BVerfGE 81, 97 - Vorbringen im Zivilprozess


BVerfGE 81, 97 (97):

Eine von den Vorschriften des Zivilprozeßrechts abweichende Zurückweisung von Vorbringen als verspätet verletzt Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sich aus der Begründung nicht entnehmen läßt, daß die Entscheidung den Anforderungen dieser Verfahrensgewährleistung genügt.
 
Beschluß
des Ersten Senats vom 14. November 1989
- 1 BvR 956/89 -
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn G... - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Jürgen Zenk, Erhard Tippenhauer, Dr. Dierk Osmer, Dr. Klaus Alfred Schroeter, Nils-Peter Schmidt-Decker und Joachim Bergmann, Hartwicusstraße 5, Hamburg 76 - gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20. Juni 1989 - 16 S 359/88, 16 S 51/89 -.


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Entscheidungsformel:
Das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20. Juni 1989 - 16 S 359/88, 16 S 51/89 - verletzt Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit die Berufung gegen das Teilurteil des Amtsgerichts Hamburg vom 16. September 1988 zurückgewiesen wurde. Es wird insoweit und hinsichtlich der Kostenentscheidung aufgehoben. In diesem Umfang wird die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
 
Gründe:
 
A.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung von Vorbringen in einem Zivilprozeß als verspätet.
I.
1. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens ist Mieter einer Wohnung des Beschwerdeführers. Seit November 1982 minderte er wegen verschiedener Mängel den Mietzins. Am 30. Dezember 1987 reichte der Beschwerdeführer Klage ein, unter anderem auf Zahlung der seit dem 1. Januar 1983 rückständigen Beträge. Der Beklagte berief sich auf sein Recht zur Minderung und erhob darüber hinaus den Einwand der Verwirkung. Während des Verfahrens erhöhte der Beschwerdeführer die Klageforderung wegen der inzwischen aufgelaufenen Minderungsbeträge.
Das Amtsgericht wies mit Teilurteil die Klage wegen des rückständigen Mietzins für die Zeit bis zum 31. Dezember 1987 ab, weil der Anspruch verwirkt sei: Zwar habe der Beschwerdeführer der angekündigten Minderung mit Schreiben vom 10. November und 13. Dezember 1982 widersprochen, so daß es zumindest seinerzeit an dem erforderlichen Vertrauenstatbestand gefehlt habe. Dieser sei aber dadurch geschaffen worden, daß der Beschwerdeführer im weiteren Verlauf der Minderung seinen Vorbehalt nicht wiederholt und seine Drohung, Klage zu erheben, nicht wahrgemacht habe. Hinzu komme, daß seine Prozeßbevollmächtigten wenige Wochen

