BVerfGE 63, 1 - Schornsteinfegerversorgung |
1. Auch für eine gerichtliche Zwischenentscheidung, durch die das Verfahren im gegebenen Rechtszug noch nicht abgeschlossen wird (hier: Pflegerbestellung zu verfahrensrechtlichen Zwecken), kann es auf die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Bestimmung im Sinne des Art. 100 Abs. 1 GG unerläßlich ankommen. |
2. Das Bundesverfassungsgericht kann bei Prüfung der Zulässigkeit einer Richtervorlage die Beurteilung verfassungsrechtlicher Fragen, auf die das vorlegende Gericht seine Erwägungen zur Entscheidungserheblichkeit gestützt hat, umfassend nachprüfen; im Einzelfall kann es indes zweckmäßiger sein, diese Prüfung der Entscheidung zur Begründetheit der Vorlage vorzubehalten. |
3. a) Das Grundgesetz beläßt den zuständigen Organen des Bundes einen Spielraum für die organisatorische Ausgestaltung der in seine Zuständigkeit fallenden Verwaltungseinrichtungen; dem Bund steht insoweit ein weiter organisatorischer Gestaltungsbereich zu. |
3. b) Der Spielraum bei der organisatorischen Ausgestaltung der Verwaltung findet in den Kompetenznormen und Organisationsnormen des Art. 83 ff. GG seine Grenzen. |
4. a) Grundsätzlich gilt, daß der Verwaltungsträger, dem durch eine Kompetenznorm des Grundgesetzes Verwaltungsaufgaben zugewiesen sind, diese Aufgaben durch eigene Verwaltungseinrichtungen -- mit eigenen personellen und sächlichen Mitteln -- wahrnimmt. Dem Grundgedanken einer Kompetenznorm (wie auch der finanziellen Lastenaufteilung zwischen Bund und Ländern), die für eine Materie dem Bund die Verwaltungskompetenz zuordnet, widerspräche es, würden in weitem Umfang Einrichtungen der Landesverwaltung für Zwecke der Bundesverwaltung herangezogen. Dies gälte auch dann, wenn eine förmliche Übertragung von Zuständigkeiten nicht erfolgte. |
4. b) Für das Abgehen vom "Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung" bedarf es eines besonderen sachlichen Grundes. |
5. Die Inanspruchnahme von persönlichen und sächlichen Mitteln einer Landesbehörde durch den Bund, wie sie § 38 Abs. 2 Schornstein fegergesetz vorsieht, bedarf der Zustimmung des die Behörde tragenden Landes. |
6. Die durch § 38 Abs. 2 Schornsteinfegergesetz vorgesehene "Betrauung" der Bayerischen Versicherungskammer mit der Geschäftsführung der Versorgungsanstalt der deutschen Bezirksschornsteinfeger ist mit Art. 87 Abs. 2 GG vereinbar; sie betrifft einen geschichtlich vorgegebenen und sachlich eng umgrenzten Bereich der Bundesverwaltung. |
Beschluß |
des Zweiten Senats vom 12. Januar 1983 |
-- 2 BvL 23/81 -- |
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 38 Absatz 2 des Gesetzes über das Schornsteinfegerwesen (Schornsteinfegergesetz -- SchfG) vom 15. September 1969 (BGBl. I S. 1634) -- Vorlagebeschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Mai 1981 -- 39 IX 77 -. |
Entscheidungsformel: |
§ 38 Absatz 2 des Gesetzes über das Schornsteinfegerwesen (Schornsteinfegergesetz -- SchfG) vom 15. September 1969 (Bundesgesetzbl. I S. 1634) ist mit dem Grundgesetz vereinbar. |
Gründe: |
A. |
Die Vorlage betrifft die Frage, ob § 38 Abs. 2 des Gesetzes über das Schornsteinfegerwesen (Schornsteinfegergesetz -- SchfG) vom 15. September 1969 (BGBl. I S. 1634) mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Nach dieser Bestimmung obliegt die Geschäftsführung der Versorgungsanstalt der deutschen Bezirksschornsteinfeger der Bayerischen Versicherungskammer.
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I. |
1. Regelungen über die berufsständische Versorgung der Schornsteinfegermeister und ihrer Hinterbliebenen reichen bis in das 19. Jahrhundert zurück (zur Entwicklung der Versorgung der Schornsteinfegermeister siehe insbesondere Schmitt-Ler mann, Hundert Jahre Bayerische Versicherungskammer, 1975, S. 457 ff.; ferner BVerfGE 1, 264 [265 ff.]; Siegert/Musielak/ Cordt, Schornsteinfegergesetz, 2. Aufl., 1977, Vorbemerkung zu § 29, Rdnr. 4 f., § 34, Rdnr. 1; Moelle/Philipp/Siegert/Musielak, Das Recht des Schornsteinfegerhandwerks, 6. Aufl., 1965, S. 116 f.). |
In Preußen entstand 1878 eine Witwen-Pensionskasse. Als Versorgungseinrichtung für die Meister nahm am 1. Januar 1912 der "Unterstützungsverein Deutscher Schornsteinfegermeister" seine Tätigkeit auf; er wurde 1921 in einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, den "Versorgungsverein Deutscher Schornsteinfegermeister" umgewandelt. Durch Erlaß des Preußischen Staatsministeriums des Innern vom 14. Januar 1932 wurden der Versorgungseinrichtung die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen.
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Auch in anderen Ländern des Deutschen Reichs bestanden Versorgungseinrichtungen für Schornsteinfegermeister oder ihre Hinterbliebenen (siehe Moelle/Philipp/Siegert/Musielak, a.a.O., S. 117). In Bayern ermöglichte die Verordnung über die Versorgung der Kaminkehrerwitwen und -waisen vom 6. Juli 1924 (GVBl. S. 171), die Gesamtheit der Kehrbezirksinhaber zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, der "Versorgungskasse für bayerische Kaminkehrerwitwen und -waisen" (später "Versorgungskasse für die Witwen und Waisen bayerischer Kehrbezirksinhaber") unter der Verwaltung der Bayerischen Versicherungskammer zusammenzufassen. Die Versorgungskasse nahm am 1. Juli 1924 ihre Tätigkeit auf (vgl. zu dieser Kasse auch Art. 55 ff. des Gesetzes über das öffentliche Versicherungswesen [VersG] vom 7. Dezember 1933 -- GVBl. S. 467).
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2. Die aufgrund des Art. 2 des Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung vom 13. April 1935 (RGBl. I S. 508) erlassene Verordnung über das Schornsteinfegerwesen vom 15. April 1935 (RGBl. I S. 515) führte -- teilweise zurückgreifend auf bereits bestehende Regelungen -- den Versicherungszwang ein. Jeder Bezirksschornsteinfegermeister hatte innerhalb von drei Mona ten nach der endgültigen Bestellung der Aufsichtsbehörde nachzuweisen, daß er gegen unverschuldete Notfälle bei einer Pensionsversicherung mit Hinterbliebenenversorgung in angemessener Höhe versichert sei (§ 26 Abs. 1 der Verordnung). Die Bestellung war zu widerrufen, wenn der Bezirksschornsteinfegermeister den Nachweis der Versicherung nicht führte (§ 47 Nr. 5 der Verordnung). |
Gemäß § 28 Abs. 1 der Verordnung über das Schornsteinfegerwesen vom 28. Juli 1937 (RGBl. I S. 831), die die Verordnung von 1935 ersetzte, waren die Bezirksschornsteinfegermeister grundsätzlich verpflichtet, den Erwerb der Mitgliedschaft beim Versorgungsverein Deutscher Schornsteinfegermeister nachzuweisen. Der Versorgungsverein wurde der Aufsicht des Reichswirtschaftsministers unterstellt (§ 28 Abs. 2, 3 der Verordnung), damit in die Organisation der Reichsverwaltung eingegliedert und von einer preußischen in eine reichsunmittelbare Einrichtung umgewandelt (vgl. BVerwGE 27, 228 [231]). Die in den außerpreußischen Ländern bestehenden Versorgungseinrichtungen blieben weiter tätig, wurden aber nach und nach -- entsprechend der Ermächtigung in § 55 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung -- vom Reichswirtschaftsminister in den Versorgungsverein übergeführt (Moelle/Philipp/Siegert/Musielak, a.a.O., S. 117). Bezüglich der bayerischen Meisterkasse ordnete der Reichswirtschaftsminister mit Entschließung vom 15. Mai 1944 die Überführung zum 1. Oktober 1944 an.
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Im Hinblick auf ihre besondere Versorgung waren die Bezirksschornsteinfegermeister von der Versicherungspflicht nach dem Gesetz über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk vom 21. Dezember 1938 (RGBl. I S. 1900) ausgenommen (§ 35 der Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk vom 13. Juli 1939 -- RGBl. I S. 1255).
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3. Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs war der Versorgungsverein handlungsunfähig, bestand aber nach allgemeiner Ansicht fort (vgl. BVerwGE 27, 228 [231]). Einzelne "Not kassen" führten seine Aufgaben weiter. In Bayern nahm am 1. April 1946 die Bayerische Versicherungskammer den Geschäftsbetrieb der alten Versorgungskasse für die Witwen und Waisen bayerischer Kehrbezirksinhaber wieder auf. |
Am 20. Dezember 1950 traf ein von der Vertreterversammlung gewählter Vorstand des Versorgungsvereins Deutscher Schornsteinfegermeister, der vom Bundesminister für Wirtschaft bestätigt wurde, mit der Bayerischen Versicherungskammer folgende Vereinbarung:
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Der Vorstand beauftragte die Kammer mit der vorläufigen Verwaltung des Versorgungsvereins und übertrug ihr seine nach der Satzung zustehenden Rechte, soweit sie zur Durchführung der laufenden Verwaltung erforderlich waren. Die Übernahme sollte bis zum 1. März 1951 durchgeführt werden (Nr. 1 der Vereinbarung). Die Versicherungskammer wurde weiter beauftragt, einen vorläufigen Entwurf einer Satzungsänderung auszuarbeiten, der nach gemeinsamer Überarbeitung mit dem Vorstand des Versicherungsvereins als endgültiger Entwurf der Vertreterversammlung vorgelegt werden sollte (Nr. 3 der Vereinbarung).
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Noch 1951 kehrten die letzten "Notkassen" in den Versorgungsverein zurück.
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Am 14. August 1952 beschloß die Vertreterversammlung des Versorgungsvereins die Änderung und Neufassung der Satzung des Vereins vom 14. September 1937; der Bundesminister für Wirtschaft erteilte hierzu am 17. April 1953 seine Genehmigung. Hinsichtlich der organisatorischen Ausgestaltung der Versorgungseinrichtung, die nunmehr den Namen "Versorgungsanstalt der deutschen Bezirksschornsteinfegermeister" (Versorgungsanstalt) trug, bestimmte die am 1. Januar 1953 in Kraft getretene Satzung (BAnz. Nr. 93 vom 19. Mai 1953) unter anderem:
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Die Versorgungsanstalt ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in München (§ 1 Abs. 1 Satz 1 der Satzung). Organe der Anstalt sind der Verwaltungsrat, der Arbeitsausschuß und die "Anstaltsverwaltung als Auftragsorgan" (§ 2 Abs. 1 der Satzung). Die Versorgungsanstalt wird nach den Beschlüssen des Verwaltungsrats und des Arbeitsausschusses von der Bayerischen Versicherungskammer (Anstaltsverwaltung) als Auftragsorgan verwaltet (§ 2 Abs. 2 der Satzung). Die Anstaltsverwaltung vertritt die Versorgungsanstalt gerichtlich und außergerichtlich (§ 2 Abs. 3 der Satzung). Die Aufsicht über die Versorgungsanstalt führt der Bundesminister für Wirtschaft (§ 3 der Satzung). |
Mit Erlaß vom 30. April 1953 genehmigte das Bayerische Staatsministerium des Innern die Übernahme der vorläufigen Verwaltung des Versorgungsvereins durch die Bayerische Versicherungskammer vom 1. März 1951 an und die in der Neufassung der Satzung erfolgte endgültige Übertragung der Verwaltung.
