BVerwGE 59, 87 - Satzungserlaß


BVerwGE 59, 87 (87):

Ein die Befugnis zur Einleitung eines Normenkontrollverfahrens gegen einen Bebauungsplan begründender Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gegeben, wenn der Antragsteller durch den Bebauungsplan oder durch dessen Anwendung negativ, d.h. verletzend, in einem Interesse betroffen wird bzw. in absehbarer Zeit betroffen werden kann, das bei der Entscheidung über den Erlaß oder den Inhalt dieses Bebauungsplans als privates Interesse des Antragstellers in der Abwägung berücksichtigt werden mußte.
§ 47 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 5 VwGO; § 1 Abs. 7 BBauG 1976/1979
 
Beschluß
des 4. Senats vom 9. November 1979
BVerwG 4 N 1. 78, 4 N 2 -- 4. 79 --
Vorlegende Gerichte: OVG Koblenz, OVG Lüneburg, VGH München, VGH München
Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens der Vorlagesache BVerwG 4 N 1. 78 betreibt in A. ein Kaufhaus. Das Betriebsgrundstück liegt im räumlichen Geltungsbereich eines 1972 erlassenen Bebauungsplanes. Im November 1977 beschloß die Antragsgegnerin zu 1) für das sich nördlich anschließende Gebiet einen Bebauungsplan Nr. 2. Dieser Plan setzt ein Kerngebiet fest, in dem ein Großwarenhaus und in baulicher Verbindung damit das Rathaus der Antragsgegnerin zu 1) sowie eine Tiefgarage errichtet werden sollen.
Die Antragstellerin zu 1) hat im Mai 1978 beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz ein Normenkontrollverfahren eingeleitet mit dem

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Antrag, die Ungültigkeit des Bebauungsplans Nr. 2 festzustellen. Sie macht geltend, daß dieser Bebauungsplan verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei und außerdem gegen materielles Recht verstoße. Insbesondere rügt sie, daß das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 des Bundesbaugesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. August 1976 (BGBl. I S. 2256 -- BBauG 1976) zu ihren Lasten verletzt worden sei. Die Ansiedlung des Konkurrenzunternehmens stelle eine wettbewerbsverzerrende Wirtschaftsförderung dar und werde sie in ihrer wirtschaftlichen Existenz vernichten. Außerdem beschneide der angefochtene Bebauungsplan ungerechtfertigt die bisher bestehenden Zufahrts- und Parkmöglichkeiten.
Das Oberverwaltungsgericht hält den Normenkontrollantrag für unzulässig, weil der Antragstellerin zu 1) die erforderliche Antragsbefugnis fehle. Die Antragstellerin zu 1) habe durch den von ihr beanstandeten Bebauungsplan und auch durch dessen Anwendung einen Nachteil weder erlitten noch in absehbarer Zeit zu erwarten. Unter den Begriff des Nachteils im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO falle nämlich nur die Beeinträchtigung der tatsächlichen Verhältnisse.
Da das Oberverwaltungsgericht meint, mit dieser Würdigung von der -- dem Normenkontrollantrag der Antragstellerin zu 1) günstigeren -- Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg abzuweichen, und da es außerdem wegen seiner Bedenken gegen die Antragsbefugnis der Antragstellerin zu 1) der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt, hat es beschlossen, dem Bundesverwaltungsgericht die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob unter dem Begriff des Nachteils in § 47 Abs. 2 VwGO die Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen zu verstehen ist, oder ob bereits eine nachteilige Beeinträchtigung der tatsächlichen Verhältnisse für die Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren ausreicht.
Der Antragsteller des Ausgangsverfahrens der Vorlagesache BVerwG 4 N 2. 79 ist Eigentümer eines Wohngrundstücks, das an den bisher eine Sackgasse bildenden H-Weg grenzt. Dieses Grundstück liegt seit 1965 im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, der anderweit eine Fläche für gärt