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nach Ablauf der im Schreiben vom 13. Dezember 1982 gesetzten Frist den Beklagten zwar aufgefordert hätten, die Restkaution zu überweisen, die mittlerweile aufgelaufenen Minderungsbeträge jedoch mit keinem Wort erwähnt hätten. Auch daraus habe der Beklagte schließen dürfen, daß die Minderung akzeptiert werden würde. Schließlich der Beschwerdeführer auf weitere - im Urteil im einzelnen genannte - Schreiben des Beklagten nicht reagiert.
2. Der Beschwerdeführer legte Berufung gegen dieses Teilurteil ein, soweit es die Mietzinsrückstände betraf. Mit Schlußurteil vom 6. Januar 1989 gab das Amtsgericht der Klage hinsichtlich des nachträglich geltend gemachten Erhöhungsbetrages teilweise statt. Auch gegen diese Entscheidung legte der Beschwerdeführer Berufung ein.
In der Begründung des Rechtsmittels gegen das Teilurteil, die am 9. Januar 1989 bei Gericht einging, trug der Beschwerdeführer zu der Frage der Verwirkung unter anderem vor, daß im Jahre 1986 Verhandlungen über die Auflösung des Mietverhältnisses oder den Erwerb der Wohnung durch den Beklagten geführt worden seien. Dabei hätten sich die seinerzeit verhandelnden Rechtsanwälte, die der Beschwerdeführer als Zeugen benannte, am 6. März 1986 auch über die gerügten Mängel und die Berechtigung der Minderung unterhalten. Darüber hinaus habe er - der Beschwerdeführer - in einem Kündigungsschreiben vom 26. September 1986 seinen Vorbehalt hinsichtlich der geminderten Miete wiederholt und Zahlungsklage angedroht.
Mit Verfügungen vom 9. Januar und 17. März 1989 beraumte der Kammervorsitzende Termin zur mündlichen Verhandlung in beiden Berufungsverfahren auf den 30. Mai 1989 an.
In seiner am 12~April 1989 bei Gericht eingegangenen Berufungserwiderung trug der Beklagte unter Benennung seines damaligen anwaltlichen Vertreters als Zeugen vor, am 6. März 1986 sei ausschließlich über die Beendigung des Mietverhältnisses verhandelt worden; die streitigen Minderungsbeträge seien nicht angesprochen worden. Der Beschwerdeführer erwiderte hierauf mit Schriftsatz vom 27. April 1989, daß die Mietminderungen nicht nur

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Verhandlungsgegenstand, sondern sogar Anlaß für dieses Gespräch und die vorangegangenen Auseinandersetzungen gewesen seien, und berief sich nochmals auf das Zeugnis seines Rechtsanwalts.
Das Landgericht wies beide Berufungen zurück. Es bestätigte die Auffassung des Amtsgerichts zur Verwirkung der mit dem Teilurteil versagten Mietzinsansprüche und führte zusätzlich aus: Die Verhandlungen der Parteien über eine einvernehmliche Auflösung des Mietverhältnisses oder den Kauf der Wohnung durch den Beklagten hätten die Minderung nicht berührt, insbesondere sei nicht substantiiert dargetan worden, daß der Beklagte in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer etwa unmißverständlich zur Nachzahlung der einbehaltenen Beträge aufgefordert worden sei. Bei dieser Sachlage sei Verwirkung jedenfalls bis zum Zugang des Schreibens des Beschwerdeführers vom 26. September 1986 anzunehmen. Dieses Schreiben enthalte zwar keine Mahnung, bringe aber zum Ausdruck, daß er die Mietkürzungen nicht akzeptiert habe. Der Ankündigung, wegen der Zahlungsrückstände demnächst Klage zu erheben, seien jedoch wiederum keine rechtliche Schritte gefolgt. Der Beklagte habe daher annehmen müssen, diese Drohung sei ebensowenig ernst gemeint wie die im Schreiben vom 13. Dezember 1982. Der Zeitraum von rund 2 1/4 Jahren zwischen dem Zugang des Schreibens vom 26. September 1986 und der Klageschrift reiche für die Annahme einer Verwirkung auch für diesen Zeitraum aus, zumal er nicht isoliert betrachtet werden dürfe, sondern im Zusammenhang mit dem vorangegangenen Verhalten des Beschwerdeführers zu bewerten sei. Dem bestrittenen Vortrag des Beschwerdeführers vom 27. April 1989, auch in einem Gespräch der Parteien vom 6. März 1986 sei über die Minderung gesprochen worden, sei die Vorschrift des § 528 Abs. 2 ZPO entgegenzuhalten.
II.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs sowie seines Eigentumsgrundrechts:


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1. Die Zurückweisung seines Vorbringens verstoße gegen Art. 103 Abs. 1 GG, weil die in § 528 Abs. 2 ZPO normierten Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Verfassungsrechtlich erforderlich für eine Präklusion sei immer, daß ein Pflichtenverstoß feststehe. Hierzu enthalte das Urteil des Landgerichts keine Ausführungen. Im übrigen hätte die Berücksichtigung des zurückgewiesenen Vorbringens, das bereits in der Berufungsbegründung enthalten gewesen sei, die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert. Die Berufungserwiderung, aus der hätte entnommen werden können, welche Tatsachen in der Berufungsinstanz streitig sein würden, habe im Zeitpunkt der Terminsladung noch nicht vorgelegen. Habe das Gericht aber lediglich in Kenntnis der Berufungsbegründung terminiert, habe es, davon ausgehen müssen, daß es sich bei der anberaumten mündlichen Verhandlung nur um einen ersten, vorbereitenden Termin handeln würde. Stehe aber der Zeitpunkt der Beendigung eines Prozesses noch gar nicht fest, könne schon begrifflich eine Verzögerung nicht eintreten. Hinzu komme, daß das Berufungsgericht bei ordnungsgemäßer Prozeßleitung eine Verzögerung hätte verhindern können. Nach Eingang der Berufungserwiderung, spätestens aber mit Eingang des Schriftsatzes vom 27. April 1989 hätte es alle Möglichkeiten der Prozeßbeschleunigung ausschöpfen müssen und etwa einen Beweisbeschluß gemäß § 358a ZPO erlassen können.
Aber selbst wenn man eine Verzögerung unterstelle, hätte in den Gründen der Entscheidung zumindest dargelegt werden müssen, daß diese Verzögerung auf seinem Verschulden beruhe.
2. Das Urteil verletze auch Art. 14 GG. Mietzinsforderungen unterlägen einer vierjährigen Verjährungsfrist. Der Vermieter dürfe darauf vertrauen, sie in dieser Zeit uneingeschränkt geltend machen zu können. Zumindest im Falle einer derartig kurzen Verjährungsfrist bedürfe es keiner Korrektur durch das Rechtsinstitut der Verwirkung. Gerade der vorliegende Fall zeige nachdrücklich, daß dieser von der Rechtsprechung entwickelte Einwand eine gesetzliche Position, auf die der Vermieter vertraut habe und auch habe vertrauen dürfen, in unzumutbarer Weise aushöhle.


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III.
Die Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg bezweifelt die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde: Soweit der Beschwerdeführer sich dagegen wende, daß das Landgericht sich über sein Beweisangebot unter Hinweis auf § 528 Abs. 2 ZPO hinweggesetzt habe, müsse er sich entgegenhalten lassen, daß er das sich abzeichnende Vorgehen des Landgerichts, ohne Beweisaufnahme zur Endentscheidung zu kommen, reaktionslos hingenommen habe.
Auch in der Sache selbst könne die Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg haben. Die Entscheidung beruhe nicht auf dem behaupteten Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Nach dem Begründungszusammenhang des Urteils sei der Verwirkungstatbestand nicht erst in der Zeit vom 6. März 1986 bis zum Zugang des Schreibens vom 26. September 1986 vollendet worden, sondern schon früher und habe dann fortgedauert. Das Gericht habe der Sache nach dargelegt, daß ein Gespräch des vom Beschwerdeführer behaupteten Inhalts die Verwirkung nicht hätte beenden können; vielmehr hätte es eines ausdrücklichen, unmißverständlichen Nachzahlungsbegehrens bedurft. Dies habe er aber weder in der Berufungsbegründung noch in seinem Schriftsatz vom 27. April 1989 vorgetragen. Der Zurückweisung des Vorbringens komme daher nur die Bedeutung einer nichttragenden Zusatzbegründung zu.
Art. 14 Abs. 1 GG sei ebenfalls nicht verletzt worden. Bei der Rechtsfigur der Verwirkung handele es sich um eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums. Die Entscheidung des Landgerichts halte sich in diesem Rahmen.
 