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4. Durch das Gesetz über das Schornsteinfegerwesen (Schornsteinfegergesetz -- SchfG) vom 15. September 1969 (BGBl. I S. 1634, berichtigt S. 2432) wurde die Versorgung der Schornsteinfegermeister und ihrer Hinterbliebenen neu geregelt.
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a) Nunmehr erhalten ein ehemaliger Bezirksschornsteinfegermeister und die Hinterbliebenen von Bezirksschornsteinfegermeistern eine Versorgung, die sich aus Leistungen der Sozialversicherung (Pflichtversicherung in der Arbeiterrentenversicherung) und einer eigenen Zusatzversorgungsanstalt im Schornsteinfegerhandwerk zusammensetzt. Jeder Bezirksschornsteinfegermeister ist während der gesamten Zeit seiner Bestellung in der Rentenversicherung der Arbeiter versichert (§ 1 Abs. 1 und § 1 a des Gesetzes über eine Rentenversicherung der Handwerker [Handwerkerversicherungsgesetz -- HwVG] vom 8. September 1960 -- BGBl. I S. 737 --, in der durch § 58 SchfG geänderten Fassung) und gleichzeitig Mitglied der Versorgungsanstalt (§ 35 SchfG). Die Leistungen beider Einrichtungen ergeben die Gesamtversorgung (Musielak, Erläuterungen zum Schornsteinfegergesetz, in Das Deutsche Bundesrecht, 470. Lieferung, August 1981, III B 24, zu §§ 29-31). Das Zusammenwirken der Leistungen wird im Schornsteinfegergesetz abschließend geregelt (Schmitt-Lermann, a.a.O., S. 472. Zum System der Versorgung im Schornsteinfegerhandwerk vgl. §§ 29-33 SchfG; siehe auch den Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen, zu BTDrucksache V/4282, S. 6 f., und den Überblick des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung [Herausgeber], Übersicht über die Soziale Sicherung, Stand 1. April 1977, S. 171 ff.). |
b) Über die Versorgungsanstalt der deutschen Bezirksschornsteinfegermeister trifft das Schornsteinfegergesetz unter anderem folgende Bestimmungen:
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§ 34 Träger der Zusatzversorgung
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(1) Träger der Zusatzversorgung im Schornsteinfegerhandwerk ist die Versorgungsanstalt der deutschen Bezirksschornsteinfegermeister (Versorgungsanstalt); sie hat ihren Sitz in München.
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(2) Die Versorgungsanstalt ist eine bundesunmittelbare rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts.
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§ 35 Mitgliedschaft
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Mitglied der Versorgungsanstalt ist jeder Bezirksschornsteinfegermeister und jeder Anspruchsberechtigte nach § 29 Abs. 1.
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§ 36 Organe
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Die Organe der Versorgungsanstalt sind: 1. die Vertreterversammlung, 2. der Vorstand, 3. die Geschäftsführung. |
§ 37 Vertreterversammlung
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(1) Die Vertreterversammlung besteht aus gewählten Mitgliedern ...
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(2) ...
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(3) Die Vertreterversammlung beschließt über alle Angelegenheiten der Versorgungsanstalt, soweit sie nicht durch Gesetz oder Satzung dem Vorstand oder der Geschäftsführung übertragen sind. Der Beschlußfassung der Vertreterversammlung bleibt vorbehalten: 1. die Wahl des Vorstandes, 2. der Erlaß der Satzung (§ 39) und ihre Änderungen, 3. die Abnahme der Jahresrechnung, 4. die Festsetzung der Höhe der Beiträge, 5. die Entscheidung über die Zuführung von Mitteln an den Härtefonds, 6. die Festsetzung der den Mitgliedern der Vertreterversammlung und dem Vorstand zu gewährenden Entschädigung. |
(4) Die nach Absatz 3 Nr. 2 und 4 bis 6 gefaßten Beschlüsse bedürfen für ihre Rechtsgültigkeit der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde (§ 42). Die Entscheidung über die Genehmigung eines Beschlusses nach Absatz 3 Nr. 4 ist im Benehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung zu treffen.
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(5) ...
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(6) Beschlüsse nach Absatz 3 Nr. 4 sind mit dem Genehmigungsvermerk der Aufsichtsbehörde bekanntzumachen.
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§ 38 Vorstand und Geschäftsführung
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(1) Der Vorstand besteht aus dem Vorsitzenden, dem stellvertretenden Vorsitzenden und bis zu zehn weiteren Mitgliedern. Für die weiteren Mitglieder ist je ein Stellvertreter zu wählen.
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(2) Die Geschäftsführung obliegt der Bayerischen Versicherungskammer.
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§ 39 Satzung
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(1) Die Vertreterversammlung beschließt die Satzung. Versagt die Aufsichtsbehörde die Genehmigung der Satzung, so hat die Vertreterversammlung in der von der Aufsichtsbehörde gesetzten Frist eine neue Satzung zu beschließen. Kommt kein Beschluß zustande oder wird auch die neue Satzung nicht genehmigt, so kann die Aufsichtsbehörde die Satzung erlassen und auf Kosten der Versorgungsanstalt durchführen.
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(3) Die Satzung und ihre Änderungen sind mit dem Genehmigungsvermerk der Aufsichtsbehörde im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Satzungsänderungen haben, sofern nichts anderes bestimmt wird, auch Wirkung für bestehende Anwartschaften und laufende Versorgungsbezüge. Die Satzung und ihre Änderungen treten, wenn nichts anderes bestimmt wird, nach dem auf die Veröffentlichung folgenden Tag in Kraft.
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§ 42 Aufsicht
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(1) Die Aufsicht über die Versorgungsanstalt führt der Bundesminister für Wirtschaft.
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(2) Der Aufsichtsbehörde ist jährlich ein Geschäftsbericht vorzulegen, der die Jahresrechnung sowie eine Darstellung über die Entwicklung der Versorgungsanstalt im abgelaufenen Geschäftsjahr enthalten muß.
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(3) Spätestens alle drei Jahre hat die Geschäftsführung eine versicherungstechnische Bilanz für die Versorgungsanstalt aufzustellen und der Aufsichtsbehörde vorzulegen.
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(4) Die Aufsichtsbehörde kann die Versorgungsanstalt anweisen, solche Maßnahmen zu treffen, die für die Durchführung der Aufgaben der Versorgungsanstalt dringend geboten sind. Kommt die Versorgungsanstalt nicht innerhalb einer gesetzten Frist diesen Weisungen nach, so kann die Aufsichtsbehörde die erforderlichen Maßnahmen selbst treffen und dabei auch die Satzung der Versorgungsanstalt ändern.
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(5) Vertreter der Aufsichtsbehörde sind berechtigt, an den Sitzungen der Organe teilzunehmen; sie sind jederzeit zu hören.
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(6) Die Aufsichtsbehörde erläßt Richtlinien über die Anlage des Vermögens der Versorgungsanstalt.
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(1) Die Versorgungsanstalt ist die bisherige Versorgungsanstalt der deutschen Bezirksschornsteinfegermeister.
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(2)-(8) ...
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(9) Die Vertreterversammlung der Versorgungsanstalt hat innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Satzung zu beschließen, die den Vorschriften dieses Gesetzes entspricht. Bis zum Inkrafttreten dieser Satzung gilt die bisherige Satzung weiter, soweit sie diesem Gesetz nicht widerspricht. Bis zum Inkrafttreten der neuen Satzung gelten der bisherige Verwaltungsrat als Vertreterversammlung und der bisherige Arbeitsausschuß als Vorstand der Versorgungsanstalt.
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Der Bundesrat stimmte dem Schornsteinfegergesetz gemäß Art. 84 Abs. 1 GG zu (Bericht über die 342. Sitzung am 10. Juli 1969, S. 195); dabei stimmte auch der Freistaat Bayern für das Gesetz. Das Schornsteinfegergesetz trat in seinen hier wesentlichen Teilen am 1. Januar 1970 in Kraft (§ 60 Abs. 1 SchfG).
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c) Die von der Vertreterversammlung der Versorgungsanstalt beschlossene und vom Bundesminister für Wirtschaft genehmigte neue Satzung der Versorgungsanstalt vom 17. November 1970 (BAnz. Nr. 221 vom 27. November 1970) ersetzte mit Wirkung vom 1. Januar 1971 die Satzung vom 17. April 1953 (§ 61 der Satzung). In § 11 der Satzung sind die Rechte und Pflichten der Geschäftsführung näher geregelt. Sie vertritt die Versorgungsanstalt gerichtlich und außergerichtlich (§ 11 Abs. 1 der Satzung). Sie verwaltet die Versorgungsanstalt, soweit Gesetz und Satzung nichts anderes bestimmen; dazu gehören insbesondere die Feststellung und Zahlung der Leistungen, die Führung und der jährliche Abschluß der Rechnungs- und Kassenbücher, die Aufstellung der Jahresrechnung, des Geschäftsberichtes und der versicherungstechnischen Bilanzen sowie die Anlage und Verwaltung des Vermögens (§ 11 Abs. 2 der Satzung).
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5. Die Bayerische Versicherungskammer hat eine Doppelstellung inne: Sie ist eine zentrale Behörde des bayerischen Staates und zugleich ein Organ der mit dem Recht der Selbstverwaltung ausgestatteten bei ihr bestehenden Anstalten (BayVerfGH 16 [1963], 32 [38 f.]). Bei der Versicherungskammer bestehen für das bayerische Staatsgebiet gemeinnützige Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen (Anstalten) (Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes über das öffentliche Versicherungswesen [VersG] vom 7. Dezember 1933 -- GVBl. S. 467). Die Versicherungskammer verwaltet die Anstalten und vertritt sie gerichtlich und außergerichtlich (Art. 2 Abs. 1 VersG). Die Anstalten unterliegen der staatlichen Aufsicht (Art. 8 VersG) (zur Stellung der Versicherungskammer und ihrer Anstalten im einzelnen siehe Schmitt- Lermann, a.a.O., S. 59 ff.). |
Einige von der Versicherungskammer verwaltete Einrichtungen sind über Bayern hinaus tätig (vgl. dazu: Die Bayerische Versicherungskammer und ihre Anstalten [herausgegeben von der Versicherungskammer], 1975, S. 3 f., 54 ff., 57 ff., 63 ff., 66 ff., 71; Schmitt-Lermann, a.a.O., S. 52, 55 f., 89, 435 ff.); insoweit gilt das bayerische Gesetz über das öffentliche Versicherungswesen nicht.
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II. |
1. Im Ausgangsverfahren wandte sich der Kläger, ein Bezirksschornsteinfegermeister, mit einer gegen die Versorgungsanstalt der deutschen Bezirksschornsteinfegermeister (vertreten durch die Bayerische Versicherungskammer) gerichteten Klage gegen seine Heranziehung zur Leistung von Beiträgen für das Jahr 1970. Das Bayerische Verwaltungsgericht München wies die Klage durch Urteil vom 13. Januar 1977 ab. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung ein.
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2. Durch Beschluß vom 4. Mai 1981 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und "die Akten ... dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung der Frage vorgelegt, ob § 38 Abs. 2 des Gesetzes über das Schornstein fegerwesen vom 15. September 1969 (BGBl. I S. 1040) mit dem Grundgesetz vereinbar ist." |
Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt:
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a) Für den Ausgang des Verfahrens komme es auf die Gültigkeit des § 38 Abs. 2 SchfG an.
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(1) Schon aus verfahrensrechtlichen Gründen sei § 38 Abs. 2 SchfG entscheidungserheblich. Die Vorschrift enthalte eine Regelung im Sinne von Art. 86 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 87 Abs. 2 GG. Sei sie gültig, so sei die Versorgungsanstalt materiellrechtlich wie verfahrensrechtlich handlungsfähig. Insbesondere könne sie rechtswirksam gegenüber dem Kläger auftreten. Sei § 38 Abs. 2 SchfG ungültig, so habe der Senat der Versorgungsanstalt, gegebenenfalls nach einem Zwischenstreit über ihre Handlungsfähigkeit, bereits einen Pfleger für den Rechtsstreit zu bestellen, unbeschadet der Auswirkungen des Mangels auf die Versicherungsverhältnisse.
