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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
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18. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 21. März 1985 i.S. Schweizerische Kreditanstalt gegen Stadt Zürich und Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 4, 22ter und 31 BV; Wohnanteilplan der Stadt Zürich. |
Art. 4, 22ter und 31 BV. Der Wohnanteilplan der Stadt Zürich scheidet in den Wohnzonen und in der Kernzone Gebiete aus, worin ein Mindestanteil der Bruttogeschossfläche Wohnzwecken dienen muss. Der Plan |
a) ist mit Art. 22ter BV vereinbar; er beruht auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage (E. 2a) und liegt im öffentlichen Interesse (E. 2b); |
b) hält vor Art. 31 BV stand (E. 3); |
c) verletzt den Grundsatz der Rechtsgleichheit nicht (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Die Schweizerische Kreditanstalt ist Eigentümerin der Liegenschaften Ohmstrasse 2 und 4 in Zürich-Oerlikon. Der Plan schreibt für diese Grundstücke einen Mindestwohnanteil von 33% vor. Ein dagegen gerichteter Rekurs der Grundeigentümerin wurde von der Baurekurskommission I des Kantons Zürich am 14. Januar 1983 abgewiesen, soweit sie darauf eintrat. Hiegegen rekurrierte die Schweizerische Kreditanstalt am 6. Mai 1983 an den Regierungsrat des Kantons Zürich. Dieser wies den Rekurs mit Beschluss vom 2. November 1983 ab.
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Die Schweizerische Kreditanstalt führt mit Eingabe vom 16. Dezember 1983 staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht. Sie rügt eine Verletzung von Art. 4, 22ter sowie 31 BV und beantragt, den Beschluss des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 2. November 1983 aufzuheben.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Der gegenteilige Antrag des Stadtrates geht fehl. Zwar trifft es zu, dass der Regierungsrat mit Entscheid vom 18. Januar 1978 die Ergänzung der Bauordnung der Stadt Zürich durch die Vorschriften über den Wohnanteil für rechtmässig befunden hat, und dass dieser Entscheid nicht beim Bundesgericht angefochten worden ist. Indessen galten die mit der Bauordnungsrevision erlassenen vorsorglichen Beschränkungen nur provisorisch (Art. 58a der Bauordnung der Stadt Zürich vom 12. Juni 1963, Fassung vom 4. Februar 1976, BauO). Erst der vom Gemeinderat am 5. November 1980 beschlossene Wohnanteilplan stellt die definitive Anwendung der Art. 39a ff. BauO dar und schreibt den einzuhaltenden Anteil an Wohnfläche endgültig vor. Unter diesen Umständen muss es den betroffenen Grundeigentümern freistehen, den Plan unabhängig davon anfechten zu können, ob sie sich schon gegen die vorangegangenen provisorischen Massnahmen zur Wehr gesetzt haben. Der Regierungsratsbeschluss vom 18. Januar 1978 schliesst daher das Recht zur Beschwerde gegen den Wohnanteilplan nicht aus, wenn auch der Regierungsrat bereits in diesem Entscheid bei der Beurteilung der vorsorglichen Beschränkungen die Gesetz- und Verfassungsmässigkeit der Vorschriften über den Wohnflächenanteil (Art. 39a bis 39h und Art. 53a BauO) geprüft und bejaht hatte.
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Ebenfalls zu keiner andern Beurteilung der Eintretensfrage führt der Umstand, dass die Beschwerdeführerin nicht nur die Aufhebung des angefochtenen Regierungsratsbeschlusses, sondern ![]() | 7 |
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a) Das zürcherische Gesetz über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht vom 7. September 1975 (Planungs- und Baugesetz, PBG) sieht sowohl für die Kernzonen als auch für die Zentrumszonen ausdrücklich vor, dass die Gemeinden in ihrer Bau- und Zonenordnung "für die ganze Zone, gebietsweise oder für bestimmte Geschosse die Nutzung zu Wohnzwecken vorschreiben" können (§ 50 Abs. 4, § 51 Abs. 3 PBG). Für die Wohnzonen gilt die zum gleichen Ergebnis führende Regel, dass andere Nutzweisen als das Wohnen durch die Bau- und Zonenordnung "allgemein oder gebietsweise gestattet oder nach Geschossen, Anteil an der Gesamtnutzfläche oder Einwirkungsgrad beschränkt oder ganz untersagt werden" können (§ 52 Abs. 2 PBG). Abgesehen davon sind die Wohnzonen in erster Linie für Wohnbauten bestimmt (§ 52 Abs. 1 Satz 1 PBG). Mit dieser kantonalen Regelung stimmen die bereits auf Grund des früheren kantonalen Baugesetzes erlassenen Vorschriften der Stadt Zürich überein (Art. 39a ff. BauO). Es besteht mithin sowohl im kantonalen als auch im kommunalen Recht eine klare gesetzliche Grundlage dafür, dass Gebiete ausgeschieden werden können, worin ein Mindestanteil der Bruttogeschossfläche Wohnzwecken dienen muss.