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neriche Nutzung festsetzt. Im Oktober 1974 beschloß der Rat der Antragsgegnerin zu 2), den bestehenden Bebauungsplan aufzuheben und ihn durch den Bebauungsplan Nr. 56 zu ersetzen. Dieser Bebauungsplan Nr. 56 hat zum Ziel, auf dem bisher gärtnerisch zu nutzenden Gelände eine weitere Wohnbebauung zu ermöglichen. Die Erschließung der hinzutretenden Wohnbebauung sollte zunächst über den U-Weg erfolgen. Da hiergegen Einwände erhoben wurden, entschloß sich die Antragsgegnerin zu 2), den Planentwurf dahin zu ändern, daß anstelle des U-Weges der H-Weg als Erschließung der neuen Wohnbebauung ausgebaut werden solle. Mit diesem Inhalt wurde der Bebauungsplan Nr. 56 beschlossen und genehmigt.
Der Antragsteller zu 2) hat beim Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein ein Normenkontrollverfahren eingeleitet mit dem Antrag, den Bebauungsplan Nr. 56 teilweise für ungültig zu erklären, nämlich insoweit, wie ihn eine Verlängerung des H-Weges festgesetzt ist. Er hält den Bebauungsplan für aus verschiedenen Gründen formell unwirksam. Außerdem leide der Plan an materiellen Mängeln. Er sei nicht in der gebotenen Weise aus dem Flächennutzungsplan entwickelt worden. Ferner liege ihm eine fehlerhafte Abwägung zugrunde. Die Erschließung über den U-Weg sei kürzer und billiger. Es fehle an überzeugenden Gründen, dennoch diese Art der Erschließung zu Lasten der Anlieger des H-Weges durch eine Öffnung dieses Weges zu ersetzen.
Das Oberverwaltungsgericht bezweifelt die Zulässigkeit der Normenkontrollantrages. Es führt aus: Eine Antragsbefugnis bestehe nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur dann, wenn der Antragsteller durch die von ihm beanstandete Norm einen Nachteil erlitten oder zu erwarten habe. Das könne nur bei einer Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen der Fall sein. Daran fehle es hier, weil Straßenanlieger in der Regel keinen Anspruch darauf hätten, daß sich die Verkehrsverhältnisse vor ihrem Grundstück nicht änderten. Die Antragsbefugnis des Antragstellers zu 2) lasse sich demgegenüber dann nicht verneinen, wenn der Ansicht gefolgt werde, daß als Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch tatsächliche Auswirkungen einer Rechtsnorm ausreichten. Denn nach Lage der Dinge sei damit zu rechnen, daß das Grundstück des Antragstellers zu

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2) infolge der veränderten Erschließungsfunktion des H-Weges verstärkt von Verkehrsgeräuschen betroffen werde.
Das Oberverwaltungsgericht meint, daß die Rechtssache im Zusammenhang mit der Frage der Antragsbefugnis grundsätzliche Bedeutung besitzt. Es hat dementsprechend beschlossen, dem Bundesverwaltungsgericht die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob unter dem Begriff des Nachteils in § 47 Abs. 2 VwGO die Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen zu verstehen ist, oder ob bereits eine nachteilige Beeinträchtigung der tatsächlichen Verhältnisse für die Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren ausreicht.
Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens der Vorlagesache BVerwG 4 N 3. 79 stellt Betondachsteine her, die unter anderem in Niederbayern vertrieben werden. Sie wendet sich mit einem Normenkontrollantrag gegen die Gültigkeit des von der Antragsgegnerin zu 3) bekanntgemachten Bebauungsplans, soweit dieser Plan die textliche Festsetzung enthält, daß die Dachdeckung in einem Teil des Plangebiets in "Tonziegel naturrot auszuführen sei. Sie macht geltend, daß sie durch die beanstandete Festsetzung im Vergleich zu ihren Konkurrenten erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleide. Seit dem Inkrafttreten des Bebauungsplanes habe sie keinen einzigen Auftrag mehr erhalten. Die Festsetzung laufe auf ein Kaufverbot hinaus. Das beeinträchtige sie in ihrer Unternehmensfreiheit. Die Ungültigkeit des Bebauungsplanes ergebe sich aus dem Fehlen der erforderlichen Begründung, aus Mängeln der planerischen Abwägung und aus einem Verstoß gegen die Bayerische Bauordnung, die nur unter bestimmten, hier nicht gegebenen Voraussetzungen den Erlaß örtlicher Baugestaltungsvorschriften gestatte.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hält den Normenkontrollantrag für unzulässig, weil die Antragstellerin zu 3) durch die von ihr angegriffene Festsetzung keinen unmittelbaren Nachteil und keine Grundrechtsverletzung erlitten und Nachteile dieser Art auch nicht zu erwarten habe. Die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sei nicht bei nur mittelbaren, sondern allein bei unmittelbaren Nachteilen gegeben.
Da der Verwaltungsgerichtshof meint, mit dieser Würdigung von der -- dem Normenkontrollantrag der Antragstellerin zu 3) günstigeren --

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Rechtsauffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs abzuweichen, hat er beschlossen, dem Bundesverwaltungsgericht die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob ein Hersteller von Baumaterialien gegen eine gemeindliche örtliche Bauvorschrift, die nur andere als die von der Antragstellerin hergestellten Materialien zuläßt, zulässigerweise einen Normenkontrollantrag stellen kann.
Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens der Vorlagesache BVerwG 4 N 4. 79 ist Pächterin eines Grundstücks im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 27. Sie betreibt auf diesem Grundstück seit 1965 eine Transportbetonanlage. Der zugrundeliegende Vertrag sichert das Pachtrecht bis zum Jahre 1988; außerdem räumt er der Antragstellerin zu 4) ein Vorkaufsrecht ein.
Das Betriebsgrundstück der Antragstellerin zu 4) lag vor dem Erlaß des Bebauungsplans Nr. 27 in einem förmlich festgesetzten Industriegebiet. Seine Umgebung ist vorwiegend unbebaut. Nur auf seiner westlichen Seite stehen -- nach der Errichtung der Transportbetonanlage entstandene -- Wohnhäuser, die die Antragstellerin zu 4) im Jahre 1972 auf Drängen der Antragsgegnerin zu 4) durch eine Lärmschutzmauer gegen die Geräuschemissionen des Betriebes abgeschirmt hat. Der Bebauungsplan Nr. 27 sieht in der Umgebung des Betriebsgrundstücks der Antragstellerin zu 4) weitere Wohnbauten vor. Das Betriebsgrundstück selbst ist zum Teil als eingeschränktes Gewerbegebiet und zum anderen Teil als Gewerbegebiet festgesetzt.
Die Antragstellerin zu 4) hat beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein Normenkontrollverfahren eingeleitet mit dem Antrag, den Bebauungsplan Nr. 27 für nichtig zu erklären. Sie hält den Plan aus mehreren formellen und materiellen Gesichtspunkten für mit höherrangigem Recht unvereinbar und rügt insbesondere, daß zu ihren Lasten gegen § 1 Abs. 7 BBauG 1976 verstoßen sei. Das Zusammentreffen der Herabstufung des Betriebsgeländes vom Industriegebiet zum Gewerbegebiet mit der Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes in der unmittelbaren Umgebung führe absehbar zu Konflikten, die die weitere Existenz des Betriebes bedrohten.


