BVerfGE 103, 44 - Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal II


BVerfGE 103, 44 (44):

1. Ein Recht auf Eröffnung einer Informationsquelle folgt weder aus der Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG noch aus der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Über die Zugänglichkeit einer Informationsquelle und die Modalitäten des Zugangs entscheidet, wer über ein entsprechendes Bestimmungsrecht verfügt. Erst nach Eröffnung der allgemeinen Zugänglichkeit kann der Schutzbereich der Informationsfreiheit durch einen Grundrechtseingriff betroffen sein.
2. Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf Zugang, wenn eine im staatlichen Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle auf Grund rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist, der Staat den Zugang aber verweigert.
3. Gerichtsverhandlungen sind Informationsquellen. Über ihre öffentliche Zugänglichkeit entscheidet der Gesetzgeber im Rahmen seiner Befugnis zur Ausgestaltung des Gerichtsverfahrens.
4. Der gesetzliche Ausschluss von Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen in Gerichtsverhandlungen durch § 169 Satz 2 GVG ist verfassungsgemäß.
 
Urteil
des Ersten Senats vom 24. Januar 2001 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. November 2000
- 1 BvR 2623/95, 622/99 -
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerden der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH & Co. KG, vertreten durch die n-tv Nachrichtenfernsehen Beteiligungs GmbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer Ken Jautz, Dr. Helmut Brandstätter und Dr. Wolfgang Fischer, Taubenstraße 1, Berlin, - Bevollmächtigte: 1. Rechtsanwälte Heinz Kurtze und Koll., Kurfürstendamm 220, Berlin, 2. Rechtsanwälte Prof. Dr. Wolf Schwarz und Koll., Wittelsbacherplatz 1, München - 1. a) unmittelbar gegen die Verfügung des Vorsitzenden der Strafkammer 27 des Landgerichts Berlin vom 17. November 1995 - 527-1/95 -, b) mittelbar gegen § 169 Satz 2 GVG - 1 BvR 2623/95 -; 2. a) unmittelbar gegen die Verfügung des Vorsitzenden des 6. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. April 1999 - 6 C 18.98 -, b) mittelbar gegen § 55 VwGO in Verbindung mit § 169 Satz 2 GVG - 1 BvR 622/99 -.


BVerfGE 103, 44 (45):

Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.
 
Gründe:
 
A.
Die Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffen die Zulässigkeit von Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen und bei der Verkündung von Entscheidungen.
I.
Die gesetzlichen Grundlagen für die Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen und die Medienberichterstattung über sie finden sich für den Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit in § 169 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG). § 169 GVG lautet:
    Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich. Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts sind unzulässig.
Satz 2 ist durch das Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 19. Dezember 1964 (BGBl. I S. 1067, 1080) angefügt worden. Die Durchsetzung des durch § 169 Satz 2 GVG begründeten Verbots obliegt gemäß § 176 GVG dem Vorsitzenden. § 176 GVG hat folgenden Wortlaut:
    Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung obliegt dem Vorsitzenden.
Die Gerichtsöffentlichkeit und Sitzungspolizei im Verwaltungsprozess werden durch § 55 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt. Ähnliche Verweisungen enthalten § 52 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung und § 61 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes sowie - in spezifischer Weise - § 52 des Arbeitsgerichtsgesetzes. Diese Bestimmung lautet:
    §§ 169, 171 a bis 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Öffentlichkeit, Sitzungspolizei, Gerichtssprache, Beratung und Abstimmung finden entsprechende Anwendung.


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II.
Die Beschwerdeführerin in beiden Verfahren ist Veranstalterin eines bundesweit verbreiteten Fernsehnachrichtenprogramms. Den Ausgangsverfahren liegen folgende Sachverhalte zu Grunde:
1. Im Vorfeld der Hauptverhandlung in der Strafsache 527-1/95 gegen Egon Krenz, Erich Mückenberger, Professor Dr. h.c. Kurt Leonhard Hager, Horst Dohlus, Günther Kleiber und Günter Schabowski wegen des Vorwurfs des Totschlags an der innerdeutschen Grenze (so genannter Politbüro-Prozess) traf der Vorsitzende der Strafkammer 27 des Landgerichts Berlin am 19. Oktober 1995 eine sitzungspolizeiliche Verfügung mit unter anderem folgendem Inhalt:
    I. Die Zuhörer - ausgenommen durch Sonderausweis der Justizpressestelle legitimierte Pressevertreter, ... - betreten den Saal durch das Treppenhaus, das hinter dem Portal 5 beginnt. Es werden ... bis zu 65 Zuhörer in den hinteren Teil des Saales eingelassen. Voraussetzung ist, dass die Zuhörer
    1.-4. ...
    5. die zu 4. beschriebenen Waffen, Werkzeuge und Gegenstände, ferner Foto-, Film- und Tonbandgeräte mit Zubehör auf Verlangen in amtliche Verwahrung gegeben haben. Das Fotografieren, Filmen und Herstellen von Tonbandaufzeichnungen im Sitzungssaal ist nicht gestattet,
    6. ...
    II. ...
    III. ... durch Sonderausweis der Justizpressestelle legitimierte Pressevertreter ... betreten den Saal ... vom Flur aus. ... Foto-, Film- und Tonbandgeräte oder andere Aufnahmeträger dürfen nicht in den Sitzungssaal genommen werden. Sie sind gegebenenfalls in Verwahrung zu nehmen.
    IV. Die durch Ausweis der Justizpressestelle legitimierten Pressevertreter erhalten Zutritt zum vorderen, nicht zum Zuhörerraum gehörenden Teil des Saales nach Maßgabe freier Plätze. Pressevertreter werden 15 Minuten vor Sitzungsbeginn eingelassen. Das Fotografieren, Filmen und Herstellen von Tonbandaufzeichnungen ist weder im Sicherheitsbereich noch im Sitzungssaal gestattet. Interviews mit Verfahrensbeteiligten sind im Sitzungssaal und ebenfalls im Sicherheitsbereich nicht gestattet. Einlass in die Kontrollschleuse erfolgt 30 Minuten vor Sitzungsbeginn.
    V. Im Sitzungssaal und im Sicherheitsbereich dürfen pro Sitzungstag jeweils vor Beginn der Hauptverhandlung (Aufruf der Sache) zwei "Teams" (jeweils ein Kameramann und zwei Begleiter) einer Fernsehanstalt bzw. eines Privatsenders sowie drei Fotografen filmen bzw. fotogra

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    fieren. Die Erlaubnis wird mit der Maßgabe erteilt, dass die interessierten Anstalten, Redaktionen, Agenturen und Journalisten jeweils bis zum letzten Werktag vor dem Hauptverhandlungstag übereinstimmend schriftlich gegenüber der Justizpressestelle eine bestimmte Person oder Anstalt (Poolführer) benannt haben, von der die Filmaufnahmen oder Fotos gefertigt werden sollen. Die Poolführer haben sich schriftlich zu verpflichten, das Bildmaterial ihren Konkurrenzunternehmen auf Wunsch kostenlos zu überspielen oder zur Verfügung zu stellen.
    Die Absprache im Einzelnen obliegt den interessierten Anstalten, Redaktionen, Agenturen und Journalisten. Kommt eine Einigung nicht zustande, darf weder im Sitzungssaal noch im Sicherheitsbereich weder fotografiert noch gefilmt werden.
    Den Anordnungen der Justizbediensteten ist Folge zu leisten, damit sichergestellt bleibt, dass während der Hauptverhandlung nicht vom Sicherheitsbereich aus in den Sitzungssaal hinein gefilmt oder fotografiert wird.
    Zuwiderhandlungen gegen das Film-, Fotografier- und Tonaufnahmeverbot führen zu Ordnungsmitteln, zum sofortigen Entzug des Materials und ziehen den Verweis aus dem Saal nach sich.
    Für Bild- und Tonaufzeichnungen der Richter (Berufsrichter und ehrenamtliche Richter) sowie der Protokollführer außerhalb des Sitzungssaales liegt keine Zustimmung vor.
    Auskünfte über den jeweiligen Fortgang des Verfahrens erteilt die Justizpressestelle.
    VI. und VII. ...
Mit Schreiben an den Vorsitzenden vom 16. November 1995 beantragte die Beschwerdeführerin, einem von ihr entsandten Kamerateam während der Verhandlungszeiten Zugang zum Gerichtssaal zu gewähren und ihm zu ermöglichen, Fernsehaufnahmen von der Verhandlung anzufertigen. Das Kamerateam werde im Gerichtssaal so positioniert, dass die Kammer ein freies Blickfeld nach allen Seiten behält. Außerdem werde gewährleistet, dass die Fernsehaufnahmen geräuschlos und ohne Einsatz zusätzlicher Lichtquellen erfolgen. Weiter werde zugesichert, dass das Signal und die Aufzeichnung aus dem Gerichtssaal im Rahmen einer so genannten Pool-Lösung und unter entsprechender Anwendung der Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrags zum Kurzberichterstattungsrecht jedem anderen zugelassenen Fernsehveranstalter auf Wunsch unmittelbar und gegen Ersatz der angemessenen Aufwendungen zur Verfügung

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stehen. Hilfsweise beantragte die Beschwerdeführerin, das Kamerateam unter den bezeichneten Bedingungen jedenfalls für einzelne Abschnitte der Verhandlung zuzulassen, nämlich die Verlesung der Anklageschrift, die Plädoyers der Staatsanwaltschaft und Verteidiger sowie die Urteilsverkündung oder zumindest einzelne dieser Verfahrensabschnitte.
Auf den Antrag der Beschwerdeführerin traf der Vorsitzende mit weiterer Verfügung vom 17. November 1995 "nach erneuter Abwägung der entgegenstehenden Interessen - insbesondere der aus Art. 5 Abs. 1 GG entspringenden Rundfunkfreiheit -" folgende Anordnung:
    1. In der Hauptverhandlung sind Ton- und Fernseh- Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts grundsätzlich nicht zugelassen.
    2. In dem durch die Verfügung des Vorsitzenden vom 19. Oktober 1995 ... abgesteckten Rahmen (insbesondere Ziff. I.5., III., IV., V. dieser Verfügung) bleibt jeweils vor Beginn der Hauptverhandlung (Aufruf der Sache) das Fotografieren und Filmen erlaubt.
Die Beschwerdeführerin hat hiergegen Verfassungsbeschwerde erhoben (Verfahren 1 BvR 2623/95) und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Diesen Antrag hat das Bundesverfassungsgericht mit Kammerbeschluss vom 11. Januar 1996 (NJW 1996, S. 581) zurückgewiesen.
Das oben bezeichnete Strafverfahren ist zwischenzeitlich rechtskräftig abgeschlossen worden.
2. Im April 1999 stellte die Beschwerdeführerin beim Vorsitzenden des 6. Senats des Bundesverwaltungsgerichts den Antrag, einem von ihr entsandten Kamerateam anlässlich der für den 21. April 1999 terminierten mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren 6 C 18.98 (so genanntes Kruzifix-Verfahren) Zugang zum Gerichtssaal zu gewähren und die Möglichkeit zu eröffnen, während der mündlichen Verhandlung Fernsehaufnahmen zu fertigen. Die Beschwerdeführerin bot an, die Teilhabe anderer Rundfunkunternehmen zu gewährleisten und dafür Sorge zu tragen, dass die Verfahrensbeteiligten durch Aufnahmegeräusche, Beleuchtungs

