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80. Auszug aus dem Urteil vom 7. November 1973 i.S. Emmenegger gegen Guthauser und Marti und Kant. Rekurskommission Solothurn. | |
Regeste |
Art. 4 BV und Art. 62 KV/SO (Gewaltentrennung). | |
Sachverhalt | |
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Der solothurnische Regierungsrat hat am 6. Dezember 1963 eine Vollziehungsverordnung zur Eidg. Fleischschauverordnung erlassen (im folgenden: KFV; Solothurner Gesetzessammlung Bd. 82 S. 449 ff.). Laut des Ingresses stützt sich diese Vollziehungsverordnung auf das Bundesgesetz (LMG), die Eidg. ![]() | 2 |
Die Gemeinde Gerlafingen hat zur Regelung der in der KFV den Gemeinden übertragenen Pflichten am 1. April 1965 ein Fleischschaureglement erlassen. In § 5 dieses Reglements wird hinsichtlich der Gebühren auf § 20 KFV verwiesen und bestimmt, dass das Inkasso im Einzelfall Sache des Fleischschauers sei.
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B.- Die Gemeinde Gerlafingen hatte bis 1969 einen einzigen von ihr gewählten Fleischschauer, Dr. med. vet. A. Guthauser, Biberist. Seit dem 10. Juli 1969 amtet neben ihm ein Stellvertreter, Dr. med. vet. E. Marti, Solothurn. Diese beiden Tierärzte sind u.a. für die Fleischschau in der Versandmetzgerei Hans Emmenegger, einer industriellen Grossmetzgerei in Gerlafingen, zuständig. Weil sich nach Ansicht Emmeneggers bei Anwendung des Gebührentarifs von § 20 KFV zu hohe Bezüge des Fleischschauers ergeben hätten, vereinbarte er ab 1960 mit dem damals einzigen Fleischschauer, Dr. Guthauser, ausdrücklich oder stillschweigend tiefere Gebührenansätze. Jedenfalls nahmen Dr. Guthauser und später auch Dr. Marti bis zum 12. November 1969 von Emmenegger Entschädigungen an, die geringer waren; als wenn sie nach § 20 KFV berechnet worden wären.
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Am 16. und 17. Januar 1970 richteten die beiden Tierärzte Zuschriften an das kantonale Veterinäramt, worin sie erklärten, sie seien seit dem 12. November 1969 von Emmenegger nicht mehr honoriert worden und würden nun ab diesem Zeitpunkt den kantonalen Tarif zur Anwendung bringen. Nach einem fehlgeschlagenen Versuch, ihre Forderung auf dem Betreibungsweg durchzusetzen, eröffneten sie Emmenegger am 17. Februar 1971 eine Gebührenrechnung für die Zeit vom 12. November 1969 bis 30. Dezember 1970.
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D.- Gegen den Entscheid der Rekurskommission hat Emmenegger staatsrechtliche Beschwerde erhoben.
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Sowohl der Beschwerdeführer als auch die kantonale Rekurskommission gehen davon aus, dass es sich bei der Fleischschaugebühr um eine echte Gebühr im Sinne der Lehre und der Rechtsprechung handle, d.h. um ein Entgelt für eine bestimmte, vom Pflichtigen veranlasste Amtshandlung (BGE 90 I 80 /Bl, BGE 95 I 506 /07, BGE 97 I 203 lit. b und 334 E. 5; IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, 3. A., Bd. II Nr. 412; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 120). Ob dies bei der Fleischschaugebühr, wie sie im solothurnischen Recht ausgestaltet ist, wirklich zutrifft, mag vielleicht zweifelhaft sein, da sie im Gegensatz zu den meisten andern Abgaben weder von einem Gemeinwesen noch von einer andern öffentlich-rechtlichen Körperschaft oder Anstalt erhoben, sondern vom Fleischschauer selbst eingezogen wird. Ähnlich verhält es sich aber auch bei der bernischen Notariatsgebühr, der das Bundesgericht in Übereinstimmung mit der Rechtslehre Gebührencharakter zuerkannt hat (BGE 83 I 86 /87; MARTI, Kommentar zum bern. Notariatsrecht, N 6 zu Art. 23 NotG). Der Fleischschauer ist immerhin eine vom Gemeinwesen gewählte Amtsperson mit bestimmten Amtspflichten (Art. 16 ff. EFV), insbesondere mit der Pflicht, in seinem Fleischschaukreis für den Vollzug aller einschlägigen Erlasse zu sorgen (Art. 24 EFV). Er ist nicht befugt, Fleischschauaufträge aus seinem Kreis abzulehnen, und der Metzger ![]() | 9 |
Indessen kann die Frage, ob es sich bei der streitigen Gebühr um eine echte Kontrollgebühr oder um eine Gebühr eigener Art oder sogar bloss um eine Maximalgebühr handle, letztlich offenbleiben. Denn in jedem Falle ist es unerlässlich, dass der Tarif auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruht und sich in den Grenzen der Verhältnismässigkeit und der Rechtsgleichheit bewegt. Wer auf eine amtliche Tätigkeit einer Privatperson angewiesen ist und diese Person dafür entschädigen muss, verdient mindestens den gleichen Schutz wie derjenige, der andere öffentliche Dienste beansprucht und das Entgelt dafür dem Gemeinwesen zu entrichten hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Person, welche die Amtshandlung vornehmen soll, nicht frei ausgewählt werden kann.
