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37. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 15. Oktober 1986 i.S. Hansueli Moser-Ehinger gegen Regierungsrat und Grosser Rat des Kantons Basel-Stadt (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Art. 85 lit. a OG. Kanton Basel-Stadt. Wahl von Strafgerichtspräsidenten. Stille Wahl. | |
Sachverhalt | |
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Am 31. Dezember 1985 lief für die Hälfte der acht Strafgerichtspräsidenten die sechsjährige Amtsdauer ab. Zwei dieser vier Präsidenten erklärten schon Ende 1984 ihren Rücktritt auf diesen Termin, d.h. den Verzicht auf die Wiederwahl für eine neue Amtsdauer. Am 10. und 11. Mai 1985 erklärten zwei weitere Strafgerichtspräsidenten, deren Amtsdauer noch bis zum 31. Dezember 1988 lief, ihren (vorzeitigen) Rücktritt auf den 31. Dezember 1985.
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Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt ging davon aus, dass die Erneuerungswahl für die vier Präsidentenämter mit ablaufender Amtsdauer und die Ersatzwahl für die beiden weiteren, durch vorzeitigen Rücktritt auf den gleichen Zeitpunkt hin frei werdenden Präsidentenämter in getrennten Verfahren durchzuführen seien. Er liess im Kantonsblatt vom 5. Juni 1985 die erstgenannten vier Ämter im Rahmen der Bekanntmachung der allgemeinen "Erneuerungswahlen in die Gerichte (Ablauf der Amtsperiode 1985)" ausschreiben und anschliessend gesondert auf die "Ersatzwahl von zwei Präsidenten des Strafgerichtes (Ablauf der Amtsperiode 1988)" hinweisen, wobei sowohl die allgemeine Erneuerungswahl für die Gerichte wie auch die erwähnte Ersatzwahl auf das Wochenende vom 20.-22. September 1985 und ein allfälliger zweiter Wahlgang auf den 18.-20. Oktober 1985 festgesetzt wurden.
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Mit Beschluss vom 20. August 1985, publiziert im Kantonsblatt vom 24. August 1985, stellte der Regierungsrat fest, dass für die Erneuerungswahl von vier Präsidenten des Strafgerichtes lediglich vier Kandidaten vorgeschlagen und diese damit (wie auch noch weitere Gruppen von Richtern) gemäss § 40 des Wahlgesetzes als in stiller Wahl gewählt zu erklären seien; der für diese Ämter auf den 20.-22. September 1985 angesetzte Wahlgang wurde dementsprechend widerrufen. Für die zur Ersatzwahl in zwei Strafgerichtspräsidien vorgeschlagenen drei Kandidaten blieb es dagegen bei der angesetzten Urnenwahl.
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Gegen die am 20.-22. September 1985 durchgeführten Ersatzwahlen, in welchen zwei Kandidaten im ersten Wahlgang gewählt wurden und der dritte ausschied, erhob Hansueli Moser-Ehinger am 30. September 1985 erneut Einsprache beim Regierungsrat, u.a. mit dem zusätzlichen Begehren, die Wahl vom 20.-22. September 1985 aufzuheben. Mit Beschluss vom 21. November 1985 wies der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt die beiden Einsprachen des Beschwerdeführers ab und validierte gleichzeitig alle erfolgten Wahlen (Kantonsblatt vom 23. November 1985). Im Anschluss an diesen Beschluss des Grossen Rates erhob Hansueli Moser-Ehinger am 11. Dezember 1985 eine zweite Stimmrechtsbeschwerde.
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Nach Auffassung des Beschwerdeführers beeinträchtigt das angewandte Wahlverfahren das Wahlrecht und die Wahlfreiheit des Bürgers, indem für vier der zu vergebenden sechs Präsidentenämter keine Volkswahl, sondern eine stille Wahl stattgefunden habe, obwohl die Zahl der vorgeschlagenen Kandidaten höher gewesen sei als jene der zu besetzenden Ämter. Durch eine solche Teilung der Strafgerichtspräsidentenwahl in zwei Pakete werde dem Stimmbürger die Möglichkeit genommen, wiederkandidierende ![]() | 8 |
c) Der Beschwerdeführer schildert die Auswirkungen des hier angewandten Wahlverfahrens an sich zutreffend. Die Frage ist, ob dieses Verfahren auf einer richtigen Auslegung der massgebenden Vorschriften beruht. Dass die in § 40 des basel-städtischen Wahlgesetzes vorgesehene Einrichtung der stillen Wahl, welche in gleicher oder ähnlicher Form auch in andern Kantonen und im Bund existiert (vgl. Z. GIACOMETTI, Das Staatsrecht der schweizerischen Kantone, Zürich 1941, S. 282; KASPAR LAELY, Die stille Wahl in der Demokratie, Diss. Bern 1951, S. 17-27), schon an sich gegen übergeordnetes kantonales oder eidgenössisches Recht verstosse, wird vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht; zu prüfen ist lediglich die Handhabung der angerufenen Vorschriften des kantonalen Wahlgesetzes und des kantonalen Gerichtsorganisationsgesetzes.
