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a RVO gegenwärtig widerrufen worden. Dem entspreche es, wenn man allgemein im Zusammenhang mit der Sozialversicherung vom "Netz der sozialen Sicherheit" spreche.
2. Die Einführung der Halbbelegung als Voraussetzung für die beitragsfreie Krankenversicherung der Rentner verletze vornehmlich Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber habe nicht ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit allen Bestandsrentnern durch das 20. Rentenanpassungsgesetz eine Rentenerhöhung von fast 10% zubilligen und gleichzeitig den auf eigener Beitragsleistung zur Renten

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versicherung beruhenden Versicherungsschutz der Beschwerdeführer in der gesetzlichen Krankenversicherung verkürzen dürfen. Die Neufassung der Vorschrift des § 165 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a RVO sei auch unter dem Gesichtspunkt einer verbotenen Rückwirkung von Gesetzen verfassungswidrig.
Die Vorschrift betreffe eine Position der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese unterliege nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Schutz des Art. 14 GG, da sie auf eigener Beitragsleistung beruhe. Der Eingriff verletze diese Grundrechtsnorm. Er gehe über eine zulässige Inhaltsbestimmung schon deswegen hinaus, weil die gesamte Rechtsposition ersatzlos entzogen werde.
Schließlich verstoße die angegriffene Regelung in mehrfacher Hinsicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung der Eingriffe in sozialversicherungsrechtliche Positionen der Beschwerdeführer zu 1) und 2) müsse überdies darauf gesehen werden, daß beide durch die Abwertung der Ausbildungs-Ausfallzeiten und den Verlust der Möglichkeit, die beitragsfreie Rentnerkrankenversicherung in Anspruch zu nehmen, doppelt betroffen seien. Derselbe Personenkreis sei erneut dadurch benachteiligt worden, daß das 21. Rentenanpassungsgesetz die allgemeine Bemessungsgrundlage geändert habe. Eine verfassungsrechtliche Beurteilung sei in Fällen kumulierter Leistungseinschränkungen nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung möglich. Selbst wenn die Betroffenen einzelne Eingriffe jeweils für sich betrachtet noch hinnehmen müßten, so sei es doch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht mehr zu rechtfertigen, wenn sich mehrere Einschränkungen sozialversicherungsrechtlicher Positionen aus etwa im gleichen Zeitpunkt in Kraft tretenden Gesetzen ergäben. Erst die Summe der Einzelmaßnahmen mache in derartigen Fällen das wahre Ausmaß der Betroffenheit sichtbar.
IV.
Zu den Verfassungsbeschwerden haben sich der Bundesmini

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ster für Arbeit und Sozialordnung namens der Bundesregierung und der 12. Senat des Bundessozialgerichts geäußert.
1. a) Der Bundesminister hält die Verfassungsbeschwerden für unzulässig, weil die Beschwerdeführer nicht gegenwärtig betroffen seien.
Die Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1) ergebe sich schon daraus, daß sich noch nicht absehen lasse, ob er durch die angegriffene Norm überhaupt beeinträchtigt werde. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß er nach Vollendung des 65. Lebensjahrs weiterhin beschäftigt und deshalb bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert bleibe. Damit könne er innerhalb von 1+ Jahren die Halbdeckung noch erreichen. Für den Fall einer vorzeitigen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit treffe die Norm des § 165 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a RVO den Beschwerdeführer nur virtuell. Die Beschwerdeführer zu 2) und 3) seien ebenfalls durch die angegriffene Bestimmung nicht gegenwärtig betroffen. Die Regelung berühre ihre bestehenden privaten Versicherungsverhältnisse nicht. Daher bestehe für sie auch kein Zwang, infolge der Neuregelung Dispositionen zu treffen. Es sei wahrscheinlich, daß sie beim Eintritt eines Rentenversicherungsfalls ihre private Krankenversicherung mit den aus langer Mitgliedschaft folgenden Vorteilen fortsetzten. Mutmaßlich seien sie durch die angegriffene Regelung daher noch nicht einmal beschwert, zumal der ihnen künftig zustehende Beitragszuschuß von 11% ihrer Rente den vordem auf 145,- DM begrenzten Zuschuß überschreiten werde.
b) Die angegriffene Regelung verstoße nicht gegen die Verfassung.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei noch nicht entschieden, ob eine sozialversicherungsrechtliche Position in der gesetzlichen Krankenversicherung überhaupt dem Schutz des Art. 14 GG unterfallen könne. Auch wenn man das unterstelle, liege in der Neuregelung kein Verstoß gegen diese Grundrechtsnorm. Ein ausreichender Kranken