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
Zwar gebietet der Grundsatz der Subsidiarität dieses Rechtsbehelfs, daß der Beschwerdeführer im Ausgangsverfahren alle prozessualen Möglichkeiten ausschöpft, um es gar nicht erst zu dem Verfassungsverstoß kommen zu lassen oder um die geschehene Grundrechtsverletzung zu beseitigen (vgl. BVerfGE 22, 287

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[290f.]; st. Rspr.). Dem Beschwerdeführer sind jedoch keine Versäumnisse in dieser Richtung anzulasten, soweit er sich auf eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs beruft. Die Vorstellung der Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, er habe den drohenden Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG voraussehen müssen, als in der mündlichen Verhandlung keine Beweise erhoben worden seien und das Gericht einen Verkündungstermin mit einem Abstand von drei Wochen anberaumt habe, wird der Verfahrenslage nicht gerecht. Bei einer auf Beschleunigung bedachten Prozeßleitung mag es nahegelegen haben, die benannten Zeugen bereits zum Termin zu laden. Die Tatsache, daß dies nicht geschehen war, mußte den Beschwerdeführer aber nicht zur Annahme veranlassen, sein Vortrag zu dem Gespräch vom 6. März 1986 würde einschließlich des Beweisangebots übergangen werden.
Es ist keineswegs selbstverständlich, daß ein Gericht eine absehbar notwendige Beweisaufnahme bereits für den ersten Verhandlungstermin vorbereitet, auch wenn ein solches Verfahren eher den Vorstellungen des Gesetzgebers entspricht. Ebensogut denkbar ist, daß das Gericht erst den Streitstoff sichten und mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung erörtern will, um sich dann schlüssig zu werden, ob und in welchem Umfang eine Beweisaufnahme erforderlich ist. Der anberaumte Termin zur Verkündung einer Entscheidung sagte jedenfalls nichts darüber aus, ob ein Beweisbeschluß oder ein Urteil ergehen sollte.
Selbst wenn der Beschwerdeführer hätte annehmen müssen, eine Beweisaufnahme, sei nicht mehr geplant, brauchte er nicht davon auszugehen, sein Beweisangebot sei übersehen worden. Näher lag die Vermutung - insbesondere weil der Beweisantrag wiederholt worden war und von dem Beklagten ein Gegenbeweisantrag vorlag - das Beweisangebot sei aus der Sicht des Gerichts nicht erheblich. Ebensowenig mußte der Beschwerdeführer erwarten, die Entscheidung werde bei Nichterhebung des Beweises zwangsläufig zu seinem Nachteil ausgehen. Die Auffassung des Amtsgerichts, der Anspruch sei verwirkt, drängte sich keineswegs auf.
Schließlich war das vermeintliche Versäumnis des Beschwerde

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führers gar nicht ursächlich für das Vorgehen des Landgerichts. Es hat diesen Vortrag nämlich nicht übersehen, sondern bewußt nicht berücksichtigt. Es war also gar nicht nötig, ihn in die Erinnerung des Gerichts zurückzurufen.
 
C.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die Zurückweisung des Vorbringens des Beschwerdeführers ist nicht nur einfachrechtlich fehlerhaft, sie verletzt ihn auch in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG.
I.
Die Voraussetzungen für eine Präklusion nach § 528 Abs. 2 ZPO lagen nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug entgegen § 282 Abs. 1 ZPO nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig mitgeteilt worden sind, nur zuzulassen, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei das Vorbringen im ersten Rechtszug nicht aus grober Nachlässigkeit unterlassen hat.
Zwar wird man dem Beschwerdeführer möglicherweise vorwerfen können, daß er es entgegen § 282 Abs. 1 ZPO versäumt hat, sich im amtsgerichtlichen Verfahren auf das Gespräch vom 6. März 1986 zu berufen. Eine Verzögerung des Rechtsstreits hätte die Zulassung dieses Vorbringens im Berufungsverfahren aber nicht bewirken können. Der Beschwerdeführer holte den unterlassenen Vortrag bereits mit der Berufungsbegründung und nicht erst - wie das Landgericht annimmt - mit Schriftsatz vom 27. April 1989 nach. Da die Berufungserwiderung am 12. April 1989 einging und der Termin zur Berufungsverhandlung erst auf den 30. Mai 1989 anberaumt worden war, stand einer Ladung der benannten Zeugen zu diesem Termin nichts im Wege. Sie wäre auch noch nach Eingang des Schriftsatzes vom 27. April 1989 möglich gewesen, zumal die Zeugen in Hamburg ansässige Rechtsanwälte waren. Ein Verstoß