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d) Die hier in Frage stehenden Richterwahlen finden nach dem in §§ 32 ff. des Wahlgesetzes vorgesehenen Majorzverfahren statt. Danach können für die zu besetzenden Ämter innert bestimmter Frist Wahlvorschläge eingereicht werden, welche von mindestens zehn Stimmberechtigten unterzeichnet sein müssen, wobei ein Stimmberechtigter nur einen Wahlvorschlag unterzeichnen darf (§ 34 Abs. 1 und 2 WG). Gleichzeitig mit dem Wahlvorschlag muss die schriftliche Zustimmung der vorgeschlagenen Kandidaten eingereicht werden (§ 34 Abs. 3 WG). § 40 Abs. 1 WG bestimmt alsdann: "Ist bei Wahlen die Zahl der Vorgeschlagenen gleich gross wie die Zahl der zu Wählenden, so findet keine Wahlhandlung statt. Der Regierungsrat widerruft den angesetzten Wahlgang und erklärt die Vorgeschlagenen als gewählt." Sind diese Voraussetzungen einer stillen Wahl nicht erfüllt, so findet ein Urnengang statt, bei dem der Stimmbürger an die erfolgten, auf gedruckten Wahlzetteln erscheinenden Wahlvorschläge nicht gebunden ist, ![]() | 10 |
e) Nach Meinung des Beschwerdeführers hätten im vorliegenden Fall die sechs vakanten Stellen von Strafgerichtspräsidenten unter dem Gesichtswinkel der Regelung über die stille Wahl als eine einzige Ämtergruppe behandelt werden müssen, womit die Voraussetzungen einer stillen Wahl wegen der Überzahl von Wahlvorschlägen (sieben Kandidaten für sechs Ämter) nicht gegeben gewesen wären. Diese Betrachtungsweise wäre dann zulässig und richtig, wenn es lediglich auf die Funktion des zu vergebenden Amtes ankäme und nicht auch auf den Zeitraum, für den die Wahl erfolgen soll. In bezug auf dieses zeitliche Element waren die zu vergebenden Präsidentenämter nicht identisch. Bei vier Ämtern ging es um eine Wiederwahl für die volle Amtsdauer von sechs Jahren (1986-1991), während die beiden weiteren, durch vorzeitigen Rücktritt freigewordenen Ämter lediglich für den Rest der für sie noch laufenden Amtsdauer (1986-1988) zu besetzen waren. Diesen Unterschied verkennt auch der Beschwerdeführer nicht. Er nimmt jedoch an, der basel-städtische Gesetzgeber habe eine Gleichsetzung von Erneuerungswahlen und Ersatzwahlen gewollt, indem er in § 6 des Gerichtsorganisationsgesetzes für die Verteilung von Richterämtern mit ungleicher Amtsdauer auf gewählte Kandidaten ein besonderes Verfahren vorsehe. Unter der Überschrift "Ersatzwahl" bestimmt § 6 des GOG zunächst, dass bei Ausscheiden eines Richters vor Ablauf der Amtsdauer eine "Ersatzwahl" für den Rest seiner Amtsdauer stattzufinden hat (Abs. 1), wobei Ersatzwahlen für Gerichtspräsidenten und für Statthalter "ohne Verzug" und für ausscheidende Richter wenigstens einmal jährlich erfolgen müssen (Abs. 2). Abs. 4 lautet: "Sind gleichzeitig mehrere Stellen von Präsidenten oder Richtern zu ersetzen, deren Amtsdauer nicht zu gleicher Zeit abläuft, so wird in einer Plenarsitzung des Gerichts durch das Los bestimmt, welche Amtsdauer für jeden der Neugewählten gelte." Diese Bestimmung bezieht sich, worauf schon die erwähnte Überschrift des ganzen Paragraphen hindeutet, ausschliesslich auf Fälle von Ersatzwahlen. Der Einwand des Beschwerdeführers, letztlich sei jede Wahl eine Ersatzwahl, soweit es nicht um die Besetzung eines neugeschaffenen Amtes gehe, und die vom Regierungsrat im Verfahren ![]() ![]() ![]() | 11 |
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