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versicherungsschutz bleibe für jeden Rentner gewährleistet. Die Neufassung des § 165 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a RVO bestimme in zulässiger Weise Inhalt und Schranken des Eigentums.
Auch das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot des Vertrauensschutzes werde nicht verletzt. Die Grenzen für ein Gesetz mit unechter Rückwirkung ergäben sich aus der Abwägung des Ausmaßes des Vertrauensschadens und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit. Bei solcher Abwägung sei es zweifelhaft, ob die Beschwerdeführer überhaupt einen rechtlich relevanten Vertrauensschaden geltend machen könnten. Jedenfalls überwiege bei der Abwägung das Interesse der Allgemeinheit an der Regelung, die der Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung diene.
Verfassungsrechtlich könne auch eine Gesamtbetrachtung kumulierender Eingriffe des Gesetzgebers hier zu keinem anderen Ergebnis führen. Selbst wenn man davon ausgehe, daß die mit § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO a.F. verbundene Aussicht auf Zugehörigkeit zur gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner im Schutzbereich des Art. 14 GG gelegen habe, verlören die Eingriffe des Gesetzgebers in das "krankenversicherungsrechtliche Eigentum" nicht dadurch ihre Rechtfertigung, daß gleiche oder andere Gründe auch einen Eingriff in "rentenversicherungsrechtliches Eigentum" notwendig gemacht hätten. Erwägenswert könnte allenfalls sein, ob eine in diesem Zusammenhang vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung bei einer Gesamtbetrachtung die Verfassungsmäßigkeit der verschiedenen Eingriffe in Frage stelle. Eine solche Gesamtbetrachtung dürfe dann allerdings nicht nur auf seiten der Beschwerdeführer stattfinden, sondern müsse die Zielsetzung der Gesetze, die Leistungsfähigkeit der Kranken- sowie der Rentenversicherung zu erhalten, mit einbeziehen. Es sei zweifelhaft, ob das Ergebnis einer solchen Gesamtbetrachtung dann anders aussehen könnte als die Summe der Einzelerwägungen. Im übrigen spreche gegen eine Gesamtbetrachtung, daß Renten- und Krankenversicherung

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zwei getrennte Systeme seien, deren rechtlicher und wirtschaftlicher Rahmen unterschiedlich bestimmt werde.
2. Nach der Auffassung des 12. Senats des Bundessozialgerichts -- der sich zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden nicht geäußert hat -- verstößt § 165 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a RVO nicht gegen verfassungsrechtliche Normen.
 
B.
Die Prüfung der Zulässigkeit der unmittelbar gegen gesetzliche Vorschriften gerichteten Verfassungsbeschwerden hat bei Stimmengleichheit zu dem Ergebnis geführt, daß sie unzulässig sind.
I.
Das Grundgesetz unterwirft nicht nur Einzelakte der Exekutive oder Entscheidungen der Gerichte einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle, sondern ebenfalls die vom Parlament oder anderen Organen erlassenen allgemein geltenden Normen. Befugt zur Einleitung einer solchen Normenkontrolle sind einmal bestimmte Organe des Staates (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG: abstrakte Normenkontrolle) und zum anderen Gerichte, sofern es für die Entscheidung eines Rechtsstreits auf die Gültigkeit eines bestimmten Gesetzes ankommt (Art. 100 Abs. 1 GG: konkrete Normenkontrolle). Darüber hinaus kann auch der einzelne Staatsbürger im Wege der Verfassungsbeschwerde eine verfassungsgerichtliche Überprüfung von Normen erreichen. Dies geschieht regelmäßig in der Weise, daß er eine zu seinen Lasten ergangene Entscheidung mit der Begründung angreift, die in dieser Entscheidung angewandten Vorschriften verletzten ihn in seinen Grundrechten (inzidente Normenkontrolle). Sowohl im Falle einer konkreten Normenkontrolle als auch bei der durch eine Verfassungsbeschwerde ausgelösten inzidenten Normenkontrolle geht der verfassungsgerichtlichen Überprüfung eine Anwendung der beanstandeten Norm auf einen konkreten Sachverhalt durch die Gerichte voraus, bei der sich die genaue