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Der Verwaltungsgerichtshof hält den Normenkontrollantrag für unzulässig, weil die Antragstellerin zu 4) nicht antragsbefugt sei. Einen zur Antragsbefugnis führenden Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 BBauG könnten bei Bebauungsplänen nur Grundeigentümer sowie Inhaber eigentumsrechtlicher Rechte erleiden. Weder die der Antragstellerin zu 4) aus dem Pachtvertrag zustehenden obligatorischen Rechte und ihr Vorkaufsrecht noch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb erfüllten diese Voraussetzung.
Da der Verwaltungsgerichtshof meint, mit dieser Würdigung von der -- dem Normenkontrollantrag der Antragstellerin zu 4) günstigeren -- Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts Berlin abzuweichen, und da er darüber hinaus wegen der Frage der Antragsbefugnis der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt, hat er beschlossen, dem Bundesverwaltungsgericht die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob ein Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan auch von einem Pächter eines im Geltungsbereich gelegenen Grundstücks gestellt werden kann.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die vier Vorlagesachen zur gemeinsamen Entscheidung miteinander verbunden und in der Sache wie folgt erkannt:
Ein die Befugnis zur Einleitung eines Normenkontrollverfahrens gegen einen Bebauungsplan begründender Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gegeben, wenn der Antragsteller durch den Bebauungsplan oder durch dessen Anwendung negativ, d.h. verletzend, in einem Interesse betroffen wird bzw. in absehbarer Zeit betroffen werden kann, das bei der Entscheidung über den Erlaß oder den Inhalt dieses Bebauungsplans als privates Interesse des Antragstellers in der Abwägung berücksichtigt werden mußte.
 
Aus den Gründen:
1. Die Vorlagen sind zulässig. Die bei den vorlegenden Gerichten anhängigen Rechtssachen haben grundsätzliche Bedeutung (§ 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Sie werfen zur Antragsbefugnis Fragen auf, die der Klärung "dazu dienen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten

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(BVerwGE 13, 90 [91] zum insoweit inhaltsgleichen Begriff der grundsätzlichen Bedeutung in § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das braucht angesichts der Vielzahl der einschlägigen und im einzelnen mehr oder weniger divergierenden Äußerungen in der Rechtsprechung sowie im Schrifttum nicht näher ausgeführt zu werden.
Da sich die Vorlage in allen vier Sachen unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigt, bedarf nicht der Prüfung, ob außerdem die in den Vorlagebeschlüssen zu BVerwG 4 N 1. 78, 4 N 3. 79 und 4 N 4. 79 bejahte Abweichung von Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte gegeben ist (vgl. § 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 VwGO).  Daß dies dahingestellt bleiben kann, gilt auch für das Vorlageverfahren BVerwG 4 N 3. 79, obgleich der Verwaltungsgerichtshof dort -- anders als in den Verfahren BVerwG 4 N 1. 78 und 4 N 4. 79 -- einzig wegen vermeintlicher Abweichung und nicht auch wegen grundsätzlicher Bedeutung vorgelegt hat. Die Vorlage wegen Abweichung ist nur ein spezieller Fall der Vorlage wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. Beschluß vom 24. Mai 1965 -- BVerwG 3 B 10. 65 -- Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 49 S. 51 [53] zum Verhältnis zwischen Divergenz- und Grundsatzrevision). Erweist sich bei einer Vorlage wegen Abweichung, daß es zwar an der angenommenen Abweichung fehlt, die Rechtssache in dem fraglichen Punkt jedoch grundsätzliche Bedeutung besitzt, so führt das zur Zulässigkeit der Vorlage (BVerwGE 24, 91 f. zu der entsprechenden Rechtslage bei der Nichtzulassungsbeschwerde). Deshalb braucht auch in der Vorlagesache BVerwG 4 N 3. 79 nicht entschieden zu werden, ob der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit seiner im Vorlagebeschluß dargelegten Rechtsauffassung in der Tat von der dem Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 1973 -- IV N 16/72 -- VerwRspr. 25, 952 zugrundeliegenden Rechtsauffassung abweichen würde oder nicht.
Die Zulässigkeit der Vorlagen unterliegt auch unter dem Gesichtspunkt der Entscheidungserheblichkeit keinen Bedenken. Vorlagen sind allerdings nur zur Klärung entscheidungserheblicher Fragen zulässig; ein Oberverwaltungsgericht darf also nach § 47 Abs. 5 VwGO nicht wegen einer Frage vorlegen, auf deren Beantwortung es für den Ausgang des anhängigen Normenkontrollverfahrens nicht ankommt (ebenso BVerwGE 56,