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(2) § 38 Abs. 2 SchfG sei insbesondere auch deshalb für den Ausgang des Verfahrens erheblich, weil die Versicherungskammer nicht ohne besondere Grundlage für die beklagte Versorgungsanstalt tätig werden könne. Hierauf einzugehen sei notwendig, weil teilweise die Meinung vertreten werde, mangels ausdrücklicher Vorschriften folge im Einzelfall das Organisationsrecht der jeweiligen Sachkompetenz. Der Bund und/oder die Versorgungsanstalt hätten sich mit dem Freistaat Bayern und/oder der Versicherungskammer dahin einigen können, daß sie für die Versorgungsanstalt die Verwaltung übernehme (Organleihe). Dem folge der Senat nicht. Sachkompetenz und Organisationsgewalt stellten unterschiedliche Fragenkomplexe dar. Das Verfassungsrecht erlaube nicht, die Organisationsgewalt lediglich als Folge oder Funktion einer materiellrechtlichen Handlungsbefugnis zu erkennen.
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Der sogenannte institutionelle Gesetzesvorbehalt komme zum Tragen, weil die Zurverfügungstellung einer Verwaltungseinheit für einen anderen Hoheitsverband die organisatorische Grundordnung der Verwaltung im Bundesstaat berühre. Träger öffentlicher Verwaltung könnten sich nicht beliebig anderer Verwaltungsträger bedienen, um durch sie eigene Angelegenheiten erledigen zu lassen. Dies werde durch dienstrechtliche Überlegungen bekräftigt. |
Die Betrauung der Versicherungskammer mit der Verwaltung und der Vertretung der Versorgungsanstalt dürfte schließlich auch unter dem rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt stehen. Im Rechtsstaat könne die Befähigung, Hoheitsgewalt durch Verwaltungsakte auszuüben, nicht ohne formell-gesetzliche Ermächtigung auf "Vertretungsbehörden" delegiert werden. Es genüge nicht, daß der Freistaat Bayern durch die bayerische Staatsregierung das Zusammenwirken von Versorgungsanstalt und Versicherungskammer gebilligt habe. Insbesondere habe die Zustimmung des Freistaats im Bundesrat zum Schornsteinfegergesetz die vorliegende Organleihe nicht begründen können.
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(3) § 38 Abs. 2 SchfG sei schließlich deshalb entscheidungserheblich, weil sonst kein Rechtsakt ersichtlich sei, der die Einbeziehung der Versicherungskammer in die Organisation der Versorgungsanstalt wirksam regelte. Die Versorgungsanstalt sei eine bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts, die gemäß Art. 86 Satz 2 GG von der Bundesregierung organisiert werde, soweit das Gesetz nichts anderes bestimme. Die Bundesregierung habe die Versicherungskammer mit der "Geschäftsführung" der Versorgungsanstalt nie betraut. Der Vertrag vom 20. Dezember 1950 sei nicht wirksam geworden, weil der Vorstand der Versorgungsanstalt zum Verzicht auf eigene Befugnisse nicht ermächtigt gewesen sei. Der Vertrag sei nicht durch die Billigung des aufsichtführenden Bundesministers wirksam geworden. Auch mit oder nach Erlaß des Schornsteinfegergesetzes habe die Bundesregierung die Organisation der Versorgungsanstalt nicht geregelt. Durch die bloße Duldung eines wegen Verletzung von Art. 86 Satz 2 GG grundgesetzwidrigen Zustands durch die Bundesregierung sei der Zugriff der Versorgungsanstalt auf das Verwaltungspotential der Versicherungskammer nicht rechtmäßig geworden. Diese sei daher vor Erlaß des § 38 Abs. 2 SchfG nicht wirksam mit der Verwaltung und Vertretung der Versorgungsanstalt betraut worden. |
b) § 38 Abs. 2 SchfG sei verfassungswidrig. Es gebe keine allgemeine oder besondere Kompetenznorm, die es dem Bund erlaubte, die Versicherungskammer in die Organisation der Versorgungsanstalt einzubeziehen.
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(1) Die Versorgungsanstalt sei ein Sozialversicherungsträger im Sinne des Art. 87 Abs. 2 GG. Zwar gehöre die Zusatzversorgung im Schornsteinfegerhandwerk nicht zu den klassischen Gegenständen der Sozialversicherung. Es sei aber anerkannt, daß der in Art. 74 Nr. 12 GG gleichbedeutend verwendete Begriff der Sozialversicherung über die herkömmlichen Zwangsversicherungen hinausgehe. Er umfasse alle diejenigen Versorgungen, die wegen eines sozialen Bedürfnisses als Ausgleich von Lasten der persönlichen Lebensführung durch Risikoverlagerung auf eine Gemeinschaft gewährt würden.
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(2) Die Sozialversicherung durch bundesunmittelbare Körperschaften stehe als obligatorische bundeseigene Verwaltung unter dem Organisationsrecht des Art. 86 GG. § 38 Abs. 2 SchfG sei ein Gesetz im Sinne des Art. 86 Satz 2 GG. Der Bund habe jedoch angesichts der föderativen Grundstruktur des Grundgesetzes keine Befugnis vorzuschreiben, daß eine bundesunmittelbare Körperschaft der bundeseigenen Verwaltung durch eine Landesbehörde verwaltet und vertreten werde. Der Bund sei darauf beschränkt, mit eigenen Sachmitteln und Bediensteten eine solche Behörde zu organisieren, unbeschadet der Möglichkeit, einen privaten Unternehmer zu beleihen. Der Bund könne nicht legislatorisch über den Einsatz von Landesbehörden verfügen, selbst wenn der betroffene Rechtsträger damit einverstanden sei. § 38 Abs. 2 SchfG beruhe nicht auf einer Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes. Als unzulässiger Eingriff des Bundes in die Sphäre des Landesrechts verletze er das bundes staatliche Prinzip. Auch wenn man einen Staats- oder Verwaltungsvertrag als Voraussetzung für die in § 38 Abs. 2 SchfG getroffene Regelung genügen lassen wollte, wäre das Ergebnis nicht anders; ein solcher Vertrag sei nicht geschlossen worden. |
III. |
Zu der Vorlage haben sich der Bundesminister für Wirtschaft namens der Bundesregierung, der Bayerische Ministerpräsident, das Bundesverwaltungsgericht, das Bundessozialgericht und die Versorgungsanstalt der deutschen Bezirksschornsteinfegermeister geäußert.
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1. Der Bundesminister für Wirtschaft hält die Vorlage für unbegründet.
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a) Die Kompetenz des Bundes zur Regelung der Altersversorgung im Schornsteinfegerhandwerk sei nicht zweifelhaft.
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b) Durch § 38 Abs. 2 SchfG sei eine Organleihe begründet worden. Die Organleihe sei in der Staatspraxis als "hergebrachtes Rechtsinstitut" anerkannt. Sie sei jedenfalls dann zulässig, wenn sie auf einen eng umschriebenen Aufgabenbereich oder konkrete Einzelfälle beschränkt bleibe. Sie liege unterhalb der Schwelle der von der Verfassung vorgenommenen Kompetenzverteilung. Da sie -- in Grenzen angewendet -- das Bund-Länder- Verhältnis nicht zu beeinträchtigen vermöge und auch kein verfassungsrechtliches Gewicht besitze, setze die Anwendung dieses Rechtsinstituts nicht voraus, daß es im Grundgesetz ausdrücklich zugelassen sei.
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c) Eine Organleihe von Landesbehörden an Bundesbehörden könne -- mit Zustimmung der entliehenen Behörde -- durch Bundesgesetz begründet werden. Die Versicherungskammer nehme für die Versorgungsanstalt nur eng umschriebene Aufgaben wahr, die lediglich Hilfsfunktionen darstellten; alle wesentlichen Entscheidungen würden vom Vorstand und von der Vertreterversammlung der Versorgungsanstalt getroffen. Die Geschäftsführung stehe unter einer wirksamen Kontrolle von Vertreterversammlung, Vorstand und Aufsichtsbehörde. Dem Frei staat Bayern werde weder eine Kompetenz aufoktroyiert, noch werde er in der Ausübung seiner Kompetenzen behindert. |
Die Organleihe führe nicht zu einer Kompetenzverschiebung zwischen dem Bund und dem Freistaat Bayern und auch nicht zu einer unzulässigen Mischverwaltung.
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Die Organleihe sei mit Zustimmung der entliehenen Behörde und des Freistaats Bayern begründet worden. An den bereits durch die Vereinbarung vom 20. Dezember 1950 und die Satzung vom 17. April 1953 begründeten Rechtszustand habe der Gesetzgeber bei Erlaß des Schornsteinfegergesetzes anknüpfen können und wollen. Das von der Versicherungskammer und dem Bayerischen Staatsminister des Innern früher geäußerte Einverständnis mit der Organleihe wirke fort. Im übrigen habe der Freistaat im Bundesrat nach entsprechendem Beschluß des Ministerrats dem Schornsteinfegergesetz zugestimmt.
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d) Die Inanspruchnahme der Versicherungskammer sei schließlich aus verwaltungsökonomischen Gründen geboten. Der Aufbau einer eigenen Organisation bei der Versorgungsanstalt hätte zu einem unvertretbaren Verwaltungsmehraufwand geführt. Es sei sinnvoll gewesen, auf eine vorhandene Behörde zurückzugreifen.
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2. Auch der Bayerische Ministerpräsident hält die Vorlage für unbegründet. § 38 Abs. 2 SchfG stelle keinen unzulässigen Eingriff des Bundes in das Organisationsrecht eines Landes dar. Die Bestimmung sei verfassungsgemäß zustandegekommen. Der Gesetzgeber habe die Verwaltung der Versorgungseinrichtung durch die Versicherungskammer vorgefunden; sie habe sich in der Praxis bewährt und sei vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 27, 228) gebilligt worden.
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Der Freistaat Bayern als Träger des entliehenen Organs habe der Organleihe wirksam zugestimmt. Für die Zustimmung sei ein Tätigwerden des Landesgesetzgebers nicht erforderlich gewesen.
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§ 38 Abs. 2 SchfG verstoße nicht gegen die Bestimmungen der Art. 83 ff. GG. Der Gesetzgeber habe von Art. 87 Abs. 2 GG Gebrauch gemacht, der auch die rechtsfähigen Anstalten des öffentlichen Rechts umfasse. Wegen des Charakters der Versicherungskammer als Selbstverwaltungsorgan der Anstalten sei durch die Übertragung der Anstaltsverwaltung auf diese Behörde keine unzulässige Mischverwaltung entstanden. Die Aufsicht über die Versorgungsanstalt und deren -- entliehene -- Verwaltung führe in fachlicher Hinsicht der Bundesminister für Wirtschaft. Es liege weder eine Überordnung einer Bundes- über eine Landesbehörde noch ein Zusammenwirken von Bundes- und Landesbehörden durch Zustimmungserfordernisse vor. |
§ 38 Abs. 2 SchfG trage organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten Rechnung. Bei der Versorgungsanstalt handle es sich um eine verhältnismäßig kleine Versorgungseinrichtung, deren Finanzkraft die Unterhaltung eines eigenen effektiven Verwaltungsapparats kaum zuließe. Die Anbindung an eine leistungsfähige Organisationseinheit sei zur Sicherung der Lebensfähigkeit der Anstalt unerläßlich.
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3. Der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Äußerung des 5. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vorgelegt. Dieser weist auf die Entscheidung BVerwGE 27, 228 hin und erwähnt ein Urteil vom 13. November 1980 (GewArch 1981, S. 171), in dem er ohne nähere Begründung von der Rechtsgültigkeit des § 38 Abs. 2 SchfG ausgegangen sei. Der Senat neige dazu, diese Bestimmung für verfassungsgemäß zu halten.
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4. Der Präsident des Bundessozialgerichts hat eine Äußerung des 4. Senats des Bundessozialgerichts vorgelegt. Dieser hat § 38 Abs. 2 SchfG bisher nicht angewendet und hält es auch kaum für denkbar, daß die Vorschrift jemals im Sozialrechtsweg angewendet und geprüft werden könnte. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit kennten auf ihrem Rechtsgebiet auch keine ähnlichen Rechtsfragen.
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a) § 38 Abs. 2 SchfG sei für das Ausgangsverfahren nicht entscheidungserheblich.
