BVerfG 2 BvR 166/81 - Lügendetektor
Die Verwendung eines "Lügendetektors" (Polygraphen) im Strafverfahren mit dem Ziel, aus den körperlichen Reaktionen des Angeklagten Schlüsse auf die subjektive Billigkeit der Aussage zu ziehen, greift in unzulässiger Weise in das durch Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG geschützte Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ein. Das gilt auch dann, wenn der Betroffene mit einer derartigen Beweiserhebung einverstanden ist.
 
Beschluss
des Vorprüfungsausschusses vom 18. August 1981
-- 2 BvR 166/81 --
 
Zum Sachverhalt:
Der Bf. hatte als Angeklagter in einem Strafverfahren die Anwendung eines "Lügendetektors" an ihm beantragt, um die Richtigkeit seiner Aussagen zu beweisen.
 
Gründe:
1. Die Ablehnung der beantragten Befragung unter Zuhilfenahme eines Polygraphen ("Lügendetektors") verletzt den Bf. weder in seinem Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren noch sonst in Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten.
Die Verwendung eines Lügendetektors zielt darauf ab, mittels einer Apparatur sonst nicht wahrnehmbare, unwillkürliche körperliche Reaktionen zu registrieren, um daraus Schlüsse auf die subjektive Richtigkeit des Ausgesagten zu ziehen. Eine derartige "Durchleuchtung" der Person, welche die Aussage als deren ureigenste Leistung entwertet und den Untersuchten zu einem bloßen Anhängsel eines Apparates werden läßt, greift in unzulässiger Weise in das durch Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG geschützte Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ein, das der Wahrheitserforschung im Strafverfahren Grenzen setzt. Dabei kann es auf sich beruhen, ob der Eingriff den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit berührt oder ob es denkbar wäre, die Untersuchung durch überwiegende Interessen der Allgemeinheit oder des Beschuldigten zu rechtfertigen. Denn solche überwiegenden Interessen fehlen. Wie der Bf. selbst vorträgt, liegt die Treffsicherheit der Methode bei etwa 90%. Seine Angabe deckt sich insoweit mit den im Fachschrifttum wiedergegebenen Zahlen. Soweit höhere Zahlenwerte genannt werden, handelt es sich offenbar um wissenschaftlich nicht abgesicherte Schätzungen, deren Wert umstritten ist. Das Ergebnis der Befragung mittels eines Polygraphen erlaubt nach derzeitigem Kenntnisstand daher jedenfalls nur ein Wahrscheinlichkeitsurteil, das nicht ausschließt, daß der konkret Untersuchte bei negativem Testergebnis dennoch der Täter sein kann. Im Hinblick darauf, daß das Gericht vor einer Verurteilung aufgrund des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme zu der Gewißheit von der Täterschaft des Angeklagten gelangen muß, ist dem Ergebnis der Untersuchung deshalb -- wenn überhaupt -- nur eine geringe Aussagekraft für das Erkenntnisverfahren beizumessen, deren Bedeutung ersichtlich in keinem Verhältnis zur Schwere des erforderlichen Eingriffs stünde.
An der Unzulässigkeit einer derartigen Beweiserhebung ändert auch die Einwilligung des Bf. nichts. Selbst wenn man es als erlaubt ansehen wollte, dem Bf. die Dispositionsmacht über die in Frage stehenden Rechte einzuräumen, schiede hier eine wirksame Einwilligung aus. Eines Schutzes gegen staatliche Eingriffe bedarf nur derjenige nicht, der wählen kann (vgl. Sturm, in: Festschr. f. Geiger, 1974, S. 183). Diese Freiheit hat der von empfindlicher Freiheitsstrafe bedrohte Angeklagte tatsächlich nicht, dem sich die Untersuchung durch den "Lügendetektor" als eine günstige Gelegenheit darstellen muß, die er nicht ausschlagen darf (vgl. Peters, ZStW 87 (1975), 676).
2. Eine Verletzung von Art. 6 GG liegt offensichtlich nicht vor.
3. Auch im übrigen weisen die angegriffenen Entscheidungen keinen Verfassungsverstoß auf. Sie sind insbesondere frei von sachfremden Erwägungen.