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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
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50. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. Oktober 1980 i.S. Gebrüder Thomann & Co. gegen Gemischte Gemeinde Röschenz und Verwaltungsgericht des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 30 GSchG und Art. 22ter BV; Entschädigung für Nutzungsbeschränkungen infolge Grundwasserschutzzone. | |
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3. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, Art. 30 GSchG gebe ihr einen Entschädigungsanspruch unabhängig davon, ob sie durch die Nutzungsbeschränkungen materiell enteignet werde, geht fehl. Abgesehen davon, dass sie das Verfahren zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen wegen materieller Enteignung eingeleitet hat und ihre Behauptung bereits aus diesem Grunde widersprüchlich ist, geht aus dem Wortlaut von Art. 30 GSchG unmissverständlich ![]() | 1 |
4. Das Bundesgericht ist in steter Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die Ausübung jedes verfassungsmässigen Rechts unter dem Vorbehalt staatlicher Massnahmen zur Wahrung ![]() | 2 |
"Von einer entschädigungslos zulässigen Eigentumsbeschränkung muss ...
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dann gesprochen werden, wenn mit der gegen den Störer gerichteten Massnahme
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eine als Folge der beabsichtigten Grundstücksbenutzung zu erwartende
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konkrete, d.h. ernsthafte und unmittelbare Gefahr für die öffentliche
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Ordnung, Sicherheit und Gesundheit abgewendet werden soll und wenn die
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zuständige Behörde zu diesem Zweck ein von Gesetzes wegen bestehendes
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Verbot konkretisiert und in Bezug auf die in Frage stehende
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Grundstücksnutzung bloss die stets zu
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beachtenden polizeilichen Schranken der Eigentumsfreiheit festsetzt."
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Diese Rechtsprechung hat das Bundesgericht dem Grundsatze nach wiederholt bestätigt (BGE 105 Ia 335 E. 3b und BGE 103 Ib 214 E. 1c; Urteil Stalder vom 14. Februar 1979, in BVR 77/1979 S. 381 E. 4b und c). ANDRE GRISEL (Juridiction constitutionnelle de demain, in ZBl 72/1971 S. 224) meldet dagegen einen Vorbehalt an, weil die Abgrenzung des engen Polizeibegriffs schwierig sei. Dieser Umstand allein bildet aber keinen genügenden Grund zur Aufgabe des Grundsatzes, dass Beschränkungen, welche die stets zu beachtenden polizeilichen Schranken der Eigentumsfreiheit festsetzen, entschädigungslos zu dulden sind. Das von A. GRISEL angeführte Beispiel - gänzliches Bauverbot zur Sicherung der Verkehrsübersicht - vermag deshalb nicht zu überzeugen, weil ein entsprechendes, regelmässig mit planerischen Mitteln wie einer Baulinienziehung erfolgendes Verbot, das eine an sich zur Überbauung geeignete, einer Bauzone zugewiesene erschlossene Parzelle betrifft, keineswegs bloss die stets zu beachtenden polizeilichen Schranken der Eigentumsfreiheit festsetzt. Im Vordergrund steht vielmehr eine Massnahme der Strassenplanung, die ein dem Eigentümer grundsätzlich zustehendes Recht entzieht. Es ist denn auch kennzeichnend, dass das positive Recht vielfach ![]() | 12 |
Auch die Kritik von BLAISE KNAPP (La garantie de la propriété - l'expropriation matérielle, in: Le droit suisse en évolution, veröffentlicht von der Faculté de droit de l'université de Lausanne, 1978 S. 12) spricht nicht gegen den genannten Entscheidungsgrundsatz, da das von ihm angeführte Beispiel der Bauvorschriften zur Beschränkung der Geschosszahl auch nach der Auffassung des Bundesgerichts keinen Anwendungsfall des Polizeibegriffes im engeren Sinne darstellt. Das zweite Beispiel - Verschärfung von Sicherheitsvorschriften, die zur Folge haben können, dass bewilligte Installationen geändert werden müssen - berührt Fragen der Bestandesgarantie, auf die sich der angeführte Entscheidungsgrundsatz nicht ohne weiteres bezieht, hat doch das Bundesgericht die Frage, wie zu entscheiden wäre, wenn eine bereits bestehende Nutzung untersagt wird, ausdrücklich offen gelassen (BGE 96 I 359 unten).
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ULRICH ZIMMERLI schliesslich (Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur materiellen Enteignung, ZBl 75/1974 S. 152 f.) möchte den Grundsatz des Ausschlusses der Entschädigungspflicht bei polizeilichen Eigentumsbeschränkungen im engeren Sinne dahin präzisieren, dass jedenfalls solche Eigentumsbeschränkungen entschädigungslos zuzulassen sind, "die der konkreten Gefahrenabwehr dienen und mit denen vermieden werden soll, dass der Eigentümer von seinem Grundstück aus andere Bürger ernsthaft und unmittelbar gefährdet oder schädigt oder dass der Grundeigentümer sich selber erheblichen Gefahren aussetzt". Diese Formulierung entspricht durchaus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, umfasst sie doch die in BGE 96 I 128 E. b angeführten Beispiele sowie das mit Rücksicht auf eine Grundwasserfassung angeordnete Verbot der Kiesausbeutung, das dem Entscheid BGE 96 I 350 ff. zugrunde liegt.
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An dieser Rechtsprechung ist daher festzuhalten. Es ist indes hervorzuheben, dass nach ihr nur solche polizeilichen Verbote entschädigungslos zu dulden sind, welche "in bezug auf die in Frage stehende Grundstücksnutzung bloss die stets zu beachtenden polizeilichen Schranken der Eigentumsfreiheit" festsetzen. Stets zu beachten sind nur die im Sinne des Verhältnismässigkeitsprinzipes ![]() | 15 |
5. (Im vorliegenden Fall stellen die angeordneten Nutzungsbeschränkungen eine gegen den Störer gerichtete Massnahme dar, mit der eine konkrete, d.h. ernsthafte und unmittelbare Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit und Gesundheit abgewendet werden soll, nämlich die Gefahr der Verschmutzung der von der Gemeinde seit langem betriebenen Trinkwasserfassung "Kächbrunnen", von deren Bestehen die Beschwerdeführerin beim Erwerb des fraglichen Landwirtschaftsbetriebes Kenntnis haben musste.)
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