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(1) Es könne dahinstehen, ob die Bestellung eines Pflegers für die Versorgungsanstalt (im Falle der Verfassungswidrigkeit des § 38 Abs. 2 SchfG) für den Ausgang des Rechtsstreits erheblich sei. Der Begründung der Entscheidungserheblichkeit unter diesem Gesichtspunkt in dem Vorlagebeschluß komme kein selbständiger Charakter zu.
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(2) Gegen die Erwägung, die Versicherungskammer könne nicht ohne besondere Rechtsgrundlage für die Versorgungsanstalt tätig werden, seien allgemeine Bedenken zu erheben. Es sei nicht erkennbar, weshalb die Frage der Vertretung für die Streitentscheidung in materiellrechtlicher Hinsicht maßgeblich sein sollte. Auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht sei zu bezweifeln, ob die Frage der Handlungsfähigkeit der Versorgungsanstalt entscheidungserheblich sei.
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(3) Im übrigen bedürfe es für die in Frage stehende Organleihe keiner besonderen formalgesetzlichen Grundlage. Ob die Versorgungsanstalt auch ohne § 38 Abs. 2 SchfG handlungsfähig wäre, sei nicht eine Frage des Verhältnisses von Sachkompetenz und Organisationsgewalt; es gehe ausschließlich um die Frage, ob eine Organleihe nur aufgrund spezieller gesetzlicher Vorschrift etabliert werden könne.
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Der Verwaltungsgerichtshof verkenne das Wesen der vorliegenden Organleihe. Es gehe im Grunde lediglich um eine "Organwalterleihe". Durch sie werde die organisatorische Grundordnung der Verwaltung im Bundesstaat nicht berührt. Es werde lediglich das "Substrat eines Organs" eines Rechtsträgers mit zusätzlichen Aufgaben betraut. Die Organleihe sei eher eine rechtstechnische Hilfsfigur. Entbehre sie aber des grundsätzlich eingreifenden, wie überhaupt des organisatorisch- grundlegenden Charakters, so entziehe sie sich schon dem Ansatz nach den Erfordernissen des institutionellen Gesetzesvorbehalts. Dies werde bestätigt durch die neuere Entwicklung der allgemeinen Lehre vom Gesetzesvorbehalt. Die Lehre vom institutionellen Gesetzesvorbehalt gehe in die ausgreifendere Wesentlichkeitslehre ein. Auch aus "dienstrechtlichen" Gründen greife ein Gesetzesvorbehalt nicht ein. |
Die für die Organleihe notwendige allgemeine Rechtsgrundlage ergebe sich aus ihrer allgemeinen "Anerkennung" als organisationsrechtliche Rechtsfigur. Daß insofern nicht auf eine geschriebene Rechtsgrundlage zurückgegriffen werden könne, schade nichts.
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Dem Vorlagebeschluß könnte auch in der Meinung nicht gefolgt werden, die Organleihe als solche müßte zu verfassungsrechtlich unerträglich unklaren und kollisionsbehafteten juristischen Gemengelagen führen, fehlte es an einer formell-gesetzlichen Fixierung. Die Organleihe sei ein Institut mit substantieller Durchsichtigkeit und klaren Rechtskonsequenzen. Ein Indiz dafür, daß es für eine Organleihe keiner speziellen gesetzlichen Grundlage bedürfe, sei auch die exekutive Praxis, in der Organleihen vielfach in Verwaltungsvereinbarungen vorgesehen würden.
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Zu keinem anderen Ergebnis könne auch die auf den "rechtsstaatlichen" Gesetzesvorbehalt gestützte Argumentation des Vorlagebeschlusses führen. Dabei sei schon der Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichtshofs, Hoheitsbefugnisse dürften nicht ohne gesetzliche Ermächtigung auf Vertretungsbehörden delegiert werden, unrichtig. Eine die Zuständigkeitsordnung verschiebende "Delegation" liege nicht vor. Ein "organisationsrechtliches Mandat", sofern man ein solches annähme, stellte keinen Fall der Delegation dar. Bei der Organleihe werde die normative Zuständigkeitsordnung nicht verändert. Mit der Wahl des Wortes "Geschäftsführung" (§ 38 Abs. 2 SchfG) werde zutreffend zum Ausdruck gebracht, daß keine eigentliche Vertretung, sondern nur ein organschaftliches Handeln vorliege.
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Die Bundesregierung habe von ihrer Organisationsgewalt wirksam dadurch Gebrauch machen können, daß sie die bestehende Organisation akzeptiert habe; eines besonderen "Kreativakts" der Organleihe habe es nicht bedurft. Die Voraussetzungen des Art. 86 Satz 2 GG seien erfüllt. Daran ändere auch nichts der Umstand, daß die Vorlage die Vereinbarung vom 20. Dezember 1950 für unwirksam halte. Aus der Genehmigung dieser Vereinbarung durch den Bundesminister für Wirtschaft und weiteren Einzelakten folge jedenfalls, daß der Bund die bestehende, vorgefundene und funktionierende Organleihe in seinen Willen aufgenommen habe. Die Genehmigung wäre auch bei Unwirksamkeit der Vereinbarung nicht nichtig. Der Bundesgesetzgeber habe sie -- unabhängig von § 38 Abs. 2 SchfG -- gebilligt. Zumal das Gesetz zur Ordnung des Schornsteinfegerwesens vom 22. Januar 1952 (BGBl. I S. 75) lasse dies erkennen.
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Selbst wenn man vor Erlaß des Schornsteinfegergesetzes eine gesetzliche Rechtsgrundlage für die Organleihe vermißte, so müßte gleichwohl eine gewohnheitsrechtliche Grundlage anerkannt werden.
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(4) Von der Frage der Rechtsgrundlage sei das weitere Erfordernis der Übereinstimmung der beteiligten Zuständigkeitsträger im Bundesstaat zu unterscheiden. Sie sei erforderlich; einer besonderen Form der Vereinbarung bedürfe es indes nicht. Die Billigung seitens des Bundes und des Freistaats Bayern hinsichtlich der Wahrnehmung der Geschäftsführung der Versorgungsanstalt durch die Versicherungskammer liege vor. Dies werde auch durch entsprechende Erklärungen Bayerns im Bundesrat bestätigt.
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Auf § 38 Abs. 2 SchfG komme es mithin nicht an; die Vorschrift bestätige nur die schon vor ihr und unabhängig von ihr vorhandene Rechtslage.
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(5) Dem könne nicht entgegengehalten werden, für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit sei die Auffassung des vorlegenden Gerichts maßgeblich. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs sei unhaltbar. Es komme auch schon für die Frage der Entscheidungserheblichkeit wesentlich auf verfassungsrechtliche Erwägungen an. Mithin sei die Prüfung der Entscheidungserheblichkeit Sache des Bundesverfassungsgerichts. |
b) Die Vorlage sei jedenfalls unbegründet.
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(1) Die Organwalterleihe bedeute keinen Eingriff in die Organisation der Länder, die durch eine derartige, technisch bedingte Ausleihe unberührt bleibe. Die verfassungsrechtlich geprägte Kompetenzordnung werde nicht angetastet. Bei der Organleihe handle es sich nicht um eine Sonderform der sogenannten Mischverwaltung zwischen Bund und Land. Sie sei als allgemeines Institut gerade auch im Verhältnis zwischen Bund und Ländern anerkannt.
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(2) Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs hätte im übrigen zur Folge, daß die Organleihe im Verhältnis Bund- Länder grundsätzlich unzulässig wäre. Diesem Ergebnis stünde nicht nur die Entscheidung BVerfGE 32, 145 entgegen. Die Folge wäre auch ein unnötiger Verwaltungsaufwand. Nur eine erstaunlich weltfremde Betrachtung könne dazu führen, Art. 87 GG so zu verstehen, daß Organleihen im Bund-Länder-Verhältnis allgemein unzulässig seien. Eine Begründung für eine derart weitreichende These sei der Vorlage im übrigen nicht zu entnehmen.
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B. |
Die Vorlage ist zulässig.
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1. a) Das vorlegende Gericht hält § 38 Abs. 2 SchfG nicht allein für die von ihm zu treffende Endentscheidung, sondern bereits für eine Zwischenentscheidung, nämlich die Entscheidung darüber, ob für die Versorgungsanstalt ein Pfleger zu bestellen sei, für entscheidungserheblich. Auch für eine solche Entscheidung, durch die das gerichtliche Verfahren noch nicht im gegebenen Rechtszug abgeschlossen wird, kann es auf die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Bestimmung unerläßlich ankommen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungs gerichts sind Vorlagen in einer solchen Verfahrenslage aber nur in Grenzen zulässig. Dies folgt aus dem Grundgedanken der Subsidiarität der Verfassungsgerichtsbarkeit, der auch in Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG zum Tragen kommt: Die mit dem Normenkontrollverfahren verbundene Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts und weiterer oberster Verfassungsorgane des Bundes und der Länder (vgl. § 82 BVerfGG) läßt sich nur rechtfertigen, wenn sie zur Entscheidung eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens (oder auch schon für eine Entscheidung in einem solchen Verfahren) unerläßlich ist (vgl. BVerfGE 11, 330 [335]; 47, 146 [154]). Daran fehlt es zumal -- noch -- dann, wenn der weitere Verfahrensablauf dazu führen kann, daß es auf die Klärung der Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Norm nicht mehr ankommt. So hat das Bundesverfassungsgericht etwa Vorlagen dann nicht zugelassen, wenn das vorlegende Gericht sich auf diesem Weg eine Beweisaufnahme ersparen wollte (BVerfGE 47, 146 [152 f.] m. w. N.). In der Regel kann einem Gericht angesonnen werden, für eine von ihm für erforderlich gehaltene Zwischenentscheidung von der Verfassungsmäßigkeit einer entscheidungserheblichen Norm -- einstweilen -- auszugehen und möglicherweise auch verfahrensrechtliche Vorkehrungen für den Fall zu treffen, daß sich die Verfassungswidrigkeit später herausstellen sollte. Eine Vorlage kommt aber -- ausnahmsweise -- dann in Betracht, wenn sie sich von der gegebenen Verfahrenslage her auch schon für eine gerichtliche Zwischenentscheidung als unerläßlich erweist. Das kann etwa der Fall sein, wenn der in Rede stehenden Zwischenentscheidung (oder deren Unterbleiben) für den weiteren Ablauf und die weitere Gestaltung des Ausgangsverfahrens wesentliche Bedeutung zukommt und deshalb -- nicht zuletzt mit Blick auf die Interessen der Verfahrensbeteiligten -- eine Klärung der Verfassungsmäßigkeit der schon für die Zwischenentscheidung erheblichen Norm dringend geboten erscheint. In einer solchen Verfahrenslage ist eine Vorlage zumal dann sinnvoll, wenn nicht abzusehen ist, daß das Verfahren -- ohne Richtervorlage -- möglicherweise einen Verlauf nimmt, bei dem es auf die Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Norm nicht mehr ankommt. |
Im vorliegenden Ausgangsverfahren sieht sich der Verwaltungsgerichtshof vor die Entscheidung gestellt, für die beklagte Versorgungsanstalt -- für den Fall der Ungültigkeit des § 38 Abs. 2 SchfG -- einen Pfleger zu bestellen; einer Pflegerbestellung bedarf es seiner Auffassung nach hingegen nicht, wenn § 38 Abs. 2 SchfG verfassungsmäßig ist. Von dieser -- nicht offenkundig unhaltbaren -- Entscheidungslage des vorlegenden Gerichts ist auszugehen. Die in Rede stehende Zwischenentscheidung (oder deren Unterbleiben) beeinflußte das weitere Verfahren wesentlich. Sie beträfe insbesondere die Rechtsstellung der beklagten Versorgungsanstalt im Verfahren, zumal ihre Fähigkeit, ihre Verfahrensrechte hierbei selbst wahrzunehmen. Schon mit Blick auf die Interessen der am Verfahren Beteiligten kann nicht verlangt werden, der Verwaltungsgerichtshof solle -- ausgehend von der Annahme, § 38 Abs. 2 SchfG sei verfassungsmäßig -- von einer Pflegerbestellung einstweilen absehen; dies führte für den Fall, daß § 38 Abs. 2 SchfG verfassungswidrig sein sollte, möglicherweise zu wesentlichen Mängeln des gerichtlichen Verfahrens; eine solche Verfahrensweise wäre auch nicht zweckmäßig. Ebensowenig kann gefordert werden, das vorlegende Gericht solle -- ausgehend von seiner Auffassung, § 38 Abs. 2 SchfG sei verfassungswidrig -- vorsorglich einen Pfleger für die Versorgungsanstalt bestellen; dies bedeutete, falls die verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofs sich als unbegründet erwiesen, einen nachhaltigen Eingriff in die Parteistellung der Versorgungsanstalt; er wäre nicht zuletzt im Hinblick auf verfassungsrechtliche Verfahrensgewährleistungen nicht hinnehmbar. Es ist überdies nicht ersichtlich, inwiefern durch den weiteren Verfahrensablauf die Klärung der Handlungsfähigkeit der Versorgungsanstalt, für die es nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs auf die Verfassungsmäßigkeit des § 38 Abs. 2 SchfG ankommt, überflüssig werden könnte, sieht man von der Möglichkeit einer außergerichtlichen Beilegung oder einer durch Umstände außerhalb des gerichtlichen Verfahrens bewirkten Erledigung der Ausgangsstreitigkeit ab. |
b) Auch für die zu treffende Endentscheidung hält der Verwaltungsgerichtshof § 38 Abs. 2 SchfG für entscheidungserheblich. Er erachtet die Berufung des Klägers des Ausgangsverfahrens ersichtlich für begründet, falls § 38 Abs. 2 SchfG verfassungswidrig sein sollte. Zu welchem Ergebnis er demgegenüber gelangte, sollte § 38 Abs. 2 SchfG verfassungsgemäß sein, legt die Vorlage aber nicht dar. Ihr ist nicht zu entnehmen, ob die Berufung dann zurückzuweisen oder ob ihr möglicherweise aus anderen Gründen stattzugeben wäre.