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maßnahmen oder Sichthindernisse nicht beeinträchtigt werden. Auf Wunsch des Gerichts könne zudem von einer "live"-Übertragung abgesehen werden und stattdessen eine zeitversetzte Sendung erfolgen. Für den Fall der Ablehnung ihres Begehrens beantragte die Beschwerdeführerin die Zulassung eines Kamerateams für einzelne Verhandlungsabschnitte.
Mit Schreiben vom 12. April 1999 lehnte der Vorsitzende den Antrag der Beschwerdeführerin ab. Die Bestimmung des § 169 Satz 2 GVG sei eindeutig und belasse dem Richter keine Entscheidungsspielräume; Entsprechendes gelte für die Verweisungsregelung des § 55 VwGO. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG werde hierdurch nicht verletzt. Fernsehaufnahmen vor Beginn und nach dem Ende der Verhandlung sowie in den Pausen blieben im üblichen Rahmen zugelassen.
Auch hiergegen hat die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde erhoben (Verfahren 1 BvR 622/99) und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Das Eilrechtsschutzbegehren wurde durch Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. April 1999 (NJW 1999, S. 1951) zurückgewiesen.
Das Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist in der Zwischenzeit abgeschlossen worden.
III.
Mit ihren Verfassungsbeschwerden rügt die Beschwerdeführerin, durch die angegriffenen Anordnungen der Vorsitzenden in ihren Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 GG verletzt worden zu sein.
1. Im Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 2623/95 macht sie im Wesentlichen geltend, dass durch die Weigerung des Vorsitzenden, ein Kamerateam der Beschwerdeführerin zur mündlichen Verhandlung zuzulassen, in ihre Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) eingegriffen worden sei. Diese schütze unter anderem den freien Zugang der Rundfunkveranstalter zu Informationen und bewahre sie davor, in der Nutzung freier Informationsquellen, zu denen auch öffentliche Gerichtsverhandlungen zählten, begrenzt zu werden. § 169 Satz 2 GVG sei nicht als allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG zu qualifizieren, da er sich speziell und ausschließ

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lich gegen den Rundfunk richte. Daher sei die Vorschrift nicht geeignet, den gerügten Eingriff in die Rundfunkfreiheit zu rechtfertigen. Darüber hinaus führe die Anwendung von § 169 Satz 2 GVG im vorliegenden Fall zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung der Rundfunkfreiheit. Die Gerichtsöffentlichkeit sei in erster Linie als Medienöffentlichkeit zu verstehen; denn nur diese gewährleiste, dass die mit § 169 Satz 1 GVG verfolgten Ziele in der heutigen Zeit erreicht werden können. Die Berichterstattung über Gerichtsverhandlungen ermögliche eine öffentliche Kontrolle der Rechtsprechung. Außerdem würden der Gesellschaft Rechtskenntnisse und Rechtsverständnis vermittelt. Zugleich werde die Akzeptanz der Rechtsprechung bei der Bevölkerung erhöht. Im Gegenzug könnten die Gerichte durch die mediale Begleitung ihrer Rechtsprechung erkennen, ob diese den aktuellen Einstellungen und Bedürfnissen der Gesellschaft entspricht. Hinzu komme ein seit In-Kraft-Treten von § 169 Satz 2 GVG deutlich verändertes Verhältnis der Gesellschaft zum Fernsehen. Inzwischen seien eine weit gehende Vertrautheit mit diesem Medium und eine Gewöhnung an Fernsehberichterstattungen zu verzeichnen. Das Fernsehen erweise sich heute als die von der Bevölkerung vorwiegend genutzte Informationsquelle. Es sei daher nicht gerechtfertigt, die Funktion der Fernsehberichterstattung über Gerichtsverhandlungen allein darin zu sehen, die Sensationslust der Bevölkerung zu befriedigen.
Das vorliegende Strafverfahren sei für die Öffentlichkeit von hohem Interesse und ohne weiteres als zeitgeschichtliches Ereignis einzustufen. Dem Persönlichkeitsrecht der Angeklagten sei demgegenüber im Ausgangsverfahren kein besonderes Gewicht beizumessen. Die Angeklagten seien teils als absolute, teils als relative Personen der Zeitgeschichte anzusehen und hätten infolgedessen Aufnahmen ihrer Person hinzunehmen. Entsprechendes gelte für die am Verfahren beteiligten Richter, Staats- und Rechtsanwälte; sie seien bereits auf Grund ihrer Verfahrensbeteiligung relative Personen der Zeitgeschichte. Bei Richtern und Staatsanwälten komme hinzu, dass diese allgemein kein schutzwürdiges Interesse daran hätten, bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben unbeobachtet zu bleiben und nicht fotografiert oder gefilmt zu werden. Das Persön

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lichkeitsrecht von Zeugen, Angehörigen oder sonstigen Dritten sei nicht betroffen, da sich der Berichterstattungswunsch der Beschwerdeführerin auf solche Verfahrensabschnitte beschränke, in denen ausschließlich Personen der Zeitgeschichte auftreten. Ebenso wenig könne dem Interesse an einem störungsfreien Ablauf der Verhandlung entscheidendes Gewicht beigemessen werden.
Durch die Ausgestaltung des Antrags der Beschwerdeführerin sei sichergestellt, dass Beeinträchtigungen des äußeren Ablaufs der Verhandlung ausgeschlossen würden. Auch maßgebliche nachteilige Wirkungen auf die Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten seien nicht zu erwarten. Die Gerichtsöffentlichkeit ziele gerade darauf ab, dass sich das Verfahren vor den Blicken der Öffentlichkeit abspiele. Presseberichterstattungen und die Aufnahme von Fotografien würden durch § 169 Satz 2 GVG nicht ausgeschlossen. Auch diese seien aber grundsätzlich geeignet, bei einzelnen Verfahrensbeteiligten "Starallüren" auszulösen oder Einschüchterungseffekte zu bewirken sowie möglichen Zeugen Vorinformationen über den bisherigen Gang der Verhandlung zu liefern. Auch eine gewisse Erschwerung späterer Resozialisierungsbemühungen und die Gefahr einer Vorverurteilung des Angeklagten durch die Öffentlichkeit werde mit dem Prinzip der Gerichtsöffentlichkeit von der Rechtsordnung grundsätzlich hingenommen.
Hinzu komme, dass die Fernsehberichterstattung ein hohes Maß an Authentizität gewährleiste. Gewisse Verfälschungen der Wirklichkeit durch Auswahl und Zusammenstellung der Aufnahmen seien zwar unvermeidbar. Dies sei jedoch keine Besonderheit der Fernsehberichterstattung; vielmehr beruhe annähernd jede Form der Medienberichterstattung auf einer wertenden Zusammenfassung der Geschehnisse. Dem jeweiligen Medienunternehmen obliege es bereits nach allgemeinen Bestimmungen, Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu unterlassen, journalistische Sorgfalt zu üben und verfälschende Darstellungen realer Gegebenheiten zu vermeiden. Einzuräumen sei, dass sich nicht jeder Verfahrensabschnitt für eine Fernsehberichterstattung eigne. Umgekehrt könne aber auch nicht festgestellt werden, dass sämtliche Verfahrensabschnitte notwendig für die Fernsehberichterstattung ausschieden.


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2. Im Verfahren 1 BvR 622/99 weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass bereits die dem Ausgangsverfahren zu Grunde liegende Auseinandersetzung Gegenstand ausführlicher Berichterstattung in der Presse und den anderen Medien gewesen sei. Es bestehe daher ein großes Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über den tatsächlichen Verlauf der Verhandlung, an der Darstellung der unterschiedlichen Standpunkte sowie an der Erläuterung der Urteilsgründe. Die Wiedergabe des Verhandlungsablaufs im Fernsehen sei geeignet, einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung und zum Verständnis bundesgerichtlicher Entscheidungen zu leisten. § 55 VwGO, der die Bestimmung des § 169 GVG für im Verwaltungsprozess lediglich "entsprechend" anwendbar erkläre, eröffne den Verwaltungsgerichten Spielräume, Fernsehaufnahmen in der Gerichtsverhandlung ausnahmsweise zuzulassen.
IV.
1. Zum Verfahren 1 BvR 2623/95 haben das Bundesministerium der Justiz namens der Bundesregierung, die obersten Bundesgerichte, die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Richterbund, die Neue Richtervereinigung, der Deutsche AnwaltVerein und der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation schriftsätzlich Stellung genommen. Die Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin hat auf einen im Jahre 1995 durch die Justizministerinnen und Justizminister des Bundes und der Länder gefassten Beschluss hingewiesen, in dem sich diese mit Nachdruck für eine Beibehaltung der Regelung des § 169 Satz 2 GVG ausgesprochen hatten.
a) Das Bundesministerium der Justiz, die obersten Bundesgerichte, die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Richterbund, die Neue Richtervereinigung sowie die Mehrheit der Mitglieder des Verfassungsrechtsausschusses des Deutschen AnwaltVereins halten die Verfassungsbeschwerde für unbegründet und tragen im Wesentlichen übereinstimmend vor: Die angegriffene Verfügung des Vorsitzenden finde in § 169 Satz 2 GVG eine gesetzliche Grundlage. Aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift ergebe sich eindeutig, dass das Verbot der Fertigung von Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen ohne jede Einschränkung für die gesamte Hauptverhand

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lung gelte. Auch eine auf einzelne Verhandlungsabschnitte beschränkte Zulassung von Fernsehaufnahmen stünde daher mit dem Gesetz nicht in Einklang. § 169 Satz 2 GVG sei mit Art. 5 Abs. 1 GG vereinbar. Als allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG schränke die Vorschrift die Rundfunkfreiheit ein. Das ausnahmslose Verbot von Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen entspreche auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. § 169 Satz 2 GVG schütze mit der Menschenwürde und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Verfahrensbeteiligten sowie der Wahrheitsfindung im gerichtlichen Verfahren überragend wichtige Rechtsgüter. Angeklagte, Zeugen und Sachverständige sollten während ihrer Aussagen nicht abgelenkt und auch nicht gehemmt werden, sich vor dem Gericht zu äußern. Ferner solle vermieden werden, dass bestimmte Aussagen und Einlassungen im Hinblick auf ihre Medienwirksamkeit abgegeben werden. Weiter solle eine Vorabinformation von Zeugen über das bisherige Geschehen in der Verhandlung ausgeschlossen, eine Gefährdung der Resozialisierungsbemühungen des Angeklagten unterbunden sowie seiner Vorverurteilung durch die Öffentlichkeit entgegengewirkt werden.
Es spiele keine Rolle, ob es sich bei einem Verfahrensbeteiligten um eine Person der Zeitgeschichte handele. Denn das Strafverfahren dürfe nicht dazu benutzt werden, eine Person der Zeitgeschichte öffentlich vorzuführen. Vielmehr gehe es um den Nachweis individueller Schuld sowie um das weitere persönliche Schicksal des Angeklagten. Die Gesichtspunkte, die den Gesetzgeber 1964 zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes veranlasst hätten, seien durch die spätere Entwicklung des Rundfunks keineswegs überholt. Die Gefährdungen der zu schützenden Rechtsgüter hätten sich im Gegenteil im Laufe der Zeit sogar noch verstärkt. Sie gingen auch deutlich über diejenigen hinaus, die mit der durch § 169 GVG zugelassenen Presse- und (mittelbaren) Rundfunkberichterstattung verbunden seien.
§ 169 Satz 2 GVG sei geeignet und auch erforderlich, um die geordnete Rechtspflege und die Grundrechte der Verfahrensbeteiligten zu schützen. Die Möglichkeit, die Zulassung von Fernsehaufnahmen in das Ermessen des Vorsitzenden zu stellen, sei zwar als

