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31. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 20. Juli 1979 i.S. Rohr gegen NOK/SBB und Stellvertreter des Präsidenten der Eidg. Schätzungskommission, Kreis 8 (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Vorzeitige Besitzeinweisung nach Art. 53 ElG. |
Die vorzeitige Besitzeinweisung nach Art. 53 ElG kann erst nach der Erteilung des Enteignungsrechtes an das Elektrizitätswerk gewährt werden (E. 1d, e). |
Verhältnis von Art. 53 ElG zu Art. 76 EntG (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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Erwägungen: | |
1. a) Das in Art. 1 umschriebene Enteignungsrecht kann entweder vom Bunde selbst ausgeübt oder an Dritte übertragen werden, und zwar - je nach Bedeutung des Werkes - durch Bundesbeschluss oder Bundesgesetz (Art. 2 und Art. 3 Abs. 2 EntG). Ermächtigt der Bundesbeschluss oder das Bundesgesetz den Dritten nicht generell zur Enteignung, sondern muss das Enteignungsrecht in jedem Einzelfall noch ausdrücklich erteilt werden, so entscheidet darüber nach Art. 3 Abs. 3 EntG, sofern es sich nicht um Konzessionen handelt, das in der Sache zuständige Departement. Diese Bestimmung ist zur Klarstellung der Kompetenzverhältnisse am 18. März 1971 ins revidierte Enteignungsgesetz aufgenommen worden (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 20. Mai 1970, BBl 1970 I, S. 1018 N. 3.5). Sie steht in Übereinstimmung mit dem zur gleichen Zeit abgeänderten Art. 55 EntG, welcher den Entscheid über Einsprachen gegen die Enteignung neu dem Departement statt dem Bundesrat überträgt und welcher seinerseits auf der vorangegangenen Neufassung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege beruht, wonach Einsprachenentscheide in Enteignungssachen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht unterliegen (vgl. Art. 99 lit. c OG; Art. 23 Abs. 2 VwOG ![]() | 2 |
b) Den Eigentümern von elektrischen Starkstromanlagen und den Bezügern elektrischer Energie steht in der Regel das Enteignungsrecht für die Einrichtungen zur Fortleitung und Verteilung der elektrischen Energie nicht schon von Gesetzes wegen zu; es muss ihnen in jedem Einzelfall ausdrücklich übertragen werden. Nach dem Text von Art. 43 Abs. 1 ElG, welcher leider bei der Revision des Enteignungsgesetzes im Jahre 1971 nicht an die neue Kompetenzordnung angepasst wurde, wäre die Gewährung des Enteignungsrechtes in diesen Fällen Sache des Bundesrates. Wie bereits ausgeführt, liegt jedoch die Zuständigkeit nach der geltenden Regelung beim Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement beziehungsweise, wenn keine Einsprachen vorliegen, bei dessen Generalsekretariat (Art. 23 Abs. 2 VwOG; Art. 57 Ziff. 3 des Bundesratsbeschlusses betreffend die Zuständigkeit der Departemente und der ihnen unterstellten Amtsstellen zur selbständigen Erledigung von Geschäften vom 17. November 1914 und Art. 1 Ziff. 7 der Verfügung des Eidg. Post- und Eisenbahndepartementes betreffend die Übertragung von Geschäften an die Abteilung Rechtswesen und Sekretariat und an die Eisenbahnabteilung zur selbständigen Erledigung vom 1. Februar 1932).
