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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
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7. Urteil vom 1. März 1972 i.S. Meyer gegen Verwaltungsgericht und Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft. | |
Regeste |
Eigentumsgarantie, gesetzliche Grundlage. |
Zulässigkeit analoger Anwendung von Eigentumsbeschränkungen aus dem Gesichtspunkt der Willkür (Erw. 3 a). |
Analoge Anwendung des Verbots von "Dachaufbauten" auf "Dacheinschnitte" (Erw. 3 b). | |
Sachverhalt | |
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Das Normblatt ZR 7/63 enthält, wie der beigefügte Kommentar erklärt, "reine Gestaltungsvorschriften, die darauf abzielen, unschöne Dachaufbauten zu verhindern". Es schreibt zunächst in Ziff. 1 vor, dass alle Aufbauten ästhetisch befriedigen und mit den darunter liegenden Fassaden harmonieren müssen. Sodann bestimmt es, unter welchen Voraussetzungen Aufbauten bei geneigten Dächern (Ziff. 2) und bei Flachdächern (Ziff. 3) zulässig sind.
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B.- Architekt Felix Boris Meyer ist Eigentümer eines Grundstücks in Therwil, das in der Wohnzone W 2b liegt. Am 7. Juli/11. August 1967 erhielt er von der kantonalen Baudirektion die Bewilligung, auf diesem Grundstück ein Wohnhaus zu bauen. Das Haus besteht nach den genehmigten Plänen aus zwei Vollgeschossen und einem Dachgeschoss, dessen Räume durch Fenster in den Giebelwänden sowie durch Fenster, die in die Dachfläche eingelassen sind, belichtet werden. Als der Dachstuhl schon aufgerichtet war, entschloss sich Meyer zu einem "Dacheinschnitt" an der Südostecke des Hauses, um die Dachwohnung besser zu besonnen. Er liess diese Änderung sofort ausführen und stellte erst später, am 7. Mai 1968, ein nachträgliches Baugesuch um Bewilligung derselben.
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Das kantonale Baupolizeiamt wies dieses Gesuch am 2. März 1970 ab und verfügte die Schliessung des Dacheinschnittes. Meyer erhob hiegegen Beschwerde mit der Begründung, dass die massgebenden Vorschriften nur Dachaufbauten regelten, dass es nicht angehe, diesen die Dacheinschnitte gleichzusetzen, und dass Dacheinschnitte nur aufgrund einer besonderen Vorschrift verboten werden könnten. Die kantonale Baurekurskommission, der Regierungsrat und das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft wiesen die Beschwerde ab, dieses mit Urteil vom 1. Juni 1971 im wesentlichen aus folgenden Gründen: Streitig sei, ob die in den Zonenvorschriften von Therwil enthaltene Vorschrift über Dachaufbauten auch auf Dacheinschnitte anwendbar sei oder ob die Nichterwähnung von Dacheinschnitten im kantonalen und kommunalen Recht ![]() | 5 |
C.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde beantragt F. B. Meyer, der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 1. Juni 1971 sei aufzuheben und es seien die Behörden anzuweisen, dem Beschwerdeführer für die am 7. Mai 1968 eingereichten Pläne eine Baubewilligung zu erteilen. Er macht Verletzung des Art. 4 BV und der Eigentumsgarantie geltend und bringt zur Begründung im wesentlichen vor: Beschränkungen der Baufreiheit seien Eigentumsbeschränkungen und mit der Eigentumsgarantie nur vereinbar, wenn sie auf gesetzlicher Grundlage beruhen. Hieran fehle es hier, da weder die Zonenvorschriften von Therwil noch ein kantonaler Erlass Dacheinschnitte verbiete. Dacheinschnitte den Dachaufbauten gleichzustellen, sei willkürlich; für diese Analogie finde sich im Gesetz und in den Zonenvorschriften keine Stütze. Sollte, was bestritten werde, eine Lücke im Gesetz vorliegen, so wäre es dem Verwaltungsgericht aus dem Gesichtspunkt des Art. 4 BV verwehrt, sie auszufüllen. Das Verbot der Dachaufbauten verhindere ![]() | 6 |
D.- Das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft hat auf Vernehmlassung verzichtet. Der Regierungsrat beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Ob die von der kantonalen Behörde angerufene gesetzliche Grundlage genüge, kann das Bundesgericht nach der neuern Rechtsprechung dann, wenn der Eingriff in das Eigentum besonders schwer ist, frei, andernfalls nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür prüfen (BGE 96 I 133 /34 und dort angeführte frühere Urteile). Das Verbot, an einem Haus einen Dacheinschnitt anzubringen, schränkt die Baufreiheit nicht stark ein und stellt keinen besonders schweren ![]() | 10 |
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Der Regierungsrat führte in seinem Entscheid aus, als Dachaufbauten im Sinne dieser Bestimmung seien bauliche Eingriffe jeder Art zu verstehen, welche in der Vertikalen die Dachhaut durchstossen, sei es nach oben oder nach unten, also sowohl Aufbauten als Einschnitte. Diese Auslegung wird jedoch durch den Wortlaut der Bestimmung nicht mehr gedeckt, sondern geht über ihn hinaus. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, von dem bei der Auslegung mangels anderer Anhaltspunkte auszugehen ist, lassen sich nur solche Bauteile als Dachaufbauten bezeichnen, welche über die (geneigte oder flache) Dachhaut hinausragen. Dass Dacheinschnitte nicht unter den Begriff der Dachaufbauten fallen, anerkennt im Grunde auch der Regierungsrat, wenn er in der Beschwerdeantwort darauf hinweist, dass Dacheinschnitte in den aus dem Jahre 1963 stammenden Zonenreglementsnormalien (und daher auch in den Zonenvorschriften von Therwil) deshalb nicht erwähnt worden seien, weil sie erst später als architektonische Gestaltungsmittel aufgetreten seien, womit er offenbar sagen will, dass die Rechtsetzungsinstanzen keinen Anlass gehabt hätten, sich mit ihnen zu befassen. Die im Normblatt ZR 7/63 enthaltenen Vorschriften über Dachaufbauten sind denn auch auf Aufbauten zugeschnitten und lassen sich grösstenteils nur auf solche anwenden.