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Grundsätzlich muß die Begründung einer Richtervorlage erkennen lassen, daß das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis als im Falle ihrer Ungültigkeit gelangen und wie es dieses Ergebnis begründen würde (BVerfGE 7, 171 [173 ff.]; st. Rspr.). Das Bundesverfassungsgericht hat demgemäß Vorlagen für unzulässig erklärt, wenn das vorlegende Gericht bei Gültigkeit wie bei Ungültigkeit des Gesetzes dieselbe Entscheidung zu fällen hätte (vgl. BVerfGE 14, 308 [311]; 10, 258 [261]). Auch alternative Erwägungen zwischen der Gültigkeit und der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes ermöglichen nicht schlechthin die Vorlage (BVerfGE 47, 146 [164 f.]).
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Von diesem Grundsatz gibt es nach der Rechtsprechung des Gerichts Ausnahmen. Sie können sich aus der rechtsstaatlichen Funktion der materiellen Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen ergeben. Eine Vorlagepflicht besteht insbesondere dann, wenn -- etwa infolge einer tragenden alternativen Begründung -- die Rechtskraftwirkungen einer Entscheidung im unklaren blieben und aus diesem Grund weiterer Rechtsstreit über künftiges Verhalten zwischen den Beteiligten zu gewärtigen ist. Dies ist zumal bei verwaltungsgerichtlichen Urteilen der Fall, wenn sich ihre materielle Rechtskraft auf das Verhalten der Betei ligten auch für die Zukunft auswirkt. Gerade wenn es naheliegt, daß sich die Beteiligten für ihr künftiges Verhalten am Inhalt der ergangenen Entscheidung ausrichten, ist eine Vorlage geboten (vgl. BVerfGE 47, 146 [161 ff.]). So hat das Bundesverfassungsgericht verschiedentlich im Hinblick auf eine drohende Unklarheit der Rechtskraftwirkung im Ausgangsverfahren ausgesprochen, daß in bestimmten Rechtslagen ein Gericht seine Entscheidung nicht zugleich alternativ auf die Verfassungswidrigkeit oder auf die Gültigkeit eines Gesetzes stützen dürfe, selbst wenn die Entscheidungsformel dadurch unberührt bliebe (BVerfGE 13, 97 [103 f.]; 18, 353 [360]; dazu auch BVerfGE 47, 146 [162]). Wesentlich ist mithin, ob eine Entscheidung die Rechtslage trotz tragender alternativer Begründung (oder einer lediglich von der -- als gegeben unterstellten -- Gültigkeit der in Rede stehenden Norm ausgehenden Begründung) abschließend klärt. |
Im Ausgangsverfahren stehen mit der Gültigkeit des § 38 Abs. 2 SchfG nicht allein die von dem Kläger angegriffenen Beitragsbescheide in Rede. Vielmehr ist grundsätzlich zweifelhaft, ob die Versicherungskammer für die Versorgungsanstalt handeln und Akte gegenüber dem Kläger (wie auch gegenüber anderen) erlassen durfte. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs könnte sich die Ungültigkeit des § 38 Abs. 2 SchfG auf das Versicherungsverhältnis schlechthin rechtlich auswirken. Bei dieser Sachlage liegt es nahe, daß sich die Beteiligten für ihr künftiges Verhalten am Inhalt der im Ausgangsverfahren ergehenden Entscheidung ausrichten werden. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, die die Klage als begründet erachtete mit der alternativen Begründung, entweder habe die Versicherungskammer für die Versorgungsanstalt nicht handeln dürfen oder die angegriffenen Akte seien aus anderen Gründen rechtswidrig (oder auch eine nur auf diese Begründung gestützte Entscheidung), beließe es bei der Unklarheit darüber, ob die Versicherungskammer im weiteren für die Versorgungsanstalt gegenüber dem Kläger handeln darf. Ungeklärt bliebe auch, ob das Versicherungsverhältnis zwischen dem Kläger und der Versorgungsanstalt überhaupt besteht, was nach vertretbarer Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs möglicherweise auch von der Gültigkeit des § 38 Abs. 2 SchfG abhängt. Demnach wäre weiterer Rechtsstreit über künftige zu erwartende Akte der Versicherungskammer für die Versorgungsanstalt (Beitragsbescheide, Entscheidungen über Versorgungsleistungen) zu gewärtigen. |
2. Das vorlegende Gericht hat deutlich gemacht, weshalb es nach seiner Auffassung für die angeführten Entscheidungen auf die Gültigkeit des § 38 Abs. 2 SchfG ankommt.
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a) Die Auffassung, für die Betrauung der Kammer mit der Geschäftsführung der Anstalt bedürfe es einer förmlichen gesetzlichen Grundlage, ist jedenfalls nicht unhaltbar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß der Verwaltungsgerichtshof schon im Ansatz Bedeutung und Tragweite der von ihm nach § 38 Abs. 2 SchfG als gegeben erachteten "Organleihe" wesentlich verkannt hätte; ob eine "Delegation", ein "Vertretungsverhältnis", eine "Organleihe" oder eine "Organwalterleihe" vorliegt, kann im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung auf sich beruhen.
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Auch die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, § 38 Abs. 2 SchfG sei aus dem weiteren Grund entscheidungserheblich, daß außer dieser Bestimmung kein "Rechtsakt" ersichtlich sei, der die Einbeziehung der Versicherungskammer in die Organisation der Versorgungsanstalt wirksam regelte, beruht auf jedenfalls nicht unhaltbaren Erwägungen. Dies gilt zumal für die Erwägung, die Bundesregierung habe die Versicherungskammer mit der Geschäftsführung nicht betraut, sowie hinsichtlich der Darlegungen zur Wirksamkeit der Vereinbarung vom 20. Dezember 1950 und zur Bedeutung der Akte der Bundesregierung in diesem Zusammenhang und im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Schornsteinfegergesetzes.
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b) Die Rechtsansicht des vorlegenden Gerichts zur Entscheidungserheblichkeit des § 38 Abs. 2 SchfG ist -- wie aufgezeigt -- nicht unhaltbar. Von ihr geht das Bundesverfassungsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit der Vorlage aus (st. Rspr.; etwa BVerfGE 46, 268 [283]). Es besteht keine Veranlassung, im vorliegenden Fall die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts zur Entscheidungserheblichkeit des § 38 Abs. 2 SchfG in vollem Umfang nachzuprüfen, etwa weil sie -- wie die Versorgungsanstalt meint -- "beherrschend" ("von Vor- und Randfragen abgesehen") von verfassungsrechtlichen Fragen abhinge. |
Das Bundesverfassungsgericht hat zwar entschieden, daß es an die Rechtsansicht des vorlegenden Gerichts hinsichtlich der Entscheidungserheblichkeit -- ausnahmsweise -- dann nicht gebunden ist, wenn sie von der Beurteilung verfassungsrechtlicher Fragen abhängt (BVerfGE 46, 268 [284]; 48, 29 [38]). Mithin kann eine Nachprüfung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs in vollem Umfang in Betracht kommen, soweit sie auf verfassungsrechtlichen Erwägungen beruht. Zu einer solchen Nachprüfung ist das Bundesverfassungsgericht aber nicht verpflichtet; es kann im einzelnen Fall davon absehen:
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Die Klärung der Entscheidungserheblichkeit einer gesetzlichen Norm (zunächst durch das vorlegende Gericht selbst) dient in erster Linie dazu, eine unnötige Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts und weiterer oberster Verfassungsorgane des Bundes und der Länder zu vermeiden (vgl. BVerfGE 11, 330 [335]); eine Vorlage ist grundsätzlich nur gerechtfertigt, wenn feststeht, daß sie für eine Entscheidung im Ausgangsrechtsstreit unerläßlich ist. Mit Blick auf diesen Zweck ist es auch angezeigt, daß das Bundesverfassungsgericht von sich aus prüft, ob das vorlegende Gericht die Entscheidungserheblichkeit hinreichend dargetan hat. Diese Prüfung findet in der Regel eine Grenze insoweit, als das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht beurteilt, ob die vom Ausgangsgericht bei der Begründung der Entscheidungserheblichkeit vorgenommene Auslegung und Anwendung des sogenannten einfachen Rechts nach Maßgabe dieses Rechts zutreffend ist, sofern sie nicht offensichtlich unvertretbar ist. Das Bundesverfassungsgericht überschreitet die Grenzen seiner Gerichtsbarkeit indes nicht, wenn es die Beurteilung verfassungsrechtlicher Fragen nach prüft, auf die das vorlegende Gericht seine Erwägungen zur Entscheidungserheblichkeit gestützt hat. |
Die umfassende verfassungsgerichtliche Nachprüfung der Beurteilung verfassungsrechtlicher Fragen durch das vorlegende Gericht im Rahmen seiner Darlegungen zur Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm kann im Einzelfall aber unzweckmäßig sein. Zumal mit Blick auf den Zweck der Zulässigkeitsprüfung, eine übermäßige Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts durch Vorlagen zu vermeiden, wäre dies beispielsweise der Fall, wenn die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm von der Klärung umfassender und schwieriger verfassungsrechtlicher Vorfragen abhinge, deren Nachprüfung (allein zur Klärung der Frage, ob die Vorlage zulässig ist) das Bundesverfassungsgericht gleichermaßen oder gar mehr belastete als eine Entscheidung über die Vorlage in der Sache. In einem solchen Fall ist es ersichtlich zweckmäßiger, von der Beurteilung des vorlegenden Gerichts auch in bezug auf verfassungsrechtliche Vorfragen, sofern sie nicht unhaltbar ist, auszugehen und die danach entscheidungserhebliche Norm auf ihre Gültigkeit hin nachzuprüfen.
