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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
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57. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung |
vom 29. November 1989 |
i.S. A. gegen Verwaltungsgericht des Kantons Bern |
(staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 22ter und 31 BV; Art. 75 Abs. 4 Bauordnung der Stadt Bern (BO); Schutz der Berner Altstadtsilhouette; öffentliches Interesse und Verhältnismässigkeit. |
1. Kognition des Bundesgerichts bei der Interessenabwägung (E. 3) und Verhältnismässigkeit (E. 4). |
2. Die Anwendung einer Vorschrift zum Schutze der Altstadt kann im Einzelfall zu einer Reduktion des nach der Zonenordnung zulässigen Bauvolumens führen, doch sind die Behörden verpflichtet, einem Bauherrn innert nützlicher Frist mitzuteilen, welches Ausmass sie mit dem Altstadtschutz vereinbar erachten. Die Anwendung städtebaulich-ästhetischer Schutzvorschriften darf im übrigen nicht zur Folge haben, dass das zonengemässe Nutzungsmass für ein Quartier oder ein Baugeviert generell ausser Kraft gesetzt wird (E. 5). | |
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A.- Die Altstadt von Bern liegt auf einer Geländekuppe, die auf drei Seiten von der Aare umflossen wird. Auf der Südseite, wo ![]() ![]() | 1 |
A. führt seit 1961 auf dem "Inseli" einen Metallbaubetrieb. Am 15. Juni 1984 reichte er ein Baugesuch für die Aufstockung der Werkhalle um zwei Geschosse für Büro- und Gewerberäume, das Erstellen von Autoabstellplätzen sowie den Anbau eines Treppenhauses und eines Autoliftes ein. Gegen das Baugesuch erhob unter anderem der Berner Heimatschutz Einsprache mit der Begründung, durch die Aufstockung werde der Ausblick von Standorten auf dem auf der andern Seite der Aare führenden Uferweg (in den sogenannten Englischen Anlagen) auf markante Teile der Altstadt im Bereich der Junkerngasse bis auf Dachfirsthöhe abgedeckt. Der Regierungsstatthalter I von Bern wies die Einsprache ab.
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Die Baudirektion des Kantons Bern, an welche A. den Entscheid weiterzog, holte einen Bericht der Kantonalen Kommission zur Pflege der Orts- und Landschaftsbilder ein. Sie wies die Beschwerde ab, wobei sie sich auf die Schutzbestimmungen der Bauordnung der Stadt Bern stützte. Der Anblick der Südfront der untern Altstadt würde durch das Bauvorhaben namentlich vom Uferweg der Englischen Anlagen schwer beeinträchtigt.
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Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies eine hiegegen eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde ebenfalls ab. Zur Begründung führte es aus, Art. 75 Abs. 3 und 4 und Art. 92 Abs. 1 und 98 Abs. 1 der Bauordnung der Stadt Bern vom 22. März 1979 (BO) stellten eine genügende gesetzliche Grundlage für einen Bauabschlag dar, insbesondere sei für die Beurteilung des Aufstockungsvorhabens Art. 75 Abs. 4 BO entscheidend, wonach Neu- und Umbauten die Altstadtsilhouette nicht beeinträchtigen dürften; Ausnahmen, die eine grössere Geschosszahl oder Gebäudehöhe beanspruchten, seien unzulässig. Die Eigentumsbeschränkung liege zudem im öffentlichen Interesse und erweise sich als verhältnismässig.
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A. führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4, 22ter und 31 BV und beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 17. Oktober 1988 sei aufzuheben und die kantonalen Behörden seien anzuweisen, die nachgesuchte Baubewilligung zu erteilen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. ![]() | 5 |
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Aus den Erwägungen:
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Erwägung 2 | |
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Erwägung 3 | |
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Die Frage, ob ein Grundrechtseingriff, der sich auf eine genügende gesetzliche Grundlage stützt, durch ein öffentliches Interesse gedeckt ist und ob dieses die privaten Interessen überwiege, prüft das Bundesgericht grundsätzlich frei (BGE 115 Ia 30; 114 Ia 117, 243, je mit Hinweisen). Doch auferlegt es sich Zurückhaltung, soweit die Beurteilung von einer Würdigung der örtlichen Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser kennen und überblicken als das Bundesgericht, und soweit sich ausgesprochene Ermessensfragen stellen (BGE 114 Ia 117, 338, je mit Hinweisen). Diese Zurückhaltung ist insbesondere auf dem Gebiet des Denkmalschutzes geboten, da diese Aufgabe in erster Linie Sache der Kantone ist (BGE 115 Ia 30; 109 Ia 259 E. 4; vgl. auch BGE 115 Ia 118 E. d). Die erwähnte Kognitionsbeschränkung gilt auch dann, wenn das Bundesgericht, wie vorliegend, einen Augenschein durchgeführt hat. Eine solche einmalige Besichtigung verschafft ihm nicht unbedingt die vertieften Kenntnisse, welche die kantonalen Behörden besitzen (FRANCESCO BERTOSSA, Der Beurteilungsspielraum, Diss. Bern 1984, S. 86). Vor allem aber ist die Zurückhaltung in der besonderen Funktion des Bundesgerichts als Verfassungsgericht begründet. Oft sind verschiedene Lösungen eines Problems mit der Verfassung vereinbar, weshalb den Kantonen genügend Raum gelassen werden soll, die ihnen am besten entsprechende Regelung zu treffen. Die Aufgabe der Verfassungsgerichtsbarkeit spielt auch im Kontext des Förderalismus eine Rolle: Dem Bundesgericht ist erlaubt, zum Ausgleich starker Zentralisierung bewusst nach Wegen zu suchen, kantonale Autonomie zu schonen, solange zentrale Grundsrechtspositionen dadurch nicht verletzt werden (WALTER KÄLIN, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, Bern 1987, S. 200).