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Das Verwaltungsgericht hat die Feststellung des Regierungsrates, dass unter Dachaufbauten alle in der Vertikale die Dachhaut durchstossenden baulichen Eingriffe zu verstehen seien, nicht übernommen. Es prüfte vielmehr, welchen Sinn das in den Zonenvorschriften von Therwil enthaltene Verbot von Dachaufbauten habe, und kam zum Schluss, dass die Gleichstellung von Aufbauten und Einschnitten sich im Hinblick auf den Sinn des Verbotes rechtfertige. Damit hat es die Grenze der ausdehnenden ![]() | 13 |
a) Würde man den Analogieschluss im Verwaltungsrecht allgemein verbieten, so käme die Rechtsanwendung leicht in Konflikt mit dem Gleichheitssatz; es könnten eng verwandte Tatbestände, die hinsichtlich ihrer Auswirkungen nach einer rechtsgleichen Behandlung rufen, nicht gleich behandelt werden, weil der Gesetzgeber oft Begriffe verwendet, welche auf neu auftauchende, ganz ähnliche Tatbestände nicht zutreffen. Mindestens in Ausnahmefällen muss daher die analoge Rechtsanwendung auch im Verwaltungsrecht zulässig sein (GRISEL, Droit administratif suisse S. 164/65). Sie darf indessen nicht zu einer Durchlöcherung des Grundsatzes führen, dass jeder Eingriff in Freiheit und Eigentum des Bürgers einer gesetzlichen Grundlage bedarf.
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In der neuern Rechtslehre wird im allgemeinen angenommen, dass es grundsätzlich zulässig sei, einen Verwaltungsrechtssatz auf einen den durch ihn geordneten Tatbestand ähnlichen Fall anzuwenden, der nicht unter den Wortlaut der Vorschrift subsumiert werden kann, auf den jedoch deren Sinn zutrifft (GIACOMETTI, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts S. 211/12; FRITZ GYGI, Zur Auslegung des Verwaltungsrechts, ZSR 75/1956 S. 153/54; MAX IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung 3. Aufl. Nr. 213 III; vgl. Nr. 241 III a). Das Bundesgericht hat die analoge Rechtsanwendung für bestimmte Bereiche des Verwaltungsrechts als unzulässig bezeichnet. So hat es wiederholt erklärt, es gehe nicht an, durch analoge, lückenausfüllende Rechtsanwendung neue Besteuerungstatbestände zu schaffen (BGE 84 I 94 E. 3 mit Verweisungen, BGE 95 I 326 E. 2), doch kommt diesem Verbot der Analogie nur beschränkte Bedeutung zu im Hinblick auf die im Steuerrecht als zulässig erachtete sogenannte "wirtschaftliche ![]() | 15 |
b) Zu prüfen bleibt, ob das Verwaltungsgericht ohne Willkür annehmen konnte, nach dem Sinn des Verbots von Dachaufbauten beziehe sich dieses Verbot auch auf Dacheinschnitte.
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Das Verwaltungsgericht nimmt an, das Verbot von Dachaufbauten in der Wohnzone W 2b solle dort "die Satteldächer in ihrer Grundform voll zur Geltung kommen lassen" und dem Betrachter in dieser Beziehung ein einheitliches Siedlungsbild darbieten. Diese Auffassung überzeugt insofern nicht ganz, als die Zonenvorschriften Dachaufbauten über eingeschossigen bzw. weniger als 4 m hohen Fassaden nicht nur nicht ausschliessen, sondern - unter den im Normblatt ZR 7/63 umschriebenen Bedingungen - ausdrücklich zulassen. Daraus, dass der Gesetzgeber in der Wohnzone W 2b Dachaufbauten bei eingeschossigen Häusern zulässt und nur bei zweigeschossigen verbietet, und dies im Zusammenhang mit der Vorschrift, dass in dieser Zone (nur) zwei Vollgeschosse gestattet sind, ist vielmehr zu schliessen, dass es dem Gesetzgeber nicht so sehr um die Einheit der Dachform ging, sondern dass er für die ![]() | 17 |
Ist es aber nicht willkürlich, das in den Zonenvorschriften von Therwil enthaltene Verbot von Dachaufbauten analog auf Dacheinschnitte anzuwenden, so erweist sich die Rüge, das Verbot solcher Einschnitte entbehre der gesetzlichen Grundlage, als unbegründet und ist die Beschwerde abzuweisen. Ob ein Dacheinschnitt je nach Ausführung mehr oder weniger ästhetisch wirkt, ist angesichts des generellen Verbots solcher Einschnitte ebenso bedeutungslos wie die Frage, welchen Einfluss er auf die bauliche Ausnützung des Dachgeschosses hat.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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