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172 [175]). Soweit der Vorlagebeschluß in der Sache BVerwG 4 N 2. 79 in dieser Richtung Zweifel äußert, ist ihm nicht zu folgen. Die in diesem Beschluß angeführten Gründe beruhen auf einer Verwechslung von zwei zu trennenden Fragen, nämlich erstens, ob es zur Zulässigkeit der Vorlage der Entscheidungserheblichkeit bedarf, und zweitens, anhand welchen Maßstabes die Entscheidungserheblichkeit zu prüfen ist. Die in dem Vorlagebeschluß der Sache BVerwG 4 N 2. 79 erörterten Zweifel erledigen sich mit der Einsicht, daß Entscheidungserheblichkeit in dem zur Zulässigkeit einer Vorlage führenden Sinne immer schon dann gegeben ist, wenn das vorlegende Gericht auf der Grundlage einerseits seines Rechtsstandpunktes und andererseits des gegebenen Sach- und Aufklärungsstandes nicht ausschließen kann, daß die Durchführung des Normenkontrollverfahrens die Beantwortung der Vorlagefrage erfordert. Diese Voraussetzungen sind in den hier zu beurteilenden Fällen erfüllt.
2. Der beschließende Senat hält, wie der Tenor dieses Beschlusses zum Ausdruck bringt, einen die Befugnis zur Einleitung eines Normenkontrollverfahrens gegen einen Bebauungsplan begründeten Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO für gegeben, wenn der Antragsteller durch den Bebauungsplan oder durch dessen Anwendung negativ, d.h. verletzend, in einem Interesse betroffen wird bzw. in absehbarer Zeit betroffen werden kann, das bei der Entscheidung über den Erlaß oder den Inhalt dieses Bebauungsplanes als privates Interesse des Antragstellers in der Abwägung berücksichtigt werden mußte. Diese Stellungnahme trifft zumindest formal nicht genau die Fragen, die dem Senat mit den Vorlagebeschlüssen gestellt worden sind. Um so antworten zu können, ist vorausgesetzt, daß an den einzelnen Fragestellungen Änderungen vorgenommen werden. Dazu hält sich der beschließende Senat für berechtigt.
Der Sinn einer Vorlage nach § 47 Abs. 5 VwGO hängt davon ab, daß sie in der Sache zu einem Ertrag führt. Das kann naturgemäß das vorlegende Gericht mit der von ihm gewählten Formulierung der Vorlagefrage nicht gewährleisten. Denn für den Ertrag eines Vorlageverfahrens ist nicht zuletzt wesentlich, wie das mit der Vorlage angerufene Gericht diejenigen Fragen beantwortet, die den Zugang zur Vorlagefrage eröffnet. Es ist beispielsweise -- wie die Vorlagebeschlüsse in den Sachen BVerwG 4 N

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1. 78 und 2. 79 belegen -- denkbar, daß das vorlegende Gericht die Vorlagefrage auf eine vermeintlich erschöpfende Alternative bezieht, während das mit der Vorlage angerufene Bundesverwaltungsgericht meint, daß eine dritte Lösung (möglich und) Rechtens sei. Es ist ferner denkbar, daß die Ansichten des vorlegenden Gerichts und des Bundesverwaltungsgerichts darin auseinandergehen, worauf der Akzent zu legen sei, daß also das vorlegende Gericht beispielsweise eine Frage zum Prozeßrecht stellt, von der das Bundesverwaltungsgericht meint, daß sie in ihren Problemen mehr das materielle Recht betreffe. Und es ist schließlich denkbar, daß das vorlegende Gericht die Vorlagefrage derart abstrakt oder derart konkret faßt, daß sie sich -- auf der Grundlage der Ansicht, die das Bundesverwaltungsgericht vertritt -- ergiebig nicht beantworten läßt. So liegt es hier bei den Fragen, die in den Vorlagebeschlüssen der Sache BVerwG 4 N 3. 79 und 4 N 4. 79 gestellt sind. Beide können nämlich nach Auffassung des beschließenden Senats in dieser Form weder mit "ja noch mit "nein beantwortet werden.
Der in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO enthaltene prozeßrechtliche Begriff des Nachteils gestattet unmittelbar aus dem Sinn des Wortes "Nachteil