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Im vorliegenden Verfahren sprechen folgende Gründe dagegen, die verfassungsrechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs schon bei der Darlegung der Zulässigkeit seiner Vorlage umfassend nachzuprüfen:
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Geht man von dem vertretbaren Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichtshofs aus, so hängt die Entscheidungserheblichkeit des § 38 Abs. 2 SchfG von der Klärung verschiedener, umfassender verfassungsrechtlicher Vorfragen ab. Dies gilt gleichermaßen für die Erwägung des vorlegenden Gerichts, ohne förmliche gesetzliche Grundlage dürfe die Versicherungskammer nicht für die Versorgungsanstalt tätig werden, wie für seine Auffassung, ein anderweitiger Rechtsakt, der die Einbeziehung der Kammer in die Anstalt regelte, sei nicht ersichtlich; nur wenn die verfassungsrechtliche Einschätzung hinsichtlich dieser beiden Erwägungen unzutreffend wäre, fehlte es -- möglicher weise -- an der Entscheidungserheblichkeit des § 38 Abs. 2 SchfG. Dies zu klären bedürfte zumal einer eingehenden Prüfung darauf, inwieweit organisationsrechtliche Regelungen von der Art des § 38 Abs. 2 SchfG vom Vorbehalt des Gesetzes erfaßt sind. In diesem Zusammenhang wäre auch näher auf Inhalt und Tragweite einer solchen Regelung einzugehen. Weitere verfassungsrechtliche Fragen wären im Hinblick auf die Auslegung und Anwendung des Art. 86 Satz 2 GG (möglicherweise auch des Art. 87 Abs. 2 GG) aufgeworfen. Wie der Verwaltungsgerichtshof dargelegt hat, wäre § 38 Abs. 2 SchfG möglicherweise nur dann nicht entscheidungserheblich, wenn die frühere Betrauung der Versicherungskammer mit der Geschäftsführung der Versorgungsanstalt ihrerseits wirksam war. Insoweit stellten sich weithin gleichgelagerte verfassungsrechtliche Fragen, wie sie die Vorlage auch in der Sache aufwirft. Zumal den vom Verwaltungsgerichtshof in der Sache gegen die Betrauung der Versicherungskammer mit der Geschäftsführung der Versorgungsanstalt vorgebrachten Bedenken müßte bereits im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung gleichermaßen nachgegangen werden. Unter diesen Umständen ist es nicht zweckmäßig, die Darlegungen des vorlegenden Gerichts zur Entscheidungserheblichkeit des § 38 Abs. 2 SchfG umfassend zu prüfen. Ohnehin erschiene es wenig sinnvoll, im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung hinsichtlich der Entscheidungserheblichkeit der in Rede stehenden Norm den früheren Rechtszustand, der im Falle der Verfassungswidrigkeit des § 38 Abs. 2 SchfG unter Umständen fortgälte, einer umfassenden verfassungsrechtlichen Prüfung zu unterziehen, die Verfassungsmäßigkeit der derzeit geltenden Regelung, die Teil einer umfassenden Neuregelung des Schornsteinfegerwesens ist und auf der auch Folgeregelungen, etwa die Satzung der Versorgungsanstalt, aufbauen, aber möglicherweise nicht zu klären. |
C. |
§ 38 Abs. 2 SchfG ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
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I. |
1. Die Bestimmung ist im Zusammenhang mit den weiteren Regelungen des Schornsteinfegergesetzes über die organisatorische Ausgestaltung der Versorgungsanstalt zu sehen: Die Versorgungsanstalt, der Träger der Zusatzversorgung im Schornsteinfegerhandwerk (§ 34 Abs. 1 SchfG), ist eine bundesunmittelbare rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 34 Abs. 2 SchfG). Als Einrichtung der mittelbaren Bundesverwaltung untersteht sie der ministeriellen Aufsicht (§ 42 SchfG). Ihre Angelegenheiten werden von drei Organen, der Vertreterversammlung, dem Vorstand und der Geschäftsführung wahrgenommen (§ 36 SchfG). § 38 Abs. 2 SchfG bestimmt in diesem Zusammenhang, daß die Geschäftsführung nicht eigenen Verwaltungseinrichtungen, sondern den Einrichtungen einer anderen Verwaltungskörperschaft obliegt. Die Bayerische Versicherungskammer nimmt mithin die Aufgaben dieses "Organs" der Versorgungsanstalt wahr. Der personelle und sächliche Verwaltungsbestand der Versicherungskammer ist insoweit in die Organisation der Versorgungsanstalt "eingegliedert": Die Versicherungskammer handelt als Organ der Versorgungsanstalt und unterliegt als solches der ministeriellen Aufsicht über diese Anstalt. Dementsprechend ist sie aus der Verwaltungsorganisation des Freistaats Bayern "ausgegliedert": Soweit sie die Geschäfte der Versorgungsanstalt führt, handelt sie nicht als Behörde des Freistaats Bayern; insoweit ist sie der Aufsicht übergeordneter Landesbehörden entzogen.
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Nähere Bestimmungen über die Art und Weise des Zusammenwirkens zwischen Versorgungsanstalt und Versicherungskammer enthält das Schornsteinfegergesetz allerdings nicht. Auch Art und Umfang der dem "Organ" Geschäftsführung zufallenden Aufgaben sind nicht im einzelnen geregelt. "Die Geschäftsführung" nimmt die ihr durch Gesetz oder Satzung übertragenen Aufgaben wahr; grundlegende Entscheidungen bleiben der Vertreterversammlung vorbehalten (vgl. § 37 Abs. 3 SchfG). Die von der Vertreterversammlung zu beschließende Satzung regelt insbesondere auch die Rechte und Pflichten der "Geschäftsführung" (vgl. § 39 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 SchfG). |
Rechte und Pflichten der Geschäftsführung im einzelnen ergeben sich aus § 11 der Satzung der Versorgungsanstalt vom 17. November 1970 (BAnz. Nr. 221 vom 27. November 1970). Neben der gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung (§ 11 Abs. 1 der Satzung) obliegt der Geschäftsführung die Verwaltung der Versorgungsanstalt, sofern Gesetz und Satzung nichts anderes bestimmen. Hierzu rechnen die laufenden Geschäfte, zumal auch die Feststellung und Zahlung der Leistungen (§ 11 Abs. 2 der Satzung), mithin der Erlaß außenwirksamer Akte. Die Satzung vom 17. November 1970 knüpft an die Satzung vom 17. April 1953 (BAnz. Nr. 93 vom 19. Mai 1953) an; darin war allgemein bestimmt, daß die Versicherungskammer die Aufgaben der Anstaltsverwaltung "als Auftragsorgan" wahrnimmt und insoweit die Versorgungsanstalt gerichtlich und außergerichtlich vertritt (§ 2 der Satzung). Von dieser bestehenden organisatorischen ausgestaltung ging ersichtlich auch der Gesetzgeber bei der Bestimmung des § 38 Abs. 2 SchfG aus. Mit Aufgaben der Geschäftsführung im Sinne dieser Bestimmung dürften demnach nicht allein verwaltungsinterne Vorgänge gemeint sein; sie umfassen auch außenwirksames Verwaltungshandeln.
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2. Die "Betrauung" einer Verwaltungskörperschaft mit Aufgaben des Organs einer anderen Verwaltungskörperschaft, wie sie in § 38 Abs. 2 SchfG erfolgt ist, wird in Schrifttum und Rechtsprechung zumeist als "Organleihe" ("Institutionsleihe") bezeichnet.
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a) Das Institut der sogenannten Organleihe ist dadurch gekennzeichnet, daß das Organ eines Rechtsträgers ermächtigt und beauftragt wird, einen Aufgabenbereich eines anderen Rechtsträgers wahrzunehmen. Das entliehene Organ wird als Organ des Entleihers tätig, dessen Weisungen es unterworfen ist und dem die von diesem Organ getroffenen Maßnahmen und Entscheidungen zugerechnet werden (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1976, Buchholz 11, Art. 104 a GG Nr. 2; Wolff/ Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Aufl., 1976, § 75 I a 1 ß, S. 62; Bachof, JZ 1966, S. 510 [513]; von Unruh in von Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Aufl., 1979, S. 110 f.; Rasch, DVBl. 1977, S. 144 [148]; Maunz in Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, Grundgesetz, Bearbeitung 1979, Art. 87, Rdnr. 38). Der Begriff "Organleihe" hat freilich keine festen Umrisse. Unter ihn werden verschiedenartige organisatorische Erscheinungsformen eingeordnet. Im einzelnen herrscht Unklarheit über die Abgrenzung zu ähnlichen organisatorischen Ausgestaltungen. Teilweise werden weitere begriffliche Unterscheidungen abgezweigt. |
b) Unbeschadet möglicher Grenzziehungen und Unterscheidungen im einzelnen kann als wesentlich für die gemeinhin als Organleihen bezeichneten verwaltungsorganisatorischen Erscheinungsformen das Merkmal der Amtshilfe angesehen werden: Ein Verwaltungsträger hilft einem anderen mit seinen personellen und sächlichen Mitteln aus, weil dieser aus Zweckmäßigkeitsgründen entsprechende Einrichtungen nicht schaffen will (vgl. BVerwG, Buchholz 11, Art. 104 a Nr. 2, S. 6; Bachof, JZ 1966, S. 510 [513]). Von der Amtshilfe im engeren Sinne (vgl. Art. 35 Abs. 1 GG) unterscheidet sich die sogenannte Organleihe insofern, als sie sich nicht auf eine Aushilfe im Einzelfall beschränkt, sondern die Übernahme eines ganzen Aufgabenbereiches aufgrund einer allgemeinen Regelung umfaßt (Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl., 1980, Art. 35, Rdnr. 7 a; Leonhardt in Stelkens/ Bonk/Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1978, § 4, Rdnr. 10). Kennzeichnend für die sogenannte Organleihe ist weiterhin, daß die "entliehene" Einrichtung Verwaltung für die "entleihende" ausübt. Der entliehenen Einrichtung wachsen keine neuen (eigenen) Zuständigkeiten zu. Es werden nicht Kompetenzen auf diese Einrichtung "verlagert"; "verlagert" werden vielmehr personelle und sächliche Verwaltungsmittel von der entliehenen Einrichtung zu der entleihenden Einrichtung. |
Ob im übrigen die Verwendung des Begriffs "Organleihe" hilfreich ist, mag angesichts der vielfältigen Unterschiede zwischen den so bezeichneten organisatorischen Erscheinungsformen dahinstehen. Die Zusammenfassung verwaltungsorganisatorischer Erscheinungsformen unter diesen Klassifikationsbegriff kann jedenfalls die Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit solcher organisatorischer Ausgestaltungen im einzelnen Fall nicht ersetzen; ein normativer Gehalt ist mit Klassifikationsbegriffen dieser Art nicht vorgegeben.
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II. |
1. Das Grundgesetz enthält keine allgemeinen Regelungen über die Zulässigkeit der "Betrauung" einer Verwaltungskörperschaft mit den Aufgaben des Organs einer anderen Verwaltungskörperschaft, wie sie in § 38 Abs. 2 SchfG erfolgt ist. Das gilt zumal auch für solche "Betrauungen" zwischen Verwaltungskörperschaften des Bundes und eines Landes. Insoweit bestehen auch keine ungeschriebenen verfassungsrechtlichen Regeln. Inwieweit "Betrauungen" der vorliegenden Art zulässig sind, bestimmt sich in erster Linie nach den jeweils einschlägigen Kompetenz- und Organisationsnormen. Anhand dieser Normen ist im einzelnen Fall zu prüfen, welche Grenzen der "Betrauung" einer Verwaltungskörperschaft mit den Aufgaben des Organs einer anderen Verwaltungskörperschaft gesetzt sind. Wesentlich ist dabei, in welcher Weise solche "Betrauungen" sich auf das verfassungsrechtliche Kompetenz- und Organisationsgefüge auswirken. Rechtliche Grenzen können sich im übrigen auch aus anderweitigen verfassungsrechtlichen Normen ergeben.
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2. Hinsichtlich der Verteilung der Verwaltungskompetenzen zwischen Bund und Ländern und der organisatorischen Ausgestaltung der bundeseigenen Verwaltung gelten die Bestimmungen des VIII. Abschnitts des Grundgesetzes (Art. 83 ff. GG). An diesen Bestimmungen ist "die Betrauung" der Versicherungs kammer, einer Landesbehörde, mit der Geschäftsführung der Versorgungsanstalt, einer bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts, zu messen. |
Art. 83 ff. regeln indes nicht in allen Einzelheiten, wie die Verwaltung organisatorisch auszugestalten ist; dies gilt auch im Blick auf die bundeseigene Verwaltung, derer sich das Grundgesetz in einzelnen Bestimmungen annimmt (vgl. Art. 86 ff. GG). Das Grundgesetz beläßt den zuständigen Organen des Bundes einen Spielraum für die organisatorische Ausgestaltung der in seine Zuständigkeit fallenden Verwaltungseinrichtungen; dem Bund steht insoweit ein weiter organisatorischer Gestaltungsbereich zu. Dies wird nicht zuletzt aus der allgemeinen Regelung des Art. 86 GG deutlich.
