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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
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19. Auszug aus dem Urteil vom 8. März 1978 i. S. Schweizerische Journalisten-Union und Hanspeter Bürgin sowie Gasser AG und Kons. gegen Regierung des Kantons Graubünden | |
Regeste |
Art. 4, 31, 55 BV sowie Meinungsäusserungsfreiheit, Informationsfreiheit und Art. 10 EMRK; Information der Öffentlichkeit durch Regierung und Verwaltung. |
2. Die von der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit miterfasste Informationsfreiheit verpflichtet die Behörden indessen nicht, Informationen bekanntzugeben. Sofern sie freilich über ihre Tätigkeit informieren und Auskunft erteilen, sind sie an das Rechtsgleichheitsgebot und an das Willkürverbot gebunden (E. 5). |
3. Die Bündner Richtlinien für die Information der Öffentlichkeit durch Regierung und Verwaltung vom 12. Juli 1976 verstossen nicht gegen die genannten Grundrechte (E. 6-12). | |
Sachverhalt | |
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"I. Allgemeines
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Grundsatz
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Art. 1. Die Öffentlichkeit ist nach Massgabe des allgemeinen Interesses über die Regierungs- und Verwaltungstätigkeit zu orientieren.
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Besondere Fälle
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Art. 2. Für die Information über das Gerichtswesen sind die Gerichte zuständig. Die Information im Bereich der Staatsanwaltschaft und der Polizei richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen und den Weisungen des vorgesetzten Departementes.
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Grenzen der Information
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Art. 3. Die Informationstätigkeit gemäss Art. 1 wird begrenzt durch
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a) entgegenstehende öffentliche Interessen;
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b) schutzwürdige private Interessen, namentlich den Persönlichkeitsschutz;
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c) die Pflicht zur Geheimhaltung.
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Verzeichnis der Informationsempfänger
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Art. 4. Die Standeskanzlei führt ein Verzeichnis der Informationsempfänger. Im Zweifelsfall entscheidet die Regierung über die Aufnahme in das Verzeichnis.
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II. Informationsstellen
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Standeskanzlei
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a) Informationsdienst der Regierung
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Art. 5. Die Standeskanzlei besorgt den Informationsdienst der Regierung. Sie ist insbesondere beauftragt und ermächtigt;
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a) den Informationsempfängern gemäss offiziellem Verzeichnis die im Druck erscheinenden Botschaften und Berichte an den Grossen Rat sowie allfällige weitere für den Grossen Rat bestimmte Unterlagen zuzustellen;
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c) im Einvernehmen mit der Regierung beziehungsweise mit dem zuständigen Departementsvorsteher den Informationsempfängern Beschlüsse, Stellungnahmen und allfällige weitere Unterlagen zuzustellen;
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d) in bezug auf die Mitteilungen und Unterlagen im Sinne von
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lit. b und lit. c Auskunft zu erteilen beziehungsweise beim zuständigen Departement zu vermitteln.
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b) Koordination
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Art. 6. Die Standeskanzlei koordiniert die Zustellung von Informationsunterlagen der kantonalen Verwaltung. Schriftliche Informationsunterlagen der Departemente und Abteilungen, die nicht die Staatsanwaltschaft und das Polizeikommando betreffen, sind in der Regel der Standeskanzlei zur Weiterleitung an die Informationsempfänger abzuliefern. In besonderen Fällen kann die Standeskanzlei das offizielle Verzeichnis der Informationsempfänger den Departementen zur direkten Zustellung von Unterlagen zur Verfügung stellen.
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Information im Departementsbereich
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Art. 7. In den Zuständigkeitsbereichen der Departemente bestimmen die Departementsvorsteher, ob und welche Informationen erteilt werden.
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Die Erteilung von Auskünften durch Mitarbeiter des Departementes etzt das Einverständnis des Departementsvorstehers voraus.
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Pressekonferenzen
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Art. 8. Über die Durchführung von Pressekonferenzen und
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-besichtigungen entscheiden die Departementsvorsteher.