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zwei Schlüsse, nämlich erstens den, daß es bei dieser Antragsvoraussetzung um das Betroffensein in bestimmten Interessen geht, und zweitens den, daß dieses Betroffensein ein negatives, d.h. ein verletzendes, sein muß.
Dazu ist im einzelnen zu sagen: Das Wort "Nachteil drückt aus, daß jemand an einem bestimmten "Gut eine "Einbuße erlitten hat. Bei einer Differenzierung zwischen Eingriff und Eingriffswirkung ergibt sich folglich, daß es der "Nachteil nicht (oder doch weniger) mit dem Eingriff, sondern mit der Eingriffswirkung zu tun hat. Für das Entstehen eines Nachteils kommt es beispielsweise bei Bebauungsplänen darauf an, was ein solcher Plan "anrichtet, was er einzelnen an Betroffenheit zumutet. Wird das "Gut, um das es bei einem Betroffensein notwendig geht, als "Interesse bezeichnet, so ist festzustellen: "Nachteil ist gleichbedeutend mit dem Betroffensein in einem Interesse, und zwar -- wie dem Gegensatz zwischen "Nachteil und "Vorteil zu entnehmen ist -- einem negativen, verletzenden Betroffensein im Unterschied zu einem positiven, förderlichen Betroffensein. Zu fragen kann bei diesem Ausgangspunkt nur sein, worin sich die im Zusammenhang mit § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO beachtlichen Interessen von den in diesem Zusammenhang unbeachtlichen Interessen unterscheiden, und ob es dabei auch auf die Art und das Ausmaß ankommt, in denen ein Interesse belastet wird.
Daß überhaupt eine Einschränkung vorzunehmen ist, also nicht eine jede negative Berührung eines jeden Interesses im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO als Nachteil gewertet werden kann, läßt sich nach Überzeugung des beschließenden Senats nicht anzweifeln. Das Erfordernis eines eingetretenen oder zu erwartenden Nachteils soll in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine Beschränkung des Kreises der Antragsbefugten erreichen, d.h. -- wie es meist ausgedrückt wird -- zumindest die Zulässigkeit von Popularanträgen ausschließen. Dieses Ziel würde nicht erreicht, wenn das Merkmal des Nachteils -- unter Ausscheidung lediglich der vom Recht mißbilligten Interessen -- mit dem umfassenden Begriff des Interesses und jeglichem (negativen) Betroffensein eines solchen Interesses verbunden wäre. Das wird deutlich, wenn man sich die Konstellationen bewußt macht, die allgemein für Fälle einer unzulässigen Poplarantragstellung gehalten werden. Denn das Besondere des Popularantragstellers in dem dabei voraus

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gesetzten Sinne besteht keineswegs darin, daß er mit seinem Antrag kein legales und nicht selten auch hochwertiges Interesse verfolgte oder daß er nicht in einem Interesse betroffen wäre. So kann beispielsweise nicht geleugnet werden, daß dem Wunsch nach Erhaltung der deutschen Landschaft ein entsprechendes (ideeles) Interesse korrespondiert oder doch korrespondieren kann, und daß dieses Interesse "betroffen wird, wenn irgendwo in Deutschland etwas geschieht, was in den bestehenden Landschaftszustand eingreift. Würde schlechthin das negative Betroffensein in einem nicht illegalen Interesse mit dem Merkmal des beachtlichen Nachteils gleichgesetzt, so erreichte dieses Merkmal innerhalb des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO praktisch keine ins Gewicht fallende Beschränkung der Antragsbefugnis.
4. Bei einer Durchsicht des zur Normenkontrolle nach § 47 VwGO vorliegenden Materials fällt auf, daß die Abgrenzung der Antragsbefugnis praktisch fast nur bei Bebauungsplänen Schwierigkeiten bereitet. Bei Regelungen, für die kennzeichnend ist, daß sie in hergebrachter Art durch belastende Verwaltungsakte umgesetzt werden -- etwa bei Abgabensatzungen -, kommen kaum Zweifel auf, daß als im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO benachteiligt (jedenfalls) alle diejenigen anzusehen sind, die mit dem Erlaß eines gegen sie gerichteten belastenden Verwaltungsaktes rechnen müssen. Im Unterschied dazu bereitet es bei Bebauungsplänen bereits im Ansatz Schwierigkeiten, mit Hilfe allgemeiner Kriterien den Kreis "nachteilig betroffener Personen festzustellen. Diese Schwierigkeiten hängen offensichtlich damit zusammen, daß Bebauungspläne -- erstens -- überhaupt nicht in ihrem Wesen dadurch gekennzeichnet werden, daß sie eine Belastung bedeuten, und daß sie -- zweitens -- auch in den von ihnen ausgehenden Belastungen anders wirken, als es beispielsweise bei einer Abgabensatzung und einem auf sie gestützten Abgabenbescheid zutrifft. Es ist demnach so: Die Schwierigkeit, die es bereitet, den prozeßrechtlichen Nachteilsbegriff in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO über das bereits Gesagte hinaus einzugrenzen, erklären sich vorwiegend aus materiellrechtlich bedingten Unterschieden der Normwirkung. Das legt die Frage nahe, ob der Nachteilsbegriff insoweit nicht vielleicht überhaupt nur formal ein solcher des Prozeßrechts ist, sein Gehalt dagegen -- möglicherweise von Rechtsmaterie zu Rechtsmaterie wechselnd -- im wesentlichen aus dem materiel