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milderes, jedoch nicht als ein vergleichbar wirksames Mittel anzusehen. Denn zu Beginn der Verhandlung, aber auch vor den einzelnen Verhandlungsabschnitten, sei in der Regel nicht abzusehen, ob durch die Zulassung der Rundfunkberichterstattung die Wahrheitsfindung beeinträchtigt oder ein besonderes Schutzbedürfnis für die Beteiligten ausgelöst werde. Die Auswirkungen einer Übertragung des Verhandlungsgeschehens im Fernsehen ließen sich in der Praxis häufig erst nach der Ausstrahlung der Sendung ermessen. Dann sei aber bereits ein irreparabler Schaden eingetreten. Schließlich sei § 169 Satz 2 GVG auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im engeren Sinne zu vereinbaren. Der Vorschrift liege eine Güterabwägung zu Grunde, die vor der Verfassung Bestand habe. Dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung werde durch die Herstellung der Medienöffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen im bisherigen Umfang ausreichend Rechnung getragen.
b) Der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation sowie ein Teil der Mitglieder des Verfassungsrechtsausschusses des Deutschen AnwaltVereins halten die Verfassungsbeschwerde in Bezug auf die gestellten Hilfsanträge für begründet. In einer Zeit allgegenwärtiger Präsenz elektronischer Medien bedürfe die Vorschrift des § 169 Satz 2 GVG einer Neubewertung. Mit dem Übergang von ausschließlich öffentlichrechtlichem Rundfunk zu einem dualen System privat- und öffentlichrechtlicher Trägerschaft sowie mit dem Hinzutreten weiterer Massenkommunikationsmittel sei ein verändertes Verständnis der Bevölkerung im Umgang mit elektronischen Medien, speziell dem Fernsehen, einhergegangen. Das Fernsehbild von Personen sei zum selbstverständlichen Teil aktiver wie passiver Kommunikation geworden. Den anderen Medien werde keine herausgehobene Bedeutung mehr zugemessen. Vor diesem Hintergrund erscheine die unterschiedliche Behandlung von "unmittelbarer" und "mittelbarer Öffentlichkeit", wie sie in § 169 GVG ihren Niederschlag gefunden habe, fragwürdig. Dies gelte umso mehr, als die Anfertigung und Veröffentlichung einfacher Bildaufnahmen vom Verbot des § 169 Satz 2 GVG nicht erfasst würden. Daher sei es geboten, den Gerichten die Möglichkeit zu eröffnen, in geeigneten Fällen Fernsehaufnahmen zumindest von solchen Ver

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handlungsabschnitten zuzulassen, in denen regelmäßig nur Personen tätig werden, die beruflich mit dem Verfahren befasst sind. In Betracht kämen hier vornehmlich die Verlesung des Anklagesatzes und die Urteilsverkündung.
2. Im Verfahren 1 BvR 622/99 haben die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Richterbund, die Neue Richtervereinigung und der Deutsche AnwaltVerein schriftsätzlich Stellung genommen.
a) Nach Ansicht der Bundesrechtsanwaltskammer, des Deutschen Richterbundes und der Neuen Richtervereinigung ist das durch § 169 Satz 2 GVG begründete Verbot der Fertigung von Fernsehaufnahmen auch dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn es gemäß § 55 VwGO im Rahmen einer Revisionsverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Anwendung gelange. Die infolge der Zulassung von Fernsehberichterstattungen zu befürchtenden Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigungen seien in einem Verwaltungsprozess zwar häufig geringer als in einem Strafverfahren. Auch in einem Verwaltungsprozess verdienten die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten aber staatlichen Schutz. Zudem seien in Aufsehen erregenden Prozessen die Richter schon heute dem Druck zahlreicher Interessengruppen ausgesetzt. Die breite Erörterung schwebender Verfahren in der Öffentlichkeit erzeuge vielfältige Zwänge. Diese Nachteile seien zwar mit Blick auf die Schutz- und Kontrollfunktion der Gerichtsöffentlichkeit hinzunehmen. Es sei aber nicht zu verantworten, den Druck auf die Gerichte durch direkte Fernseh- und Rundfunkübertragungen noch zu verstärken. Selbst wenn man aber von der teilweisen Verfassungswidrigkeit von § 55 VwGO in Verbindung mit § 169 Satz 2 GVG ausgehe, sollten hieraus keine Schlüsse auf eine Verpflichtung der Gerichte gezogen werden, den Verhandlungsablauf an die Bedürfnisse und Interessen der Medien anzupassen. Zudem sollte dann den Gerichten die Befugnis zugebilligt werden, die Zulassung von Fernsehaufnahmen mit Auflagen zu verbinden.
b) Der Deutsche AnwaltVerein lehnt vollständige Aufzeichnungen von Gerichtsverhandlungen in Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ab. Er gibt jedoch zu bedenken, dass die Verbotsbestimmung des § 169 Satz 2 GVG im Verwaltungsprozess

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gemäß § 55 VwGO nur entsprechende Anwendung finde. Daher seien Abweichungen von § 169 Satz 2 GVG zulässig, soweit sich dies aus Besonderheiten des Verwaltungsprozesses ergebe. Eine solche maßgebliche Besonderheit bestehe aber im Vergleich zu einem Strafprozess darin, dass es für die Beteiligten im Verwaltungsprozess zwar meistens auch um die Verteidigung persönlicher Rechtspositionen, nicht aber um die Verhängung eines staatlichen Unwerturteils gehe. § 55 VwGO erlaube deshalb eine weiter gehende Zulassung von Rundfunk- und Fernsehaufnahmen in öffentlicher Sitzung, als dies im Strafverfahren erlaubt und geboten sei. Dies gelte in besonderem Maße für die Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht, das vornehmlich als Revisionsgericht tätig werde und in der Regel Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung für das Gemeinwesen zu klären habe. Bei der Feststellung der Anwesenheit der Beteiligten und der Urteilsverkündung in einem Revisionsverfahren sei die Gefahr der Verletzung von Persönlichkeitsrechten wesentlich geringer als bei der Verkündung des Urteils in einer Tatsacheninstanz. Greifbare Risiken für die Wahrheits- und Rechtsfindung durch das Gericht bestünden ebenfalls nicht.
V.
In der mündlichen Verhandlung am 7. November 2000 haben die Beschwerdeführerin, die Bundesregierung, die Bundesrechtsanwaltskammer, die Neue Richtervereinigung und der Deutsche AnwaltVerein die schriftsätzlichen Ausführungen erläutert, vertieft und zum Teil auch modifiziert.
Die Bundesregierung hat auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Entwicklung zu beobachten und gegebenenfalls zu Differenzierungen bei der Herstellung von Medienöffentlichkeit in den Gerichtsverhandlungen zu gelangen. Im Strafverfahren sei das vollständige Verbot von Fernsehaufnahmen weiterhin als geeignet und erforderlich anzusehen, um berechtigte gegenläufige Interessen Dritter und des Gemeinwesens wirkungsvoll schützen zu können. Ähnliches gelte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, soweit dort Privatpersonen ihre Lebensverhältnisse offenbaren müssen, etwa in Asylver

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fahren, Verfahren mit ausländerrechtlichem Bezug oder in Streitigkeiten über die Gewährung von Sozialhilfe. Demgegenüber gebe es vor den Verwaltungsgerichten auch Verfahren, in denen der Gesichtspunkt des Persönlichkeitsschutzes eine untergeordnete Rolle spiele und sich die Verhandlung im Wesentlichen auf Rechtsfragen beziehe. Hier sei eine enge Bindung an die Vorgaben des § 169 Satz 2 GVG nicht geboten. Speziell bei Verhandlungen in Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sei ein strikter Ausschluss der Medienöffentlichkeit nicht erforderlich. In geeigneten Fällen könnte der durch den Wortlaut des § 55 VwGO eröffnete Spielraum für eine verfassungskonforme Interpretation dieser Vorschrift genutzt und Fernsehaufnahmen in der Verhandlung zugelassen werden. Im Übrigen sei der Gesetzgeber gehalten, den Wandel der Anschauungen zu berücksichtigen und zu beobachten, ob die bisherigen Regelungen zur Gerichtsberichterstattung weiterhin tragfähig seien. Die Einführung von § 17 a BVerfGG verstehe die Bundesregierung in diesem Kontext als ersten Schritt, um Erfahrungen mit einer erweiterten Medienöffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen zu gewinnen.
Die Bundesrechtsanwaltskammer hat darauf hingewiesen, dass § 169 Satz 2 GVG die Fertigung von Bild- und Tonaufnahmen in der Verhandlung für wissenschaftliche Zwecke nicht ausschließe. Fernsehaufnahmen in den Verhandlungen der Gerichte seien nach derzeit geltendem Recht dagegen unzulässig. Dies gelte auch für die Verhandlungen der Verwaltungsgerichte. Allerdings sei der Gesetzgeber nicht gehindert, für bestimmte Fälle Ausnahmen von dem bislang strikten Verbot des § 169 Satz 2 GVG zuzulassen. Dies gelte vornehmlich für die Verhandlungen vor den obersten Bundesgerichten, insbesondere für die Urteilsverkündung, sowie für Fälle, in denen sämtliche Verfahrensbeteiligten in die Herstellung der Fernsehöffentlichkeit einwilligten.
Die Neue Richtervereinigung hat ihre ablehnende Haltung zur Ausdehnung der Medienöffentlichkeit der Gerichtsverhandlung unterstrichen sowie auf die Funktion und Wirkung der Saalöffentlichkeit hingewiesen. Das durch das Gericht gefundene Ergebnis erweise sich auch als Produkt einer Interaktion in der mündlichen Ver

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handlung. Würde die Verhandlung einem anonymen Fernsehpublikum eröffnet, gingen die bislang mit der Herstellung der Saalöffentlichkeit erzielten Wechselwirkungen zwischen dem Verhalten der Akteure der Verhandlung und den Reaktionen des anwesenden Publikums verloren. Stattdessen würden die Verfahrensbeteiligten verhandlungsfremden Einflüssen ausgesetzt.
Der Deutsche AnwaltVerein hat schließlich betont, dass Fernsehaufnahmen in den Verhandlungen der Strafgerichte niemals in Betracht kämen. Für die Verhandlungen vor den Verwaltungsgerichten könne mitunter anderes gelten, wenn der Verfahrensgegenstand eine Erörterung persönlicher Verhältnisse einzelner Grundrechtsträger nicht erfordere beziehungsweise wenn - wie etwa in Normenkontrollverfahren - eine Nähe zu verfassungsgerichtlichen Verfahren festzustellen sei. Hier komme es in Betracht, § 55 VwGO so auszulegen, dass er Spielräume für die ausnahmsweise Zulassung von Fernsehaufnahmen eröffne.
 