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 97 I 203 lit. b, 347 und 804 E. 7, je mit Hinweisen auf frühere Entscheidungen), die von der herrschenden Lehre gebilligt wird (vgl. die in BGE 97 I 804 E. 7 erwähnten Autoren sowie HÖHN, in: Der Staat als Aufgabe, Gedenkschrift für Max Imboden, insb. S. 188 ff.), benötigen alle Abgaben - mit einziger Ausnahme der ![]() | 12 |
Würde diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall angewandt, so hiesse dies, dass der solothurnischen Fleischschaugebühr die notwendige gesetzliche Grundlage fehlte. Art. 8 LMG sagt lediglich, es gelte für die Fleischschau ein von den Kantonen oder Gemeinden aufzustellender Tarif, und Art. 25 EFV bestimmt nur, dass die Kantone bzw. die Gemeinden die Fleischschauer angemessen zu entschädigen hätten. Keiner der beiden Erlasse enthält eine nähere Umschreibung der zu erhebenden Gebühr. Ein kantonales Ausführungsgesetz, das die erforderlichen Angaben enthielte, kennt der Kanton Solothurn nicht. Die vom Regierungsrat erlassene Fleischschau-Verordnung hingegen vermochte die formelle gesetzliche Grundlage nicht zu schaffen; denn nach solothurnischem Verfassungsrecht kommt die formelle Gesetzgebungskompetenz nicht dem Regierungsrat, sondern dem Kantonsrat zusammen mit dem Volke zu (Art. 31 Ziff. 1 und Art. 17 Ziff. 1 KV). Der Regierungsrat ist lediglich zuständig, Gesetze im materiellen Sinne, d.h. selbständige und unselbständige Rechtsverordnungen zu erlassen, und dies nur soweit, als er dazu aufgrund der Verfassung oder durch Gesetzesdelegation ermächtigt ist.
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b) Nun hat aber das Bundesgericht in einigen neueren Entscheidungen (u.a. in BGE 97 I 204 E. 5 und 348 lit. a) die Frage aufgeworfen, ob auf das Erfordernis, dass Abgaben in einem formellen Gesetz verankert sein müssen, nicht auch bei andern ![]() ![]() | 14 |
Zieht man, was die Fleischschautarife angeht, zudem in Betracht, dass diese im Rahmen der kantonalen Vollziehungsbestimmungen der Genehmigung des Bundesrates bedürfen (Art. 56 Abs. 2 LMG und Art. 118 EFV), so erscheint es als gerechtfertigt, hier das Legalitäts- und Gewaltentrennungsprinzip als genügend gewahrt zu betrachten, wenn der Grundsatz der Gebührenerhebung in Art. 8 LMG ausgesprochen ist und im Kanton der Tarif von einer Vollziehungsbehörde erlassen wird, die aufgrund einer allgemeinen Delegation dazu befugt ist. Ob nun allerdings im Kanton Solothurn der Regierungsrat diese Ermächtigung besass, ist nicht zum vornherein klar. Art. 8 LMG enthält selber keine Delegation an den Regierungsrat, sondern lediglich eine Kompetenzzuweisung an den Kanton. Gemäss Art. 38 Ziff. 1 KV ist jedoch der Regierungsrat zuständig, die zum Vollzug von Gesetzen (einschliesslich der Bundesgesetze; unveröffentlichter Entscheid vom 8.2.50 i.S. Fröhlicher) erforderlichen Verordnungen zu erlassen. Es darf deshalb davon ausgegangen werden, dass er aufgrund dieser Bestimmung befugt war, die durch Art. 8 LMG dem Kanton übertragene Aufgabe, einen Fleischschautarif zu erlassen, selber zu lösen. Dies hat er in § 20 KFV getan und dort eine Gebührenordnung aufgestellt, die den Anforderungen eines materiellen Gesetzes genügt. Der Einwand des Beschwerdeführers, der streitigen Gebührenforderung fehle die gesetzliche Grundlage, ist somit unberechtigt.
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