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len Recht hervorgeht. Der beschließende Senat meint, daß diese Frage zu bejahen ist: Welche Interessen bei welcher Belastung im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO einen (beachtlichen) "Nachteil erleiden, ergibt sich der Sache nach weniger aus dem Prozeßrecht als aus dem (jeweiligen) materiellen Recht.
Diese Überlegung führt zu folgendem: Im (Bau-)Planungsrecht spielt das sog. Abwägungsgebot eine beherrschende Rolle (vgl. § 1 Abs. 7 BBauG 1976, der durch das Gesetz zur Beschleunigung von Verfahren und zur Erleichterung von Investitionsvorhaben im Städtebaurecht vom 6. Juli 1979 [BGBl. I S. 949 -- BBauG 1979] nicht verändert worden ist). Dieses Abwägungsgebot bildet im (Bau-)Planungsrecht eine Art Brücke zwischen den Betroffensein eines Interesses und der Pflicht des Planers, dieses Interesse bei der Entscheidung über den Erlaß und den Inhalt des Planes zu berücksichtigen: Die Vornahme der Abwägung setzt voraus, daß die abwägungserheblichen Interessen bekannt sind. Die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zum Kreis der abwägungserheblichen Interessen -- d.h. zum sog. "Abwägungsmaterial im Sinne von BVerwGE 45, 310 [322] -- hängt vom Betroffensein eines Interesses ab, also davon, ob ein bestimmtes Interesse von der in Aussicht genommenen Planung in planungsrechtlich beachtlicher Weise "auswirkt (BVerwGE 52, 237 [245]). Ein Interesse, das durch die Planung nicht in beachtlicher Weise betroffen wird, darf bei der Entscheidung über den Plan vernachlässigt werden.
Der beschließende Senat ist der Ansicht, daß dieser Zusammenhang zwischen dem Betroffensein eines Interesses und seiner daraus folgenden Beachtlichkeit bei einem Erlaß der Norm allgemein besteht. Es ist -- selbstverständlich -- keine Eigenart des Bauplanungsrechts, daß bei der Entscheidung über den Erlaß einer (Bebauungsplan-)Satzung abgewogen werden muß und abgewogen wird. Die Besonderheit der Abwägung im Planungsrecht liegt vielmehr darin, daß es sich um eine spezifische Art des Abwägens, nämlich eben ein planerisches Abwägen, handelt. Nicht minder selbstverständlich ist, daß bei der Abwägung, die dem Erlaß beispielsweise einer Abgabensatzung vorangeht, auch die von dieser Satzung betroffenen

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privaten Interessen in Rechnung gestellt werden müssen. Wenn das für Bebauungspläne häufig, für andere Satzungen dagegen nur selten hervorgehoben wird, dann hat das seinen Grund in der besonderen Rolle, die dem Abwägungsgebot im Planungsrecht zukommt, nicht aber darin, daß bei der Entscheidung über eine sonstige Satzung die von dieser Satzung in beachtlicher Weise betroffenen privaten Interessen beim Erlaß der Satzung etwa gar nicht in Rechnung gestellt werden brauchten. Um welche Interessen es sich dabei -- hier und dort -- handelt, läßt sich nicht allgemein sagen. Der Gesetzgeber ist in den einzelnen Fachmaterien im Grundsatz frei zu entscheiden, was er an Interessen für in beachtlicher Weise betroffen hält und deshalb bei der Entscheidung über den Erlaß der Norm beachtet wissen will. Daß dieser Freiheit durch das Verfassungsrecht Grenzen gesetzt sind, versteht sich von selbst.
Der beschließende Senat hält die darin liegende Abgrenzung der Antragsbefugnis für dem Sinn des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO entsprechend und für auch sachgerecht. Es leuchtet -- erstens -- unmittelbar aus sich ein, daß das Bestehen einer Antragsbefugnis von der Beachtlichkeit des dem Antrag zugrundeliegenden Interesses abhängt. Ist ein Interesse gewichtig genug, um bei der Entscheidung über den Erlaß einer Rechtsvorschrift beachtlich zu sein, dann ist es zugleich schutzwürdig genug, um nach erfolgtem Erlaß der Rechtsvorschrift einen Normenkontrollantrag zu legitimieren. Und ist ein Interesse so wenig gewichtig, daß es bei der Entscheidung über den Erlaß einer Rechtsvorschrift ohne weiteres beiseite geschoben werden darf, dann spricht wenig dafür, daß der so "Betroffene dennoch ein

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Verfahren der Normenkontrolle sollte einleiten dürfen. Die oben wiedergegebene Abgrenzung leuchtet -- zweitens -- in ihrer Flexibilität ein. Die Art des Betroffenseins von Interessen gewinnt in den verschiedenen Rechtsmaterien in unterschiedlicher Weise Gestalt. Es wäre schwer einzusehen, wenn das ohne Folgen dafür sein sollte, ob ein die Antragstellung rechtfertigendes Betroffensein gegeben ist oder nicht, wenn also für dieses Betroffensein generell nur eine Verletzung subjektiver Rechte (vgl. §§ 42 Abs. 2 und 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder generell das Betroffensein in einer andersartigen Rechtsposition maßgebend wäre. Richtig erscheint vielmehr, daß die jeweilige rechtliche Fachregelung -- im Rahmen des Verfassungsrechts -- diejenigen Rechtspositionen bestimmt und bestimmen kann, die bei der Normsetzung in die Abwägung einzugehen haben und deren nachteilige Berührung deshalb die Antragsbefugnis rechtfertigt. Da beispielsweise im (Bau-)Planungsrecht der Umfang des notwendigen Abwägungsmaterials mehr zur Weite als zur Enge tendiert, ist es sachgerecht, daß sich dies in einer entsprechenden Ausweitung auch der Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO niederschlägt, und es ist ebenso sachgerecht, daß daraus nicht auf eine vergleichbare Ausweitung der Antragsbefugnis beispielsweise bei abgaben- oder schulrechtlichen Vorschriften geschlossen werden kann.