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Pressekonferenzen, die den Bereich mehrerer Departemente betreffen, werden von der Regierung einberufen.
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Die Koordination der Pressekonferenzen erfolgt jeweils vor der Einladung durch gegenseitige Orientierung in der wöchentlichen Regierungssitzung.
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Pressezusammenkunft
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Art. 9. Die monatliche Zusammenkunft mit den Vertretern der bündnerischen Presse einschliesslich Radio und Fernsehen dient in erster Linie der gegenseitigen Information und gemeinsamen Aussprache.
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III. Weitere Bestimmungen
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Anfragen
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a) Allgemeines
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Art. 10. Die Information auf Anfrage hin erhält nur der Fragesteller. Bei Anfragen ist jeweils zu prüfen, ob im Hinblick auf das allgemeine Interesse, die Bedeutung der Sache oder den Grundsatz der gleichzeitigen Information eine allgemeine Mitteilung im Sinne von Art. 5 lit. b oder Art. 6 Abs. 2 zweckmässig ist.
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Art. 11. Vor der Erteilung mündlicher Auskünfte auf Anfrage hin hat sich die Informationsstelle allenfalls über Namen und Adresse eines unbekannten Fragestellers sowie über das Informationsorgan zu vergewissern, in dessen Auftrag er handelt.
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c) Auschluss von der Information
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Art. 12. Presseorgane, Agenturen oder Einzelpersonen, welche unter Umgehung dieser Richtlinien Informationen erschleichen, erhaltene Informationen missbräuchlich verwenden, die Wahrheitspflicht bei der Berichterstattung vorsätzlich oder grobfahrlässig verletzen oder der Berichtigungspflicht nicht nachkommen, kann die Regierung von der Bedienung mit Informationen zeitweise oder dauernd ausschliessen.
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IV. Schlussbestimmungen
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Inkrafttreten und Mitteilung
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Diese Richtlinien treten am 1. August 1976 in Kraft. Sie sind allen Departementen und Abteilungen der kantonalen Verwaltung mit Einschluss der Anstalten und Betriebe sowie an die Empfänger der Pressemitteilungen zuzustellen."
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Die Schweizerische Journalisten-Union und Hanspeter Bürgin (Beschwerdeführer I) sowie die Gasser AG, Druck und Verlag, Chur, Hanspeter Lebrument und Dr. Daniel Witzig (Beschwerdeführer II) erheben je staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit, von Art. 10 EMRK, der Pressefreiheit, der Informationsfreiheit, der Handels- und Gewerbefreiheit, des Gewaltenteilungsprinzips sowie von Art. 4 BV. Sie verlangen insbesondere die Aufhebung der Art. 1, 3, 4, 7, 10, 11 und 12 der Richtlinien. Die Regierung des Kantons Graubünden schliesst auf Nichteintreten, eventuell auf Abweisung der Beschwerden. Das Bundesgericht weist sie ab.
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Aus den Erwägungen: | |
4. Die Verfassungsmässigkeit der Richtlinien beurteilt sich vorab nach Massgabe der Meinungsäusserungsfreiheit und, soweit sie die Presse betreffen, nach Massgabe der Pressefreiheit. Der Anspruch auf freie Meinungsäusserung wird auch in Art. 10 EMRK gewährleistet. Wie das Bundesgericht in BGE 101 Ia 69 (vgl. auch BGE 102 Ia 381) ausgeführt hat, übernimmt und entwickelt die EMRK Bestimmungen weiter, die zahlreiche Staatsverfassungen im Rahmen der Freiheitsrechte gewährleisten oder die die Vertragsstaaten als ungeschriebene Verfassungsrechte anerkennen. Das bedeutet, dass ![]() | 47 |
a) Art. 10 Ziff. 1 EMRK lautet:
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"Jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäusserung. Dieses Recht schliesst die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang (receive, recevoir) und zur Mitteilung (impart, communiquer) von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein..."