B. - I.
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig. Bedenken bestehen insbesondere nicht im Hinblick auf das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung.
Das Beschreiten des Rechtswegs vor den Fachgerichten war der Beschwerdeführerin nicht zumutbar, da sie einen Rechtsbehelf eines nicht am Gerichtsverfahren Beteiligten gegen sitzungspolizeiliche Anordnungen zum Ausschluss der Medienöffentlichkeit nicht zulassen (vgl. BGHSt 17, 201 [202]; Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht, 1999, § 176 GVG Rn. 10 m.w.N.).
Durch die Beendigung der Verfahren vor dem Landgericht Berlin und vor dem Bundesverwaltungsgericht ist das Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin nicht entfallen. Es besteht trotz Erledigung des ursprünglichen Begehrens fort, weil die Frage, ob und in welchem Umfang die Zulassung von Fernsehaufnahmen in Gerichtsverfahren verfassungsrechtlich geboten ist, von erheblicher Bedeutung und vom Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden ist. Zudem hat die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ein anerkennenswertes Interesse

BVerfGE 103, 44 (59):

an der Feststellung, ob die angegriffenen Verfügungen verfassungsgemäß waren (vgl. BVerfGE 91, 125 [133]).
II.
Die Verfassungsbeschwerden sind nicht begründet. § 169 Satz 2 GVG und § 55 VwGO mit der Verweisung auf § 169 Satz 2 GVG sind mit der Informations- und Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip vereinbar. Auch die Verfügungen der Vorsitzenden der Strafkammer 27 des Landgerichts Berlin und des 6. Senats des Bundesverwaltungsgerichts begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
1. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schützt die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk. Zu der Rundfunkfreiheit gehört ebenso wie zu der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG der Schutz der Berichterstattung von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung (vgl. BVerfGE 10, 118 [121]; 91, 125 [134]; stRspr). Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zur Information versetzt die Medien in den Stand, die ihnen in der freiheitlichen Demokratie zukommende Funktion wahrzunehmen. Zu der von dem Grundrecht mit erfassten Berichterstattung durch Rundfunk zählt die Möglichkeit, ein Ereignis den Zuhörern und Zuschauern akustisc¯Wh und optisch in voller Länge oder in Ausschnitten, zeitgleich oder zeitversetzt zu übertragen. Zu den medienspezifischen Möglichkeiten gehört auch der Einsatz von Aufnahme- und Übertragungsgeräten (vgl. BVerfGE 91, 125 [134]).
Soweit die Medien an der Zugänglichkeit einer für jedermann geöffneten Informationsquelle teilhaben, wird der Zugang durch die Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt, das heißt für Medien nicht grundsätzlich anders als für die Bürger allgemein. Die Nutzung rundfunkspezifischer Aufnahme- und Übertragungsgeräte zum Zwecke der Verbreitung der Informationen mit Hilfe des Rundfunks wird demgegenüber von der insoweit spezielleren Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst. Zu deren Schutzbereich gehört aber ebenso wenig wie zu dem der Informationsfreiheit ein Recht auf Eröffnung einer Informationsquelle. In

BVerfGE 103, 44 (60):

soweit reicht die Rundfunkfreiheit nicht weiter als die Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, die als Abwehrrecht nur den Zugang zu allgemein zugänglichen Informationsquellen gegen staatliche Beschränkungen sichert.
Erst nach Herstellung der allgemeinen Zugänglichkeit und nur in ihrem Umfang kann der grundrechtliche Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG betroffen sein. Hoheitliche Beeinträchtigungen dieses Zugangs sind Grundrechtseingriffe. Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle, wenn sie geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen (vgl. BVerfGE 27, 71 [83 f.]; 90, 27 [32]; stRspr). Geeignet als Informationsquellen sind alle Träger von Informationen, darunter auch Ereignisse und Vorgänge. Geschützt ist daher nicht nur die Unterrichtung aus der Informationsquelle, sondern auch die Informationsaufnahme an einer Quelle. Das Grundrecht gewährleistet aber nur das Recht, sich ungehindert aus einer schon für die allgemeine Zugänglichkeit bestimmten Quelle zu unterrichten. Fehlt es an dieser Bestimmung, ist die Informationsbeschaffung nicht vom Grundrecht der Informationsfreiheit geschützt (vgl. BVerfGE 66, 116 [137]). Das Grundrecht umfasst allerdings ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf Zugang in Fällen, in denen eine im staatlichen Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle auf Grund rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist, der Staat den Zugang aber verweigert.
Über die Zugänglichkeit und die Art der Zugangseröffnung entscheidet, wer nach der Rechtsordnung über ein entsprechendes Bestimmungsrecht verfügt. Die Ausübung dieses Rechts ist für Dritte keine Beschränkung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG. Das Bestimmungsrecht richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften, für Privatpersonen insbesondere nach denen des bürgerlichen Rechts, für den Staat vornehmlich nach denen des öffentlichen Rechts. Der Bestimmungsberechtigte kann sein Bestimmungsrecht auch in differenzierender Weise ausüben und Modalitäten des Zugangs festlegen, zum Beispiel durch das Erfordernis der Eintrittszahlung oder der Einwilligung in Fotoaufnahmen bei einem Konzert. Auch soweit der Staat bestimmungsberechtigt ist, kann er im Rahmen sei

BVerfGE 103, 44 (61):

ner Aufgaben und Befugnisse Art und Umfang des Zugangs bestimmen.
Legt der Gesetzgeber die Art der Zugänglichkeit von staatlichen Vorgängen und damit zugleich das Ausmaß der Öffnung dieser Informationsquelle fest, so wird in diesem Umfang zugleich der Schutzbereich der Informationsfreiheit eröffnet. Haben die Medien Zugang zwecks Berichterstattung, aber in rechtlich einwandfreier Weise unter Ausschluss der Aufnahme und Verbreitung von Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen, liegt in dieser Begrenzung kein Grundrechtseingriff.
Wird die Informationsquelle mit Einschränkungen - etwa speziell des rundfunkmäßigen Zugangs - eröffnet, dann hängt die Verfassungsmäßigkeit der einschränkenden Norm davon ab, ob eine solche Beschränkung vom Recht zur Bestimmung des Zugangs gedeckt ist, ohne dass sie sich zusätzlich an Art. 5 Abs. 2 GG messen lassen müsste. Folgt aber aus Verfassungsrecht, dass der Zugang als solcher weiter oder gar unbeschränkt hätte eröffnet werden müssen, kann dies vom Träger des Grundrechts der Informationsfreiheit, bei dem Ausschluss rundfunkspezifischer Aufnahme- und Verbreitungstechniken vom Träger des Grundrechts der Rundfunkfreiheit, geltend gemacht werden.
2. Verhandlungen vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Entscheidung sind Informationsquellen. Ihre öffentliche Zugänglichkeit regelt der Gesetzgeber im Rahmen seiner Befugnis zur Ausgestaltung des Gerichtsverfahrens und unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben wie insbesondere des Rechtsstaats- und des Demokratieprinzips und des Schutzes der Persönlichkeit. § 169 GVG normiert für die ordentliche Gerichtsbarkeit den Grundsatz der Gerichtsöffentlichkeit. § 55 VwGO verweist auf § 169 GVG für den Bereich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
Danach sind Gerichtsverhandlungen, soweit keine Ausnahmen vorgesehen sind (vgl. §§ 170 ff. GVG, § 48 Jugendgerichtsgesetz), für jedermann zugänglich. Begünstigt sind auch Vertreter der Medien. Sie dürfen zusehen und zuhören und sind berechtigt, die aufgenommenen Informationen mit Hilfe der Presse, des Rundfunks

BVerfGE 103, 44 (62):

oder anderer elektronischer Medien zu verbreiten. Die Gerichtsöffentlichkeit ist gesetzlich aber nur als Saalöffentlichkeit vorgesehen. Das in § 169 Satz 2 GVG enthaltene Verbot, Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts anzufertigen, schließt eine mittelbare, mit Hilfe dieser Aufnahme- und Verbreitungstechniken ermöglichte Medienöffentlichkeit aus. Der Bundesgesetzgeber hat daher von seinem Bestimmungsrecht in der Weise Gebrauch gemacht, dass der allgemeine Zugang nur für diejenigen eröffnet ist, die der Gerichtsverhandlung in dem dafür vorgesehenen Raum folgen wollen. § 169 Satz 2 GVG sieht von vornherein nur eine in diesem Sinne eingeschränkte Öffnung der Informationsquelle vor. Es handelt sich nicht um ein Schrankengesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG.
Insofern ist die Rechtslage für die Zugänglichkeit während der Gerichtsverhandlung eine andere als vor deren Beginn, nach deren Ende oder in den Pausen. § 169 GVG regelt nämlich nur die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht, nicht auch die zeitlich davor oder danach gelegenen Phasen (vgl. BVerfGE 91, 125 [136]). Für diese anderen Zeiträume gehen die Fachgerichte von einer grundsätzlichen Öffnung auch für Medien und von der Möglichkeit des Einsatzes von rundfunkspezifischen Aufnahme- und Verbreitungstechniken aus. Damit erfolgt die Verwendung dieser Techniken im Schutzbereich der Rundfunkfreiheit. Beschränkungen dieses Informationszugangs können durch Maßnahmen der Sitzungspolizei nach § 176 GVG vorgenommen werden (vgl. BVerfG, a.a.O.). § 176 GVG ist insofern ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG, bei dessen Auslegung und Anwendung auch die Rundfunkfreiheit zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfGE 91, 125 [136 ff.]).
3. Der Ausschluss von Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen durch die Vorsitzenden der Strafkammer 27 des Landgerichts Berlin und des 6. Senats des Bundesverwaltungsgerichts beruhte auf § 169 Satz 2 in Verbindung mit § 176 GVG und auf § 55 VwGO in Verbindung mit § 169 Satz 2, § 176 GVG. Er war verfassungsmäßig. § 169 Satz 2 GVG ist mit dem Grundgesetz vereinbar.