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Bei der Prüfung des öffentlichen Interesses ist in erster Linie die Bedeutung von Art. 75 Abs. 4 BO zu berücksichtigen. Diese Vorschrift verbietet eine Beeinträchtigung der Altstadtsilhouette durch Neu- und Umbauten. Satz 2 dieser Bestimmung ist die logische Konsequenz des Beeinträchtigungsverbotes; wird die ![]() ![]() | 10 |
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b) Das Verwaltungsgericht führt in seinem Entscheid aus, die Beeinträchtigung der Altsstadtsilhouette ergebe sich zwar nur von einigen wenigen Standorten auf dem Uferweg der Englischen Anlagen aus. Doch würden diese Standorte wegen der dort fehlenden ![]() ![]() | 12 |
Der Augenschein hat gezeigt, dass die geplante Aufstockung des Gebäudes des Beschwerdeführers den Blick auf die Oberstadt von den vom Verwaltungsgericht genannten Standorten aus teilweise verbauen würde. Damit ginge die beim heutigen Ausblick auf das "Inseli" klar erfassbare Trennung zwischen der vornehmen Oberstadt (Junkerngasse bis Münster) und dem Gewerbeviertel der Matte verloren. Insbesondere stellt sich heute die Altstadt in dem in Frage stehenden Bereich als geschlossene Häuserzeile dar. Diese Einheit würde durch das Bauvorhaben unterbrochen. Es ergibt sich somit, dass das vorliegende Projekt, zumindest von gewissen Standorten aus gesehen, die Altstadtsilhouette beinträchtigen würde.
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Der Beschwerdeführer bestreitet diese Feststellungen nicht grundsätzlich, wendet aber ein, da der Uferweg touristisch bedeutungslos sei und der Durchblick lediglich an einigen wenigen Standorten beeinträchtigt würde, bestehe kein nennenswertes Interesse am Aufstockungsverbot. Er macht damit geltend, im vorliegenden Fall könne das öffentliche Interesse den Bauabschlag nicht rechtfertigen, da die Störung nur unbedeutend sei. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist es indessen unerheblich, ob die Beeinträchtigung der Altstadtsilhouette nur von wenigen Standorten aus wahrgenommen werden könnte. Ganz abgesehen davon, dass sich - wie das Verwaltungsgericht zu Recht festhält - gerade von diesen Orten aus heute ein offener Ausblick auf die Südfront der unteren Altstadt bietet, ist der in Frage stehende Schutz der Altstadt, die ein Kulturgut von europäischem Rang darstellt, stark zu gewichten. Es besteht ein grosses öffentliches Interesse daran, Beeinträchtigungen des Ortsbildes der Berner Altstadt wenn immer möglich zu vermeiden. Hinzu kommt, dass die Behörden bei der Anwendung von Art. 75 Abs. 4 BO, wie dargelegt, einen strengen Massstab anwenden dürfen, der auf alle Fälle strenger sein darf, als bei der Prüfung eines Verunstaltungsverbotes. Es reicht, wenn ein Vorhaben wie hier zu einer klar ![]() ![]() | 14 |
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Erwägung 4 | |
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Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang vor, sein privates Interesse an der Aufstockung zur Beseitigung der akuten Raumnot sei offensichtlich und schwerwiegend. Es müsse als eine krasse Unverhältnismässigkeit bezeichnet werden, wegen eines Durchblicks von einigen wenigen Punkten eines kaum begangenen und touristisch bedeutungslosen Uferweges eine betrieblich absolut notwendige, nach den baupolizeilichen Vorschriften hinsichtlich Gebäudehöhe und Geschosszahl zulässige Aufstockung zu verbieten.
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Wie oben dargelegt, erweist sich die von den kantonalen Behörden vorgenommene Interessenabwägung durchaus als haltbar, weshalb der Beschwerdeführer daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten kann. Ebenso geht aus diesen Erwägungen hervor, dass die Altstadtsilhouette durch das Bauvorhaben beeinträchtigt wird. Da es einzig um das vom Beschwerdeführer ausgearbeitete Projekt geht, sind die Ausführungen des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Verhältnismässigkeit des Bauabschlages nicht zu beanstanden.
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Erwägung 5 | |
5.- Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass der von den kantonalen Behörden verfügte Bauabschlag für das zur ![]() ![]() ![]() | 21 |
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