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Die EMRK enthält demnach eine Gewährleistung der Informationsfreiheit, die darin besteht, dass jedermann ein Recht auf freien Empfang von Nachrichten oder Ideen hat. Welches die nähere Bedeutung der Gewährleistung ist, lässt sich unter Heranziehung der am 10. Dezember 1948 durch die Vereinten Nationen verkündeten "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" bestimmen. Diese schützt in Art. 19 die Freiheit, Informationen zu empfangen (receive, recevoir) und zu verbreiten (impart, répandre). Sie schliesst indes auch die Freiheit, Informationen zu beschaffen (seek, chercher, wörtlich: suchen) in ihren Schutzbereich ein. Bei der Ausarbeitung der EMRK stellte sich die Frage, ob die Freiheit, Nachrichten und Meinungen zu beschaffen, ebenfalls in die Konvention aufgenommen werden sollte. Die juristische Expertenkommission arbeitete gleichzeitig zwei Entwürfe aus: Während die Variante A, welche sich stark an den Wortlaut der programmatisch abgefassten UNO-Menschenrechtserklärung anschloss, die Informationsbeschaffungsfreiheit einbezog, beschränkte sich die Variante B auf die Gewährleistung des freien Empfangs und der freien Verbreitung von Nachrichten oder Ideen (Recueil des Travaux Préparatoires de la CEDH, Bd. IV, S. 53, 63). In der Folge wurde von einer Kommission hoher Regierungsbeamter ![]() | 50 |
b) Was die schweizerische Bundesverfassung betrifft, so wird in der Lehre mehrheitlich die Ansicht vertreten, sie gewährleiste die Informationsfreiheit zumindest als Recht, Informationen zu empfangen und sich aus allgemein zugänglichen oder verfügbaren Quellen zu unterrichten (AUBERT, La liberté d'opinion ZSR 92/1973, S. 433; BARRELET, a.a.O., S. 97; FISCHER, Über den Geltungsbereich der Pressefreiheit, Diss. Zürich 1973, S. 82; dort zit.: HUBER, Gutachten über Radio und Fernsehen vom 4. September 1967, S. 53; FLEINER Th., Demokratie und Informationsfreiheit, ZSR 89/1970 I. S. 382; MORAND, Tendances récentes dans le domaine de la liberté d'expression, 12e journée juridique (1972) de la faculté de droit ![]() | 51 |
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a) Art. 10 EMRK begründet keine Informationspflicht der Behörden. Das ergibt sich einerseits daraus, dass das Recht, Informationen zu "suchen", vom Grundrechtsschutz ausdrücklich ausgeschlossen wurde (vgl. E. 4a), und andererseits aus dem Umstand, dass seit dem Abschluss der EMRK verschiedene Vorstösse mit dem Zweck unternommen wurden, den durch Art. 10 EMRK gewährleisteten Schutz zu verstärken und die Informationspflicht in den Schutzbereich aufzunehmen (vgl. Empfehlung 582 (1970), Ziff. 8 lit. e (i); Resolution 428 (1970) Ziff. 3; Actes du Colloque du Conseil de l'Europe sur la liberté d'information et l'obligation pour les pouvoirs publics de communiquer les informations à Graz, Strasbourg 1977, insb. S. 62; Activités du Conseil de l'Europe au cours de l'année ![]() | 53 |
b) Was die schweizerische Bundesverfassung anbelangt, so wurde die Forderung nach Aufnahme der Informationsfreiheit nach dem 2. Weltkrieg, unter dem Einfluss der internationalen Diskussion, aufgestellt. Die Forderung beschränkte sich zunächst auf die Einführung der Informationsempfangs- und Informationsbeschaffungsfreiheit (vgl. Botschaft des Bundesrates über die Revision von Art. 55 BV vom 19. Oktober 1951, BBl. 1951 III S. 141 ff. insb. 247; zu diesem Aspekt der Informationsfreiheit vgl. oben E. 4b). Die vom Eidgenössischen Justiz- und polizeidepartement eingesetzte Expertenkommission sah indes in ihrem Bericht vom 1. Mai 1975 (Presserecht, Presseförderung, Bern 1975, S. 47) neben der Informationsfreiheit als Abwehrrecht auch die Pflicht der Behörden von Bund und Kantonen vor, Informationen von allgemeinem Interesse bekanntzugeben, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Die