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gegen die Prozeßförderungspflicht in der ersten Instanz war daher für eine Verzögerung des Berufungsverfahrens nicht ursächlich. Zumindest hätte das Gericht diese durch eine prozeßordnungsgemäße Verfahrensgestaltung vermeiden können. Unter diesen Umständen bedarf es keiner Erörterung mehr, daß das Urteil auch zur Frage der groben Nachlässigkeit und zu den übrigen Voraussetzungen der Präklusion keine Feststellungen enthält (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, NJW 1971, S. 1564 [1565]; NJW 1983, S. 1495 [1496]; Zöller Schneider, ZPO, 15. Aufl., § 528, Rn. 48; Albers in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 47. Aufl., § 528, Anm. 3 C b und c).
II.
Diese Rechtsfehler begründen zugleich einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG.
1. Nicht jede fehlerhafte Anwendung von Präklusionsvorschriften verletzt diese Verfassungsnorm. Vielmehr ist auch in diesem Fall notwendig, daß eine verfassungsrechtlich erforderliche Anhörung nicht stattgefunden hat (vgl. BVerfGE 75, 302 [314f.]). So verhält es sich hier.
Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs hindert den Gesetzgeber nicht, durch Präklusionsvorschriften auf eine Prozeßbeschleunigung hinzuwirken, sofern die betroffene Partei ausreichend Gelegenheit hatte, sich zu allen für sie wichtigen Punkten zur Sache zu äußern, dies aber aus von ihr zu vertretenden Gründen versäumt hat (BVerfGE 69, 145 [149] m.w.N.). Daran gemessen hält die Rechtsfindung des Landgerichts einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar hatte der Beschwerdeführer in erster Instanz ausreichend Gelegenheit, auf das Gespräch der Parteien vom 6. März 1986 hinzuweisen, und es mag auch noch angenommen werden, daß er diese Gelegenheit, wenn auch möglicherweise nicht grob nachlässig, so doch aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht wahrgenommen hat. Daß die Zurückweisung dieses schuldhaft verspäteten Vortrags der Verfahrensbeschleunigung diente, kann dem Urteil nicht entnommen werden. Nur unter dieser

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Voraussetzung hat jedoch der Gesetzgeber die verfassungsrechtlich gewährleistete Äußerungsmöglichkeit beschränkt.
Die Tatsache allein, daß die Verwertung des Vortrags die Prozeßdauer unverändert gelassen hätte, sagt allerdings noch nichts darüber aus, ob der Grund für die dennoch ausgesprochene Präklusion in der fehlerhaften Anwendung einfachen Rechts oder in der Verkennung ihrer verfassungsrechtlichen Anforderungen liegt. Es ist nicht völlig auszuschließen, daß das Gericht die Notwendigkeit einer unabwendbaren Verzögerung als Präklusionsvoraussetzung gesehen hat und ihr Rechnung tragen wollte, indem es irrigerweise, jedoch willkürfrei tatsächliche Umstände angenommen hat, bei deren Vorliegen eine Verzögerung hätte bejaht werden können. Unter solchen Voraussetzungen hätte es sich um einen Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts und damit um eine Verletzung einfachen Rechts gehandelt (vgl. BVerfGE 18, 85 [92 f.]). Ebenso ist aber auch vorstellbar, daß das Gericht sich die verfassungsrechtlich gebotenen Anforderungen an eine Zurückweisung verspäteten Vorbringens gar nicht vergegenwärtigt hat. Von welchen Erwägungen es sich bei der Präklusion hat leiten lassen, ließe sich nur dann feststellen, wenn es seine Entscheidung ordnungsgemäß begründet hätte.
In dieser Situation muß angenommen werden, daß die Zurückweisung des Vorbringens auf einer Verkennung der Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG beruht. Insoweit kommt dem Landgericht nicht zugute, daß es grundsätzlich keine verfassungsrechtliche Begründungspflicht für mit ordentlichen Rechtsbehelfen nicht mehr angreifbare Entscheidungen gibt (vgl. BVerfGE 50, 287 [289f.]). Weicht ein Gericht bei einer Präklusionsentscheidung von den Normen des einfachen Rechts in der Auslegung ab, die sie durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gewonnen haben, obliegt es ihm darzulegen, daß dies mit verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar ist (vgl. auch BVerfGE 71, 122 [135 f.]). Läßt sich also weder aus den Entscheidungsgründen noch aus den übrigen Umständen des Falles entnehmen, ob die von der Norm abweichende Rechtsfindung vor Art. 103 Abs. 1 GG standhält, führt dies zur Annahme eines Verfassungsverstoßes.


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2. Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs ergibt sich weiterhin daraus, daß der zurückgewiesene Vortrag aus dem Schriftsatz vom 27. April 1989 eine Wiederholung aus der Berufungsbegründung war und das Landgericht dies übersehen hat. Aus diesem Versäumnis lassen sich zwei Schlußfolgerungen ziehen. Entweder hat das Gericht lediglich den Vortrag aus dem Schriftsatz vom 27. April 1989 zurückgewiesen und demzufolge den gleichlauten4en Vortrag aus der Berufungsbegründung nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, oder es hat den Vortrag insgesamt zurückgewiesen und somit bei der Präklusionsentscheidung unbeachtet gelassen, daß er bereits erheblich früher als angenommen bei Gericht geltend gemacht worden war. In beiden Fällen liegt eine in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck kommende Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG vor.
3. Die angegriffene Entscheidung beruht auch auf dem Verfassungsverstoß. Die Auffassung der Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, nach dem Begründungszusammenhang des Urteils hätte nur ein ausdrückliches, unmißverständliches Nachzahlungsbegehren den Einwand der Verwirkung ausräumen können, ist nicht zutreffend. Maßgebend für das Landgericht war, ob der Beschwerdeführer zum Ausdruck gebracht hatte, die Mietkürzung nicht akzeptieren zu wollen, und wie sich im Hinblick darauf sein Gesamtverhalten darstellte. Dafür konnte es von Bedeutung sein, ob am 6. März 1986 über die Minderung verhandelt wurde. Das Landgericht hat dies offenbar so gesehen; andernfalls wäre es nicht nötig gewesen, den Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen auszuschließen. Dem Bundesverfassungsgericht steht es jedenfalls nicht zu, dieses Vorbringen als unerheblich zu bewerten.
III.
Eine Verletzung der Eigentumsgarantie zu Lasten des Beschwerdeführers liegt demgegenüber offensichtlich nicht vor. Bei dem aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleiteten Einwand der Verwirkung handelt es sich um eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, daß das

BVerfGE 81, 97 (108):

Gericht bei der Anwendung dieses Rechtsinstituts Bedeutung und Tragweite des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verkannt hätte. Seine Auffassung, bei dem Beklagten habe sich ein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand gebildet, ist noch vertretbar. Sie läßt jedenfalls nicht darauf schließen, das Gericht habe außer acht gelassen, daß vermögenswerte Rechtspositionen des Beschwerdeführers im Streit waren.
Herzog, Henschel, Seidl, Grimm, Söllner, Dieterich, Kühling
Die Richterin Niemeyer ist aus dem Amt ausgeschieden und deshalb an der Unterschrift verhindert. Herzog