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c) Für die Verleihung des Enteignungsrechtes für Einrichtungen zur Fortleitung und Verteilung der elektrischen Energie ist ein spezielles, in der schweizerischen Rechtsordnung einzig dastehendes Verfahren vorgesehen. Das Unternehmen hat den Präsidenten der Schätzungskommission, noch bevor es mit dem Enteignungsrecht ausgestattet worden ist, um Einleitung des Enteignungsverfahrens zu ersuchen. Können sich in der Folge das Unternehmen und die betroffenen Grundeigentümer an der Einigungsverhandlung sowohl über die abzutretenden Rechte als auch über die Entschädigungen ins Einvernehmen setzen, so wird das Verfahren abgeschlossen. Wird dagegen an Einsprachen festgehalten oder können sich die Parteien über Entschädigungsfragen nicht einigen, so überweist der Präsident der Schätzungskommission die Akten dem Departement zur Erteilung des Enteignungsrechtes bzw. zum Entscheid darüber, ![]() | 4 |
d) Das Elektrizitätsgesetz enthält im weiteren besondere Vorschriften über das Enteignungsverfahren selbst, die den allgemeinen Bestimmungen des Enteignungsgesetzes, welche im übrigen anwendbar sind, vorgehen (Art. 43 Abs. 1 und Art. 49 ElG; HESS, a.a.O., N. 11 zu Art. 43 ElG). So werden in Art. 53 ElG die Voraussetzungen für die vorzeitige Besitzeinweisung speziell umschrieben. Die heutige Fassung dieser Bestimmung, die durch eine Gesetzesänderung bei der Schaffung des Enteignungsgesetzes im Jahre 1930 entstand, führte damals für die Werkeigentümer im Vergleich zu den Vorschriften des Elektrizitätsgesetzes von 1902 einerseits zu Erschwerungen für den Bau von elektrischen Leitungen, andererseits zu Erleichterungen für die Erstellung anderer elektrischer Anlagen (HESS, a.a.O., N. 1, 2 zu Art. 53 ElG). Im Vergleich zu Art. 76 EntG in der Fassung von 1930 brachte hingegen die Bestimmung von Art. 53 ElG für die Elektrizitätswerke nur Vorteile. Sie ermöglichte die vorzeitige Besitzeinweisung vor Durchführung der Einigungsverhandlung, und zwar durch Entscheid des Präsidenten allein, ohne dass zuvor die ganze Kommission einen Augenschein vorgenommen hätte; zudem befreite sie den Enteigner vom Nachweis, dass ihm ohne die vorzeitige Inbesitznahme bedeutende Nachteile entstünden (vgl. Art. 76 aEntG; HESS, a.a.O., N. 7, 9 zu Art. 53 ElG, N. 6, 7, 8 zu Art. 76 aEntG).
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Zum Verhältnis von Art. 53 ElG zum heute geltenden, seit 1972 in Kraft stehenden Text von Art. 76 EntG wird weiter unten (E. 2) die Rede sein.
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e) Die vorzeitige Besitzeinweisung kann vom Präsidenten der Schätzungskommission in Anwendung von Art. 53 ElG, wie ausdrücklich im Gesetz festgehalten ist, erst "nach der Plangenehmigung" ("après approbation des plans", "approvati che siano i piani") bewilligt werden. Unter Plangenehmigung im Sinne von Art. 53 ElG ist die Genehmigung des Enteignungsplanes und die damit verbundene Erteilung des Enteignungsrechtes ![]() | 7 |
Zu Unrecht geht der Präsident-Stellvertreter der Schätzungskommission im angefochtenen Entscheid davon aus, dass mit der Plangenehmigung im Sinne von Art. 53 ElG die - den Leitungseigentümerinnen am 13. Juli 1978 erteilte - Genehmigung des Eidg. Starkstrominspektorates gemeint sei. Die Genehmigung des Werkplanes durch das Starkstrominspektorat gemäss Art. 15 Abs. 2 ElG steht mit dem Enteignungsverfahren in keinem Zusammenhang; ihr kommt lediglich der Charakter einer Polizeierlaubnis zu (HESS, a.a.O., Vorbemerkungen zu Abschnitt V vor Art. 55 EntG, N. 1-3, 9, 20; vgl. über die beiden analogen Institute im Eisenbahngesetz BGE 101 Ib 283 f. E. 2d). Dass Art. 53 ElG auf die Genehmigung des Enteignungsplanes durch das Starkstrominspektorat Bezug nimmt, ergibt sich übrigens auch klar aus der Verordnung über die Vorlagen für elektrische Stromanlagen vom 26. Mai 1939. Nach Art. 84 dieser Verordnung darf mit dem Bau einer elektrischen Anlage erst begonnen werden, wenn keine enteignungsrechtlichen Hindernisse mehr vorliegen, was vor dem Erwerb der expropriierten Rechte durch den Enteigner nur dann der Fall ist, "wenn nach Erteilung des Enteignungsrechtes durch den Bundesrat (heute durch das Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement) der Präsident der Schätzungskommission dem Enteigner die vorzeitige Besitzeinweisung (Art. 53 des Elektrizitätsgesetzes) bewilligt hat" (lit. b), wenn im bundesgerichtlichen Verfahren der Instruktionsrichter die vorläufige Vollstreckung der Enteignung verfügt (lit. c) oder der Enteignete den Enteigner ausdrücklich zur vorzeitigen Inbesitznahme ermächtigt hat (lit. d).