Kommission vertrat die Ansicht (a.a.O. S. 53), eine Informationsfreiheit, die keinerlei Anspruch auf Lieferung von Informationen durch die Behörden einschliesse, wäre eines wesentlichen Teils ihres Gehalts beraubt. Auch der Verfassungsentwurf der Expertenkommission für die Vorbereitung einer Totalrevision der Bundesverfassung bestimmt in Art. 7, die Behörden müssten über ihre Tätigkeit ausreichend informieren, wenn nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstünden. Diese Bestrebung in Richtung einer Revision von Art. 55 BV und einer Totalrevision der Bundesverfassung zeigen, dass jedenfalls das geltende Verfassungsrecht keine Informationsfreiheit des Inhalts gewährleistet, dass die Behörden über ihre Tätigkeit zu informieren hätten. Eine solche Pflicht kann zudem weder aus der Meinungsäusserungsfreiheit noch aus der Pressefreiheit, bei der es sich nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung um einen Teilbereich der Meinungsäusserungsfreiheit handelt (BGE 98 Ia 421 mit Hinweisen), abgeleitet werden. Wie das Bundesgericht wiederholt erkannte, gewährleisten diese Grundrechte die freie vom Staate nicht behinderte Betätigung in den betreffenden Bereichen des Lebens; sie vermitteln keinen Anspruch auf positive Leistungen des Staates (BGE 98 Ia 367 E. 5a; BGE 97 I 896 E. 4; BGE 80 II 42).
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Eine Gewährleistung von in der Verfassung nicht genannten Freiheitsrechten durch ungeschriebenes Verfassungsrecht wurde vom Bundesgericht bisher nur in bezug auf solche Befugnisse angenommen, welche die Voraussetzung für die Ausübung anderer (in der Verfassung genannter) Freiheitsrechte bilden oder sonst als unentbehrliche Bestandteile der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung des Bundes erscheinen (BGE 100 Ia 400 E. 4c mit Hinweisen). Um die dem Verfassungsrichter gesetzten Schranken nicht zu überschreiten, hat das Bundesgericht stets auch geprüft, ob die in Frage stehende Gewährleistung bereits einer weitverbreiteten Verfassungswirklichkeit in den Kantonen entspreche und von einem allgemeinen Konsens getragen sei (vgl. BGE 100 Ia 400/401; GRISEL, La liberté personnelle et les limites du pouvoir judiciaire, in: Revue internationale de droit comparé 27/1975, S. 566).
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Es kann wohl nicht bestritten werden, dass eine sinnvolle Ausübung der Volksrechte im demokratischen Staat eine gutinformierte öffentliche Meinung voraussetzt, und dass der Rechtsstaat seine Legitimation auch aus der steten Rechtfertigung seiner Tätigkeit vor dem Bürger schöpft. Der Anspruch auf Information durch die Behörden wird indes, im Gegensatz zur Meinungsäusserungsfreiheit, zur persönlichen Freiheit und zur lange Zeit als ungeschriebenes Verfassungsrecht des Bundes anerkannten Eigentumsgarantie durch die kantonalen Verfassungen nicht gewährleistet (vgl. aber Art. 33 KV von Solothurn); die wenigsten Kantone kennen überhaupt eine rechtliche Regelung der Information durch die Behörden (vgl. aber Genf, Luzern, Obwalden). Es verhält sich hier nicht wesentlich anders als bezüglich der Demonstrationsfreiheit, die vom Bundesgericht in BGE 100 Ia 400 nicht als ungeschriebenes Verfassungsrecht ![]() | 57 |
Die Meinungsäusserungsfreiheit und die Pressefreiheit gewährleisten nach dem geltenden Verfassungsrecht demnach die Freiheit der Meinung, die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Meinungen einschliesslich der Freiheit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Die von der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit miterfasste Informationsfreiheit verpflichtet die Behörden indessen nicht, Informationen bekanntzugeben. Sofern sie freilich über ihre Tätigkeit informieren und Auskunft erteilen, sind sie an das Rechtsgleichheitsgebot und an das Willkürverbot gebunden.