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Der Auffassung der Beschwerdeführerin kann nicht beigepflichtet werden. Was die Wohnzonen betrifft, so steht schon begrifflich sowie auf Grund der Vorschriften des kantonalen Rechts (§ 52 PBG) ausser Frage, dass sich diese zum Wohnen eignen. Wo das nicht zuträfe, müsste von einer Fehlplanung gesprochen werden, wenn dennoch Wohnzonen ausgeschieden würden. Weniger eindeutig verhält es sich mit der Kernzone; diese ist ausdrücklich für eine Nutzung zu gewerblichen Zwecken bestimmt (§§ 50, 51 PBG). Doch zählt auch eine Wohnnutzung zur gesetzlichen Zweckbestimmung der Kern- und der Zentrumszone (§ 50 Abs. 4, § 51 Abs. 1 und 3 PBG). Diese Regelung entspricht der seit langem anerkannten städtebaulichen Forderung, die Stadtkerne auch ausserhalb der Arbeitszeit belebt zu erhalten; diese sollen nicht erstarren, weshalb Kernzonen seit jeher als gemischte Zonen ausgestaltet wurden (ERICH ZIMMERLIN, Bauordnung der Stadt Aarau, Aarau 1960, § 42 N. 1 bis 3, S. 174/175; § 46 N. 2, S. 182). Es entspricht dies auch dem bundesrechtlichen Planungsgrundsatz, die Siedlungen nach den Bedürfnissen der Bevölkerung zu gestalten, namentlich Wohn- und Arbeitsgebiete einander zweckmässig zuzuordnen (Art. 3 Abs. 3 lit. a des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979, RPG). Etwas anderes lässt sich auch nicht aus der von der Beschwerdeführerin angeführten Vorschrift von § 294 lit. a PBG ableiten, nennt doch diese Bestimmung als zulässige Nutzweise in Kern- und Zentrumszonen neben Büros, Ateliers, Praxen, Läden und mässig störenden Gewerben an erster Stelle Wohnungen. Hinzu kommt, dass eine Nutzung der Liegenschaften zu gewerblichen Zwecken nirgends vollständig untersagt wird; der Wohnanteilplan lässt sie vielmehr in verschieden abgestuftem Ausmass ausdrücklich zu, wobei er richtigerweise in der Kernzone erhebliche Flächen mit Wohnanteil Null vorsieht. Was schliesslich den Vorwurf betrifft, auch an immissionsreichen Lagen seien Wohnanteile festgelegt worden, so lässt die Abstufung ![]() | 11 |
b) Grundsätzlich besteht ein gewichtiges öffentliches Interesse daran, in den Wohnzonen und in der Kernzone minimale Wohnflächenanteile festzulegen. Es ist ein raumplanerisch und sozialpolitisch wichtiges Anliegen, der Entleerung der Stadtkerne von der Wohnbevölkerung entgegenzuwirken und die erwünschte Durchmischung von Arbeits- und Wohnplätzen sicherzustellen, um damit möglichst auch preisgünstige Wohnungen zu erhalten und den Verkehrsstrom der Pendler zu reduzieren. Das Bundesgericht hat die Zulässigkeit dahingehender Planungsmassnahmen anerkannt (Urteil von 12. Dezember 1979, E. 2b, ZBl 81/1980, S. 231; BGE 103 Ia 419 ff. E. 4). Nach Art. 22ter BV ist grundsätzlich jedes öffentliche Interesse geeignet, einen Eingriff in das Eigentum zu rechtfertigen, sofern das angestrebte Ziel nicht rein fiskalischer Art ist oder gegen anderweitige Verfassungsnormen verstösst (BGE 102 Ia 114 E. 3). Die Beschwerdeführerin rügt zu Recht nicht, der Wohnanteilplan verfolge ein unzulässiges fiskalisches Ziel. Sie bestreitet das Vorliegen eines öffentlichen Interesses aus verschiedenen andern Gründen.
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Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, die städtischen Behörden dürften das Ziel, die Wohnnutzung im Kernbereich der Stadt zu erhalten, nur mit Mitteln der Leistungsverwaltung verfolgen. Diese Behauptung steht im Widerspruch zur Regelung des kantonalen und kommunalen Rechts. Wie dargelegt, sieht diese verbindliche Einschränkungen zur Erreichung des genannten Ziels ausdrücklich vor (E. 2a). Wenn die städtischen Behörden davon Gebrauch gemacht haben, sind sie sich bewusst, dass der Wohnanteilplan nur ein Mittel darstellt, um die Stadt Zürich als Wohnort für die Bevölkerung attraktiv zu erhalten und namentlich im Stadtkern die Wohnnutzung in ausreichendem Mass sicherzustellen. Die Behörden handeln damit im Sinne des Ziels, wohnliche Siedlungen zu schaffen und zu erhalten sowie Wohn- und Arbeitsgebiete ![]() | 13 |
Die Beschwerdeführerin bestreitet sodann das öffentliche Interesse am Wohnanteilplan damit, dass dieser das angestrebte Ziel gar nicht erreichen könne. Sie bezeichnet den Plan als untaugliches Instrument, weshalb er zudem unverhältnismässig sei. Mit dieser Argumentation widerlegt die Beschwerdeführerin nicht, dass der Wohnanteilplan das Wohnraumangebot im festgelegten Ausmass sichert, indem er bei Neu- und Umbauten die Schaffung beziehungsweise Erhaltung von Wohnungen gewährleistet. Auch wenn nicht gesagt werden kann, ob sich damit der Bevölkerungsrückgang in der Stadt Zürich wirksam bekämpfen lässt, ist es den städtischen Behörden nicht verwehrt, mit den gegebenen gesetzlichen Möglichkeiten der verhängnisvollen Entwicklung entgegenzutreten und wenn immer möglich eine Wende herbeizuführen. Freilich sind die Behörden verpflichtet, die Entwicklung zu verfolgen. Sollten sich die Verhältnisse erheblich ändern, so werden die Behörden den Wohnanteilplan als Nutzungsplan zu überprüfen und anzupassen oder aufzuheben haben (Art. 21 Abs. 1 RPG), sofern die Wohnanteilsverpflichtungen nicht mehr nötig sein sollten. Unter diesen Umständen erscheint auch der Vorwurf der Unverhältnismässigkeit als unbegründet.
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c) Die mit dem Wohnanteilplan angeordneten Eigentumsbeschränkungen beruhen somit auf einer gesetzlichen Grundlage und liegen im öffentlichen Interesse. Sie halten daher vor Art. 22ter BV stand.
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Sachgerechte Massnahmen der Raumplanung verletzen Art. 31 BV dann nicht, wenn sie im Zielbereich von Art. 22ter BV liegen und die Handels- und Gewerbefreiheit nicht völlig ihres Gehalts entleeren (BGE 109 Ia 267 E. 4 mit Hinweis). Eingriffe in die Handels- und Gewerbefreiheit dürfen namentlich keine unzulässigen wirtschaftspolitischen Ziele verfolgen (BGE 102 Ia 114 E. 3 mit Hinweisen).
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Ebenfalls unbegründet ist der Vorwurf der Beschwerdeführerin, der Wohnanteilplan schaffe Marktverzerrungen, weil er beidseits der Thurgauerstrasse in einer Entfernung von fünf Fussminuten von ihren Liegenschaften keinen Wohnanteil vorschreibe. Die konkrete Gestaltung des Wohnanteilplans in jenem Bereich entspricht der Forderung, nur solche Gebiete mit einem Wohnanteil zu belegen, die für das Wohnen geeignet sind. Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, dass sich ihre Liegenschaften in der genau gleichen Lage befänden. Deshalb ist auch nicht einzusehen, weshalb Art. 4 BV verletzt sein sollte, abgesehen davon, dass dem Rechtsgleichheitsgrundsatz bei Planungsmassnahmen nur eine abgeschwächte Bedeutung zukommt (BGE 107 Ib 339 E. 4a).
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Der Wohnanteilplan der Stadt Zürich hält somit auch vor Art. 31 und Art. 4 BV stand.
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