BVerfGE 103, 44 (63):

a) Die sitzungspolizeiliche Gewalt (§ 176 GVG) wird vom Vorsitzenden vor allem während der Gerichtsverhandlung ausgeübt, um ein geordnetes Verfahren, also auch die Beachtung der für das Verfahren maßgeblichen gesetzlichen Regelungen, zu sichern. Setzt der Vorsitzende das in § 169 Satz 2 GVG enthaltene gesetzliche Verbot von Ton- und Fernseh- Rundfunkaufnahmen innerhalb der Verhandlung durch und sorgt er dadurch für die Befolgung des Gerichtsverfassungsrechts, so greift er nicht in den Schutzbereich des Grundrechts der Rundfunkfreiheit ein. Ein solcher Eingriff liegt auch nicht darin, dass der Vorsitzende keine Ausnahmen von dem Verbot vorgesehen hat. § 169 Satz 2 GVG gilt ausnahmslos.
b) Der Gesetzgeber war nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Regelung zu schaffen, die Ausnahmen ermöglicht.
aa) Der im Gerichtsverfassungsrecht enthaltene Grundsatz der Öffentlichkeit mündlicher Verhandlungen ist ein Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips. Auch entspricht er dem allgemeinen Öffentlichkeitsprinzip der Demokratie (vgl. BVerfGE 70, 324 [358]). Der Verfassungsgrundsatz der Öffentlichkeit gilt aber nicht ausnahmslos (vgl. BVerfGE 4, 74 [94]); die Öffentlichkeit kann aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls auch dort ganz oder teilweise ausgeschlossen werden, wo sie nach der Verfassung grundsätzlich geboten ist (vgl. BVerfGE 70, 324 [358]). Der Grundsatz der Öffentlichkeit besagt insbesondere noch nichts zu den Modalitäten, unter denen die Öffentlichkeit zugelassen wird.
Der Grundsatz der Öffentlichkeit mündlicher Gerichtsverhandlungen stützt sich in Deutschland auf eine lange Tradition, die ihre Wurzeln in der Zeit der Aufklärung hat (zur historischen Entwicklung vgl. etwa Rohde, Die Öffentlichkeit im Strafprozess, 1972, S. 50 ff.; Stutz, Zurückdrängung des Öffentlichkeitsprinzips zugunsten der Privatsphäre im Strafverfahren, 1992, S. 5 ff.). Der Grundsatz wurde in Deutschland insbesondere durch Anselm von Feuerbach geprägt (vgl. von Feuerbach, Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege, 1821, Neudruck 1969, Bd. 1). Die Gerichtsöffentlichkeit sollte zum einen in Gestalt einer Verfahrensgarantie dem Schutz der an der Verhandlung Beteiligten, insbesondere der Angeklagten im Strafverfahren,

BVerfGE 103, 44 (64):

gegen eine der öffentlichen Kontrolle entzogene Geheimjustiz dienen. Zum anderen wurde davon ausgegangen, dass "das Volk um seines eigenen Rechtes willen bei Gericht zu erscheinen berufen wird" (vgl. von Feuerbach, a.a.O., S. 180). Es wurde also als Rechtsposition des Volkes empfunden, von den Geschehnissen im Verlauf einer Gerichtsverhandlung Kenntnis zu nehmen und die durch die Gerichte handelnde Staatsgewalt einer Kontrolle in Gestalt des Einblicks der Öffentlichkeit zu unterziehen. Beide Gesichtspunkte werden unter dem Grundgesetz vom Rechtsstaatsprinzip erfasst und sind auch wesentlich für die Demokratie. Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) normiert den Grundsatz ergänzend dahin gehend, dass vor einem Gericht öffentlich verhandelt und das Urteil öffentlich verkündet wird.
bb) Die Verfassungsgrundsätze des Rechtsstaats und der Demokratie bedürfen näherer Ausformung durch das Gesetz. Dies gilt auch für die Bestimmung der Voraussetzungen und Modalitäten der Gerichtsöffentlichkeit. Der Gesetzgeber muss bei der Ausgestaltung der Gerichtsöffentlichkeit deren Funktion sowie unterschiedliche Interessen berücksichtigen. Prozesse finden in der, aber nicht für die Öffentlichkeit statt. Die Öffentlichkeit mündlicher Verhandlungen soll zur Gewährleistung von Verfahrensgerechtigkeit beitragen. Die Information über das Geschehen ist Voraussetzung einer Kontrolle in Verfolgung dieses Zweckes.
Einer unbegrenzten Öffentlichkeit der Verhandlungen vor dem erkennenden Gericht stehen allerdings gewichtige Interessen gegenüber. Zu den entgegenstehenden Belangen gehören das Persönlichkeitsrecht der am Verfahren Beteiligten (Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG), der Anspruch der Beteiligten auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG; zu ihm vgl. BVerfGE 57, 250 [274 f.]; 89, 120 [129]) sowie die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege, insbesondere die ungestörte Wahrheits- und Rechtsfindung (dazu vgl. BVerfGE 33, 367 [382 f.]; 77, 65 [76]). Das Gerichtsverfassungsrecht berücksichtigt gegenläufige Belange durch Ausnahmen von dem Grundsatz der Öffentlichkeit, die allgemein bestehen oder im Einzelfall vorgesehen werden können (vgl. § 169 Satz 2, §§ 170 ff. GVG, § 48 Jugendgerichtsgesetz).


BVerfGE 103, 44 (65):

cc) Der Grundsatz der Öffentlichkeit ist im Gerichtsverfassungsgesetz nur als Öffentlichkeit im Raum der Gerichtsverhandlung vorgesehen. So heißt es schon in dem 1874 vorgelegten Entwurf eines Gerichtsverfassungsgesetzes: "Jedermann aus dem Publikum soll Zutritt haben zu den Gerichtssälen, in denen die Gerichte Recht sprechen" (vgl. Hahn, Die gesamten Materialien zu dem Gerichtsverfassungsgesetz und dem Einführungsgesetz zu demselben vom 27. Januar 1877, 1879, S. 173). An dieser Regelung ist bis zur Gegenwart festgehalten worden. Das Aufkommen des Fernsehens hat den Gesetzgeber in den 60er Jahren veranlasst, durch Einfügung von § 169 Satz 2 GVG ausdrücklich die Öffentlichkeit auf die so genannte Saalöffentlichkeit zu begrenzen.
Der Gesetzgeber war nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, wohl aber befugt, die Öffentlichkeit auf die im Raum der Verhandlung Anwesenden zu begrenzen. Eine derart beschränkte Öffentlichkeit genügt dem rechtsstaatlichen Interesse der öffentlichen Kontrolle des Gerichtsverfahrens sowie dem im Demokratieprinzip verankerten Grundsatz der Zugänglichkeit von Informationen, die für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung von Bedeutung sind. Die rechtsstaatliche Komponente der Gerichtsöffentlichkeit zielt darauf, die Einhaltung des formellen und materiellen Rechts zu gewährleisten und zu diesem Zwecke Einblick in die Funktionsweise der Rechtsordnung zu ermöglichen. Insbesondere soll darauf hingewirkt werden, dass die Handelnden nicht in dem Gefühl, "unter sich zu sein", Verfahrensgarantien unbeachtet lassen oder tatsächlich und rechtlich wesentliche Gesichtspunkte zum Zwecke der Beschleunigung des Verfahrens übergehen. Sie sollen in Anwesenheit Unbeteiligter dem Anspruch der Unvoreingenommenheit genügen. Ob das Verhalten der Verfahrensbeteiligten angemessen ist, insbesondere welche Wortwahl oder Lautstärke, welche Geduld oder Straffung, welche Nachsicht oder Formstrenge des Richters der jeweiligen Verfahrenssituation gerecht wird, lässt sich auch - möglicherweise sogar am besten - durch Anwesende beurteilen.
Auch der im Demokratieprinzip wurzelnde Grundsatz der Zugänglichkeit von Informationen zur öffentlichen Meinungsbildung

BVerfGE 103, 44 (66):

gebietet keine andere als die Saalöffentlichkeit. Den Medien ist der Zugang zum Gerichtssaal eröffnet. Rundfunkjournalisten können an den Gerichtsverhandlungen teilnehmen und über sie berichten. Damit trägt das Gesetz genügend dem Umstand Rechnung, dass Informationen heutzutage in erster Linie über Medien an die Öffentlichkeit vermittelt werden. Die Medien pflegen ohnehin nur über Ereignisse zu berichten, an denen ein hinreichend hohes Publikumsinteresse besteht. Gerichtsverhandlungen gehören dazu regelmäßig nicht. Selbst bei Prozessen mit erheblicher öffentlicher Resonanz ist - wie ausländische Erfahrungen mit Medienöffentlichkeit zeigen - in der Regel nur ein begrenztes Interesse der Medien an einer Übertragung des gesamten Verfahrens oder größerer Teile gegeben. Gerichtliche Verfahrensabläufe sind nicht an den Interessen der Medien orientiert. Der Gang der Verhandlung ist förmlich. Gründlichkeit und Wiederholungen sowie das Abwägen und die allmähliche Rekonstruktion der Realität sind nicht auf die besonderen Anforderungen der Mediendramaturgie abgestimmt. Am ehesten besteht daher ein Interesse der Medien an Kurzberichten, die mit dem Ziel zusammengestellt werden, öffentliche Aufmerksamkeit auszulösen.
dd) Durch das Verbot jeglicher Nutzung rundfunkspezifischer Aufnahme-, Aufzeichnungs- und Übertragungstechniken in § 169 Satz 2 GVG wird dem Rundfunk nur verwehrt, Originaltöne und - bilder herzustellen, zu verwenden und zu verarbeiten. Er ist insbesondere an der Visualisierung seiner Berichterstattung unter Nutzung von Bewegtbildern aus der Verhandlung gehindert. Dies trifft in erster Linie das Fernsehen. Lediglich Zeichnungen und Fotografien ("Standbildfotos") sind nach Auffassung der Fachgerichte und der Literatur möglich, soweit sie nicht durch sitzungspolizeiliche Maßnahmen ausgeschlossen werden (vgl. BGH, NJW 1970, S. 63 [64]; Gummer, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 22. Aufl. 2001, § 169 GVG Rn. 16; Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht, 3. Aufl. 1999, § 169 Rn. 8). § 169 Satz 2 GVG führt jedoch auch angesichts der in der jüngeren Vergangenheit gesteigerten Bedeutung der Bildberichterstattung nicht dazu, dass eine wirkungsvolle Fernsehberichterstattung vereitelt wird. Neben Korrespondentenberich

BVerfGE 103, 44 (67):

ten kommen Ton- und Bewegtbildaufnahmen vor Beginn und nach Ende der Verhandlung sowie aus den Sitzungspausen in Betracht (vgl. BVerfGE 91, 125 [134 ff.]).
Allerdings entfällt die Möglichkeit, im Rundfunk den Eindruck der Authentizität und des Miterlebens der Verhandlung selbst zu vermitteln. Damit wird insbesondere dem Fernsehen ein Darstellungsmittel verweigert, das eine wesentliche Grundlage der ihm von der Mehrheit der Bevölkerung zugeschriebenen relativ hohen Glaubwürdigkeit ist (dazu vgl. Jäckel, Medienwirkungen, 1999, S. 154; Berg/Kiefer [Hrsg.], Massenkommunikation, Band V, 1996, S. 251 ff.). § 169 Satz 2 GVG schließt die Möglichkeit aus, über Gerichtsverhandlungen in Ton und Bild zu berichten und dadurch zum Beispiel realitätsferne Vorstellungen über Gerichtsverhandlungen zu korrigieren, die insbesondere durch Unterhaltungssendungen vermittelt werden, etwa durch solche, in denen das andersartige amerikanische Strafverfahren als Muster dient oder in denen eine schiedsgerichtliche Verhandlung dem äußeren Anschein nach wie ein deutsches Gerichtsverfahren inszeniert wird.
Es ist jedoch keineswegs gesichert, dass eine Fernsehberichterstattung zu einer möglichst wirklichkeitsgetreuen Abbildung von Gerichtsverhandlungen führen würde. Medien dürfen Sendungen nach ihren eigenen Interessen und nach den Gesetzmäßigkeiten ihrer Branche gestalten. Insbesondere der wirtschaftliche Wettbewerbsdruck und das publizistische Bemühen um die immer schwerer zu gewinnende Aufmerksamkeit der Zuschauer führen häufig zu wirklichkeitsverzerrenden Darstellungsweisen, etwa zu der Bevorzugung des Sensationellen, und zu dem Bemühen, dem Berichtsgegenstand nur das Besondere, etwa Skandalöses, zu entnehmen (dazu vgl. Groebel u.a., Bericht zur Lage des Fernsehens für den Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland, 1995, S. 75 ff.). Die Normalität ist für Medien meist kein attraktiver Berichtsanlass. Mit den gängigen Medienpraktiken sind daher Risiken der Selektivität bis hin zur Verfälschung verbunden.
ee) Die Begrenzung der Gerichtsöffentlichkeit durch das gesetzliche Verbot der Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen in Gerichtsverhandlungen trägt Belangen des Persönlichkeitsschutzes (1) sowie