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7. In beiden Beschwerden wird die Aufhebung von Art. 4 der Richtlinien verlangt, der bestimmt, dass die Standeskanzlei ein Verzeichnis der Informationsempfänger führt. Im Zweifelsfall ![]() | 60 |
8. Gemäss Art. 7 der Richtlinien bestimmen in den Zuständigkeitsbereichen der Departemente die Departementsvorsteher, ob und welche Informationen erteilt werden. Die Erteilung von Auskünften durch Mitarbeiter des Departementes setzt das Einverständnis des Departementsvorstehers voraus. Kurz nach Erlass der Richtlinien stellte die Standeskanzlei den Informationsempfängern in Anwendung von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinien ein Verzeichnis der Auskunftspersonen zu. In diesem ![]() | 61 |
Die Beschwerdeführer haben die Rüge, die Richtlinien verletzten die Meinungsäusserungsfreiheit des Staatspersonals jedenfalls nicht ausdrücklich erhoben und auch nicht genügend begründet, sondern die Richtlinien ausschliesslich vom Standpunkt des Journalisten und Bürgers her angefochten. Es braucht deshalb nicht geprüft zu werden, ob eine derartige Aufzählung der zur Auskunft zuständigen Personen die Meinungsäusserungsfreiheit derjenigen Beamten verletze, die keine Auskunft erteilen dürfen, und es kann ebenso dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführer zur Erhebung dieser Rüge befugt sind.
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Bei der Prüfung der Verfassungsmässigkeit von gesetzlichen Vorschriften im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle ist ![]() | 64 |
Tatsächlich gibt der Wortlaut der Bestimmung zu Zweifeln Anlass. Die Regierung führt in ihrer Vernehmlassung aus, an der Pressezusammenkunft beteiligten sich regelmässig auch Korrespondenten, die vor allem für Zeitungen ausserhalb des Kantons schreiben, zum Beispiel auch Vertreter der Schweizerischen Depeschenagentur. Es seien bisher keine Gesuche um Teilnahme an der Pressezusammenkunft abgelehnt worden, so dass auch niemand diskriminiert worden sei. Das Bundesgericht nimmt Kenntnis von den Ausführungen der Regierung und stellt fest, dass die Auslegung, welche sie der Bestimmung beilegt, die Rechtsgleichheit und die andern angerufenen Verfassungsbestimmungen nicht verletzt. Sofern unter dem Begriff der bündnerischen Presse diejenigen Medien verstanden werden, die regelmässig über die wesentlichen Ereignisse im Kanton Graubünden berichten, ist die Vorschrift nicht verfassungswidrig.
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In der Beschwerde I wird geltend gemacht, die Bestimmung gehe darauf aus, Unterschiede je nach der Person oder dem Auftraggeber des Fragestellers zu machen. Die Regierung bestreitet in ihrer Vernehmlassung diese Auslegung. Art. 11 und die Richtlinien überhaupt wollen nach ihrer Auffassung die Arbeit der Journalisten nicht verhindern oder erschweren, sondern in geordnete Bahnen lenken und die Informationstätigkeit verbessern. Die Identitätsangabe sei nötig, um einem Missbrauch mit der Antwort vorzubeugen. Tatsächlich entspricht es bereits dem Gebot des Anstandes, dass sich ein Fragesteller vorstellt, wenn er mit der Verwaltung in Kontakt tritt. Aus der Bestimmung selber lässt sich, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer, nicht ableiten, dass die Behörden eine rechtsungleiche Behandlung der Fragesteller beabsichtigen. Mit ihrer Verfassungsrüge legen sie der Bestimmung einen Sinn bei, der sich aus ihrem Wortlaut nicht ergibt. Die Rüge ist daher unbegründet.