BVerwGE 59, 87 (101):

Bei der Bauleitplanung erfaßt das notwendige Abwägungsmaterial alle (privaten) Belange, die nach "Lage der Dinge in die Abwägung "eingestellt werden müssen (BVerwGE 34, 301 [309]). Darin wird deutlich, daß sich "die Frage, auf welche Belange dies im konkreten Fall -- sachlich wie räumlich -- zutrifft, ... nicht [erschöpfend] generell, sondern [letztlich] nur für die jeweilige Planung im Hinblick auf das von ihr konkret verfolgte Planungsziel sowie auf die ihr vorgegebene Situation beantworten läßt (BVerwGE 58, 154 [156] zum Fachplanungsrecht). Die insofern ausschlaggebende Bedeutung der jeweiligen konkreten Sachlage hebt jedich nicht auf, daß es leitender allgemeiner Abgrenzungsgesichtspunkte bedarf und daß sich solche Gesichtspunkte auch -- sei es positiv, sei es negativ -- nennen lassen.
Die als Abwägungsmaterial beachtlichen privaten Interessen beschränken sich im Bauplanungsrecht nicht auf subjektive öffentliche Rechte oder auf das, was nach Art. 14 oder Art. 2 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich gegen (entschädigungslose) Eingriffe geschützt ist (vgl. BVerwGE 48, 56 [65]). Die Tatsache, daß eine bestimmte Grundstücksnutzung nur auf Grund eines Mietvertrages (so in der Vorlagesache BVerwG 4 N 1. 78) oder eines Pachtvertrages (so in der Vorlagesache BVerwG 4 N 4. 79) geschieht, führt nicht aus sich dazu, daß die damit zusammenhängenden Interessen bei der planerischen Abwägung unberücksichtigt zu bleiben hätten. Sie führt im übrigen dazu erst recht nicht, wenn sich auf diese obligatorische Rechtsposition ein eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb gründet, der seinerseits sogar unmittelbar nach Art. 14 GG Schutz genießt.
Mit der Tatsache, daß die Abwägungsbeachtlichkeit im Bauplanungsrecht den Umkreis des verfassungsrechtlich Geschützten überschreitet, hängt ferner zusammen: Interessen, die auf eine ihrerseits (etwa als Eigentum) geschützte Position zurückgehen, sind nicht deshalb ohne weiteres unbeachtlich, weil sie den (namentlich verfassungsrechtlich) geschützten Bereich überschreiten. In diesem Sinne hat der beschließende Senat bereits ausgesprochen, daß Erweiterungsinteressen eines vorhandenen Gewerbebetriebes abwägungserheblich auch dann sein können, wenn sie als solche nicht "Eigentum und deshalb als solche verfassungsrechtlich nicht geschützt sind (Urteil vom 16. April 1971 -- BVerwG 4 C 66. 67 -- Buchholz 406. 11 § 35

BVerwGE 59, 87 (102):

BBauG Nr. 90 S. 27 [34]). Entsprechendes gilt für Erwerbsinteressen und Erwerbschancen. Daraus, daß es kein "subjektives verfassungskräftiges Recht eines Geschäftsmannes auf die Erhaltung des Geschäftsumfanges und die Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten gibt (BVerfG, Beschluß vom 16. Oktober 1968 -- 1 BvR 241/66 -- BVerfGE 24, 236 [251] und im Anschluß daran BVerwGE 39, 329 [336 f.]), ist nicht zu schließen, daß Interessen an der Erhaltung oder Nutzung von Erwerbschancen von vornherein und begrifflich kein Bestandteil des bei einer bestimmten Bebauungsplanung notwendigen Abwägungsmaterials sein könnten. Ebenfalls Entsprechendes gilt für den Anliegergebrauch. Der Anliegergebrauch sichert als Recht nur das, was zur angemessenen Nutzung des Grundeigentums an Straßenbenutzung erforderlich ist (Urteil vom 29. April 1977 -- BVerwG 4 C 15. 75 -- Buchholz 406. 19 Nachbarschutz Nr. 29 S. 27 [28]). Daher wird ein Grundeigentümer in aller Regel nicht in Rechten verletzt, wenn etwas geschieht, was sich in einer Verschlechterung der vor dem Grundstück bisher bestehenden Verkehrsverhältnisse auswirkt. Auch daraus folgt jedoch nicht, daß die Interessen von Anliegern an der Aufrechterhaltung einer gegebenen Verkehrslage bei der planerischen Abwägung allemal unberücksichtigt zu bleiben hätten.
Die wichtigsten Beschränkungen ergeben sich nach Ansicht des beschließenden Senats wie folgt: Bei der planerischen Abwägung unbeachtet bleiben können alle (betroffenen) Interessen, die entweder -- objektiv -- geringwertig oder aber -- sei es überhaupt, sei es im gegebenen Zusammenhang -- nicht schutzwürdig sind. Von, wie der Senat meint, praktisch weittragender Bedeutung ist dabei insbesondere die sich aus der Schutz(un)würdigkeit ergebende Grenze. Sie führt nicht etwa nur zum Ausschei