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Da der NOK das Enteignungsrecht noch nicht erteilt worden ist, durfte ihr die vorzeitige Inbesitznahme, die als schwerwiegender und zwingender Eingriff in die Eigentumsrechte nur einem Inhaber hoheitlicher Machtbefugnisse zustehen kann, ![]() | 9 |
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Art. 76 EntG hat bei der Revision vom 18. März 1971 in verschiedener Hinsicht bedeutende Änderungen erfahren, die auf das Bestreben zurückzuführen sind, einerseits das Verfahren zu vereinfachen und andererseits die Parteirechte zu stärken. Während nach dem früheren Recht der Entscheid über die Besitzeinweisung endgültig war (Art. 76 Abs. 3 aEntG), kann er heute - hinsichtlich der Besitzeinweisung selbst und der Pflicht zur Sicherstellung, dagegen nicht in bezug auf allfällige Abschlagszahlungen - mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden (Art. 29 Abs. 4 der Verordnung für die eidgenössischen Schätzungskommissionen), wenn auch nur innert einer verkürzten Frist von 20 Tagen (Art. 76 Abs. 6 EntG). Im weiteren wird in der neuen Gesetzesbestimmung der Entscheid über die vorzeitige Besitzeinweisung, gemäss dem Vorbild des Elektrizitätsgesetzes (zit. Botschaft des Bundesrates, S. 1014), im Regelfall dem Präsidenten der Schätzungskommission allein übertragen. Und schliesslich ist als wichtigste Neuerung die vorzeitige Besitzeinweisung nunmehr auch vor der rechtskräftigen Erledigung der Einsprachen zu gewähren, doch darf dem Gesuch nur insoweit entsprochen werden, als keine bei nachträglicher Gutheissung nicht wieder gutzumachenden Schäden entstehen (Art. 76 Abs. 4 EntG, vgl. zit. Botschaft des Bundesrates, S. 1014; s. auch den abgeänderten Text von Art. 52 EntG, ![]() | 11 |
Aus dem Vergleich von Art. 53 ElG und Art. 76 EntG in der geltenden Fassung ergibt sich klar, dass die allgemeinen Bestimmungen des Enteignungsgesetzes über die vorzeitige Besitzeinweisung für die Unternehmen günstiger sind als die Spezialvorschriften des Elektrizitätsgesetzes, die im Zeitpunkt ihrer Aufnahme in das Gesetz im Jahre 1930 die Elektrizitätswerke gegenüber den anderen Unternehmungen privilegierten. Nun besteht kein Zweifel, dass der Gesetzgeber von 1970 nicht die Absicht hatte, gerade die vom früheren Recht begünstigten Elektrizitätswerke, die mit der Versorgung des Landes mit elektrischer Energie eine äusserst wichtige, im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe erfüllen, von den Vorteilen des revidierten Art. 76 EntG auszuschliessen. Es würde daher zwar dem Wortlaut von Art. 53 ElG, nicht aber dem Willen des Gesetzgebers und dem Zweck dieser Bestimmung widersprechen, wenn bei Enteignungen für elektrische Anlagen Art. 76 EntG als allgemeiner, jedoch jüngerer Vorschrift gegenüber der Spezialvorschrift von Art. 53 ElG insoweit der Vorrang eingeräumt würde, als die vorzeitige Besitzeinweisung durch die Norm des Enteignungsgesetzes Erleichterungen erfährt.
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Eine solche Gesetzesauslegung würde die Situation für die Elektrizitätswerke allerdings nur verbessern, wenn das Verfahren zur Erteilung des Enteignungsrechtes vom Einspracheverfahren abgetrennt und diesem vorangestellt würde. Erst die Aufteilung des Genehmigungsverfahrens ermöglichte es, den Elektrizitätswerken nach der Übertragung des Enteignungsrechtes - unabdingbare Voraussetzung zur Anwendung sowohl von Art. 76 EntG als auch von Art. 53 ElG - die vorzeitige Besitzeinweisung auch dann zu gewähren, wenn über Einsprachen noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Eine solche Lösung, die durch blosse Praxisänderung der Verwaltungsbehörden zu verwirklichen wäre, wurde offenbar schon von Hess, noch während das alte Enteignungsgesetz in Kraft stand, für zweckmässiger als die heutige Regelung gehalten (HESS, a.a.O., N. 16 zu Art. 3 EntG, N. 9 ff. zu Art. 50 Abs. 2 ElG).
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Es steht jedoch dem Bundesgericht nicht zu, darüber zu befinden, in welchem Zeitpunkt und welchem Verfahren die Übertragung des Enteignungsrechtes an Elektrizitätswerke zu ![]() | 14 |
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