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Beschwer des Betroffenen ergibt und in der Regel auch eine verfassungsrechtliche Beurteilung durch das Fachgericht erfolgt.
Schon durch diese Regelungen hat das Grundgesetz die Möglichkeiten zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung von Normen weiter ausgedehnt als in den meisten anderen vergleichbaren Verfassungsordnungen. Im Unterschied zu diesen eröffnet es dem einzelnen Staatsbürger sogar die Befugnis, eine für alle geltende Gesetzesvorschrift direkt mit der Verfassungsbeschwerde anzugreifen, bevor sie in einem konkreten Verwaltungsakt oder in einer Gerichtsentscheidung zu seinen Lasten angewandt worden ist.
Eine derart weitreichende Befugnis ist jedoch von bestimmten Voraussetzungen abhängig, die -- wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt klargestellt hat (vgl. BVerfGE 43, 291 [386]; 58, 81 [104]) -- auf den Grundsätzen des Rechtsschutzbedürfnisses und der Subsidiarität sowie darauf beruhen, daß die Verfassungsbeschwerde nicht als Popularklage ausgestaltet, sondern nur zulässig ist, wenn der beschwerdeführende Staatsbürger durch die Norm in einem seiner Grundrechte verletzt sein kann. Eine für alle geltende Norm kann ein einzelner Staatsbürger nach ständiger Rechtsprechung nur dann direkt mit der Verfassungsbeschwerde angreifen, wenn er durch diese Norm selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen ist (vgl. BVerfGE 40, 141 [156] -- Ostverträge; 43, 291 [385] -- numerus clausus; 50, 290 [319] -- Mitbestimmung; 58, 81 [104] -- Ausbildungs-Ausfallzeiten; 59, 1 -- Auswahlverfahren für Studienplatzvergabe). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, besteht angesichts der erwähnten weiteren Möglichkeiten zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung von Normen grundsätzlich kein Anlaß, die Zulässigkeit einer unmittelbar gegen Normen gerichteten Verfassungsbeschwerde zu bejahen und damit die vom Normgeber erlassenen Vorschriften in einem noch weiter gehenden Umfang und unter Loslösung von ihrer konkreten Anwendung einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung zu unterwerfen.


BVerfGE 60, 360 (371):

II.
Die zuvor genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen sind im vorliegenden Fall nur zum Teil erfüllt.
1. Nach den ausreichend substantiierten Darlegungen der Beschwerdeführer ist die angegriffene Vorschrift zwar geeignet, Rechtspositionen, die sich nach ihrer Auffassung aus den als verletzt bezeichneten Grundrechten ergeben, zum Nachteil der Beschwerdeführer zu verändern. Damit sind sie durch die angegriffene Norm selbst betroffen.
Auch fehlt es in den vorliegenden Fällen nicht an der unmittelbaren Betroffenheit. Ob die Beschwerdeführer mit dem Eintritt des Rentenversicherungsfalls beitragsfrei der Krankenversicherung der Rentner angehören oder nicht, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Eines besonderen Vollziehungsakts bedarf es insoweit nicht.
2. Die Beschwerdeführer sind jedoch nicht gegenwärtig in ihren Rechtspositionen verletzt.
a) Für die Zulässigkeit einer unmittelbar gegen Gesetze gerichteten Verfassungsbeschwerde genügt es nicht, daß die Beschwerdeführer irgendwann einmal in der Zukunft ("virtuell") von der beanstandeten Gesetzesvorschrift betroffen sein könnten. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in einer seiner ersten Entscheidungen klargestellt, daß die Betroffenheit gegenwärtig ("aktuell") sein muß; da ein virtuelles Betroffenwerden des Staatsbürgers fast stets zu bejahen wäre, würde sich anderenfalls die Verfassungsbeschwerde -- entgegen dem Sinn des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht -- im Ergebnis doch zu einer Popularklage ausweiten (BVerfGE 1, 97 [102]). Eine solche Ausweitung erscheint namentlich in Situationen nicht vertretbar, in denen sich -- wie das hier der Fall ist -- derzeit schwer abschätzen läßt, wie die konkrete Beschwer der Betroffenen im Vergleich zu anderen im Zeitpunkt der Rechtsanwendung aussehen wird.
Die angegriffene Regelung kann sich für die Beschwerdeführer erst dann auswirken, wenn sie zum Rentenbezug in der