BVerfGE 103, 44 (68):

den Erfordernissen eines fairen Verfahrens und der Wahrheits- und Rechtsfindung (2) Rechnung.
(1) In Gerichtsverfahren gewinnt der Persönlichkeitsschutz eine über den allgemein in der Rechtsordnung anerkannten Schutzbedarf hinausgehende Bedeutung. Dies gilt nicht nur, aber mit besonderer Intensität für den Schutz der Angeklagten und Zeugen im Strafverfahren, die sich unfreiwillig der emotional nicht selten angespannten Situation der Verhandlung und damit auch der Öffentlichkeit stellen müssen. Informationen werden mit Hilfe staatlicher Gerichte und gegebenenfalls auch unter Zwang erhoben. Werden sie in Ton und Bild fixiert und dadurch von der flüchtigen Wahrnehmung der im Gerichtssaal Anwesenden gelöst und werden die Aufnahmen insgesamt oder in Teilen in den Kontext einer Fernsehsendung gebracht, so wird der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht verstärkt. Die Verbreitung der Aufnahmen kann abgelöst von dem Verfahren erhebliche Folgen bewirken, etwa auf Grund der Prangerwirkung der öffentlichen Darstellung des Verhaltens vor Gericht oder wegen der nachhaltigen Erinnerung eines großen Teils der Öffentlichkeit an das Verfahren, die beispielsweise eine spätere Resozialisierung erschweren können (vgl. BVerfGE 35, 202 [219 ff., 226 ff.]).
Auch besteht ein hohes Risiko der Veränderung des Aussagegehalts, wenn die Aufnahmen geschnitten oder sonst wie bearbeitet, mit anderen zusammengestellt oder gar später in anderen inhaltlichen Zusammenhängen wieder verwendet werden. Der Abwehr solcher Gefahren für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (zu ihm vgl. BVerfGE 65, 1) dient der generelle Ausschluss von Aufnahmen und deren Verbreitung.
(2) Die Möglichkeit von Ton- und Bildaufnahmen durfte zugleich im Interesse eines fairen Verfahrens und der Sicherung einer ungestörten Wahrheits- und Rechtsfindung ausgeschlossen werden. Medienöffentlichkeit ist ein Aliud gegenüber Saalöffentlichkeit. Viele Menschen verändern ihr Verhalten in Anwesenheit von Medien. Manche fühlen sich durch die Medienaufnahmen beflügelt, andere gehemmt. Die Fairness des Verfahrens ist insbesondere im Strafprozess für Angeklagte oder Zeugen gefährdet, wenn sie sich infolge der Medienaufnahmen scheuen, Dinge vorzutragen, die zur Wahr

BVerfGE 103, 44 (69):

heitsfindung wichtig sind, etwa intime, ihnen peinliche oder gar unehrenhafte Umstände. Der Prozess der Wahrheitsfindung kann auch leiden, wenn die am Verfahren beteiligten Personen versucht sind, ihr Verhalten an der erwarteten Medienwirkung auszurichten.
Auch der äußere Verfahrensablauf kann durch die Anwesenheit und die Tätigkeiten der Mitglieder eines Kamerateams, insbesondere durch das Aufstellen und Bedienen von Aufnahmegeräten, beeinflusst werden. Negative Auswirkungen auf den Ablauf und Inhalt des Verfahrens können zwar durch geeignete Vorkehrungen verringert werden, etwa durch Zulassung nur eines Aufnahmeteams im Zuge einer so genannten Pool-Lösung, durch Beschränkung der Personenzahl eines Fernsehteams, durch Vorgaben über die Positionierung der Kamera sowie durch das Verbot von Nahaufnahmen oder jeglicher Aufnahmen des Angeklagten oder der Zeugen; sicher ausgeschlossen werden Beeinträchtigungen dadurch aber nicht.
ff) Der Gesetzgeber musste nicht Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen für einzelne Verfahrensarten und Verfahrensabschnitte mit Rücksicht darauf zulassen, dass die Gefahren für den Persönlichkeitsschutz und die Verfahrensdurchführung unterschiedlich sind. So sind die Risiken der Beeinflussung der Verfahrensdurchführung bei einer Beschränkung von Aufnahmen auf die Eröffnung der Verhandlung oder die Verkündung der Entscheidung andere als beispielsweise bei der Vernehmung eines Angeklagten oder Zeugen. Die Gefährdungen der Persönlichkeitsrechte und der Verfahrensfairness sind in einem Strafverfahren andere als in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, in dem etwa über Befugnisse und Pflichten staatlicher Behörden gestritten wird. Auch haben Richter und Staatsanwälte, die bei Gerichtsverfahren, also infolge des ihnen übertragenen öffentlichen Amtes, im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen, nicht in gleicher Weise Anspruch auf Schutz der Persönlichkeit wie die Angeklagten oder Zeugen im Strafverfahren oder wie die Privatpersonen, die am verwaltungsgerichtlichen Verfahren beteiligt sind.
Gefährdungen gibt es jedoch in allen Verfahrensarten und für alle Verfahrensabschnitte. Schon bei der Eröffnung des Verfahrens können vom Verhalten des Publikums oder einzelner Verfahrensbetei

BVerfGE 103, 44 (70):

ligter Störungen ausgehen, auf die bei Medienpräsenz anders reagiert wird als vor der Saalöffentlichkeit. In allen Verfahrensabschnitten kann die Verhandlungsleitung erschwert werden, soweit sie auch die verfahrensfremden Interessen der Medien berücksichtigen muss. Bei der Urteilsverkündung im unmittelbaren Anschluss an eine Verhandlung ergeben sich spezifische Probleme. Die Aufzeichnung der mündlichen Begründung wirkt auf deren Charakter zurück.
Es ist schwer, die konkreten Wirkungen vorherzusehen und durch geeignete, auf das jeweilige Verfahren abgestimmte Vorkehrungen vorzusorgen, dass die Herstellung von Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen die Persönlichkeitsrechte nicht beeinträchtigt und die Verfahrensdurchführung nicht beeinflusst. Diese Schwierigkeiten durften den Gesetzgeber veranlassen, das Gerichtsverfahren umfassend von möglichen negativen Wirkungen speziell der Ton- und Fernseh- Rundfunkaufnahmen freizustellen. Er war von Verfassungs wegen insbesondere nicht verpflichtet, den mit § 17 a BVerfGG für die Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeschlagenen Weg auch für andere Gerichtsbarkeiten zu eröffnen. Vielmehr konnte er bei der Schaffung der Sonderregelung des § 17 a BVerfGG auf die Verfassungsorganstellung des Bundesverfassungsgerichts und die typischerweise bestehende Andersartigkeit verfassungsgerichtlicher Verfahren im Verhältnis zu den Gerichtsverfahren im Übrigen abstellen und deswegen die begrenzte Öffnung in Richtung auf eine Medienöffentlichkeit ausschließlich für die Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vorsehen (BTDrucks 13/7673, S. 6 f.).
gg) Der Gesetzgeber durfte davon absehen, Ausnahmemöglichkeiten für Einzelfälle zu schaffen. Die Durchführung eines Gerichtsverfahrens stellt erhebliche Anforderungen an das Gericht, insbesondere den Vorsitzenden. Die Möglichkeit einer Ausnahme von dem Verbot des § 169 Satz 2 GVG würde eine gesonderte Entscheidung über deren Vorliegen erfordern und daher eine weitere Belastung in der Verfahrensdurchführung bedeuten. Die Entscheidung würde unter Umständen zunächst eine Anhörung der Verfahrensbeteiligten und sodann schwierige Einschätzungen der Wirkungen

BVerfGE 103, 44 (71):

der Aufnahmen auf das Verhalten der Beteiligten und über die Zumutbarkeit von Beeinträchtigungen erforderlich machen. Nachfolgende gerichtliche Auseinandersetzungen wären nicht ausgeschlossen. Auch ist anzunehmen, dass die Medien in den sie besonders interessierenden Verfahren öffentlichen Druck auf das Gericht ausüben würden. Der Gesetzgeber durfte die Gerichte im Interesse einer möglichst ungestörten Wahrheits- und Rechtsfindung von solchen zusätzlichen Belastungen durch ein ausnahmsloses Verbot freistellen.
Medienöffentlichkeit ist selbst bei Einwilligung der Beteiligten nicht geboten. Auch wenn eine solche vorliegt, müsste entschieden werden, ob die genannten Belange der Rechtspflege den Ton- oder Fernseh-Rundfunkaufnahmen entgegenstehen. Der Gesetzgeber durfte insoweit davon ausgehen, dass derartige Belange regelmäßig überwiegen. Der Verzicht auf eine konkrete Prüfung von Ausnahmen bei Einwilligung fördert die zügige Durchführung des Verfahrens und vermeidet Diskussionen und Einzelfallentscheidungen, die häufig weniger zur Befriedung beitragen können als klare gesetzliche Regelungen. Indem der Gesetzgeber Ausnahmen für den Fall der Einwilligung der Beteiligten nicht vorsieht, trägt er der Gefahr Rechnung, dass solche Einwilligungen nicht wirklich freiwillig gegeben werden.
4. Da der Gesetzgeber nicht von Verfassungs wegen verpflichtet ist, dem Rundfunk ein Recht zur Herstellung und Verbreitung von Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen in Gerichtsverhandlungen einzuräumen, greifen die Verfügungen der Vorsitzenden der Strafkammer 27 des Landgerichts Berlin und des 6. Senats des Bundesverwaltungsgerichts nicht in den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit ein. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen das Grundrecht der Beschwerdeführerin nicht.
Papier, Kühling, Jaeger, Haas, Hömig, Steiner, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem
 


BVerfGE 103, 44 (72):