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den solcher Interesse, die als Interessen mit einem Makel behaftet sind und aus diesem Grunde keinen Schutz verdienen. Nicht schutzwürdig in dem hier in Rede stehenden Sinne sind Interessen vielmehr auch dann, wenn sich deren Träger vernünftigerweise darauf einstellen müssen, daß "so etwas geschieht, und wenn deshalb ihrem etwaigen Vertrauen in den Bestand oder Fortbestand etwa einer bestimmten Markt- oder Verkehrslage die Schutzwürdigkeit fehlt. Das wird bei einer von Bebauungsplänen ausgehenden allgemeinen Beeinflussung der Marktverhältnisse besonders deutlich: Es liegt in der Natur der Sache, daß planerische Festsetzungen auf Markt- und Erwerbschancen Einfluß nehmen, nämlich in der einen Richtung Chancen eröffnen und in einer anderen Richtung Chancen beseitigen. Unterschiede bestehen insoweit im Grunde nur darin, daß Einflüsse dieser Art mehr oder weniger greifbar zutage treten. Die Festsetzung eines Mischgebietes ermöglicht die Errichtung von Betrieben des Beherbergungsgewerbes, und diese Gestattung ist potentiell von Einfluß auf die in dieser Gegend bereits vorhandenen Betriebe. Die Festsetzung eines Campingplatzgebietes anstatt eines Ferienhausgebietes wirkt sich auf Baustoffhersteller ungünstig aus. Die Anordnung von "Bindungen für Bepflanzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 25 Buchst. b BBauG 1979) berührt die Interessen von Gartenbetrieben usw. Einflüsse von dieser Art gehen letztlich von so gut wie jeder planerischen Festsetzung aus. Sie sind unvermeidbar; auch sie noch in ihrer jeweiligen konkreten Konstellation bei der Abwägung in Rechnung stellen zu müssen, würde die (Bebauungs-)Planung überfordern.
Zu der damit vorausgesetzten Erkennbarkeit ist ergänzend folgendes zu bemerken: Was die planende Stelle nicht "sieht, und was sie nach den gegebenen Umständen auch nicht zu "sehen braucht, kann von ihr bei der Abwägung nicht berücksichtigt werden und braucht von ihr auch nicht berücksichtigt zu werden. Die Bürgerbeteiligung nach § 2 a Abs. 6

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BBauG 1976/1979 hat nicht zuletzt die Aufgabe, der planenden Stelle Interessen(betroffenheiten) sichtbar zu machen. Hat es ein Betroffener unterlassen, seine Betroffenheit im Zuge der Bürgerbeteiligung vorzutragen, dann ist die Betroffenheit abwägungserheblich nur dann, wenn sich der planenden Stelle die Tatsache dieser Betroffenheit aufdrängen mußte. Das so verstandene Erfordernis der Erkennbarkeit bzw. Absehbarkeit führt weiter dazu, daß es für die Abwägungsbeachtlichkeit eines Interesses in zeitlicher Beziehung grundsätzlich auf "die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlußfassung über den Bauleitplan ankommt (vgl. § 155 b Abs. 2 Satz 1 BBauG 1979 sowie Urteil vom 29. September 1978 -- BVerwG 4 C 30. 76 -- Buchholz 406. 11 § 1 BBauG Nr. 16 S. 3 [7]). Nur ganz ausnahmsweise wird sich -- zugunsten der Erheblichkeit von erst später eingetretenen Interessenbetroffenheiten -- eine Verschiebung dieses Zeitpunktes mit der Erwägung rechtfertigen lassen, daß die planende Gemeinde wegen Zeitablaufs "erneut hätte "prüfen müssen, ob ... in eine neue, die veränderten Sachdaten berücksichtigende Abwägung eingetreten werden muß (Urteil vom 29. September 1978 a. a. O. S. 9), oder ob die tatsächliche Entwicklung vielleicht sogar einen Zustand erreicht hat, der mittlerweile die planerische Festsetzung hat funktionslos werden lassen (vgl. dazu BVerwGE 54, 5 [8 ff.]).
Das alles führt bei Bebauungsplänen zusammenfassend zu folgendem: Bei der Bauleitplanung gehören zum notwendigen Abwägungsmaterial im Sinne von BVerwGE 45, 310 [322] alle (privaten) Belange, die "nach Lage der Dinge in die Abwägung "eingestellt werden müssen (BVerwGE 34, 301 [309]). Das sind alle (privaten) Belange, von denen bei der Entscheidung über den Plan mit hinreichender Wahrscheinlichkeit absehbar ist, daß sie als nicht geringwertige und auch schutzwürdige Interessen bestimmter Personen von dem Plan in mehr als geringfügiger Weise betroffen werden.