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gesetzlichen Rentenversicherung berechtigt sind. Denn erst in diesem Zeitpunkt stellt sich für sie die Frage, ob sie beitragsfrei der gesetzlichen Krankenversicherung angehören können. Der die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung begründende Tatbestand war bei allen Beschwerdeführern weder im Zeitpunkt der Erhebung ihrer Verfassungsbeschwerde noch binnen der Jahresfrist, innerhalb deren allein eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz erhoben werden kann (§ 93 Abs. 2 BVerfGG), erfüllt. Derzeit ist nicht definitiv abzusehen, ob er überhaupt eintreten wird und in welchem Umfang sich die Regelung nachteilig für die Beschwerdeführer auswirken wird. Gerade auch die eigenen Schadensberechnungen der Beschwerdeführer bestätigen, daß ihre Betroffenheit nicht gegenwärtig ist. Denn sie rechnen mit fiktiven Größen für einen zukünftig eintretenden Rentenversicherungsfall. Dabei beruht die Höhe des von den Beschwerdeführern zu 2) und 3) errechneten Schadens unter anderem auf der wirklichkeitsfremden Annahme, sie seien erst im vorgerückten Alter in ihre derzeitige private Krankenversicherung eingetreten.
b) In besonders gelagerten Fällen hat das Bundesverfassungsgericht die Zulässigkeit einer unmittelbar gegen das Gesetz gerichteten Verfassungsbeschwerde ausnahmsweise auch dann bejaht, wenn das Gesetz die Normadressaten bereits gegenwärtig zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen zwang (vgl. BVerfGE 43, 291 [387] -- Parkstudium) oder schon jetzt zu Dispositionen veranlaßte, die sie nach dem späteren Gesetzesvollzug nicht mehr nachholen konnten. So hat das Bundesverfassungsgericht in dem Verfahren, das die Anrechnung von Ausbildungs-Ausfallzeiten betraf und an dem auch die Beschwerdeführer zu 1) und 2) beteiligt waren, ein schutzwürdiges Interesse an der alsbaldigen Klärung anerkannt, ob die unmittelbar angegriffene Regelung von Bestand sein werde (BVerfGE 58, 81 [87 f., 106 f.]). Dabei ging es um eine nach Art und Höhe bereits feststehende Verminderung von Anwartschaften auf Versichertenrenten, die nach der Rechtsprechung des Bun

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desverfassungsgerichts dem Schutz des Art. 14 GG unterliegen. Wollten die Betroffenen die entsprechende Rentenminderung nicht hinnehmen, mußten sie zur Erhaltung der ursprünglich mit der Versicherung erstrebten Alterssicherung rechtzeitig zusätzliche Dispositionen treffen.
Im vorliegenden Fall liegt eine solche Ausnahmesituation nicht vor. Es sind auch keine ausreichenden Gründe dafür erkennbar, die Zulassungsvoraussetzungen noch weiter zugunsten der Beschwerdeführer abzumildern. Die Beschwerdeführer mögen zwar vor Inkrafttreten der angegriffenen Regelung davon ausgegangen sein, daß ihnen bei gleichbleibender Rechtslage im Zeitpunkt des Bezugs einer Rente aus der Rentenversicherung die Wahl eröffnet sei, ob sie Mitglieder ihrer bisherigen Krankenkassen bleiben und damit die Möglichkeit in Anspruch nehmen wollten, einen Zuschuß zu den Aufwendungen für ihre Krankenversicherung zu erhalten, oder ob sie unter Aufgabe ihrer bisherigen Mitgliedschaft die beitragsfreien, aber anders gearteten Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen wollten. Diese Wahl wäre von ihnen aber nicht schon jetzt zu treffen. Auch haben die Beschwerdeführer nicht dargetan, daß der Fortfall der künftigen Wahlmöglichkeit sie bereits jetzt zu einer Entscheidung oder zu einer besonderen Disposition speziell im Hinblick auf ihren Krankenversicherungsschutz nötigt. Der Beschwerdeführer zu 1) kann vielmehr nach der von ihm selbst beigebrachten Bescheinigung seiner derzeitigen gesetzlichen Krankenkasse auch bei Ausscheiden aus dem Erwerbsleben weiterhin freiwilliges Mitglied dieser Kasse bleiben. Die beiden anderen Beschwerdeführer sind bereits Mitglieder privater Krankenkassen und werden dies bis zu einem Rentenbezug in der Rentenversicherung auch weiterhin bleiben, ohne daß dafür die strittige Regelung von Bedeutung wäre; diese zwingt -- sofern sie Bestand hat -- lediglich zur künftigen Fortsetzung dieser privaten Krankenversicherung als Rentner. Keiner der Beschwerdeführer kann sonach geltend machen, er sei bereits jetzt zu irgendwelchen Maßnahmen genötigt, um

BVerfGE 60, 360 (374):

seinen Krankenversicherungsschutz sicherzustellen. Ihr Interesse an der angestrebten Klärung beschränkt sich auf eine andere Frage, nämlich auf die Prognose, welche Mittel sie voraussichtlich später zur Verfügung haben werden. Eine solche Prognose ist indessen von mannigfachen Faktoren abhängig. Daß die Beschwerdeführer allein wegen des strittigen, durch Zuschüsse verminderten Beitrags zur Krankenversicherung zu zusätzlichen Vorsorgemaßnahmen genötigt seien, ist weder substantiiert dargelegt noch erkennbar, so daß dahinstehen kann, ob ein solcher Umstand überhaupt ausreichen könnte, ausnahmsweise eine gegenwärtige Betroffenheit anzunehmen.
Benda Böhmer Simon Faller Hesse Katzenstein Niemeyer Heußner