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Eines weiten Spielraums bei der organisatorischen Ausgestaltung der Verwaltung bedarf es, um den -- verschiedenartigen und sich ständig wandelnden -- organisatorischen Erfordernissen Rechnung tragen und damit eine wirkungsvolle und leistungsfähige Verwaltung gewährleisten zu können. Lediglich soweit das Grundgesetz ausdrückliche Schranken für die Regelung der Verwaltungsorganisation enthält, ist der Gestaltungsspielraum bei der organisatorischen Ausgestaltung der Verwaltung begrenzt. Einschränkungen können sich überdies aus den Regelungen hinsichtlich der Verwaltungskompetenz und im übrigen auch aus anderen (allgemeinen) verfassungsrechtlichen Bestimmungen ergeben.
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3. Bezüglich der organisatorischen Ausgestaltung der Versorgungsanstalt gilt Art. 87 Abs. 2 GG. Danach werden als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts diejenigen sozialen Versicherungsträger geführt, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.
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a) Die Versorgungsanstalt ist ein sozialer Versicherungsträger im Sinne dieser Norm.
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(1) Hinsichtlich der Kompetenznorm des Art. 74 Nr. 12 GG (konkurrierende Gesetzgebung für "die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung") hat das Bundesver fassungsgericht "Sozialversicherung" als -- weitgefaßten -- "verfassungsrechtlichen Gattungsbegriff" verstanden (BVerfGE 11, 105 [111 ff.]): |
Der Begriff umfasse alles, was sich der Sache nach als Sozialversicherung darstelle. Die Kompetenznorm (des Art. 74 Nr. 12 GG) ermögliche die Einbeziehung neuer Lebenssachverhalte in das Gesamtsystem "Sozialversicherung", wenn die neuen Sozialleistungen in ihren wesentlichen Strukturelementen, insbesondere in der organisatorischen Bewältigung ihrer Durchführung dem Bild entsprächen, das durch die "klassische" Sozialversicherung geprägt sei. Die einschränkende, enumerative Bedeutung, wie sie der Begriff "Sozialversicherung" im allgemeinen wie auch im fachwissenschaftlichen Sprachgebrauch häufig habe, könne nicht zugrundegelegt werden. Zur Sozialversicherung gehöre jedenfalls die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisatorische Vielfalt (vgl. BSGE 6, 213 [218, 227 f.]). Die Beschränkung auf Arbeitnehmer und auf eine Notlage gehöre nicht zum Wesen der Sozialversicherung. Außer dem sozialen Bedürfnis nach Ausgleich besonderer Lasten sei kennzeichnend die Art und Weise, wie die Aufgabe organisatorisch bewältigt werde: Träger der Sozialversicherung seien selbständige Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, die ihre Mittel durch Beiträge der "Beteiligten" aufbrächten (vgl. auch BVerfG, Beschluß vom 8. Dezember 1982 -- 2 BvL 12/79 --, Umdruck S. 14).
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Dieser Begriff der "Sozialversicherung" ist auch bei der Kompetenz- und Organisationsnorm des Art. 87 Abs. 2 GG zugrundezulegen.
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(2) Die in den §§ 29 bis 33 SchfG geregelte Zusatzversorgung im Schornsteinfegerhandwerk ist Sozialversicherung in diesem Sinne. Sie ist Teil einer umfassenden Alters- und Hinterbliebenenversorgung. Träger der Versicherung ist eine eigenständige juristische Person des öffentlichen Rechts (§ 34 Abs. 2 SchfG). Der -- in seiner Gesamtheit schätzbare -- Bedarf wird im wesentlichen durch Beiträge der Mitglieder der Anstalt gedeckt (vgl. § 43 Abs. 1, 2, § 35 SchfG). Es gilt Versicherungszwang (§ 35 SchfG). Auch die Versorgung selbständiger Hand werksmeister ist Sozialversicherung (vgl. schon BVerfGE 11, 105 [113]). Grundsätzlich ist die Handwerkerversicherung in die Sozialversicherung einbezogen (vgl. § 1 Abs. 1 HwVG); auch die besonders ausgestaltete Gesamtversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister rechnet dazu (Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts I, 1965, S. 378). Sozialversicherung schließt eine zur Grundversorgung hinzutretende Zusatzversorgung ein, zumal wenn sie Teil eines einheitlichen Gesamtversorgungssystems ist. |
Der Zuständigkeitsbereich der Versorgungsanstalt erstreckt sich auf das gesamte Bundesgebiet.
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b) Art. 87 Abs. 2 GG schreibt zweierlei vor:
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Landesübergreifende Versicherungsträger fallen in den Bereich derjenigen Verwaltung, die dem Bund als eigene Angelegenheit obliegt (bundeseigene Verwaltung im weiteren Sinne). Für die Verwaltung der sozialen Versicherungsträger sind die Länder nicht zuständig. Insoweit enthält Art. 87 Abs. 2 GG eine anderweitige Bestimmung im Sinne des Art. 83 GG. Darüber hinaus bestimmt Art. 87 Abs. 2 GG, daß die sozialen Versicherungsträger als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts zu führen sind. Damit ist eine mittelbare Verwaltung (durch eigenständige Körperschaften) vorgeschrieben; eine unmittelbare Verwaltung durch Bundesbehörden ist nicht zulässig.
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Wenn Art. 87 Abs. 2 GG für landesübergreifende soziale Versicherungsträger die bundeseigene Verwaltung vorschreibt, so bedeutet das in der Regel auch, daß die Verwaltungsaufgaben durch eigene Verwaltungseinrichtungen des Bundes wahrzunehmen sind. Deshalb ist hier zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine wie immer geartete "Beteiligung" einer Landesbehörde an dieser Verwaltung zulässig ist.
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(1) Im Schrifttum wird vielfach darauf hingewiesen, das Grundgesetz gehe von einer "Trennung der Verwaltungsräume" von Bund und Ländern aus (siehe etwa Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, 1980, § 41 VIII 1, S. 832; Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern in der Bundesrepublik Deutschland, 1967, S. 264; Ronellenfitsch, Die Mischverwaltung im Bundesstaat, 1975, S. 32 f., 248 ff.; auch schon Kratzer, DÖV 1950, S. 529 ff. [534]). Das Grundgesetz kenne in aller Regel nur die Verwaltung durch den Bund oder durch die Länder. Die Verwaltungskompetenzen von Bund und Ländern seien, sofern nicht ausdrücklich Abweichendes bestimmt sei, voneinander getrennt. Art. 83 ff. legten auch bestimmte "Verwaltungstypen" fest. Es gelte ein "numerus clausus der Verwaltungstypen". Hiervon abweichende Organisationsformen seien, soweit nicht eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Ermächtigung gegeben sei, nicht zulässig (vgl. dazu Maunz in Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, Grundgesetz, Bearbeitung 1961, Art. 83, Rdnr. 13, 48 [m. w. N.]; Ronellenfitsch, a.a.O., S. 252 ff.; Grawert, a.a.O., S. 190 ff. ["Geschlossenheit der bundesstaatlichen Verwaltungstypen"]). |
Zumal aus der "Trennung der Verwaltungsräume" und dem "numerus clausus der Verwaltungstypen" wird hergeleitet, es gelte das Verbot der sogenannten Mischverwaltung. Was unter Mischverwaltung zu verstehen ist und wie sie von anderen verwaltungsorganisatorischen Erscheinungsformen abzugrenzen ist, bleibt freilich unklar:
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Im Schrifttum wird der Begriff zumeist zur Kennzeichnung aller grundsätzlich unzulässigen Verbindungen zwischen Bund und Ländern auf dem Bereich der Verwaltung verwendet (Ronellenfitsch, a.a.O., S. 58). So verstanden bedeutet Mischverwaltung Einwand, Vorwurf oder Verbot; er dient geradezu zur "Stigmatisierung von Verfassungsbrüchen" (Ronellenfitsch, a.a.O., S. 49, m. w. N.), ist "Kampfbegriff" (Stern, a.a.O., § 41 VIII 1, S. 833). Er ist nicht anerkanntes Rechtsinstitut, sondern "juristisches Veto" (Ronellenfitsch, a.a.O., S. 17). Die Einordnung einer verwaltungsorganisatorischen Erscheinungsform als Mischverwaltung bedeutet danach zugleich ihre Beurteilung als rechtswidrig. Auch das Bundesverfassungsgericht hat verschie dentlich von dem "grundgesetzlichen Verbot der sogenannten Mischverwaltung" gesprochen (vgl. BVerfGE 32, 145 [156]; 39, 96 [120]; 41, 291 [311]; s. zur "Mischverwaltung" auch BVerfGE 11, 105 [124]). |
Wollte man in die begriffliche Einordnung die rechtliche Beurteilung nicht schon einschließen, so könnte Mischverwaltung verstanden werden als "jede funktionelle und organisatorische Verflechtung der Verwaltung von Bund und Ländern" (Ronellenfitsch, a.a.O., S. 58). Demnach wäre jede Verwaltungstätigkeit Mischverwaltung, bei der die sachlichen Entscheidungen in einem irgendwie gearteten Zusammenwirken von Bundes- und Landesbehörden getroffen werden (Maunz in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Bearbeitung 1961, Art. 83, Rdnr. 57).
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Die Verwendung des Begriffs "Mischverwaltung" mag zur klassifizierenden Kennzeichnung einer bestimmten Art verwaltungsorganisatorischer Erscheinungsformen sinnvoll sein. Für die Prüfung, ob ein Zusammenwirken von Bundes- und Landesbehörden bei der Verwaltung im konkreten Fall rechtlich zulässig ist, ergibt sich daraus nichts. Allgemeine Regeln lassen sich insoweit nur schwerlich aufstellen. Hierzu sind die organisatorischen Erscheinungsformen, die gemeinhin als Mischverwaltung angesehen werden, zu verschiedenartig. Auch die Kompetenz- und Organisationsnormen, anhand derer die rechtliche Zulässigkeit solcher organisatorischer Ausgestaltungen zu prüfen ist, sind zu unterschiedlich. Klassifizierungen verwaltungswissenschaftlicher Art können die rechtliche Beurteilung nicht ersetzen. Eine verwaltungsorganisatorische Erscheinungsform ist nicht deshalb verfassungswidrig, weil sie als Mischverwaltung einzuordnen ist, sondern nur, wenn ihr zwingende Kompetenz- oder Organisationsnormen oder sonstige Vorschriften des Verfassungsrechts entgegenstehen.
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(2) Für ein mögliches Zusammenwirken von Bundes- und Landesbehörden bei der Verwaltung ist mit Blick auf die Kompetenz- und Organisationsnormen der Art. 83 ff. GG von fol genden allgemeinen Grundsätzen auszugehen, die auch bei der Auslegung und Anwendung des Art. 87 Abs. 2 GG zu berücksichtigen sind: |
Die Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern sind in den Art. 83 ff. GG erschöpfend geregelt und grundsätzlich nicht abdingbares Recht (BVerfGE 32, 145 [156]; 39, 90 [190]; 41, 291 [311]). Bund und Länder dürfen von der in diesen Bestimmungen vorgeschriebenen "Verwaltungsordnung" nicht abweichen. Es gilt der allgemeine Verfassungssatz (vgl. BVerfGE 4, 115 [139]), daß weder der Bund noch die Länder über ihre im Grundgesetz festgelegten Kompetenzen verfügen können; Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern sind auch mit Zustimmung der Beteiligten nicht zulässig (BVerfGE 32, 145 [156]). Auch organisatorische Regelungen können nicht abbedungen werden. Der Spielraum bei der organisatorischen Ausgestaltung der Verwaltung findet in den Kompetenz- und Organisationsnormen der Art. 83 ff. GG seine Grenzen.
