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28. Urteil vom 13. März 1974 i.S. Gemeinde Celerina/Schlarigna gegen Suc SA und Mitbeteiligte und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. | |
Regeste |
Gemeindeautonomie. | |
Sachverhalt | |
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"Die Gemeindevorstände können Gebiete, für die keine oder abänderungsbedürftige Bebauungs- und Nutzungspläne bestehen, mit einer vorübergehenden Bausperre belegen. Die Erstellung von Bauten ist in diesem Falle nur zulässig, wenn dadurch die vorgesehene Planung nicht erschwert wird.
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Die Sperre kann für längstens ein Jahr angeordnet werden. Bei umfangreichen Planungen kann diese Frist mit Zustimmung des Kleinen Rates angemessen erstreckt werden.
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Die Anordnung der Bausperre ist öffentlich bekanntzugeben."
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Eine gleichartige Bestimmung findet sich in Art. 54 des neuen kantonalen Raumplanungsgesetzes vom 20. Mai 1973, welches am 1. Juli 1973 in Kraft trat und das BPG von 1964 ersetzte. Das neue Gesetz ist auf alle bei seinem Inkrafttreten noch nicht behandelten Baugesuche anwenbar (Art. 60).
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B.- Gestützt auf Art. 5 BPG und eine entsprechende Bestimmung des kommunalen Baugesetzes erliess der Gemeinderat Celerina/Schlarigna am 1. Mai 1972 mit sofortiger Wirkung für das ganze Gemeindegebiet eine einjährige Bausperre; ausgenommen wurden Bauten bzw. Quartierpläne, die dem Sinn und Zweck der beschlossenen Revision der Ortsplanung eindeutig nicht widersprechen.
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Die Suc SA, die Ste SA, die Gess SA, die Ledci SA, die Suot SA sowie die Sud Proviezel SA, über deren Grundstücke im Baugebiet Proviezel-Suot mit der Gemeinde am 27. Januar 1971 ein Quartierplanvertrag abgeschlossen worden war, stellten am 20. Juli 1972 ein Baugesuch für die Errichtung von sechs Mehrfamilienhäusern auf den Parzellen Nr. 681-686. Mit Verfügung vom 24. August 1972 lehnte der Gemeinderat Celerina/Schlarigna das Baugesuch "auf Grund des geltenden Baustoppes" ab, ohne es näher zu prüfen. Er wies darauf hin, dass die Infrastruktur im betreffenden Quartier noch nicht geregelt sei und dies im Rahmen der generellen Planung noch nachgeholt werden müsse.
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Die Baugesuchstellerinnen rekurrierten hiegegen an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Dieses hiess den Rekurs, nachdem es einen Augenschein vorgenommen hatte, mit Urteil vom 31. Januar 1973 im Sinne der Erwägungen gut ![]() | 8 |
C.- Die Gemeinde Celerina/Schlarigna führt gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes des Kantons Graubünden vom 31. Januar 1973 staatsrechtliche Beschwerde. Sie macht geltend, die vom Verwaltungsgericht angeordnete Durchbrechung der Bausperre beeinträchtige in schwerer Weise die im Gange befindliche Planung und sei sachlich völlig ungerechtfertigt. Sie rügt eine Verletzung der Gemeindeautonomie und verlangt Aufhebung des angefochtenen Entscheides.
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D.- Das Verwaltungsgericht und die Baugesuchstellerinnen beantragen, es sei auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen.
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E.- Mit Beschluss der Regierung des Kantons Graubünden vom 9. Juli 1973 wurde die Gemeinde Celerina/Schlarigna ermächtigt, die am 1. Mai 1973 ablaufende Bausperre um ein Jahr, d.h. bis zum 30. April 1974 zu verlängern.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Der Entscheid des Verwaltungsgerichtes, wonach die Baugesuche der Beschwerdegegnerinnen trotz der bestehenden Bausperre materiell zu behandeln und gegebenenfalls zu bewilligen sind, berührt die Gemeinde Celerina/Schlarigna in ihrer Eigenschaft als Inhaberin der öffentlichen Gewalt. Da sie - freilich ohne nähere rechtliche Begründung - behauptet, dadurch in ihrer Autonomie verletzt zu sein, ist sie legitimiert, den Entscheid des Verwaltungsgerichtes anzufechten. Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist daher einzutreten. Ob die ![]() | 12 |
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b) Zunächst ist zu prüfen, ob die Gemeinde hinsichtlich der Frage, über welche das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid befunden hat, überhaupt den Schutz der Gemeindeautonomie beanspruchen kann. Erst wenn dies zu bejahen ist, stellt sich die weitere Frage, ob die Gemeinde durch den angefochtenen Entscheid in ihrer Autonomie verletzt wurde.
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Ist die Gemeinde nach dem massgebenden kantonalen Verfassungs- und Gesetzesrecht in einem bestimmten Sachbereich zur Rechtsetzung ermächtigt und steht ihr dabei eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit zu, so ist sie in diesem Sachbereich autonom, und sie kann sich, wenn die kantonale Behörde in diese Rechtsetzungsbefugnis eingreift, auf die Gemeindeautonomie berufen (BGE 95 I 37 ff.; BGE 94 I 65; BGE 93 I 434; ZIMMERLI, Die neuere bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Gemeindeautonomie, ZBl 1972, S. 262, 264). Darüber hinaus erstreckt sich der Schutz der Gemeindeautonomie nach der neuern Rechtsprechung auch auf die Anwendung dieses autonomen Gemeinderechtes; eine Autonomieverletzung kann danach auch darin bestehen, dass eine kantonale Rechtsmittel- oder Aufsichtsbehörde autonomes Gemeinderecht willkürlich anwendet oder in den der Gemeinde allenfalls vorbehaltenen Ermessens- und Beurteilungsspielraum eingreift (BGE 97 I 522; BGE 96 I 372 ff.; BGE 95 I 37 ff.; ZIMMERLI, a.a.O. S. 266 ff.).
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c) Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Akt der Rechtsanwendung. Die Gemeinde Celerina/Schlarigna geht stillschweigend davon aus, der Entscheid darüber, ob ein während der Bausperre eingereichtes Baugesuch materiell zu behandeln oder zurückzustellen sei, ergehe in Anwendung autonomen Gemeinderechtes.
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Art. 5 BPG sieht vor, dass Gebiete, für die keine oder abänderungsbedürftige Bebauungs- und Nutzungspläne bestehen, mit einer vorübergehenden Bausperre belegt werden dürfen: der Entscheid, ob eine solche Massnahme getroffen werden soll, wird in das Ermessen des Gemeindevorstandes gestellt. In bezug auf die Anordnung der Bausperre ist die bündnerische Gemeinde nach Art. 5 BPG daher autonom. Es steht ihr nicht nur weitgehend frei, ob und wie sie ihre Planung ändern will, sondern es ist auch ihr überlassen, ob sie von der Möglichkeit, für das betreffende Gebiet eine Bausperre zu erlassen, Gebrauch machen will. Hingegen sind die Rechtswirkungen einer Bausperre in Art. 5 BPG umschrieben. Die Bausperre hat nicht schlechthin ein Bauverbot zum Inhalt. Art. 5 BPG bestimmt vielmehr, dass "die Erstellung von Bauten in diesem Falle nur zulässig ist, wenn dadurch die vorgesehene Planung nicht erschwert wird". Eine entsprechende Vorschrift findet sich in Art. 54 Abs. 3 des neuen Raumplanungsgesetzes. Diese kantonalrechtliche Regelung hat klarerweise zwingenden Charakter, d.h. sie gilt in allen Gemeinden, gleichgültig ob ihre Bauordnungen eine entsprechende Vorschrift enthalten oder nicht, und es stünde einer Gemeinde nicht frei, die materiellen Rechtswirkungen einer Bausperre anders zu umschreiben, als es der kantonale Gesetzgeber getan hat. Die Bauordnung von Celerina/Schlarigna enthält diesbezüglich übrigens gar keine Vorschrift; sie sieht lediglich vor, dass eine Bausperre erlassen werden kann, ohne deren Inhalt näher festzulegen (Art. 22).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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