BGE 1 I 396 - Crouzol und Baracco
 


BGE 1 I 396 (396):

99. Urtheil vom 4[.] März 1875, in Sachen Crouzol und Buracco.
 
A.
Crouzol und Buracco, als Uebernehmer des zweiten Looses der Eisenbahnlinie Basel-Delsberg, überließen laut Vertrag dat. Aesch 1. März 1874, einen Theil der übernommenen Arbeiten dem Philipp Robinot aus Italien. In dem Vertrage ist als Wohnort des Robinot Besançon angegeben und wählte Letzterer auch bezüglich der Ausführung seiner vertraglichen Verpflichtungen an diesem Orte Domizil.
 
B.
In der Folge entstanden zwischen den Unternehmern und ihrem Unteraccordanten Streitigkeiten, welche zum Abbruche des Verhältnisses führten und dem Robinot Veranlassung gaben, gegen Crouzol und Buracco eine Entschädigungsforderung von 10,000 Franken beim basellandschaftlichen Bezirksgerichte Arlesheim, in dessen Gebiet Aesch liegt, einzuklagen. In der Beantwortung der Klage anerkannte zwar der Anwalt der Beklagten ausdrücklich, daß Kläger und Beklagte dort niedergelassen seien und das Büreau der Beklagten sich in Aesch befinde; gleichwohl verweigerte derselbe die Einlassung auf die Klage, weil in dem Unteraccorde vom 1. März 1874 für Auslegung und Ausführung dieses Vertrages von beiden Parteien Domizil in Besançon erwählt worden sei, somit die Klage von Robinot an letzterm Orte anhängig gemacht werden müsse. Diese Einrede wurde aber sowohl vom Bezirksgerichte Arlesheim als auch unterm 15. Januar d. Jahres in zweiter Instanz vom basellandschaftlichen Obergerichte verworfen, weil in dem Vertrage vom 1. März vorigen Jahres lediglich Kläger Domizil in Besançon gewählt habe und diese Bestimmung nicht auch auf die Beklagten ausgedehnt werden dürfe.
 
C.
Über diesen Entscheid beschweren sich Crouzol und Buracco gestützt auf Art. 64 der Bundesverfassung und Art. 29 und 30 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, indem sie anführen: Zur Zeit des Abschlusses des Unteraccordes mit Robinot haben sie ihr Domizil in Frankreich (Besançon und Umgegend) gehabt, wo Crouzol jetzt noch

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wohne; deßhalb sei von Robinot verlangt worden, daß er im Streitfalle über Auslegung des Accordes ebenfalls das Gerichtsdomizil an jenem Orte nehme. Erst seither seien die Parteien in die Schweiz gekommen und haben sie, die Beklagten, ihr Büreau in Aesch aufgeschlagen. Sie verlangen deßhalb, daß Robinot mit seiner Klage an das Gericht von Besançon gewiesen werde.
 
D.
Robinot beantragt Abweisung der Beschwerde gestützt auf die in dem obergerichtlichen Entscheide enthaltene Begründung, unter Bestreitung der thatsächlichen Darstellung der Rekurrenten.
 
In rechtlicher Würdigung dieser Thatsachen zieht das Bundesgericht in Erwägung:
 
Erwägung 1
1. Da Rekurrenten zur Begründung ihres Rekurses auf Art. 64 der Bundesverfassung und die Art. 29 und 30 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege sich beziehen, so ist anzunehmen, daß sie das Bundesgericht als Kassationsinstanz für Zivilstreitigkeiten anrufen wollen. Von diesem Standpunkte aus ist aber das Bundesgericht zur Beurtheilung der Beschwerde nicht kompetent.
 
Erwägung 2
2. Nach Art. 29 des angeführten Gesetzes kann nämlich die Abänderung eines kantonalen letztinstanzlichen Haupturtheiles nur insofern beim Bundesgerichte nachgesucht werden, als die betreffende Rechtsstreitigkeit von den kantonalen Gerichten nach eidgenössischen Gesetzen zu entscheiden ist. Diese Voraussetzung trifft in concreto nicht zu. Der Art. 64 der Bundesverfassung legt zwar dem Bunde die Gesetzgebung über das Obligationenrecht bei; allein dieses Gesetz ist zur Zeit noch nicht erlassen und bestehen somit, wie sich von selbst versteht, übrigens auch in Art. 2 der Übergangsbestimmungen zu der Bundesverfassung ausdrücklich verordnet ist, die kantonalen Gesetze über das Obligationenrecht zur Zeit noch in Kraft und sind dieselben für die Entscheidung der in dieses Gebiet fallenden Rechtsstreitigkeiten so lange maßgebend, als sie nicht durch ein eidgenössisches Gesetz außer Kraft gesetzt sind.
 
Erwägung 3
3. Prüft man aber die Beschwerde vom staatsrechtlichen Standpunkte aus, so erscheint dieselbe unbegründet. Daß eine Verletzung der den Rekurrenten durch die Bundesverfassung

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oder die in Ausführung derselben erlassenen Bundesgesetze oder durch die Verfassung des Kantons Baselland gewährleisteten Rechte stattgefunden habe, wird von denselben nicht behauptet und ergibt sich auch keineswegs aus den Akten. Der Gerichtsstand, vor welchem Beklagte belangt werden, ist vielmehr sowohl der verfassungsgemäße (Art. 59 der Bundesverfassung), als der dem Staatsvertrage zwischen der Schweiz und Frankreich vom 15. Juni 1869 entsprechende (Art. 1 und 2 ibidem). Die Ausnahme des Art. 3 dieses Vertrages trifft im vorliegenden Falle deßhalb nicht zu, weil der Vertrag vom 1. März vorigen Jahres keine Bestimmung enthält, wonach auch die Rekurrenten für Streitigkeiten, zu welchen die Erfüllung jenes Vertrages Anlaß geben würde, Domizil in Besançon gewählt hätten und Alles, was dieselben über die Entstehung der lediglich den Robinot betreffenden Bestimmung angeführt haben, nicht geeignet ist, deren Anwendung auf die Rekurrenten zu rechtfertigen.
 
Demnach hat das Bundesgericht
erkannt:
Die Beschwerde ist als unbegründet abgewiesen.