Abweichende Meinung des Richters Kühling, der Richterin Hohmann-Dennhardt und des Richters Hoffmann-Riem zum Urteil des Ersten Senats vom 24. Januar 2001
- 1 BvR 2623/95, 622/99 -
Wir tragen die Gründe der Entscheidung im Wesentlichen mit, teilen aber nicht die Einschätzung, dass ein Verbot von Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen in Gerichtsverhandlungen ausnahmslos gerechtfertigt ist.
Wir stimmen dem Ausgangspunkt des Urteils zu, dass die Informations- und die Rundfunkfreiheit ein subjektives Recht der Beschwerdeführerin auf Nutzung von Ton- und Fernseh- Rundfunkaufnahmen in der Gerichtsverhandlung nicht begründen. Der Gesetzgeber ist aber kraft objektiven Verfassungsrechts verpflichtet, eine über die Saalöffentlichkeit hinausgehende Medienöffentlichkeit zu ermöglichen, soweit dem keine gegenläufigen Belange entgegenstehen. Das Unterlassen einer solchen Regelung kann die Beschwerdeführerin als Grundrechtsverletzung rügen. Die Beseitigung des Verfassungsverstoßes bedürfte einer gesetzlichen Regelung.
1. Die im 19. Jahrhundert gesetzlich geschaffene Gerichtsöffentlichkeit hat rechtsstaatliche und demokratische Wurzeln. Das bei ihrer Einführung besonders wichtige Ziel, die frühere Geheimjustiz zu verhindern und dadurch das Gerichtsverfahren aus der monarchischen Tradition zu lösen, hat sich durch die rechtsstaatliche Durchdringung des gesamten Verfahrens und den generellen Ausbau von demokratischen Kontrollmöglichkeiten zwar nicht erübrigt, ist aber heute nur ein Teilziel der Verwirklichung des demokratischen Rechtsstaats. Der individuelle Rechtsschutz der am Gerichtsverfahren Beteiligten wird in erster Linie durch das Rechtsschutzsystem bis hin zur Verfassungsbeschwerde gewährleistet. Die Gerichtsöffentlichkeit ist auf mündliche Verhandlungen begrenzt und damit nur für einen Teil der Gerichtsverfahren hergestellt. Dies verdeutlicht, dass Öffentlichkeit zwar auch, aber offensichtlich nicht nur auf die Sicherung des Rechtsstaats durch Kontrolle im Einzelfall zielt. Öffentliche Beobachtung wird vielmehr auch ermöglicht, um die konkrete Art und Weise der Rechtsdurchsetzung und dadurch die Funktionsweise der Rechtsordnung der öffentlichen

BVerfGE 103, 44 (73):

Kritik zugänglich zu machen und die Bürger an Beispielsfällen darüber zu informieren. Eine solche Kenntnisnahme kann persönliche Orientierungen im Umgang mit dem Recht verschaffen, aber auch die Akzeptanz der Rechtsordnung erleichtern oder zu Kritik an ihr führen, die dann in die öffentliche Auseinandersetzung und in demokratische Mitwirkungsakte einfließen kann. Wird eine fundierte öffentliche Meinung möglich, so bedeutet dies zugleich Kontrolle und kann mithelfen, den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz der Hemmung der Gewalten zu verwirklichen.
Seit jeher war die Gerichtsöffentlichkeit durch die doppelte Ausrichtung an dem Eigeninteresse der Zuhörer und an der Nutzung dieses Interesses für die Funktionsweise der Rechtsordnung geprägt. Vor diesem Hintergrund und noch ohne die Einbeziehung in eine ausgebaute demokratische Ordnung wurde die Gerichtsöffentlichkeit im Kaiserreich gesetzlich normiert, und zwar in einer den Zugang umfassend sichernden Weise. Gerichtsöffentlichkeit war Saal- und Medienöffentlichkeit zugleich. Die Presse - Rundfunk gab es noch nicht - konnte alle damals verfügbaren medienspezifischen Möglichkeiten der Informationsaufnahme und -verbreitung nutzen, unter Einschluss der Bildberichterstattung in der seinerzeit möglichen Weise.
2. Seitdem haben sich Rechtsstaat und Demokratie weiter entwickelt. Die Rechtsordnung ist verfeinert und immer mehr Lebensbereiche sind rechtlich intensiv geregelt worden. Der Ausbau rechtlicher Regelungen und gerichtlicher Verfahren erweitert die Möglichkeit und Notwendigkeit der öffentlichen Beobachtung und Kontrolle. Parallel dazu hat Öffentlichkeit einen grundlegenden Funktionswandel erfahren (siehe dazu Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, 5. Aufl. 1996). Gegenwärtig werden neue nachhaltige Veränderungen beobachtet, die etwa in dem Begriff der Informationsgesellschaft gebündelt werden (vgl. etwa Bundesministerium für Wirtschaft [Hrsg.], Die Informationsgesellschaft, 2. Aufl. 1997; Schlussbericht der Enquete-Kommission Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft, 1998). Neue elektronische Techniken, Kommunikationsinfrastrukturen, Präsentationsformen sowie Medieninhalte

BVerfGE 103, 44 (74):

sind entstanden. Die Medien sind zu wichtigen Begleitern fast aller Bürger geworden. Sie prägen große Zeiteinheiten des Tagesablaufs und bestimmen die Kommunikation der Bürger nachhaltig (vgl. Berg/Kiefer [Hrsg.], Massenkommunikation, Band V, 1996, S. 25 ff.; Stuiber, Medien in Deutschland, Band 2, 2. Teil, 1998, S. 1052 ff.; Media Perspektiven Basisdaten, Daten zur Mediensituation in Deutschland 1999, S. 67 ff.). Zugleich haben die Bürger neue Fähigkeiten im Umgang mit den Medien, auch mit der Präsenz von Medien bei wichtigen Ereignissen, entwickelt.
Die Bürger wären überfordert, würden sie versuchen, die Vielzahl von Ereignissen und die Vielfalt von möglichen Themen und Sichtweisen persönlich aufzunehmen; stattdessen vertrauen sie auf Medien. Die Träger herausgehobener gesellschaftlicher Verantwortung wie Politiker sind ebenfalls vielfach auf die Wahrnehmung einer medienvermittelten Realität angewiesen. Erfahrungen, Lebenseinstellungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster werden in erheblichem Umfang durch die Medien vermittelt (vgl. BVerfGE 101, 361 [390]). Dem Rundfunk kommt dabei wegen seiner Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft besondere Bedeutung zu (vgl. BVerfGE 90, 60 [87]).
Die Veränderung der Kommunikationsmöglichkeiten und - gewohnheiten hat die Wichtigkeit der medienvermittelten Wahrnehmung auch für die Beobachtung und Kontrolle von Gerichtsverhandlungen verstärkt. In der Folge kommt der Saalöffentlichkeit nicht mehr die gleiche Bedeutung für die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Rechtsordnung zu wie früher. War die über die Saalöffentlichkeit ermöglichte Zeitungsöffentlichkeit im Kaiserreich und lange danach identisch mit Medienöffentlichkeit, so gilt dies heute nicht mehr, da andere Medien die Funktion der Zeitungsberichterstattung teilweise übernommen haben. Wird den besonders wichtigen audiovisuellen Medien der Zugang nur beschränkt eröffnet, so dass sie nur unter Ausschluss der für sie typischen Darstellungsformen berichten können, besteht Medienöffentlichkeit funktional betrachtet nur noch begrenzt.
3. Die Freiheit der Medien in der Wahl der Themen und der Darstellungsformen ist Grundbedingung der Funktionsweise einer auch

BVerfGE 103, 44 (75):

auf Medienfreiheit gestützten rechtsstaatlichen Demokratie. Denn auch durch Beschränkungen der Darstellungsform kann Einfluss auf die Medieninhalte genommen werden. Solch ein Einfluss ist dem Staat aber grundsätzlich verwehrt. Daher ist es rechtfertigungsbedürftig, wenn der Staat die Entscheidungsfreiheit der Medien über die Darstellungsweise begrenzt, und zwar auch insoweit, als die Medienbetätigung nicht durch subjektive Rechte der Medien, sondern durch objektives Recht geprägt ist. So liegt es bei der Entscheidung über die Modalitäten des Zugangs zu Informationsquellen aus dem Verantwortungsbereich des Staates.
a) Die prinzipielle Öffentlichkeit der mündlichen Gerichtsverhandlung für die Bürger ist im Grundsatz des demokratischen Rechtsstaats verankert. Diese Öffentlichkeit ist auch Medienöffentlichkeit. Deren Einschränkung muss durch gegenläufige Belange gerechtfertigt sein. Dies gilt auch für den Ausschluss rundfunkspezifischer Aufnahme- und Übertragungstechniken, der Möglichkeiten einer akustisch und optisch authentischen Darstellung des im Rundfunk berichteten Geschehens begrenzt.
Die Rechtfertigung solcher Einschränkungen setzt zum einen die Identifizierung von Belangen voraus, die der Medienöffentlichkeit entgegenstehen, und zum anderen deren Abwägung mit dem rechtsstaatlichen und demokratischen Interesse an öffentlicher Zugänglichkeit der Gerichtsverhandlung auch für rundfunkspezifische Darstellungsformen. Die Rechtfertigung muss auf die Gegenwart bezogen sein und deshalb den geschilderten Wandel zur Informationsgesellschaft verarbeiten. Die Anforderungen an die gesetzgeberische Verarbeitung maßgebender Faktoren werden von der Eigenart des Sachbereichs und der Möglichkeit beeinflusst, sich ein sicheres Urteil zu bilden, aber auch von der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter (vgl. BVerfGE 50, 290 [332 f.]). Die Einschätzung, ob veränderte Verhältnisse eine Gesetzesänderung erforderlich machen, obliegt in erster Linie dem Gesetzgeber (vgl. BVerfGE 77, 263 [273]). Haben sich aber die Verhältnisse offensichtlich geändert, ist der Gesetzgeber zumindest zur Prüfung verpflichtet, ob Bedarf zur Novellierung älterer Normen besteht (vgl. BVerfGE 56, 54 [78 f.]; 59, 119 [127]; 88, 203 [309 f.]; stRspr).


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b) Im Urteil sind die einer unbegrenzten Medienöffentlichkeit entgegenstehenden Belange zutreffend beschrieben worden. Es fehlt jedoch eine tragfähige Begründung dafür, dass sie für alle Verfahrensarten und Verfahrensabschnitte derart erheblich sind, dass ein Ausschluss jeglicher Nutzung von audiovisuellen Übertragungstechniken ausnahmslos gerechtfertigt ist.
aa) Schon 1962 hat die Bundesregierung den vollständigen Ausschluss der Medienöffentlichkeit für nicht erforderlich gehalten, und zwar selbst für Strafverfahren. In ihrem ursprünglichen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung unter anderem des Gerichtsverfassungsgesetzes hat sie deshalb Ausnahmen für die Verkündung eines Urteils ermöglichen wollen (BTDrucks IV/178, S. 12). Dem ist der Bundesrat nicht gefolgt (vgl. BTDrucks IV/178, S. 49). Seit der Novellierung durch Gesetz vom 19. Dezember 1964 (BGBl. I S. 1067, 1080) haben sich die rechtlichen und faktischen Rahmenbedingungen der Massenkommunikation drastisch verändert. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass sie ein ausnahmsloses Verbot auch gegenwärtig nicht für gerechtfertigt hält. Zwar nicht für das Strafverfahren, wohl aber für einen Teil der verwaltungsgerichtlichen Verfahren, jedenfalls für bestimmte Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, sieht sie Ausnahmen als geboten an. Die Notwendigkeit von Differenzierungen bejaht ebenfalls ein Teil der Literatur (vgl. etwa Gerhardt, Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Verbots von Rundfunk- und Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal [§ 169 Satz 2 GVG], 1968, S. 114 ff.; Lorz, in: Haratsch/Kugelmann/Repkewitz, Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, 1996, S. 59 ff.; Sorth, Rundfunkberichterstattung aus Gerichtsverfahren, 1999, S. 172 ff.; Burbulla, Die Fernsehöffentlichkeit als Bestandteil des Öffentlichkeitsgrundsatzes, 1998, S. 145 ff.; Kuß, Öffentlichkeitsmaxime der Judikative und das Verbot von Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal, 1999, S. 225 ff., 249 f.) und der im vorliegenden Verfahren Angehörten, insbesondere der Vertreter der Anwaltschaft. Demgegenüber halten ein anderer Teil der Literatur (vgl. etwa Hofmann, ZRP 1996, S. 399; Huff, NJW 1996, S. 571; Enders, NJW 1996, S. 2712; Kortz, AfP 1997, S. 443; Plate, NStZ