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a) Diese Bestimmung bedroht zunächst diejenigen Personen mit der Sanktion des Informationsentzuges, welche unter Umgehung der Richtlinien Informationen erschleichen. Damit wird zwar die Freiheit, sich Informationen zu beschaffen, beschränkt, doch gewährleistet die Informationsfreiheit lediglich das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Die Verwaltung gehört grundsätzlich nicht zu den allgemein zugänglichen Informationsquellen. Deren Tätigkeit und die Verhandlungen der exekutiven Behörden sind im allgemeinen und insbesondere im Kanton Graubünden nicht öffentlich (BUSER, Information und Amtsverschwiegenheit, ZBJV 103/1967, S. 213 f.; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 253; IMBODEN/RHINOW, a.a.O. S. 519), so dass der Bürger und die Presse lediglich geltend machen können, mit dem angedrohten Informationsentzug werde eine Ungleichbehandlung in Aussicht gestellt, die sich auf keinen genügenden sachlichen Grund stützen lasse und deshalb Art. 4 BV verletze.
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Das Schweizerische Strafgesetzbuch (StGB) verwendet den Begriff des Erschleichens in Art. 151 StGB (Erschleichen einer Leistung, obtention frauduleuse d'une prestation), in Art. 170 StGB (Erschleichen eines gerichtlichen Nachlassvertrages, obtention frauduleuse d'un concordat judiciaire) und in Art. 253 StGB (Erschleichen einer falschen Beurkundung, obtention frauduleuse d'une constatation fausse). Insbesondere der französische Text macht deutlich, dass mit dem Begriff des Erschleichens stets auf ein unlauteres Verhalten hingewiesen wird. Die strafrechtliche Begriffsbestimmung ist zwar nicht massgebend, aber sie kann zur Auslegung der Richtlinien beigezogen werden. Das bedeutet, dass eine Sanktion nicht schon dann ergriffen werden darf, wenn ein Informationsempfänger die Richtlinien in irgendeiner Weise verletzt, sich zum Beispiel an einen Beamten wendet, der nicht im Verzeichnis der Auskunftspersonen aufgeführt ist, jedenfalls dann nicht, wenn ihm die gewünschte Auskunft nicht vorher von zuständigen Behördemitgliedern oder Chefbeamten ausdrücklich verweigert worden ist. Eine Sanktion darf vielmehr nur dann Platz greifen, wenn unlauteres Verhalten vorliegt. Ein solches Verhalten ist ![]() | 68 |
b) Art. 12 der Richtlinien bedroht auch den Informationsempfänger mit dem Informationsentzug, der erhaltene Informationen missbräuchlich verwendet oder die Wahrheits- und Berichtigungspflicht verletzt. In diesen Fällen wird von den Informationsempfängern ein Verhalten gefordert, das sie in ihrer Meinungsäusserungs- beziehungsweise Pressefreiheit beschränkt.
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Die Freiheitsrechte können nach dem Verfassungsrecht des Bundes gestützt auf eine genügende gesetzliche Grundlage eingeschränkt werden, sofern der Eingriff zum Schutze der öffentlichen Ordnung, Sicherheit, Sittlichkeit oder Gesundheit sowie der Lauterkeit im Geschäftsverkehr erforderlich ist und dem Gebot der Verhältnismässigkeit entspricht (BGE 96 I 589 mit Hinweisen). Art. 10 Ziff. 2 EMRK umschreibt die Schranken der Meinungsäusserungsfreiheit wie folgt:
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"Da die Ausübung dieser Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, kann sie bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer notwendig sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten."
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Dass die Richtlinien eine genügende gesetzliche Grundlage darstellen, wurde bereits erkannt. In diesem Zusammenhang ist lediglich einschränkend festzustellen, dass die Sanktion des Informationsentzugs nur bei Pflichtverletzungen gegenüber der informierenden Behörde ausgesprochen werden darf. Weitergehende Aussenwirkungen vermag die Verwaltungsverordnung nicht abzudecken. Die Verhinderung von Rechtsmissbräuchen und Unwahrheiten bei der Verbreitung von Informationen sowie die Durchsetzung der gesetzlich vorgesehenen Berichtigungspflicht (§ 12 des Gesetzes wider den Missbrauch der Pressefreiheit ![]() | 72 |
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