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Diese Bestimmungen gehen grundsätzlich von der Unterscheidung zwischen Bundes- und Landesverwaltung aus. Sie lassen freilich auch erkennen, daß die Verwaltungsbereiche von Bund und Ländern nicht starr voneinander geschieden sind. Ein Zusammenwirken von Bund und Ländern bei der Verwaltung ist in vielfältiger Form vorgesehen. Das gilt zumal hinsichtlich der Einwirkungsbefugnisse des Bundes auf die Länder bei der Vollziehung von Bundesgesetzen: Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit unterliegt der Bundesaufsicht (Art. 84 GG). Weitere Einwirkungsbefugnisse stehen dem Bund zu, wenn die Länder Bundesgesetze im Auftrag des Bundes ausführen (Art. 85 GG). Schließlich wirkt der Bund bei der Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben durch die Länder mit (Art. 91 a-91 b GG). Es gibt keinen allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, wonach Verwaltungsaufgaben ausschließlich vom Bund oder von den Ländern wahrzunehmen sind, sofern nicht ausdrückliche verfassungsrechtliche Regeln etwas anderes zulassen. Ein solcher Grundsatz kann auch nicht aus anderweitigen Verfassungsnormen hergeleitet werden. Nicht in jedem Fall eines Zusammenwirkens von Bund und Ländern im Bereich der Verwaltung werden die Kompetenz- und Organisationsnormen der Art. 83 ff. GG angetastet. Insofern bedarf ein solches Zusammenwirken nicht in jedem Fall einer besonderen verfassungsrechtlichen Ermächtigung. |
Art. 83 ff. GG schreiben für einzelne Verwaltungsmaterien bestimmte "Verwaltungsformen" vor: So ist in Art. 87 ff. GG geregelt, welche Gegenstände der bundeseigenen Verwaltung unterliegen. Andere Gegenstände fallen in den Bereich der Bundesauftragsverwaltung. Soweit nichts anderes bestimmt oder zugelassen ist, führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus (Art. 83 GG). Eigene Angelegenheit ist im übrigen die Ausführung der Landesgesetze durch die Länder (vgl. Art. 30 GG). Verschiedentlich sind auch "Verlagerungen" von Verwaltungszuständigkeiten vorgesehen (vgl. etwa Art. 87 Abs. 3, Art. 87 d Abs. 2, Art. 89 Abs. 2 Sätze 3, 4, Art. 90 Abs. 3 GG). Soweit solche Ermächtigungen fehlen, können Verwaltungszuständigkeiten nicht "verlagert" werden.
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Abgesehen von der grundsätzlichen Abgrenzung der Verwaltungszuständigkeiten zwischen dem Bund und den Ländern enthalten die Art. 83 ff. GG für die verschiedenen Formen der Verwaltung im einzelnen Regelungen: Art. 84 und 85 GG betreffen dabei im wesentlichen die Abgrenzung des Wirkungsbereichs von Bund und Ländern bei der Ausführung von Bundesgesetzen (durch die Länder). Für den Bereich der -- den Ländern grundsätzlich entzogenen -- bundeseigenen Verwaltung enthält Art. 86 GG allgemeine Bestimmungen; Art. 87 ff. GG treffen weitere nähere Regelungen für die organisatorische Ausgestaltung der bundeseigenen Verwaltung.
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Das Grundgesetz normiert mithin bestimmte Arten von Verwaltung. Dies ist bei der organisatorischen Ausgestaltung der Verwaltung zu berücksichtigen. Freilich kann auch insoweit von einer starren Festlegung durch das Grundgesetz nicht ausgegangen werden. Auch mit Blick auf die normierten Verwal tungsarten verbleibt den zuständigen Organen ein weiter Spielraum bei ihrer organisatorischen Ausgestaltung allgemein und im Einzelfall. |
Grundsätzlich gilt allerdings, daß der Verwaltungsträger, dem durch eine Kompetenznorm des Grundgesetzes Verwaltungsaufgaben zugewiesen worden sind, diese Aufgaben durch eigene Verwaltungseinrichtungen -- mit eigenen personellen und sächlichen Mitteln -- wahrnimmt. In diesem Sinn kann von einem "Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung" (Grawert, a.a.O., S. 195) gesprochen werden. Das schließt zwar die Inanspruchnahme der "Hilfe" -- auch soweit sie sich nicht auf eine bloße Amtshilfe im Einzelfall beschränkt -- nicht zuständiger Verwaltungsträger durch den zuständigen Verwaltungsträger nicht schlechthin aus, setzt ihr aber Grenzen: Dem Grundgedanken einer Kompetenznorm (wie auch der finanziellen Lastenaufteilung zwischen Bund und Ländern), die für eine Materie dem Bund die Verwaltungskompetenz zuordnet, widerspräche es etwa, würden in weitem Umfang Einrichtungen der Landesverwaltung für Zwecke der Bundesverwaltung herangezogen. Dies gälte auch dann, wenn eine förmliche Übertragung von Zuständigkeiten nicht erfolgte. Die "Zuhilfenahme" landesbehördlicher Einrichtungen für Zwecke der -- verfassungsrechtlich vorgeschriebenen -- Bundesverwaltung muß die Ausnahme bleiben. Für das Abgehen von dem "Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung" bedarf es eines besonderen sachlichen Grundes. Die Heranziehung an sich unzuständiger Verwaltungseinrichtungen kann nur hinsichtlich einer eng umgrenzten Verwaltungsmaterie in Betracht kommen.
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c) Ausgehend von diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben ist die durch § 38 Abs. 2 SchfG vorgesehene "Betrauung" der Versicherungskammer mit der Geschäftsführung der Versorgungsanstalt mit Art. 87 Abs. 2 GG vereinbar. Sie berührt nicht die in dieser Bestimmung vorgesehene Verwaltungskompetenz des Bundes und die Organisationsform der mittelbaren Bundesverwaltung.
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(1) Durch § 38 Abs. 2 SchfG sind nicht Verwaltungskompetenzen von der Versorgungsanstalt auf die Versicherungskammer übertragen worden. Nach der Ausgestaltung der §§ 34 ff. SchfG bleibt es bei der Verwaltungszuständigkeit der bundesunmittelbaren Versorgungsanstalt; die Versicherungskammer hilft ihr lediglich durch die Überlassung personeller und sächlicher Mittel für das Organ Geschäftsführung. |
(2) Soweit die Versicherungskammer Geschäftsführungsaufgaben für die Versorgungsanstalt wahrnimmt, ist sie dieser Körperschaft eingeordnet. Sie wird nicht als einer Bundesbehörde nachgeordnete Landesbehörde tätig. Vielmehr handelt sie als insoweit in die Versorgungsanstalt "eingegliedertes" Organ. Als Geschäftsführungsorgan der Versorgungsanstalt ist die Versicherungskammer nur dieser, nicht auch dem Freistaat Bayern funktionell zuzuordnen. Dem entspricht es, daß sie insoweit einer Aufsicht übergeordneter Landesbehörden nicht untersteht.
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Die Zuweisung der Geschäftsführung kommt einer Auftragsverwaltung nicht gleich. Kennzeichnend für eine Auftragsverwaltung ist, daß die beauftragte Verwaltung die zugewiesenen Aufgaben als eigene Aufgaben wahrnimmt. Die Versicherungskammer nimmt die Geschäftsführung der Versorgungsanstalt nicht als eigene Aufgabe wahr. § 38 Abs. 2 SchfG führt nicht dazu, daß eine Landesbehörde der Aufsicht oder Weisung des Bundes unterstellt wird und so eine Überordnung des Bundes über die Landesverwaltung erfolgt. Eine Einwirkungsmöglichkeit des Bundes auf die Landesverwaltung besteht nicht; die eigenen Verwaltungszuständigkeiten der Versicherungskammer bleiben durch § 38 Abs. 2 SchfG unberührt. Die Kompetenzordnung der Landesverwaltung wird nicht angetastet.
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Durch die Betrauung der Versicherungskammer wird insbesondere keine Doppelzuständigkeit von Versorgungsanstalt und Versicherungskammer im Bereich der Verwaltung der Anstalt begründet. Auch ein Mitentscheiden oder Zusammenwirken bundeseigener und landeseigener Verwaltung ist nicht gegeben.
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(3) Die Versicherungskammer nimmt, soweit ihr die Geschäftsführung der Versorgungsanstalt obliegt, keinen wesentlichen Einfluß auf die Willensbildung der Versorgungsanstalt. Weitreichende Entscheidungen der Anstalt obliegen nicht der Geschäftsführung, sondern den anderen Organen. Zumal die Vertreterversammlung trifft die grundlegenden Entscheidungen. |
(4) Die "Betrauung" der Versicherungskammer mit der Geschäftsführung der Versorgungsanstalt betrifft im übrigen einen eng umgrenzten Bereich der Bundesverwaltung. Für die Heranziehung der Versicherungskammer sprachen sachliche Gründe: Wie die Bundesregierung und der Bayerische Ministerpräsident in ihren Stellungnahmen hervorgehoben haben, ließen es verwaltungspraktische und -ökonomische Erwägungen als sinnvoll erscheinen, von der Schaffung eigener Verwaltungseinrichtungen auf Bundesebene abzusehen. Zumal verwaltungsökonomische Gesichtspunkte können bei der organisatorischen Ausgestaltung einer Verwaltungseinrichtung eine Rolle spielen und auch "atypische" Ausgestaltungsformen rechtfertigen. Der Gesetzgeber konnte auf die mit entsprechenden Verwaltungsaufgaben betraute Versicherungskammer zurückgreifen. Dies erschien deshalb sinnvoll, weil die Versicherungskammer bereits die bestehende Versorgungsanstalt verwaltet hatte.
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(5) § 38 Abs. 2 SchfG läßt die Eigenart der Versorgungsanstalt als mittelbare Verwaltungseinrichtung unberührt.
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4. Gegen § 38 Abs. 2 SchfG bestehen auch im übrigen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
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Die Inanspruchnahme von persönlichen und sächlichen Mitteln einer Landesbehörde durch den Bund, wie sie § 38 Abs. 2 SchfG vorsieht, bedarf der Zustimmung des die Behörde tragenden Landes. Erfolgte sie nicht, so bedeutete eine solche Inanspruchnahme einen unzulässigen Eingriff in die Verwaltungshoheit des betreffenden Landes und verletzte letztlich das bundesstaatliche Prinzip (Art. 20 Abs. 1 GG). Zur Verwaltungshoheit eines Landes gehört auch, daß dieses über seine personellen und sächlichen Verwaltungsmittel unangetastet von -- bundesverfassungsrechtlich nicht vorgesehenen -- Eingriffen des Bundes verfügen kann. |
Der Freistaat Bayern hat in die Wahrnehmung der Aufgaben der Geschäftsführung der Versorgungsanstalt durch die Versicherungskammer eingewilligt. Zwar ist hierüber, soweit ersichtlich, keine förmliche Vereinbarung getroffen worden. Von Grundgesetzes wegen bedurfte es dessen aber nicht. Jedenfalls hat der Freistaat Bayern nach einem entsprechenden Beschluß seines Ministerrats dem Schornsteinfegergesetz insgesamt und mithin auch der Regelung des § 38 Abs. 2 SchfG im Bundesrat zugestimmt. Das Abstimmungsverhalten des Freistaats Bayern im Bundesrat bei der Verabschiedung des Schornsteinfegergesetzes kann insoweit berücksichtigt werden; daraus ergibt sich hinreichend deutlich das Einverständnis des Freistaats mit der getroffenen Regelung. Daß dieses Einverständnis durch hierfür offenkundig nicht zuständige Organe des Freistaats Bayern erklärt worden wäre, ist nicht ersichtlich. Ohnehin hatte der Freistaat Bayern bereits durch den Genehmigungserlaß des Staatsministeriums des Innern vom 30. April 1953 der Übernahme der Verwaltungsgeschäfte durch die Versicherungskammer zugestimmt und in der Folge einen entgegenstehenden Willen nicht zum Ausdruck gebracht; auch im Hinblick auf dieses Verhalten ist von einem Einverständnis des Freistaats Bayern auszugehen.
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Ob im übrigen gegen die Zuverfügungstellung von bayerischen Verwaltungseinrichtungen für die Bundesverwaltung mit Blick auf die Verfassung des Freistaats Bayern Bedenken bestehen, obliegt nicht der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
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D. |
Zeidler, Wand, Dr. Rottmann, Dr. Dr. h.c. Niebler, Steinberger, Träger |