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1999, S. 391; I.M. Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, 2000, S. 143 ff.) und vor allem die Vertreter der Richterschaft das ausnahmslose Verbot weiter für gerechtfertigt.
bb) Anlass zu einer Überprüfung des ausnahmslosen Verbots geben nicht nur die Veränderungen der Medienrealität, sondern auch die Erfahrungen mit der Öffnung von Gerichtsverhandlungen für Hörfunk und Fernsehen, die in vielen westlichen Industriestaaten vorliegen, beispielsweise in Frankreich, Norwegen, Belgien, Spanien, Israel und Australien (zur Rechtslage im Ausland vgl. Witzler, Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, 1993, S. 65 ff.; Sorth, Rundfunkberichterstattung aus Gerichtsverfahren, 1999, S. 86 ff.). Kontrovers ist in anderen Staaten zwar weiterhin die Öffnung von Strafverfahren für das Fernsehen. Erfahrungen in den USA, etwa mit dem so genannten Simpson-Prozess, werden meist zu der Empfehlung ausgewertet, mit der Zulassung von Fernsehen vorsichtig zu sein. Der besondere Bedarf des Schutzes der Angeklagten und Zeugen und die hohe Sensibilität der Wahrheitsfindung in Kriminalsachen verbieten in der Tat die grundsätzliche Zulassung von Fernsehaufnahmen in solchen Verhandlungen. Ausnahmen sind allenfalls bei hinreichenden Schutzvorkehrungen möglich und kommen nur für Verhandlungsteile in Betracht, die in der Regel keinen Einfluss auf die Wahrheitsfindung haben. Es gibt aber offensichtlich auch gerichtliche Verfahren ohne besonderen Schutzbedarf. Jedenfalls wird die Medienöffentlichkeit bei verschiedenen Verfahren im Ausland zugelassen, ohne dass dies dort als Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Verfahrens oder schutzbedürftiger Persönlichkeitsinteressen verbucht wird.
cc) Besonderer Anlass zur Prüfung der Unbedenklichkeit einer begrenzten Medienöffentlichkeit besteht in verwaltungsgerichtlichen Verfahren, in denen häufig weder besondere Persönlichkeitsinteressen im Spiel sind noch der Prozess der Rechts- und Wahrheitsfindung durch Medienöffentlichkeit stets gefährdet sein dürfte. So hat sich der Bürger in diesen Verfahren nicht dagegen zu wehren, bestraft oder mit einem sozialethischen Unwerturteil belegt zu werden, sondern er erhebt seinerseits den Vorwurf, dass die Verwaltung gegen geltendes Recht verstoßen hat. Der konkrete Gegenstand

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kann ein besonderes öffentliches Informationsinteresse bedingen. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kommt es im Übrigen häufig nicht zu Zeugenauftritten. Nicht selten wird vorrangig über Rechtsfragen gestritten. Revisionsverfahren beschränken sich grundsätzlich auf die Klärung von Rechtsfragen (§§ 137 f. VwGO). Auch sind die Beteiligten häufig persönlich gar nicht anwesend, sondern durch Anwälte vertreten.
Solche Besonderheiten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gegenüber dem strafgerichtlichen wirken sich auf die Abwägung der betroffenen Belange aus. Eine entsprechende Abwägung ist bei der Schaffung der Verwaltungsgerichtsordnung jedoch nicht mit dem Blick auf die Möglichkeit von Ton- und Fernseh- Rundfunkaufnahmen erfolgt. Beim In-Kraft-Treten von § 55 VwGO im Jahre 1960 galt § 169 GVG noch in der alten, die Medienöffentlichkeit ermöglichenden Fassung. Die Novellierung des § 169 GVG wurde durch die dynamische Verweisung in § 55 VwGO in den Bereich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens übernommen, ohne dass in dem gesetzgeberischen Verfahren zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes Besonderheiten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erörtert worden sind. Auch seitdem hat es der Gesetzgeber unterlassen, die Probleme der Medienöffentlichkeit näher zu prüfen, dabei die Änderungen im Medienbereich zu analysieren und etwa die im Ausland für verwaltungsgerichtliche Verfahren verfügbaren Erfahrungen auszuwerten. Auch anlässlich der Schaffung von § 17 a BVerfGG im Jahre 1998 sind die Besonderheiten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht überprüft worden. Allerdings hat der Gesetzgeber durch die Formulierung des § 17 a BVerfGG verdeutlicht, dass eine Zulassung der Medienöffentlichkeit für andere Verfahren als das verfassungsgerichtliche nicht vorgesehen sei (vgl. dazu BTDrucks 13/7673, S. 6). In der Gesetzesbegründung sind zwar auch mit dem Blick auf andere als verfassungsgerichtliche Verfahren Belange erwähnt worden, die einer Medienöffentlichkeit entgegenstehen (vgl. a.a.O., S. 7). Besonderheiten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sind dabei aber nicht behandelt, Erfahrungen aus dem Ausland nicht ausgewertet und die Veränderungen im Medienbereich nicht thematisiert worden.


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Auch die seitdem mit § 17 a BVerfGG gewonnenen Erfahrungen sind vom Gesetzgeber zwischenzeitlich nicht ausgewertet worden. Die für das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vorgesehene Ausnahme war zwar nicht nur mit der Besonderheit seines gerichtlichen Verfahrens, sondern auch mit seiner besonderen Organfunktion begründet worden (vgl. a.a.O., S. 6, 7). Dennoch hat die zwischenzeitliche Praxis des Bundesverfassungsgerichts verallgemeinerbare Erfahrungen bereitgestellt. Dass die dort praktizierte begrenzte Medienöffentlichkeit Schutzbedürfnisse der Beteiligten verletzt oder die Funktionstüchtigkeit des verfassungsgerichtlichen Verfahrens beeinträchtigt hat, ist nicht erkennbar. Umso näher liegt es, diese Erfahrungen jedenfalls auf Verfahren zu übertragen, in denen ähnliche Rahmenbedingungen bestehen, wie zum Beispiel bei verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren oder bei Revisionsstreitigkeiten in Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung (vgl. § 132 VwGO).
4. Ein ausnahmsloses Verbot von Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen ist jedenfalls nicht mehr zu rechtfertigen. Sollte der Gesetzgeber bei der Bewertung der gegenwärtigen Lage zum Ergebnis kommen, dass die bisher verfügbaren Erfahrungen nicht ausreichen, um eine dauerhafte und umfassende Neuregelung verantworten zu können, bleibt ihm die Möglichkeit einer begrenzten Zulassung von Ausnahmen, ergänzt um eine gesetzliche Regelung, die hilft, weitere Erfahrungen durch Pilotprojekte und deren systematische Auswertung auch darüber hinaus zu gewinnen.
Bei einer Neuregelung wird zwischen Straf- und Verwaltungsgerichtsverfahren zu unterscheiden sein. Im Strafverfahren ist der Gesetzgeber zur Herstellung von begrenzter Medienöffentlichkeit zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet. Auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kann Medienöffentlichkeit ausscheiden, insbesondere wenn Privatpersonen ihre Lebensverhältnisse offenbaren müssen, wie beispielsweise in Asylverfahren oder in Streitigkeiten über die Gewährung von Sozialhilfe. Eine Rechtfertigung des ausnahmslosen Ausschlusses der Ton- und Fernseh- Rundfunkaufnahmen entfällt aber jedenfalls für Verfahrensabschnitte, die auf den Prozess der Rechts- und Wahrheitsfindung keinen inhaltlichen

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Einfluss haben, wie in der Regel die Eröffnung des Verfahrens und der Abschluss durch Verkündung der Entscheidung. Sollte während der Verkündung ein Anlass entstehen, erneut in die Verhandlung einzutreten, gibt es Möglichkeiten, die Vernichtung schon gefertigter Aufnahmen vorzusehen. Generell können im Übrigen "live"-Aufnahmen ausgeschlossen werden, um zu verhindern, dass unvorhergesehene Entwicklungen entstehen, die das Verbot einer Verbreitung von Ton- oder Bildaufnahmen rechtfertigen.
Hier bedarf keiner abschließenden Klärung, für welche Verfahren und Verfahrensabschnitte und unter welchen Bedingungen ein Ausschluss von audiovisuellen Aufnahmetechniken nicht mehr gerechtfertigt ist und wieweit der Gesetzgeber sich zunächst auf Ermächtigungen zu Experimenten mit Medienöffentlichkeit begrenzen kann, um weitere Erfahrungen zu gewinnen. Die Öffnung von bestimmten Verfahrensabschnitten für audiovisuelle Aufnahmen ist jedenfalls nicht nur in atypischen und deshalb zu vernachlässigenden Sonderfällen geboten. Auch Gründe der Praktikabilität stehen ihr nicht entgegen. Die mit der Medienöffentlichkeit verbundenen rechtlichen Belange sind zu gewichtig, als dass sie nur aus Gründen leichterer Handhabung des Verfahrens zurückgestellt werden dürften. Mit dem Recht des Gesetzgebers zur Typisierung und Pauschalierung lässt sich die Verfassungsmäßigkeit des § 169 Satz 2 GVG daher nicht begründen.
5. Dem Gesetzgeber bleibt Spielraum bei der Festlegung der Verfahrensarten oder -abschnitte, in denen der Einsatz audiovisueller Möglichkeiten in Betracht kommt. Dasselbe gilt für die Ausgestaltung des Verfahrens, in dem über den Ausschluss oder die Zulässigkeit von audiovisuellen Aufnahmetechniken entschieden wird, und die maßgeblichen Kriterien. Dabei kann der Gesetzgeber Regel- und Ausnahmetatbestände normieren, etwa in der in § 17 a BVerfGG vorgesehenen oder in einer dieses Regel-Ausnahmeverhältnis umkehrenden Weise.
Hier kann dahinstehen, ob die von der Beschwerdeführerin, der Bundesregierung und dem Deutschen AnwaltVerein für möglich gehaltene Nutzung der Ermächtigung des § 55 VwGO zur (nur) entsprechenden Anwendung des § 169 GVG ausreicht, um einen Spiel

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raum zu eröffnen, in dem Ausnahmen vom Aufnahmeverbot gegeben sind. Für den Bereich der Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit gilt § 169 Satz 2 GVG direkt, so dass eine Ermächtigung zur Entscheidung über Ausnahmen nicht im Rahmen einer (nur) entsprechenden Anwendung abgeleitet werden könnte.
Kühling, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem