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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
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20. Urteil vom 21. Januar 1976 i.S. Magazine zum Globus AG und Mitbeteiligte gegen Landrat des Kantons Basel-Landschaft. | |
Regeste |
Raumplanung; Vorschriften über den Bau von Einkaufszentren (Art. 22ter, 22quater und 31 BV; Gewaltentrennung, Art. 85 lit. a OG). |
1. Legitimation zur Anfechtung allgemeinverbindlicher Erlasse (E. 1a). |
2. Funktion der abstrakten Normenkontrolle (E. 1b). |
3. Gewaltentrennung, Art. 85 lit. a OG: Zuständigkeit des Landrates zum Erlass raumplanerischer Vorschriften über die Erstellung von Einkaufszentren (E. 2). |
4. Verhältnis zwischen Eigentumsgarantie und Handels- und Gewerbefreiheit (E. 3). |
5. Erfordernis der gesetzlichen Grundlage nach Art. 22ter und Art. 31 BV (E. 4). |
6. Schutzwirkung und Tragweite der Handels- und Gewerbefreiheit im Bereiche der Raumplanung; Verhältnis von Art. 31 BV zu Art. 22quater BV (E. 5a). |
7. Bedürfnis nach raumplanerischen Sondervorschriften für den Bau von Einkaufszentren. Konsumgüterversorgung der Wohngebiete als Gegenstand der Raumplanung (E. 5b). |
8. Materielle Überprüfung einzelner Bestimmungen des angefochtenen Erlasses: |
a) Festsetzung der höchstzulässigen Nettoladenfläche auf 8000 m2 je Verkaufseinheit (E. 6a). |
b) Erfordernis, wonach Verkaufseinheiten mit mehr als 3000 m2 Nettoladenfläche mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar sein müssen (E. 6b). |
c) Grössen- und lagemässige Beschränkungen aus Gründen der Ortsplanung (E. 6c). |
d) Begriff der "Verkaufseinheiten", auf welche der Landratsbeschluss Anwendung findet (E. 6d). |
9. Fehlen einer verfassungsrechtlich gewährleisteten "Konsumfreiheit" (E. 7). | |
Sachverhalt | |
1 | |
§ 1
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Geltungsbereich
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Die nachstehenden Vorschriften für neue Verkaufsflächen finden bei der Neuschaffung und Erweiterung von Verkaufseinheiten des Detailhandels Anwendung, sofern deren gesamte Nettoladenfläche 1000 m2 und mehr beträgt.
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Ausgenommen sind Erweiterungen, bei denen der Zuwachs an Nettoladenfläche nicht mehr als 20% ausmacht.
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§ 2
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Definitionen
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1 Für die Berechnung der Nettoladenfläche werden jene Bruttogeschossflächen von Detailhandelsgeschäften berücksichtigt, die dem Kunden zugänglich sind, zuzüglich Bedienungs-, Pult-, Gestell- und Auslageflächen.
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2 Als Detailgeschäfte gelten Betriebe, die Waren vorwiegend an Kunden verkaufen, welche diese zu ihrem eigenen Gebrauch verwenden.
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3 Bei Ausstellungsräumen für Möbel, Motorfahrzeuge usw. gilt nur die Hälfte der effektiven Nettoladenfläche als Nettoladenfläche im Sinne dieser Vorschriften.
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11 | |
§ 3
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Vorschriften
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1 Verkaufseinheiten im Sinne von § 1 dürfen nur aufgrund eines rechtskräftigen Quartierplanes bewilligt werden.
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2 Die gesamte Nettoladenfläche einer Verkaufseinheit darf nicht mehr als 8000 m2 betragen.
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3 Verkaufseinheiten müssen den Zentren gemäss Ortsplanung zugeordnet sein.
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4 Die Grösse einer Verkaufseinheit hat sich nach der Funktion des Zentrums zu richten, innerhalb dem sie erstellt werden soll.
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5 Der erforderliche Ausbau des kantonalen und kommunalen Verkehrsnetzes im Einflussbereich einer Verkaufseinheit muss auch ausserhalb des Quartierplanperimeters durch rechtsverbindliche Pläne gesichert sein.
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6 Verkaufseinheiten von 3000 m2 Nettoladenfläche und mehr müssen mit dem öffentlichen Verkehrsmittel gut erreichbar sein.
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§ 4
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Inkrafttreten
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Diese Vorschriften treten sofort in Kraft und gelten bis zum Inkrafttreten des definitiven Regionalplanes Siedlung.
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Die Firma Magazine zum Globus AG, Zürich (Beschwerdeführerin 1), die Firma Maus Frères SA, Genf (Beschwerdeführerin 2), die Brauerei Ziegelhof (AG), Liestal (Beschwerdeführerin 3), Karl Martin-Leibundgut, Frenkendorf (Beschwerdeführer 4), und René Nydegger-Schneider, Frenkendorf (Beschwerdeführer 5), führen mit gemeinsamer Eingabe im Anschluss an die Publikation des Landratsbeschlusses gegen diesen staatsrechtliche Beschwerde. Sie rügen eine Verletzung von § 11 und § 18 Ziff. 2 und 4 der Kantonsverfassung (in Verbindung mit Art. 85 lit. a OG) sowie von Art. 4, 22ter und 31 BV und stellen den Antrag, es sei der angefochtene Landratsbeschluss vollumfänglich aufzuheben.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. a) Beim angefochtenen Landratsbeschluss handelt es sich um eine Anordnung generell-abstrakten Charakters, d.h. um einen Erlass im Sinne von Art. 84 Abs. 1 OG. Zur Anfechtung eines solchen ist jeder legitimiert, auf den die als verfassungswidrig ![]() | 24 |
Bei den Beschwerdeführerinnen 1 und 2 handelt es sich um zwei Unternehmen der Warenhausbranche, welche im Gebiet Hülften in Frenkendorf die Erstellung eines grossen Einkaufszentrums (Nettonutzfläche rund 30000 m2) geplant haben und durch den angefochtenen Landratsbeschluss daher nicht bloss virtuell, sondern unmittelbar betroffen sind. Die Beschwerdeführer 3 und 4 sind Eigentümer und eventuelle Verkäufer des für das erwähnte Einkaufszentrum vorgesehenen Areals und insofern ebenfalls unmittelbar betroffen. Soweit die Beschwerdeführer 1-4 den Landratsbeschluss wegen seines materiellen Gehaltes anfechten, sind sie zur Beschwerde grundsätzlich legitimiert. Ob sich alle vier Beschwerdeführer sowohl auf die Eigentumsgarantie als auch die Handels- und Gewerbefreiheit berufen können, ist hier nicht weiter zu untersuchen. Jedenfalls steht den Beschwerdeführerinnen 1 und 2 der Schutz von Art. 31 BV und den Beschwerdeführern 3 und 4 der Schutz von Art. 22ter BV zu, so dass auf die in der gemeinsamen Beschwerdeeingabe erhobenen entsprechenden Rügen einzutreten ist.
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Der Beschwerdeführer 4 ist überdies, zusammen mit dem Beschwerdeführer 5, als Stimmbürger des Kantons Basel-Landschaft zur Rüge legitimiert, dass die fragliche Regelung Gegenstand eines referendumspflichtigen formellen Gesetzes bilden müsste und der angefochtene Landratsbeschluss daher die politische Stimmberechtigung verletze. Eine entsprechende Rüge wird, unter Hinweis auf das Gewaltentrennungsprinzip, auch von den Beschwerdeführerinnen 1-3 vorgebracht. Die Verletzung des Grundsatzes der Gewaltentrennung kann auch von nicht stimmberechtigten Personen gerügt werden, wenn sie durch den Inhalt des angefochtenen Erlasses virtuell oder unmittelbar betroffen sind (BGE 93 I 44 ff. E. 3; vgl. auch BGE 96 I 141). Da dies nach dem Gesagten auf die Beschwerdeführer 1-3 zutrifft, ![]() | 26 |
b) Bei der Prüfung der Verfassungsmässigkeit von gesetzlichen Vorschriften im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle ist massgebend, ob der betreffenden Norm nach anerkannten Auslegungsregeln ein Sinn zugemessen werden kann, der sie mit dem angerufenen Grundrecht vereinbar erscheinen lässt. Das Bundesgericht hebt die angefochtene kantonale Vorschrift nur auf, wenn sie sich jeder verfassungskonformen Auslegung entzieht, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich ist (BGE 91 I 85 E. 2; vgl. auch BGE 100 Ia 105, BGE 99 Ia 274, ZBl 64/1963 S. 42; GYGI, Mittelbare Verfassungsverletzung als Beschwerdegrund im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren, in: Der Staat als Aufgabe, Gedenkschrift für Max Imboden, S. 169 Ziff. 9). Sodann sind im abstrakten Normenkontrollverfahren die möglichen Auswirkungen einer neuen Vorschrift, selbst wenn deren Inhalt klar bestimmt ist und der rechtsanwendenden Behörde keinerlei Spielraum offensteht, nie völlig übersehbar. Erscheint eine generell-abstrakte Regelung bezogen auf normale Verhältnisse, wie sie vom Gesetzgeber zugrunde gelegt werden durften, als verfassungsrechtlich haltbar, so vermag die ungewisse Möglichkeit, dass sie sich in besonders gelagerten Einzelfällen als verfassungswidrig auswirken könnte, ein Eingreifen des Verfassungsrichters im Stadium der abstrakten Normenkontrolle im allgemeinen noch nicht zu rechtfertigen, vor allem dann nicht, wenn im fraglichen Sachbereich die Möglichkeit der spätern konkreten Normenkontrolle den Betroffenen einen hinreichenden Schutz bietet. Wird im dargelegten Sinne das Vorliegen einer Verfassungsverletzung im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle verneint, hindert dies den Bürger nicht, die Verfassungswidrigkeit der betreffenden Vorschrift anlässlich ihrer Anwendung im Einzelfall erneut geltend zu machen (BGE 100 Ia 105; BGE 99 Ia 280 f., 265; ZBl 64/1963 S. 52 f.). Der im abstrakten Normenkontrollverfahren zu fällende Entscheid erwächst insoweit nicht in Rechtskraft (BGE 68 I 29 f.)
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2. Die Verletzung der politischen Stimmberechtigung sowie des Gewaltentrennungsprinzipes wird darin erblickt, dass der Landrat mit dem angefochtenen Beschluss die ihm ![]() | 28 |
a) § 10 Abs. 1 KV gewährleistet ausdrücklich die Trennung zwischen gesetzgebender, vollziehender und richterlicher Gewalt, grenzt aber den Kompetenzbereich der betreffenden Staatsorgane nicht selber ab. Nach § 11 KV unterliegen der Volksabstimmung "alle Gesetze, ebenso die allgemein verbindlichen Beschlüsse und Verträge, soweit sie über die in Verfassung und Gesetzen den Behörden ausdrücklich eingeräumten Kompetenzen hinausgehen". Der Landrat (Kantonsparlament) ist gemäss § 18 Ziff. 2 KV zuständig zur Beratung und Beschlussfassung über alle Gegenstände, die nach den §§ 11 und 11bis KV (Gesetze und Kreditbeschlüsse) der Volksabstimmung unterstellt werden. Er ist sodann gemäss § 18 Ziff. 4 KV befugt zum "Erlass der zur Einführung und Vollziehung von eidgenössischen oder kantonalen Gesetzen erforderlichen Verordnungen; diese letztern dürfen aber niemals veränderte oder neue Bestimmungen über die Hauptsache enthalten". § 22 KV überträgt dem Regierungsrat den Vollzug der Gesetze und sonstigen Beschlüsse der Bundesbehörden und des Landrates.
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b) § 139 des kantonalen Baugesetzes vom 15. Juni 1967 (BauG) ermächtigt den Landrat zum Erlass einer Vollziehungsverordnung. Diese gesetzliche Ermächtigung wiederholt, was sich bereits aus § 18 Ziff. 4 KV ergibt. Der Landrat hat in Ausübung dieser Befugnis, gestützt auf § 18 Ziff. 4 KV und § 139 BauG, am 27. Januar 1969 eine Vollziehungsverordnung erlassen. Wie weit diese allgemeine, verfassungsrechtlich verankerte Verordnungsbefugnis des Kantonsparlamentes reicht, ist hier nicht zu untersuchen. Der Landrat stützte sich bei Erlass des angefochtenen Beschlusses über das Verfahren bei Schaffung neuer Verkaufsflächen nicht auf § 18 Ziff. 4 KV oder § 139 BauG, sondern - wie aus dem Ingress des Beschlusses hervorgeht - auf spezielle Ermächtigungsnormen in § 35 ff. des Baugesetzes.
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Wie das Bundesgericht in BGE 99 Ia 543 ff. (vgl. auch BGE 100 Ia 326) erkannt hat, ist es mit den oben (Erw. 2a) wiedergegebenen basel-landschaftlichen Verfassungsvorschriften vereinbar, dass durch formelles Gesetz bestimmte, an sich dem Gesetzgeber ![]() | 31 |
c) Das BauG regelt in den §§ 35-44 das Verfahren und den Gegenstand der Regionalplanung. § 35 Abs. 1 BauG verpflichtet den "Kanton", Regionalpläne und, soweit nötig, regionale Detailpläne zu erlassen. Nach § 35 Abs. 2 sind Regionalpläne vom Landrat, regionale Detailpläne vom Regierungsrat zu genehmigen. Die regionale Detailplanung sowie die Bauvorschriften der Gemeinden müssen den vom Landrat zu erlassenden Regionalplänen angepasst werden (§ 42 BauG). Das BauG umschreibt den möglichen Zweck und Inhalt dieser Regionalpläne nicht abschliessend, sondern nur beispielhaft. Die entsprechende Bestimmung in § 41 BauG lautet:
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"1 Die Regionalpläne stellen die Planungsziele einer Region dar und stimmen die Planungsmassnahmen des Kantons und der Gemeinden aufeinander ab.
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2 Diese Pläne können unter anderem enthalten:
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- die Linienführung und die Ausdehnung des Verkehrs- und des Versorgungsnetzes;
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- die für kantonale und regionale Werke erforderlichen Areale;
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- den Umfang der Landwirtschafts- und Erholungsgebiete sowie die schützenswerten Landschaften und Objekte;
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- den Umfang und die Gliederung der Baugebiete."
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Da solche Pläne regelmässig Rechtsvorschriften mitenthalten (LENDI, Raumbedeutsame Pläne, ZSR 92/1973 I 110 f.), lässt es sich unter dem Gesichtswinkel der Willkür nicht beanstanden, dass der Landrat aufgrund der ihm erteilten Kompetenz ![]() | 39 |
Wohl sieht § 41 Abs. 2 BauG eine regionplanerische Erfassung der Detailhandelsversorgung nicht ausdrücklich vor, doch ist die Umschreibung von Zweck und Inhalt der Regionalplanung nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ("Diese Pläne können unter anderem enthalten: ...") nicht abschliessend. Es lässt sich, wie nachfolgend in anderem Zusammenhang noch darzutun sein wird, nicht von der Hand weisen, dass die Erstellung von Einkaufszentren in verschiedener Hinsicht raumplanerisch relevante Auswirkungen haben kann. Angesichts der weitgefassten, bewusst nicht abschliessenden Zweckumschreibung in § 41 BauG kann dem Landrat nicht vorgeworfen werden, durch einen Erlass der vorliegenden Art die ihm vom Gesetzgeber im Bereiche der Regionalplanung übertragenen Kompetenzen klarerweise überschritten zu haben.
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Was die Beschwerdeführer hiezu vorbringen, schlägt jedenfalls unter dem Gesichtswinkel der Willkür nicht durch. Dass im Ingress des Landratsbeschlusses als Gesetzesgrundlage neben § 35 auch § 44 BauG angeführt wird, der von den Rechtswirkungen regionaler Detailpläne handelt, ist zwar, wie die Beschwerdeführer zu Recht hervorheben, nicht ganz verständlich. Dieser Hinweis dürfte wohl auf einem Irrtum beruhen. In der Beschwerdeantwort werden als massgebende Bestimmungen nurmehr noch die §§ 35 und 41 BauG angeführt, und auf diese Vorschriften lässt sich der angefochtene Beschluss nach dem Gesagten ohne Willkür stützen. Die Rüge, es seien die für den Erlass regionaler Detailpläne geltenden besonderen Verfahrensvorschriften nach §§ 37 und 38 BauG missachtet worden, wird damit hinfällig. Eine offensichtliche, d.h. willkürliche Kompetenzüberschreitung liegt weder in bezug auf den Erlass als Ganzes noch in bezug auf einzelne ![]() | 41 |
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Zwar sind bau- und planungsrechtliche Vorschriften, welche die Befugnisse des Grundeigentümers beschränken, aufgrund dieses Anknüpfungspunktes vorab der Eigentumsgarantie unterstellt. Diese enthält als sachbezogenes Grundrecht jene verfassungsrechtlichen Schranken, welche bei derartigen Eingriffen in erster Linie zu beachten sind. Das will indessen nicht heissen, dass eigentumsbeschränkende Massnahmen der Schutzwirkung anderer Grundrechte entzogen wären. Berühren solche Massnahmen neben der Eigentumsgarantie in spezifischer Weise, sei es generell oder aus der Sicht einzelner ![]() | 43 |
Soweit die Beschwerdeführer rügen, die angefochtene Massnahme entbehre der gesetzlichen Grundlage, macht es keinen Unterschied, ob man die Beschwerde unter dem Gesichtswinkel von Art. 22ter BV oder zusätzlich auch unter jenem von Art. 31 BV prüft; das betreffende Erfordernis ergibt sich in gleicher Weise aus beiden Grundrechten, und es besteht, jedenfalls im konkreten Fall, auch kein Unterschied hinsichtlich der bundesgerichtlichen Kognition. Ähnliches gilt in bezug auf das Gebot der Verhältnismässigkeit, das ebenfalls in beiden Freiheitsrechten enthalten ist. Unterschiedliche Schranken ergeben sich jedoch in bezug auf die der angefochtenen Massnahme zugrunde liegende Zielsetzung. Nach Art. 22ter BV ist grundsätzlich jedes öffentliche Interesse geeignet, einen Eingriff in das Eigentum zu rechtfertigen, sofern das angestrebte Ziel nicht rein fiskalischer Art ist oder gegen anderweitige Verfassungsnormen verstösst (SALADIN, Grundrechte im Wandel, S. 146 ff., mit Hinweisen auf Judikatur). Demgegenüber enthält Art. 31 BV in dieser Hinsicht eine besondere Schranke, indem nicht jedes irgendwie geartete öffentliche Interesse ein zulässiges Motiv für einen Eingriff in die Gewerbefreiheit bilden kann. Eine der wesentlichsten Schutzfunktionen dieses Grundrechtes besteht darin, dass es den Kantonen Massnahmen mit wirtschaftspolitischer Zielsetzung untersagt (BGE 99 Ia 619 E. 5a, 373 E. 2; 98 Ia 400; 97 I 504). Welche Folgerungen sich daraus im Bereiche der Raumplanung ergeben, wird nachfolgend noch zu erörtern sein.
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4. Staatliche Massnahmen, welche das Eigentum beschränken oder in die Handels- und Gewerbefreiheit eingreifen, bedürfen vorab einer gesetzlichen Grundlage (Art. 22ter Abs. 2 BV; betreffend Handels- und Gewerbefreiheit: BGE 98 Ia 400). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Eingriff in einem Gesetz in materiellem Sinn, das heisst in einer generell-abstrakten Norm vorgesehen ist, die sich ihrerseits als verfassungsmässig erweist (BGE 98 Ia 664, 591; BGE 97 I 796; BGE 91 I 462 f.; BGE 90 I 323; BGE 89 I 470; BGE 88 I 176; BGE 87 I 453; BGE 83 I 113). Richtet sich die Beschwerde, wie hier, unmittelbar gegen eine rechtssatzmässige Regelung als solche, so kann sich unter dem Gesichtswinkel ![]() | 45 |
Es wurde bereits bei Behandlung der Rüge der Verletzung der politischen Rechte und des Gewaltentrennungsprinzips (Erw. 2) festgestellt, dass sich der angefochtene Landratsbeschluss ohne Willkür auf eine spezielle Ermächtigungsnorm des Baugesetzes stützen lässt, die ihrerseits verfassungsrechtlich zulässig ist. Da hier weder aus der Sicht der Grundeigentümer noch aus jener der betroffenen Detailhandelsunternehmen von einem "besonders schweren Eingriff" gesprochen werden kann, prüft das Bundesgericht die Frage, ob der angefochtene Beschluss im kantonalen Baugesetz eine genügende Grundlage findet, auch auf Anrufung von Art. 22ter und Art. 31 BV nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür (betr. Art. 22ter: BGE 99 Ia 250 E. 2; betr. Art. 31 BV: 101 Ia 351 E. 4). Diese beiden Freiheitsrechte entfalten daher in diesem Punkt keine weitergehende Schutzwirkung. Die Rüge der mangelnden gesetzlichen Grundlage dringt nicht durch.
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a) Raumplanerische Massnahmen, welche eine zweckmässige Nutzung des Bodens und eine geordnete Besiedlung des Landes sichern wollen, erfüllen einen verfassungsrechtlich ausdrücklich anerkannten öffentlichen Zweck (Art. 22quater BV; BGE 99 Ia 615 ff.). Derartige Vorkehren dürfen auch sozialpolitische Ziele verfolgen (BGE 100 Ia 336; BGE 99 Ia 614 ff., 38). Sie ziehen, soweit sie die Nutzung des Grundeigentums regeln, ![]() | 48 |
b) Die Erstellung von Einkaufszentren wirft regelmässig raumplanerisch relevante Probleme auf. Es handelt sich zunächst um solche der Erschliessung, der störenden Wirkung auf die Nachbarschaft und der verkehrstechnisch einwandfreien Verbindung mit dem öffentlichen Strassennetz, welches der erhöhten Verkehrsbelastung häufig nicht ohne weiteres gewachsen ist. Es muss sodann je nach Standort eine Anpassung an die bauliche oder landschaftliche Umgebung angestrebt werden. Hinsichtlich der Standortwahl können sich Probleme daraus ergeben, dass keine der ausgeschiedenen Bau- und Nutzungszonen für die Aufnahme derartiger atypischer Betriebe vorgesehen oder geeignet ist (vgl. dazu Urteil vom ![]() | 49 |
Als weiterer Gesichtspunkt füllt in Betracht, dass Einkaufszentren tiefgreifende Veränderungen und Verlagerungen in der Warenversorgung der Bevölkerung mit sich bringen können. Gegenstand der Raumplanung darf mindestens in gewissen Schranken ebenfalls die Konsumversorgung der Wohngebiete sein (BBl 1972 I 1479). Die Erstellung von Einkaufszentren darf Beschränkungen unterworfen werden, die verhindern, dass die Beschaffung von Gütern des täglichen Bedarfs für Personen, die nicht über eigene Verkehrsmittel verfügen, in unzumutbarer Weise gefährdet wird. Soweit Massnahmen in dieser Richtung notwendig sind, um ein bestimmtes Mindestmass an Dezentralisation in der Konsumgüterverteilung zu erhalten, sind sie verfassungsrechtlich zulässig, auch wenn sie als Nebenwirkung für die bestehenden Geschäftsbetriebe einen Konkurrenzschutz zur Folge haben. Die sozial- und versorgungspolitische Zielsetzung muss allerdings klar erkennbar im Vordergrund stehen. Hat die Massnahme primär wirtschaftspolitischen Charakter, verletzt sie Art. 31 BV. Wo die Grenze verläuft, wird naturgemäss nicht leicht zu beantworten sein.
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- Verkaufseinheiten von über 1000 m2 Nettoladenfläche nur aufgrund eines rechtskräftigen Quartierplanes bewilligt werden dürfen (§ 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1),
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- die Verkaufseinheiten den Zentren gemäss Ortsplanung zugeordnet sein müssen (§ 3 Abs. 3), wobei sich ihre Grösse nach der Funktion des Zentrums zu richten hat, in dem sie erstellt werden sollen (§ 3 Abs. 4),
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- Verkaufseinheiten mit einer Nettoladenfläche ab 3000 m2 mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar sein müssen (§ 3 Abs. 6).
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Das erstgenannte Erfordernis, wonach Einkaufszentren nur im Rahmen eines Quartierplanes erstellt werden dürfen, leuchtet ohne weiteres ein und wird von den Beschwerdeführern mit Grund nicht beanstandet. Doch auch die weiteren Anforderungen können im Grundsatz einem zulässigen raumplanerischen Anliegen entsprechen. Ob sie im Ausmass haltbar sind, wird noch zu prüfen sein. Vorab ist festzuhalten, dass nach dem Wortlaut und dem Sinn des Landratsbeschlusses keine Unterscheidung danach getroffen wird, welche Unternehmen oder Firmen in den betreffenden Verkaufseinheiten ein Detailgeschäft zu betreiben gedenken. Es werden nicht bestimmte Unternehmensformen (Warenhäuser, Kettengeschäfte, Discountläden usw.) von vornherein ausgeschlossen. Ebensowenig kann aus dem Landratsbeschluss und dem Begleitbericht des Regierungsrates gefolgert werden, dass die Erstellung grösserer Verkaufseinheiten überhaupt verhindert werden soll. Der Beschluss richtet sich nicht nur an die Grundeigentümer, sondern vor allem an die Gemeinden, die nach den nunmehr vorgesehenen Kriterien aufgrund eines Quartierplanes zu entscheiden haben, wo und in welchem Ausmass Verkaufseinheiten des Detailhandels zugelassen werden sollen. Es wäre verfassungswidrig, wenn der Landratsbeschluss von den kantonalen und kommunalen Behörden so gehandhabt werden sollte, dass er auf ein grundsätzliches Verbot derartiger Anlagen hinausliefe. Die Ortsplanung muss sich nach sachlichen Überlegungen richten (BGE 95 I 550 ff.).
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a) Verfassungsrechtliche Bedenken erweckt die Beschränkung der höchstzulässigen Nettoladenfläche auf 8000 m2 je Verkaufseinheit (§ 3 Abs. 2). Diese Begrenzung wird zunächst mit Argumenten verkehrstechnischer Art begründet; es wird geltend gemacht, dass grösser dimensionierte Einkaufszentren regelmässig eine Überbelastung des öffentlichen Strassennetzes ![]() | 57 |
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c) Ähnliches gilt in bezug auf die beanstandete Regelung in § 3 Abs. 3 und 4, wonach Verkaufseinheiten den "Zentren gemäss Ortsplanung zugeordnet" sein müssen und sich hinsichtlich ihrer Grösse "nach der Funktion des Zentrums zu richten haben, innerhalb dem sie erstellt werden sollen".
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d) Die Vorschriften des Landratsbeschlusses sind anwendbar auf "Verkaufseinheiten des Detailhandels" mit einer Gesamtnettoladenfläche von 1000 m2 und mehr (§ 1). Als Verkaufseinheit in diesem Sinne gelten ein oder mehrere Detailhandelsunternehmen, deren Nettoladenfläche in enger räumlicher Beziehung zueinander stehen und die unter sich eine bauliche oder planerische Einheit bilden (§ 2 Abs. 4). Die Beschwerdeführer machen geltend, es bestehe kein verfassungsmässiges öffentliches Interesse, eine gemäss dieser Begriffsumschreibung unter den Landratsbeschluss fallende Verkaufseinheit mit über 1000 m2 Nettoladenfläche anders zu behandeln als beispielsweise drei nebeneinander liegende Läden, die zwar keine Verkaufseinheit im Sinne von § 2 Abs. 4 bildeten, aber insgesamt mehr als 1000 m2 Verkaufsfläche umfassten. Eine derartige Unterscheidung verstosse auch gegen das Gebot der Rechtsgleichheit.
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Der Einwand ist unbegründet. Die beanstandete Vorschrift in § 2 Abs. 4 spricht von "enger räumlicher Beziehung" und stellt nicht darauf ab, ob die Verkaufsflächen getrennt sind oder nicht. Eine Verfassungswidrigkeit läge erst vor, wenn man die Vorschrift formalistisch statt nach ihrem erkennbaren Zweck auslegen würde.
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e) Der angefochtene Landratsbeschluss erweist sich somit, unter den erwähnten Vorbehalten, als mit Art. 22ter und Art. 31 BV vereinbar. Der Regierungsrat ist immerhin bei der im Begleitbericht zum Landratsbeschluss enthaltenen Äusserung zu behaften, dass bei der Anwendung dieser Vorschriften nicht der Schutz der mittleren und kleineren Detailhandelsgeschäfte in den Vordergrund gestellt werden darf.
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7. Die Beschwerdeführer Martin und Nydegger rügen, es werde ihnen durch den angefochtenen Landratsbeschluss die Möglichkeit genommen, ihre Einkäufe nach Belieben in Einkaufszentren von angemessener Grösse tätigen zu können; sie würden dadurch in dem ihnen aufgrund von Art. 31 BV indirekt ![]() | 64 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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